FlexRay-Spezial IIII Simulation Untersuchung von passiven FlexRaySternkopplern Simulation deckt kritisches Verhalten auf Die Simulation der FlexRay-Konfiguration eines sternförmigen passiven Netzes zeigt, dass bei Datenübertragungsraten von 10 Mbit/s ein passives Netz mit sternförmiger Topologie aus EMV-Sicht kritisch ist. Hier führen längere, hochohmig abgeschlossene Leitungen zu unerwünschten Emissionen. Aus Sicht der Signalintegrität müssen zudem Anzahl und Länge offener Stichleitungen begrenzt werden. Von Dr. Lorena Diaz Ortega, Prof. Dr. Karl Heinz Kraft und Lothar Claus E ine Punkt-zu-Punkt-Verbindung in einem FlexRay-Netz ist aus übertragungstechnischen Gründen unter Beachtung von EMV-Aspekten optimal, da Reflexionen an beiden Enden der Übertragungsleitung vermieden werden. Bei anderen Bustopologien, die ebenfalls einen störungsfreien Betrieb garantieren und die Wirtschaftlichkeit des FlexRay-Systems verbessern, sind Stichleitungen zu berücksichtigen. Aus Sicht der Signalintegrität wegen der zu erwartenden erECU 4 ECU 5 heblichen EMVProbleme sind Anzahl und Länge der 2m 1m Stichleitungen zu ECU 1 ECU 2 2m 4m begrenzen. Mit einer systematischen 1m;3m Simulation des Schaltungsverhaltens lassen sich Kriterien für eine ECU 3 geeignete Dimensionierung des I Bild 1. Prinzipschaltung und KonfiFlexRay-Busses guration eines FlexRay-Sternkoppgewinnen. lers mit Stichleitungen. 64 Elektronik automotive 7.2007 Punkt-zu-Punkt-Verbindungen entsprechen der Struktur eines „aktiven Sterns“, der mit Blick auf eine hohe Teilnehmerzahl des FlexRay-Netzes jedoch recht aufwendig ist. Als Varianten bieten sich verschiedene passive Bustopologien an. Zu deren Beurteilung ist eine Schaltungssimulation mit SPICE ein sehr effektives Untersuchungswerkzeug. Dabei werden die Buskomponenten modelliert und in ihrem Zusammenspiel im Rahmen der untersuchten Bustopologien getestet. Weiterhin können Aspekte wie die geeignete Stelle für die Busterminierung, Anzahl und Länge der Stichleitungen sowie die Auswirkung der Reflexionen auf die Bussignale und auf die Störabstrahlung untersucht werden. Struktur und Anforderungen von FlexRay FlexRay-Systeme kommen in modernen Kraftfahrzeugen als Kommunikationseinrichtung im Hinblick auf den Einsatz von X-by-Wire-Verfahren vor, etwa für verteilte Fahrdynamikregelungen. Aus diesem Grund werden die Anforderungen an die Datenübertragungsrate und die Fehlertoleranz in Zukunft wesentlich höher. Mit 10 Mbit/s sind die Eigenschaften der physikalischen Schicht und die Vernetzungsstruktur besonders zu beachten. Bei FlexRay sind die Datenleitungen Bus-Plus (BP) und Bus-Minus (BM) spezifiziert (Spannungen gegenüber Masse), die durch den dominanten Zustand (Data_1, Data_0) und den rezessiven Zustand (Idle Mode) eine differenzielle Signalübertragung definieren. Als Sender und Empfänger arbeiten Transceiver, die eine angestrebte Spannungsdifferenz von ±600 mV zwischen BP und BM erzeugen bzw. auswerten sollen. Der Bus besteht aus einem Dreileiter-System (Fahrzeugmasse und eine Zweidraht-Leitung mit einem Gegentakt-Wellenwiderstand von 90 Ω ), die DC-Buslast beträgt 45 Ω (Bild 1). Zur Verbesserung der elektromagnetischen Verträglichkeit sind zusätzliche EMV-Bauteile sinnvoll. Dabei werden die Störströme durch eine ECU Ucc BP FlexRayTransceiver L RS RT RS RT k BM L CSplit I Bild 2. Beschaltung eines FlexRay-Transceivers zur Verbesserung des EMV-Verhaltens. Störströme werden etwa durch eine im Gleichtaktbetrieb arbeitende Drossel L gedämpft, ein geteilter Busabschluss mit SplitKondensator CSplit dient der Symmetrierung des