7.9 Reaktionen mit Kohlenstoff-Nucleophilen

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7.9 Reaktionen mit Kohlenstoff-Nucleophilen
Die Addition von Cyanwasserstoff ist reversibel und wird durch Basen katalysiert.
+ HCN
– CN–
O
R C
+
C N
H
Cyanhydrin
Beim Behandeln der Cyanhydrine mit einer stöchiometrischen Menge Base
–
zerfallen die Cyanhydrine unter Rückbildung der Carbonylverbindung und von CN .
Modifiziertes Kiliani-Fischer-Verfahren zur Verlängerung der Kohlenstoffkette in
Zuckern.
H
CN
H
C
O
H C OH
CH2OH
D-Glycerinaldehyd
C
NH
H
C
O
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
H C OH
CH2OH
CH2OH
CH2OH
HCN
CN
H2, Pd/BaSO4
H+, H2O
Druck
HO C H
H
C
NH
HO C H
H2O,
– NH3
D-Erythrose
H
C
O
HO C H
H C OH
H C OH
H C OH
CH2OH
CH2OH
CH2OH
D-Threose
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161
Umpolung der Carbonyl-Reaktivität nach Hünig:
O
+
R C
LiN(iPr)2
(LDA)
[CN–]
Me3SiCN
OSiMe3
R C:
CN
bzw.
[ZnI2]
H
R'–Br
F
Et3N·2HF
normale
Reaktivität
O
Nu
R C
O
umgepolte
Reaktivität
R C
=
H
OSiMe3
R C:
CN
Streckersche Aminosäure-Synthese durch Umsetzung von Aldehyden mit HCN in
Gegenwart von Ammoniak und nachfolgende Hydrolyse.
O
+ NH3
H
– H 2O
R C
+
+ H–CN
+
NH3 O
R C C
OH
H
H3O+
Benzoin-Kondensation
O
Ph
C
+ :C N :
Ph
H
OH
C:
CN
Ph
O
C
H
·· :
:O
Ph
C N
Ph
OH
H
Benzoin
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162
Cyanid-Ionen (CN–) katalysieren nur die Benzoin-Kondensation aromatischer
Aldehyde. Bei aliphatischen Aldehyden nicht möglich, da die Ausbildung des
Carbanions nicht gelingt.
Statt CN– können hier Thiazolium-Ionen eingesetzt werden, die sich leicht
deprotonieren lassen.
+
R
+
R
N
N
+ OH–
H
S
S
+ H2O
O
:
H
C
R
Wirkprinzip von Vitamin B1 (Thiamin)
Reaktionen mit Acetyliden
R''
R C C:
Na
H3O+
C O
+
R''
R C C C OH
R'
R'
Grignard-Verbindungen
Bei Metallorganischen Verbindungen besitzt Kohlenstoff eine negative
Partialladung, weil Metalle weniger elektronegativ als der Kohlenstoff sind.
Elektronegativitätsunterschiede in C-Metall-Bindungen:
C
2.5
Li
1.0
C
2.5
Mg
1.3
C
2.5
Zn
1.7
C
2.5
Sn
2.0
Die Reaktivität metallorganischer Verbindungen hängt von vielen Faktoren ab. Eine
erste Orientierung über ihre Reaktivität liefert die Elektronegativitäts-Differenz.
Organolithium- und Organomagnesium-Verbindungen sind besonders reaktiv.
Organomagnesium-Verbindungen
lassen
sich
durch
Umsetzung
Halogenalkanen, -alkenen und –arenen mit Magnesium herstellen.
Reaktivität: R–I >
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Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
von
R–Br > R–Cl
163
H 3C
CH2 Br +
Et2O oder THF
Mg
20 °C
Ethylmagnesiumbromid
Magnesium geht hier von der Oxidationsstufe 0 in die Oxidationsstufe +II über,
sodass man diese Einschiebung auch als oxidative Addition bezeichnet.
Aryl- und Alkenyl-Grignard-Verbindungen werden auch durch Brom-MagnesiumAustausch hergestellt.
iPrMgCl / LiCl
X
Br
Turbo-Grignard
(P. Knochel)
+ iPrBr
X
MgBr
Organomagnesiumverbindungen (Grignard-Reagenzien) werden üblicherweise in
Diethylether-Lösung oder Tetrahydrofuran-Lösung hergestellt, wobei die EtherSauerstoffe die freien Koordinationsstellen am Metall besetzen.
