Fallstudien zum Wettbewerbsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und

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Diplomstudiengang Rechts- und Wirtschaftswissenschaften
Fallstudien zum Wettbewerbsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht
Kartellrecht III
Christian Heinichen
Ausgabe: Freitag, den 05.01.2007; Abgabe bis Freitag, den 12.01.2007, 12.00 Uhr, an folgende EMail-Adresse: [email protected].
Sachverhalt
Die Sunshine Corp., mit Sitz in New York, ist die US-amerikanische Muttergesellschaft des weltweit tätigen Sunshine-Konzerns, einem Produzenten von synthetischen Aminosäuren (z.B. Methionin, Lysin und Valin). Diese werden als Futtermitteladditive in der Herstellung von Tiernahrung
eingesetzt. In Europa vertreibt der Sunshine-Konzern seine Aminosäuren durch die deutsche Sunshine GmbH, eine 100%-ige Tochtergesellschaft der Sunshine Corp.
1. Ein (Methionin-)Bereichsleiter der Sunshine Corp. vereinbarte am 01.10.2006 während eines
Gesprächs mit europäischen Wettbewerbern, dass der Preis für Methionin in Europa mit Wirkung zum 01.12.2006 einheitlich um 10% angehoben werden soll. Das Gespräch fand in Zürich
statt. Ein Ermittlungsbeamter der Europäischen Kommission, der von diesem Treffen und seinem Inhalt zufällig erfahren hat, fragt Sie noch vor Umsetzung der Zielpreisvereinbarung, ob er
gegen die Sunshine Corp. oder die deutsche Sunshine GmbH ein Bußgeld erlassen kann? Wie
würde ein Richter des EuGH diese Frage beantworten? Ändert sich etwas an der Beurteilung,
wenn die deutsche Sunshine GmbH die Preiserhöhung auf Anweisung ihrer Muttergesellschaft
bereits am europäischen Markt umgesetzt hat?
2. Ein (Lysin-)Bereichsleiter der deutschen Sunshine GmbH traf sich am 01.01.2007 mit den zwei
anderen europäischen Wettbewerbern zu einem Gespräch in Brüssel. Gegenstand war vorrangig
die sich abzeichnende Pflicht zur Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien (REACH) in der EG. Am Rande wurde das Treffen jedoch auch zu einem Austausch von
Informationen genutzt. So kündigte der Bereichsleiter des französischen Wettbewerbers Lanzo
SA an, dass sein Unternehmen die Preise für Lysin in Europa mit Wirkung zum 01.03.2007 um
5% anheben wird. Preiserhöhungsschreiben seien bereits vorbereitet und würden in den nächsten Tagen an die europäischen Kunden versandt. Der Mitarbeiter des zweiten Wettbewerbsunternehmens deutete an, dass auch sein Unternehmen eine (längst überfällige) Preiserhöhung
vorbereiten würde. Konkrete Zahlen nannte er jedoch nicht. Der anwesende Bereichsleiter der
Sunshine GmbH hörte sich diese beiden Ausführungen ausschließlich an. Eine eigene Meinung
äußerte er aber nicht. Da er eine Preiserhöhung im genannten Umfang jedoch auch für erforderlich hält, plant er, sich der Lanzo SA anzuschließen und auch Preiserhöhungsschreiben an die
Kunden der Sunshine GmbH zu richten. Vorher wendet er sich jedoch an Sie: War sein Verhal-1-
ten während des Gesprächs in Brüssel kartellrechtlich korrekt? Zu welcher Maßnahme würden
Sie ihm raten? Könnte sich die Sunshine GmbH gegenüber einer Wettbewerbsbehörde mit dem
Hinweis auf einen „oligopolistischen Marktzwang“ verteidigen?
3. Die Sunshine GmbH ist ein Anbieter der Aminosäure Valin mit einem europäischen Marktanteil
von 85%. Zur Herstellung von Valin wird eine spezielle Essigsäure benötigt, welche die Sunshine GmbH (Käuferin) im Umfang von 4.000 to (bei einem europäischen Gesamtmarkt für diese Essigsäure von 10.000 to) von der belgischen Acid SA (Verkäuferin) bezieht. Die Sunshine
GmbH möchte folgende Klausel in ihren Essigsäure-Liefervertrag mit der Acid SA aufnehmen:
„Die Verkäuferin wird von der Käuferin keine höheren Preise verlangen als von ihren anderen
Abnehmern, soweit diese Essigsäure in vergleichbarer Qualität und Menge beziehen.“
Bestehen gegen diese Vertragsklausel kartellrechtliche Bedenken?
4. Die mehrjährigen Lieferverträge der Sunshine GmbH (Verkäuferin) mit ihren Valin-Kunden
(Käufer) enthalten eine Bonusregelung, durch die den Abnehmern bei Erreichen bestimmter
Abnahmemengen gestufte Rabatte eingeräumt werden. In den Verträgen ist zudem die folgende
Klausel enthalten:
„Wird dem Käufer durch einen anderen etablierten Produzenten Valin zu einem niedrigeren
Preis angeboten, als er dieser Liefervereinbarung zugrunde liegt, so hat der Käufer das Recht,
die Verkäuferin zur Reduzierung des Lieferpreises auf dieses niedrigere Niveau aufzufordern.
Hierzu muss er der Verkäuferin den Namen des anderen etablierten Produzenten, die angebotene Menge sowie den Angebotspreis mitteilen und durch geeignete Unterlagen nachweisen.
Handelshäuser und Produzenten, die Valin nur gelegentlich anbieten, sind keine etablierten Anbieter im Sinne dieser Klausel.
Die Verkäuferin wird sich im Anschluss an diese Information innerhalb von 15 Tagen entscheiden, ob sie ihren Lieferpreis auf das niedrigere Preisniveau des alternativen Anbieters reduziert.
Lehnt sie eine Preisreduzierung ab, so ist der Käufer frei, sich bei dem anderen Anbieter zu versorgen. Die hierbei bezogenen Valinmengen gelten im Rahmen der Rabattstaffel als von der
Verkäuferin erworben. Sie werden bei der Rabattberechnung zugunsten des Käufers berücksichtigt.“
Bestehen gegen diese Vertragsklausel kartellrechtliche Bedenken?
Bearbeitervermerk:
Alle vier Teilfragen sind von allen vier Bearbeitern problemorientiert und -konzentriert schriftlich
zu beantworten. Die Fragestellungen sind in Schwierigkeit und Bewertungsumfang gleich.
Im Rahmen des zehnminütigen mündlichen Vortrags soll sich jeder Bearbeiter auf EINE der vier
Fragestellungen konzentrieren. Hierbei haben die Bearbeiter untereinander sicherzustellen, dass jede der vier Fragestellungen von jeweils einem Bearbeiter vorgetragen wird. Sollte eine solche Abstimmung nicht möglich sein, so hat jeder Bearbeiter seinen Vortrag für alle vier Fragestellungen
vorzubereiten und der Dozent entscheidet im Veranstaltungstermin über die Themenvergabe.
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