Ausgangssignals. www.elektroniknet.de FlexRay-Spezial Simulation IIII stromkompensierte Drossel mit einer relativen hohen R Impedanz im GleichtaktbeUE5 1,3b5k 8 m/s . Z = 90 , v = 2,08 10 W p trieb gedämpft (Bild 2). Ein R1 geteilter Busabschluss mit einem Split-Kondensator 45 R Rb1 U0 U1 ZW, Td1 Uv ZW, Td2 UE2 90b2 wird auch als EMV-Schutz90 maßnahme betrachtet. Die Einsatzgrenzen und Randbedingungen einer NetzR UE4 1,3b4k topologie werden allgemein durch Datenübertragungsrate sowie Anzahl und Länge von Stichleitungen be- I Bild 3. Ersatzschaltbild eines Sternkopplers für die Simulastimmt. Diese Arbeit betion; hier werden von der Stammleitung zwei Stichleitunhandelt somit folgende gen abgezweigt. Schwerpunkte: Anzahl und Länge der Stichleitun- am Leitungsanfang und im ersten Augen an einen passiven Sternkoppler. genblick ergibt sich bei SprunganreEinfluss der Mehrfachreflexionen gung mit U0(t) = Us s(t), s(t) = 1 für auf die Signalleitungen und auf die t ≥ 0, aus dem EingangsspannungsteiEmission, ler mit Rb1 || Zw. Weitere Beziehungen, Wirkung der Entstörmaßnahmen. wie z.B. die Angabe der Reflexionsfaktoren, gehen aus dem Kasten „ForDiese Schwerpunkte werden im Zu- meln zur Impulsreflektometrie“ hersammenspiel der FlexRay-Buskompo- vor. Dabei gibt der Reflexionsfaktor rv nenten in [1] detailliert untersucht, den Wert im Anschlusspunkt der Stichweitere Grundsatzuntersuchungen sind leitungen (Verzweigungen) an, wobei in [2, 3, 4] zu finden. zunächst die Anzahl Ns der Stichleitungen eingesetzt wird. Für die Laufzeiten auf den Leitungen werden die Bussignale bei einem Werte Td1 eingesetzt. passiven Sternkoppler Alle Spannungswerte auf dem Bus hängen von der Anzahl Ns der StichleiVereinfachte Analyse tungen ab, bis auf den Anfangswert Die Signalverläufe hängen von zahl- U1(0). Fordert man beispielsweise für reichen Einflussgrößen und Parame- die Empfangsspannung am Ende UE2 tern ab, daher fallen allgemeingültige der Stammleitung, dass UE2(Td1+Td2) Aussagen schwer. Deshalb werden ei- > U1(0)/2 = Us/4 gelten soll, müsste Ns nige grundsätzliche Zusammenhänge < 2 gewählt werden. Solche Kriterien aufgezeigt. Die Simulation vorgegebe- hängen natürlich von der Signalauswerner Strukturen, bei denen bereits sinn- tung ab (Ansprechschwelle mit Hysvolle Festlegungen getroffen sind, terese, Abtastzeitpunkt). Die weiteren kann anschließend weitergeführt wer- Spannungswerte ergeben sich aus den den. Es bieten sich einige Berechnun- Mehrfachreflexionen, die am Ende aller gen zum passiven Sternkoppler an, bei Stichleitungen und am Sender auftredem mehrere Stichleitungen von einer ten. Soll die Schaltung von Bild 3 mit Stammleitung abzweigen, wie in Bild Ns = 3 Stichleitungen weiter untersucht 3 dargestellt. werden, liegt wegen der zahlreichen Die Stammleitung ist am Ende re- Reflexionen eine Simulation mit SPICE flexionsfrei abgeschlossen, die Stich- nahe. Dazu sind konkrete Werte für die leitungen, deren Anzahl und Länge zu einzelnen Laufzeiten erforderlich. Es diskutieren sind, werden nur mit den wurden die folgende Werte eingesetzt, Stütznetzwerken belastet. Ihr resultie- wobei für l = 1 m Leitungslänge etwa render Widerstand beträgt hier 1,3 kΩ, 5 ns gewählt wurden: denn „wechselstrommäßig“ liegt eine T d1 = 10 ns, T d2 = 20 ns, T d3 = Reihenschaltung von zwei Parallel- variabel, Td4 = 10 ns, Td5 = 5 ns. schaltungen mit je zwei Widerständen Bild 4 zeigt beispielhafte Verläufe. von 1,3 kΩ vor. Die Spannung U1(0) Zusammen mit der Spannung am Ende www.elektroniknet.de U E4 ist die Eingangsspannung U 5(t) am Empfänger 5 zu sehen, die sich als kritisch