R'
: .O. R'
: .O.
R Mg Hal
R Mg Hal
..
: O R'
..
O:
R'
Die in Lösung tatsächlich vorliegende Situation ist jedoch viel komplizierter, da
neben dem nachstehend formulierten Schlenk-Gleichgewicht auch verbrückte
Strukturen, wie A, eine wichtige Rolle spielen.
R
Mg
R–Mg–R
2 R–Mg–Hal
+
Hal–Mg–Hal
Schlenk-Gleichgewicht
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Hal
Hal
Mg
R
A
164
Grignard-Verbindungen reagieren rasch mit Brønsted-Säuren. Häufig ist dies eine
unerwünschte Störung, manchmal dient diese Reaktion auch zur gezielten
Herstellung von Amid-Anionen bzw. Acetylid-Anionen.
RCO2H
H2O
CH3CH2–MgBr
ROH
HNR2
R C C H
Durch Umsetzung von Grignard-Reagenzien mit Carbonylverbindungen lassen sich
primäre, sekundäre oder tertiäre Alkohole erzeugen.
H
RMgX
C O
H2O
primärer Alkohol
H
Formaldehyd
R'
C O
RMgX
H2O
RMgX
H2O
sekundärer Alkohol
H
Aldehyd
R'
C O
tertiärer Alkohol
R'
Keton
Die Grignard- Verbindung fungiert sowohl als Nucleophil als auch als Lewis-Säure
zur Aktivierung der Carbonyl-Gruppe.
R
R
δ+
δ–
Mg
O
δ+
R'
H
+
X
Mg
δ–
O
+
δ–
δ+
Mg
X
O
+
Mg
Mg
R
X
X
R'
H
R
R
Mg
X
R'
H
R
X
An die Stelle der zweiten Grignard-Verbindung kann auch MgBr2 treten. Die
Reaktion kann auch über einen Elektronentransfer-Mechanismus erfolgen, wobei
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165
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
der aus dem Grignard-Reagens stammende Alkylrest in das Radikal-Kation R·+
übergeht, das isomerisieren kann.
Nebenreaktionen bei Grignard-Additionen spielen insbesondere bei sterisch
anspruchvollen Systemen eine wichtige Rolle: Enolisierung und Reduktion.
Enolisierung: Das Grignard-Reagens fungiert als Brønsted-Base, wird protoniert,
und die Carbonylverbindung wird nach saurer Aufarbeitung unverändert
zurückgewonnen.
a
O
H
Hauptprodukt
a
CH3–MgBr
+
b
b
CH4 +
Nebenprodukt
H3O+
Reduktion: Der β-Wasserstoff der Organomagnesium-Verbindung hat hydridischen
Charakter.
X
Mg
O
δ+ C
R'
R"
+
H
CR2
CR2
δ–
Organolithium-Verbindungen
Deutlich reaktiver als Grignard-Verbindungen sind Organolithium-Verbindungen.
Ihre Herstellung erfolgt i. A. auf einem der drei folgenden Wege:
•
Oxidative Addition
Bu–Cl + 2 Li
•
Brom-Lithium-Austausch
Br
+ BuLi
OMe
THF
–80 °C
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166
•
Deprotonierung CH-acider Verbindungen (Corey-Seebach-Reaktion, s. oben)
S
S
H
Ph
S
+ BuLi
S
Li
Ph
Zinkorganische Verbindungen
•
Reformatsky-Reaktion
O
O
R
+ Zn
Br
H
OEt
+ H2O
β-Hydroxycarbonsäureester
•
Anders als Oranomagnesium-Verbindungen
Verbindungen nicht mit Estern.
•
Moderne Entwicklungen der Zink-Organischen Chemie: P. Knochel
reagieren
Organozink-
Elektronenreiche Arene als Nucleophile: Elektrophile aromatische Substitutionen
mit Carbonylverbindungen
Carbonylverbindungen sind zu wenig elektrophil, um an aromatischen
Verbindungen angreifen zu können. Die elektrophile aromatische Substitution an
elektronenreichen Arenen gelingt jedoch, wenn die Elektrophilie der
Carbonylverbindung durch Brønsted oder Lewis-Säuren erhöht wird.