erweist, da die Toleranzgrenzen von ±400 mV erreicht werden. Bei Td3 = 15 ns sind die Probleme offensichtlich. Simulation mit FlexRayKomponenten Zur Überprüfung der bisherigen Ergebnisse wird die gleiche Konfiguration des Sternkopplers mit FlexRay- Formeln zur Impulsreflektometrie R b1 || Zw 1 = Us R 1 + R b1 || Zw 2 () U1 0 = U s r1 = (1) 1 R 1 || R b1 − Z w =− 2 R 1 || R b1 + Z w rE 2 = rESi = (2) R 2 − Zw =0 R 2 + Zw (3) R ESi − Z w = 0,87 R ESi + Z w (4) Zw − Zw 1 N s +1 rv = =− Zw 2 + Zw 1+ N s +1 Ns ( ) ( )( ( ) ) U v Td1 = U 1 0 1+ rv = (5) 1 2 Us 2 2+ N s ( )( )( U E 2 Td1 + Td2 = U 1 0 1+ rv 1+ rE 2 ) (7) 11 22 == UUss 22 22++NNss ( ( )( ) (6) )( ) U ESi Td1 + Tdi = U 1 0 1+ rv 1+ rESi 11 22 87 == UU ss 11++ 00,,87 22 22++ NN ss ( ( ) E fi = πZ 0 A rλ B 2 ⎛f⎞ ΔIfi ⎜ i ⎟ ⎝ fB ⎠ (8) ) 2 ( ) Elektronik automotive 7.2007 (9) 65 FlexRay-Spezial IIII Simulation I Bild 4. FlexRay-Bussignale an den Empfängern 4 und 5 (Anordnung von Bild 1 mit Td3 = 15 ns). Komponenten simuliert. Dabei wird die Busterminierung am Teilnehmer 1 und am Teilnehmer 2 mit den entsprechenden 90 Ω durchgeführt. Die Teilnehmer 3, 4 und 5 werden als hochohmige Knoten berücksichtigt und auf diese Weise als Stichleitungen betrachtet. Bild 5 stellt die gemessene Eingangsspannung am Empfänger 4 dar, wobei die Leitungslänge für den Empfänger 3 l3 = 1 m und l3 = 3 m beträgt. Die Simulationsergebnisse des passiven Sternkopplers zeigen eine Übereinstimmung mit den Ergebnissen des passiven Sternkopplers mit einem gesendeten idealen Rechteckimpuls. Aus diesen grundsätzlichen Betrachtungen wird klar, dass sich das System hier an der Grenze der Möglichkeiten befindet, zumal im realen Betrieb weitere Einflüsse hinzukommen, die in dieser Analyse noch nicht berücksichtigt sind. Anzahl und Länge der an den Sternpunkt angeschlossenen Stichleitungen dürfen daher auf keinen Fall weiter er- höht werden – im Gegenteil: Eine deutliche Verringerung der maximalen Stichleitungslänge ist zu empfehlen. Abschätzung der Störemissionen Als Ursache für die Störemissionen können neben Unsymmetrien im Schaltungsaufbau induktive und kapazitive Kopplungen mit der Umgebung genannt werden. Bei exakter Symmetrie heben sich die Felder der Ströme im Hin- und Rückleiter (BP und BM) auf, bei unsymmetrischer Schaltung ist die Stromdifferenz (DI = IBP+IBM) zwischen BP und BM für die Störemissionen maßgeblich, sie fließt über die Schaltungsmasse zur Störquelle zurück. Die Feldstärke kann dann über Modelle von kurzen Dipolen oder kleinen Rahmenantennen abgeschätzt werden. Die Geometrie des Dreileiter-Systems ist für die Bildung einer Leiterschleife verantwortlich, die bei Ver- wendung einer ungeschirmten „Twisted Pair“-Konfiguration in Verbindung mit der Masse eine relativ große Fläche aufspannen könnte. Bei genügender Fläche der Leiterschleife erzeugen bereits kleine Stromdifferenzen im μABereich erhebliche Feldstärken, insbesondere bei hohen Frequenzen. Zur Abschätzung der abgestrahlten elektrischen Störfeldstärke im Abstand r kann nach [5] die Beziehung nach Gleichung (9) herangezogen werden, die für eine Leiterschleife mit der Fläche A gilt und Schleifenstrom ΔI, diskrete Frequenzen fi und den freien Wellenwiderstand Z0 enthält. Als Bezugsgrößen sind definiert: Abstand r = 3 m des Messpunkts von der Störquelle, freier Wellenwiderstand Z0 = 100 π Ω, Fläche A der Leiterschleife z.B. A ≈ 0,1 m2, Wellenlänge λ B = 300 m bezogen auf f B = 1 MHz. Eine detaillierte Berechnung wird im Folgenden gezeigt. Die erwähnte Stromdifferenz soll in diesem Fall et- I Bild 5. FlexRay-Bussignale an den Empfängern 4 und 5, Anordnung von Bild 1 mit den Leitungslängen l3 = [1, 3] m. 66 Elektronik automotive 7.2007 www.elektroniknet.de Simulation IIII I Bild 6. Störfeldstärke bei CBM – G = 6 pF, r = 3 m, l3 = [1, 3] m ohne Entstördrossel. wa durch eine parasitäre Kapazität von 6 pF zwischen BM und Masse erzeugt werden. Die abgestrahlten Störfeldstärken sind in Bild 6 dargestellt, sie beziehen sich hier auf die Leiterschleife am Empfänger 4 für verschiedene Leitungslängen am Empfänger 3. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass das abgestrahlte Feld bei einer Leitungslänge von 3 m höher ist als bei 1 m. Wie erwartet, bewirken die hochohmigen Abschlüsse an einer längeren Leitung unerwünschte Mehrfachreflexionen, die bei Schaltungsunsymmetrien Störabstrahlungsprobleme verursachen können. Es ist zu betonen, dass in kleineren Leiterschleifen bei höheren Frequenzen ebenfalls erhebliche Feldstärken entstehen können. Auch FlexRay-Spezial I Bild 7. Störfeldstärke bei CBM – G = 6 pF, r = 3 m, l3 = 1 m, ohne und mit Entstördrossel. wenn hier bisher nur eine grobe Abschätzung vorliegt, folgt aus den Ergebnissen, dass unbedingt auf eine sehr gute Schaltungs- und Leitersymmetrie geachtet werden muss. Um die abgestrahlte Störung zu verringern, wird eine 100-μH-Entstördrossel in das System eingesetzt. Bild 7 zeigt die Simulationsergebnisse, wobei die Wirkung der Entstördrossel zumindest in einigen Bereichen deutlich wird. jw Literatur [1] Díaz Ortega, L.: Physical Layer Modellierung der Bussysteme CAN und FlexRay im Kraftfahrzeug. Dissertation an der TU Braunschweig. Shaker Verlag, Aachen, 2005. [2] Kraft, K.H.; Müller, T.: Untersuchung der Leitungsabschlüsse für den CAN-Bus. EMV in der KFZ-Technik, VDE/VDI-Gesellschaft Mikroelektronik, Mikro- und Feinwerktechnik (GMM), S. 69 – 74, Wolfsburg, 2001. [3] Díaz Ortega, L.; Kraft, K.H.; Claus, L.; Döring, M.: Mit 10 Mbit/s über den FlexRay-Bus. Elektronik automotive 2006, H. 6, S. 47 – 51. [4] Claus, L.; Körber, B.: CAN (High Speed) in Kraftfahrzeugen; EMV-Eigenschaften künftiger Bus-Topologien und Betriebsarten. EMV 2000, Düsseldorf. [5] Goedbloed, J.: EMV. Elektromagnetische Verträglichkeit. Analyse und Behebung von Störproblemen. Pflaum, 1997. Dipl.-Ing. Lothar Claus Dr.-Ing. Lorena Díaz Ortega studierte Elektrotechnik mit Schwerpunkt Hochfrequenztechnik an der Universidad Politecnica de Valencia und hat 2005 an der TU Braunschweig promoviert, und zwar im Bereich der Modellierung und Simulation der physikalischen Bussysteme im Kraftfahrzeug. Zurzeit arbeitet sie bei der Firma Carmeq im EMV-Zentrum der Volkswagen AG. Ihr fachlicher Schwerpunkt ist EMV in der Kfz-Technik. [email protected] www.elektroniknet.de Prof. Dr.-Ing. Karl Heinz Kraft studierte Elektrotechnik an der TU Braunschweig. Er arbeitete von 1974 bis 1988 als Entwicklungsingenieur bei Siemens und war maßgeblich an den Forschungsaktivitäten zur Leittechnik von Magnetbahnen beteiligt. Seit 1988 ist er an der FH Braunschweig/Wolfenbüttel tätig, seine fachlichen Schwerpunkte sind Hochfrequenztechnik und EMV. [email protected] studierte Elektrotechnik mit Schwerpunkt Nachrichtentechnik an der Fachhochschule Braunschweig-Wolfenbüttel. Er ist seit 1988 bei der Volkswagen AG in Wolfsburg beschäftigt und dort im EMV-Zentrum als Teamleiter für das Arbeitsgebiet „EMV-Systemerprobung im Bereich Komfort, Sicherheit und Instrumentierung“ sowie für die „EMV von Fahrzeugnetzwerken und von Halbleitern für Fahrzeuganwendungen“ tätig. Er ist Mitarbeiter in mehreren EMV-Normausschüssen. [email protected] Elektronik automotive 7.2007 67