NMe2
O
R
+
C
H
H+
elektrophile
aromatische
Substitution
oft nicht isolierbar, da
rasche Folgereaktion mit
weiteren Arenen
Erinnerung an OC1: Die Bildung von Bakeliten (Phenol-Formaldehyd-Harze) erfolgt
nach dem gleichen Mechanismus.
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167
7.10 Reaktionen mit H
–
Reduktionen mit komplexen Hydriden
Li + H
Na + H
H Al H
H B H
O
H
EtOH
R'
C
H
R
in Et2O
oder THF
EtOH
analog mit
3 weiteren
Carbonylgruppen
H2O
H
Li
+
R'
Al O C
R
4
•
Aldehyde und Ketone werden durch komplexe Hydride rasch zu primären
bzw. sekundären Alkoholen reduziert. Während Natriumborhydrid in
alkoholischer Lösung eingesetzt wird, darf LiAlH4 nicht mit protischen
Lösungsmitteln zusammengebracht werden (heftige Reaktion unter
Freisetzung von Wasserstoff, Brandgefahr).
•
Während LiAlH4 eine Vielzahl funktioneller Gruppen reduziert (wenig
selektiv), reagiert NaBH4 bevorzugt mit Aldehyden und Ketonen (sowie
Carbonsäurechloriden, s. Kap. 8).
•
Da Aldehyde reaktiver als Ketone sind, kann mit dem milden
Reduktionsmittel NaBH4 eine Aldehyd-Gruppe in Gegenwart einer
Ketogruppe reduziert werden.
O
H
•
O
NaBH4
MeOH/CH2Cl2
–78 °C
OH
H
O
H
Bei der Luche-Reduktion wird eine Ketofunktion chemoselektiv in
Gegenwart einer Aldehyd-Gruppe reduziert, weil durch Zusatz eines
Equivalents CeCl3 das Keton als stärkere Lewis-Base selektiv aktiviert wird.
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
168
O
O
H
CeCl3
NaBH4
OH
O
MeOH/CH2Cl2
–78 °C
H
H
+
O
O
CeCl3
über H
aktiviert
•
L-Selektrid (Li+ –BH(sekBu)3) vermag wegen seines großen sterischen
Anspruchs chemoselektiv zwischen Ketonen unterschiedlicher Größe zu
differenzieren.
O
O
Li+ –BH(sek-Bu)3
Diastereoselektive und enantioselektive Reduktionen von Carbonylgruppen sind
Gegenstand der Vorlesung „Stereoselektive Reaktionen“.
Die Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion mit iPrOH in Gegenwart von
Aluminium-isopropylat wurde bereits im Zusammenhang mit der OppenauerOxidation behandelt.
Cannizzaro-Reaktion (Disproportionierung von Aldehyden ohne α-H-Atom)
– ··
:O–H
··
Ph
O
C H
C
O
H
Ph
Ph–CO2– + Ph–CH2OH
Direkte Hydridübertragung nachgewiesen, da kein D-Einbau bei der Durchführung
der Reaktion in D2O erfolgt.
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
169
7.11 Reduktive Kupplungen
Ph
C O + K
Dieses Radikalanion reagiert
rasch mit Sauerstoff und
Wasser
Ether
Ph
Benzophenon-Kalium
tiefblau
Nur teilweise Dimerisierung dieses Radikal-Anions
Pinakolbildung
Me2C=O
:Mg
Me2C=O
· ··
Me2C–O :
··
Mg2+
· ··
Me2C–O :
··
Me2C O
Me2C
Mg2+
H3O+
Me2C
Me2C
O
OH
OH
Einschiebung: Pinakol-Pinakolon-Umlagerung
OH OH
H 3C
C
H 3C
C
CH3
CH3
+ H+
– H 2O
– H+
O CH3
H 3C
C
C
CH3
CH3
McMurry-Reaktion: Bildung von Alkenen aus Aldehyden und Ketonen in einem
Schritt ohne Isolierung des intermediären Diols.
2
C O
TiCl3/K
oder
TiCl3/LiAlH4
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Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
C
C
170
Reaktion verläuft wie oben über Radikalanionen, wahrscheinlich auf der Oberfläche
von fein verteiltem Titan, das durch Reduktion von TiCl3 entsteht:
Titan-Metall
O
2
Ti(0)
C
R
R
O
Ti
O
O
C· · C
R R R R
Ti
C
O
O
O
C
R
R R R R
R
+
C
C
R
R
7.12 Oxidationen von Carbonylverbindungen
O
R C
H
CrVI
H2O
O
R C
OH
Der über das Aldehyd-Hydrat verlaufende Mechanismus wurde bereits besprochen
(s. Kap. 6).
Baeyer-Villiger-Oxidation
Keton
R'
Peroxysäure
Ester
O
C
R"
+
H
O
O
O
C
R
chiraler Rest R" wandert
mit Konfigurationserhalt
O
R'
C
O
HO
R" +
C
R
O
Wanderungsneigung der Substituenten:
H > tertiär > sekundär ≈ Phenyl > primär
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
171
O
O
C
Ph
CH3
C
O
OH
O
C
CH3
O
7.13 α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen
O
O
ΔH° = –25 kJ mol–1
ähnlicher Wert für die Isomerisierung von 1,4-Pentadien zu 1,3-Pentadien
α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen gehen 1,2- und 1,4-Additionen ein.
1
2
3
4
3
2
4
1
· ··
·O
··
··
O:
··O··
··
+
+
O
OH
Nu:
O
:Nu
1,2-Addition
H Nu
OH
+ NuH
– Nu–
Nu
O
Nu
1,4-Addition
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
172
Vgl. auch Kap. 4 „Nucleophile Additionen an CC-Mehrfachbindungen“
H2O [Ca(OH)2]
MeOH [MeO–]
RSH [Base]
O
R–NH2/H2O
HCN
1,4- vs 1,2-Addition von metallorganischen Reagenzien
•
Grignard-Reagenzien können 1,2- und 1,4-Additionen eingehen
Bei ungesättigten Aldehyden ist immer die 1,2-Addition bevorzugt, bei
ungesättigten Ketonen ist die Voraussage schwierig.
O
+ EtMgBr
H
Ph
O
+ EtMgBr
H3O+
H3O+
37 % 1,2-Addukt
57 % 1,4-Addukt
Bei großen Substituenten an der Carbonylgruppe ist die 1,4-Addition
günstiger.
Ph
O
+ PhMgBr
Ph
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
Ph
H 3O +
O
Ph
Ph
173
•
Dasselbe Keton liefert mit PhLi nur 1,2-Addition
Ph
O
+ Ph–Li
H3O+
Ph
Es ist daher günstig, Organolithium-Verbindungen zu verwenden, wenn 1,2Addition angestrebt wird.
•
Dagegen wird mit Organokupfer-Verbindungen 1,4-Addition erreicht.
2 CH3Li + CuI
CH3
n-Alkyl
H
– LiI
(CH3)2CuLi
=
(CH3)2Cu– Li+
Gilman-Cuprat
O (CH3)2CuLi
H3O+
–78 °C, 4 h
Neben den aus Organolithium-Verbindungen zugänglichen Gilman-Cupraten
werden auch Normant-Cuprate (aus RMgBr und CuBr·SMe2) oder Knochel-Cuprate
(aus RZnI und CuCN · 2 LiCl) eingesetzt. Details dazu in der Fortgeschrittenen-Vorlesung „Metallorganische Chemie“.
Arbeitet man die bei der konjugaten Addition an α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen zunächst erhaltenen Enolate nicht hydrolytisch auf, lassen sich durch
Umsetzung mit einem elektrophilen Alkylierungsmittel in einem Eintopf-Verfahren
auch zwei neue CC-Bindungen knüpfen.
OLi
O
O
Me2CuLi
RX
O
R
(±)
Me
Me
Hauptprodukt
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
+
R
(±)
Me
Nebenprodukt
174
Michael-Additionen (d. h. 1,4-Additionen CH-acider Verbindungen: s. Kap. 9)
Reduktionen α,β-ungesättigter Carbonyl-Verbindungen
•
Reduktion der Carbonylgruppe meist mit LiAlH4 möglich
O
LiAlH4
H3O+
OH
Ether
(NaBH4 ist demgegenüber weniger selektiv!)
•
Reduktion der CC-Doppelbindung (unter Erhalt der CO-Doppelbindung) mit
H2/Pd bzw. Li/fl. NH3
O
+ Li
NH3
– NH2–
· O
Li
H
in fl. NH3 stabil
H3O+
H
O
H
Isolierte CC-Doppelbindungen werden durch Li/NH3 nicht reduziert, während
isolierte CO-Doppelbindungen ebenfalls reduziert werden.
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
175
8 Carbonsäuren und Derivate
8.1 Allgemeine Darstellungsverfahren
Oxidation primärer Alkohole und Aldehyde (s. Kap. 6)
R–CH2OH
R–CO2H
Oxidation durch CrO3/H+, KMnO4/OH–, HNO3
Haloform-Reaktion (s. Kap. 9)
O
Br2
CH3
OH–
R C
O
+
R C
Oxidation von Alkenen (s. Kap. 2) und Alkylbenzolen (s. Kap. 5)
Hydrocarboxylierung von Alkenen
•
nach Reppe
C
•
C
CO, HCl
H2O, PdCl2
H C
C
CO2H
über Pd-Komplexe
Koch-Haaf-Synthese
H3C
C
CH2
CO, H2SO4
H2O
H3C
H+
CH3
H3C
C
CO2H
CH3
H+
H2O
+
:C O:
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
176
Hydrolyse von Nitrilen
R
C N
H2O
H 2O
O
R C
OH
Nitril
Amid
Carbonsäure
Die Hydrolyse erfordert langzeitiges Erhitzen mit starker Säure oder Base. Die
Isolierung der intermediären Amide ist nicht erforderlich.
Nitrile sind aus Alkylhalogeniden leicht zugänglich.
Ph–CH2–Cl + :C N:
S N2
40%ige H2SO4
100 °C / 3 h
O
PhCH2 C
OH
verwandt: Strecker-Synthese von Aminosäuren (s. Kap. 7)
Carboxylierung metallorganischer Verbindungen
O δ–
R–MgX +
C δ+
H 3O +
O
R C
OH
O δ–
R–Li
+
CO2
H 3O +
O
R C
OH
R–Hal kann somit auf zwei verschiedene Weisen in R–CO2H überführt werden.
Meist ist der Weg über R–MgX einfacher.
Mechanistisch verwandt: Carboxylierung nach Kolbe (vgl. Kap. 5)
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
177
8.2 Reaktionsmöglichkeiten der Carbonsäuren
··
O:
R C
··
H
·O
·
elektrophiles
Zentrum
··
O:
basische
Zentren
R C
saures Proton
E+
··
H
·O
·
X:
Die Acidität der Carbonsäuren ist durch die Resonanzstabilisierung der CarboxylatIonen bedingt. Elektronenziehende Substituenten erhöhen die Acidität.
O
R C
+
OH
H3O+ +
H2O
;
Ka =
pKa
O
H
OH
O
OH
O
OH
O
OH
3.75
4.76
4.87
4.82
pKa = –lg Ka
pKa
O
F
OH
OH
O
Br
OH
O
I
O
O
2.59
pKa
OH
4.82
Cl
OH 1.25
Cl
O
O
O
Cl
pKa
OH
2.86
OH 2.89
OH 0.65
Cl3C
Cl
2.90
3.18 Cl
Cl
O
O
OH
O
OH
4.06
4.52
F3C
OH
O
NC
OH
0.23
2.46
Ph–CO2H 4.22
Dicarbonsäuren sind acider als Monocarbonsäuren (induktive Effekte bzw.
Stabilisierung der Anionen durch intramolekulare H-Brücken).
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178
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
Carbonsäuren sind weniger basisch als Alkohole
8.3 Herstellung und Reaktionen von Carbonsäurederivaten mit
Nucleophilen
Allgemeines Reaktionsmuster: Vergleich von Carbonsäurederivaten mit Aldehyden
und Ketonen
OH
+ NuH
– Nu–
··
O:
R C Nu für X = Alkyl,
Aryl, H
X
+ :Nu–
R C
X
Säure-Derivat
bzw. Aldehyd, Keton
– X–
··
O:
R C
Nu
für X = elektronegative
Gruppierungen
Bei Reaktionen mit der Carbonsäure (X = OH) konkurriert die Deprotonierung der
Carboxy-Gruppe mit dem Angriff des Nucleophils am Carboxy-Kohlenstoff.
·· –
:O :
R C ··
O H
Nu ··
a
Nu:–
reversible
nucleophile
Addition
(Weg a)
··
··
a O
: b
O:
:Nu–
+ H–Nu
R C
R C
·· –
··
H
·O
·O
· ··
·
reversible
b
Säure-BaseReaktion
(Weg b)
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179
Additions-Eliminierungs-Reaktionen können durch Säuren oder Basen katalysiert
werden.
:NuH
+ H+
··
O:
R
C
X
:Nu–
··
O:
– X–
R
– H+
C
Nu
Nu:– + HB+
NuH + B
Reaktivitätsreihung gegenüber Nucleophilen
O
R
C
Cl
>
O
R
C
O
O
C
>
R'
O
R
C
>
O
R
C
SR'
>
O
R
C
OAr
O
>
R
>
C
OR'
O
R
NR'2
Ketone
C
O
Wegen der hohen Reaktivität von Säurechloriden können aus diesen alle genannten
Carbonsäure-Derivate sowie Aldehyde und Ketone hergestellt werden.
O
R
O
O
C
C
O
R
+ HCl
C
SR'
R
R'
+ NaCl
R
O
H2O
C
OR'
R'OH
O
R
O
R'NH2
C
R
Cl
OH
R'–MgX
H2/Pd,
BaSO4
O
C
R
H
+ LiAl(OR)3Cl
+ HCl
C
N R'
H
LiAl(OR)3H
R
+ HCl
C
R'SH
R'–CO2– Na+
HCl +
O
R'
O
R
O
C + MgXCl
+ HCl
C
H
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Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
180
Darstellung von Carbonsäure-halogeniden
O
SOCl2
+ SO2 + HCl
R C
O
C Cl
Cl
Cl
O
PCl5
+ POCl3 + HCl
R C
O
R C
Cl
R
C
1/3 PCl3
+ 1/3 H3PO3
O
R
+ CO2 + CO + HCl
C
Cl
O
P(Ph)3
CCl4
Cl
+ CO2 + HCl
Cl
O
O
C C
Cl
Cl
OH
O
R C
O
R
+ Ph3P=O + HCCl3
C
Cl
Mechanismus:
Darstellung von Carbonsäure-bromiden:
O
3 R
C
O
3 R
+ PBr3
OH
C
+ H3PO3
Br
Carbonsäureanhydride
•
Herstellung im Labor aus RCOCl: s. oben
•
Cyclische Carbonsäureanhydride werden auch aus Dicarbonsäure + Anhydrid
oder durch Erhitzen der Dicarbonsäure hergestellt.
•
Technisch:
Wacker-Verfahren
O
H2C=C=O
+
H3C
C
OH
O
H3C
C
O
O
C
CH3
Hoechst-Knapsack-Verfahren: Oxidation von Acetaldehyd (CH3CHO) mit O2
(Luft)
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
181
Oxidation von Benzol bzw. Naphthalin
O
O2
O
O2
O
[V2O5]
O
[V2O5]
O
Maleinsäureanhydrid
O
Phthalsäureanhydrid
•
Carbonsäureanhydride sind etwas weniger reaktive Acylierungsmittel als
Carbonsäurechloride
•
Umsetzungen mit Alkoholen, Aminen und Wasser möglich.
Carbonsäureester
Veresterung von Carbonsäuren unter H+-Katalyse. Basen-Katalyse nicht
möglich, weil dabei RCO2– gebildet wird.
•
Mechanismus (bei primären und sekundären Alkoholen):
Schritt 1: Protonierung der Carboxylgruppe
O
R C
O
+ H+
R C
H
H
H
H
O
O
O
O
R C
H
O
R C
H
O
H
Dihydroxycarbenium-Ion
Schritt 2:
H
+
R C
O
+
O
H
O
R'
– H+
H
+ H+
Schritt 3:
H
O
H+
R C O
H
O
–H2O
R'
– H+
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
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182
Alles Gleichgewichtsreaktionen:
K=
[Ester][Wasser]
[Carbonsäure][Alkohol]
•
Umkehr: Säure-katalysierte Esterhydrolyse
•
Mechanismus im Einklang mit dem Befund, dass
markierten Ester ergibt.
•
Bei tertiären Alkoholen verläuft die Reaktion über tert.-Alkyl-Kationen.
R3C–OH
H+
O-markiertes Methanol
18
O-
+ H 2O
··
O:
R'
18
+ R3
C
··O H
··
– H+
C+
O CR3
R'
C
O
•
Nach dem Prinzip der mikroskopischen Reversibilität verläuft die
H+-katalysierte Hydrolyse von tert.-Alkylestern ebenfalls über eine O-AlkylSpaltung (tBoc-Schutzgruppe).
•
Die Veresterung sterisch anspruchsvoller Carbonsäuren verläuft über AcyliumIonen, die in einem langsamen Schritt gebildet werden und anschließend rasch
mit Alkoholen weiter reagieren.
O
OH
HO
+ H+
OH
O
[H+]
OH2
O
– H2O
langsam
•
O
– H+
Basische Ester-Hydrolyse (Verseifung)
··
O:
R
OR
+ ROH
··
+ : O–H
C
··
··O R'
··
+ –OR'
R
··
O:
C + HOR'
··O··
··
Da equimolare Mengen an OH– verbraucht werden, handelt es sich hier um eine
„basische“, nicht „basen-katalysierte“ Ester-Hydrolyse.
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
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183
•
Herstellung von Estern aus Alkoholen und Carbonsäurechloriden bzw.
–anhydriden: s. oben
Arbeitsweise nach Schotten-Baumann
O
Ph
C
+ Ph-OH
Cl
H2O
K2CO3
O
Ph
C
OPh
Der Alkohol bzw. Phenol wird durch das in H2O unlösliche PhCOCl aus der
wässrigen Lösung extrahiert, sodass es zur Veresterung, nicht zur Hydrolyse
kommt. Die Hydrolyse findet nur an der Phasengrenze statt.
Arbeitsweise nach Einhorn: wasserfrei
O
Ph
C
+
+ R'-OH +
N
Cl
Pyridin fungiert oft nicht nur als Base (um HCl zu binden), sondern auch als
nucleophiler Katalysator. Als nucleophiler Katalysator besonders aktiv ist
4-Dimethylamino-pyridin (DMAP, Steglich-Base), sodass sich in gleicher Weise
auch Carbonsäure-anhydride für die Estersynthese nutzen lassen (Zusatz einer
kostengünstigen Hilfsbase).
N(CH3)2
O
R
kat.
C
O
+ R'–OH
N
O
R C
NEt3
R C
+
+
RCO2– HNEt3
O R'
O
:N
N(CH3)2
+ R'–OH
– DMAP
– H+
O
R C
O
R C
+ H+
– RCO2H
O
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184
•
Ester aus Carbonsäure-Salzen und Alkylhalogeniden (vgl. Kap. 2)
O
O
R
•
Na
C
:O : –
··
+
X–CH2–R'
+
S N2
R
X = Br, I
Stereochemie!
C
O CH2 R'
Methylester aus Carbonsäuren und Diazomethan (vgl. Kap. 2)
O
R
.–. +
H2C N N:
+
O H
O
R
O CH3
Wegen der Toxizität und Explosivität von CH2N2 nur eingesetzt, wenn wertvolle
Carbonsäure verestert werden soll.
•
Mitsunobu-Reaktion (s. Kap. 1) zum Mechanismus: s. S. 41
O
R1–OH
2
R
+
CO2Et
C
N N
+ Ph3P +
OH
EtO2C
O
2
R
C
1
N N
+ Ph3P=O +
O R
•
CO2Et
H
EtO2C
H
Veresterung nach Mukaiyama
Zunächst wird durch Umsetzung mit 2-Chlor-1-methylpyridinium-iodid ein
Pyridiniumderivat erzeugt (Aktivester), das anschließend mit dem Alkohol zum
Ester reagiert.
Aktivester besitzen ein höheres Acylierungsvermögen als Phenylester. Weitere
gebräuchliche Aktivester sind:
O
R
F
F
O
R
C
F
O
F
C
N
O N
N
F
Prof. H. Mayr, LMU München, OC-2 Vorlesung im WS 2010/2011
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