S C H W E R P U N K T | A l ter NR.10_OKTOBER 2009 | SOZIALAKTUELL Neue Leitmodelle zum Altern Text: François Höpflinger Bilder: Pro Senectute Aargau 12 Modernes Altern – ein mehrdimensionaler und ­differenzierter Prozess A l ter | S C H W E R P U N K T SOZIALAKTUELL | NR.10_OKTOBER 2009 Die moderne gerontologische Forschung (oder Alternsforschung) stellt weniger das Alter an sich als den Prozess des Alterns ins Zentrum. Im Rahmen dynamischer Prozesse des Alterns ergibt sich ein fortwährendes Wechselspiel zwischen Verlusten und Gewinnen. Zentral für die moderne Gerontologie ist die grundlegende Annahme, dass es auch im höheren und hohen Lebensalter zu Gewinnen kommen kann. Das Altern ist mehrdimensional, wobei sich soziale, wirtschaftliche, psychische und körperlich-biologische Einflussfaktoren wechselseitig beeinflussen. Alternsprozesse sind immer auch mit körperlich-kognitiven Veränderungen verbunden, wobei mit steigendem Alter körperlich-funktionale Einschränkungen und hirnorganische Erkrankungen häufiger werden. Eine Soziale Arbeit für alte Menschen und mit alten Menschen ohne Kenntnis grundlegender körperlich-biologischer Alternsprozesse ist daher nicht möglich. Gleichzeitig haben wirtschaft­ liche und soziale Verhältnisse einen wesentlichen Einfluss auf das individuelle Altern (und auch auf körperliche Alternsprozesse). Entsprechend variiert die Lebenslage gleichaltriger Menschen je nach sozialer Lebenslage und gesellschaftlichen Verhältnissen. Allein schon die Chancen, alt zu werden, sind sozial ungleich verteilt. Vor allem wirtschaftlich abgesicherte und sozial integrierte Menschen können von einer langen gesunden Lebenserwartung profitieren. Je stärker körperliche Einschränkungen auftreten, desto wichtiger wird eine hindernisfreie und sozial integrierende Umwelt, die körperlich ­bedingte Einschränkungen zu kompensieren vermag – und Soziale Arbeit zugunsten körperlich fragiler oder pflege­bedürftiger alter Menschen ist oft verhältnisbezogen. Der Einfluss der Biografie Da Altern ein biografisch-lebensgeschichtlich verankerter Prozess ist, sind bei der Arbeit für alte Menschen und mit alten Menschen immer auch ihre lebensgeschichtlichen Prägungen – die genera­ tionen- und geschlechtsspezifisch variieren – zu berücksichtigen. Ohne Verständnis der Lebensgeschichte ist jede Soziale Arbeit mit alten Menschen sinnlos. Gleichzeitig steht heute aber auch die Perspektive ­einer lebenslangen Entwicklung im Zentrum. Alte Menschen haben nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine (zu gestaltende) Gegenwart und Zukunft, auch wenn sich im hohen Alter der Zeithorizont verkürzt. Die moderne Alternsforschung belegt eindrücklich, dass Altern einen plastischen Prozess darstellt. Der Begriff der Plastizität spricht an, dass Alternsprozesse auf den unterschiedlichsten Ebenen gestaltbar sind. So kann gezieltes Training auch im hohen Alter die Muskelkraft steigern. Ebenso vermag Lern- und Gedächtnistraining im Alter hirnorganisch bedingte Einbussen zumindest teilweise zu kompensieren. Gute Nachbarschaften und soziale Unterstützungsnetzwerke können der Einsamkeit im Alter entgegenwirken usw. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass speziell im hohen Alter die Gestaltbarkeit namentlich körperlicher Prozesse auf Grenzen stösst (und Hoffnungen auf eine ewige Jugend erweisen sich als Illusion). Eine optimale geriatrische oder Soziale Arbeit für sehr alte Menschen und mit sehr alten Menschen anerkennt deshalb auch die Grenzen des Handelns (und des Lebens). Schlussendlich, und dies wird durch gerontologische Studien immer wieder belegt, ist Altern ein differenzieller Prozess. Entsprechend ergeben sich enorme interindividuelle Unterschiede der körperlichen Alternsprozesse, wie aber auch der psychischen Befindlichkeit im Alter. ­Tendenziell nehmen die Unterschiede zwischen Personen mit steigendem ­Lebensalter eher zu, und chronologisch gleichaltrige Menschen sind in allen ­Dimensionen eine heterogene Gruppe. Frauen und Männer altern anders, und soziale Unterschiede – von Bildungs­ niveau, Renten­höhe, Migrationserfahrung usw. – spielen eine grosse Rolle. Soziale Angebote für ältere und alte Menschen sind deshalb zielgruppenspezifisch auszurichten. Alter heute und morgen: ein dreifacher sozialer Wandel Die späteren Lebensjahre unterliegen ­einem dreifachen sozialen Wandlungsprozess: 1. Die demografische Alterung: Heraus­ forderung für die Gesellschaft Erstens erfährt die Schweiz – wie andere europäische Länder – eine doppelte demografischen Alterung. Ein tiefes Geburtenniveau einerseits und eine ansteigende Lebenserwartung andererseits ver- Zum Thema Ursula Binggeli ist Mitglied der Redaktion von SozialAktuell. Soziale Arbeit und Alter Die gerontologische Forschung zeigt es klipp und klar: Der sogenannte Lebensabend ist in Tat und Wahrheit eine höchst dynamische ­Angelegenheit. Der Ruhestand hat ausgedient, die Zeit der Pensionierung wird als «aktive ­Lebensphase jenseits der Erwerbsarbeit» verstanden, wie es François Höpflinger im nebenstehenden Beitrag formuliert. Die neuen Leitmodelle des Alterns drehen sich denn auch ums bewusste Gestalten von ­Lebenszufriedenheit, um das Streben nach Selbstverwirklichung in einer sich stetig wandelnden Gesellschaft, um die Solidarität zwischen den Generationen und darum, dass auch ältere Menschen gesellschaftlich wertvolle Leistungen erbringen wollen und ­sollen. Gleichzeitig steigt die Zahl der Hochbetagten. Bis 2040 werde sich die Zahl der über 94-Jährigen gegenüber heute verdrei- bis verfünf­ fachen, prognostizieren die Demografen. Eine Folge davon: Immer mehr Menschen werden nach einem aktiven Altersabschnitt eine Zeit der Pflegebedürftigkeit erleben – eine Herausforderung nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft, die eine entsprechende Infrastruktur bereitstellen muss. Gefordert von diesen vielschichtigen Entwicklungen sind auch die Fachleute, welche SeniorInnen beim Altern begleiten: ÄrztInnen, Betreuende, Pflegende und – last but not least – die Professionellen der Sozialen Arbeit. Wo soll und muss sich die Soziale Arbeit im rasch wachsenden Feld der Altersarbeit einbringen? Welche ihrer Kompetenzen kann sie wo einsetzen, und auf welche Weise gelingt ihr dies? Wo bieten sich Chancen zur interdisziplinären Zusammenarbeit, und wie können sie erfolgreich genutzt werden? Um diese Fragen geht es auf den folgenden Seiten. Die Beiträge dieser Ausgabe sind so breit ge­ fächert, wie es die Bereiche der Altersarbeit sind. Aber alle ­zeigen dasselbe: Die Soziale ­Arbeit ist gefragt! Auf sie warten wichtige ­Aufgaben. 13 S C H W E R P U N K T | A l ter schieben den Altersdurchschnitt der Bevölkerung nach oben. Besonders rasch ansteigen wird namentlich die Zahl an hochaltrigen Menschen, da Frauen und Männer häufiger sehr alt werden. Die Zahl der über 94-jährigen Menschen – gegenwärtig gut 18 000 Personen – wird je nach Bevölkerungsszenario bis 2040 auf 43 000 Personen (pessimistische Variante) oder 94 000 Personen (optimistische Variante) ansteigen, was einen erhöhten Bedarf an Pflegefachleuten und Sozialberatung im Alter einschliesst. NR.10_OKTOBER 2009 | SOZIALAKTUELL Die jüngeren Generationen sind zudem eher gewohnt, in einer mobilen und globalen Gesellschaft zu leben, wodurch sie häufig auch im späteren Lebensalter innovativ und lernbereit verbleiben. Jung geblieben und sich jung fühlend, dürften viele Babyboomer hingegen Mühe haben, sich mit körperlichen Einschränkungen des Alters abzufinden, und das Alter wird entsprechend verdrängt. 3. Die rüstigen Rentner: neue, aktive Modelle des Alterns Drittens – mit dem Altern aktiver Generationen eng verknüpft – unterliegen 2. Generationenwandel des Alterns: die Baby­auch die späteren Lebensphasen (späte boom-Generation in der zweiten Lebens­ Familien- und Berufsphasen sowie nachhälfte berufliche Lebensphase) einem ausgeZweitens kommen neue Generationen prägten gesellschaftlichen Wandel, weil mit anderen Lebenshintergründen ins Aldie Pensionierung nicht als «Ruhestand», ter, und namentlich das Altern der Babysondern als aktive Lebensphase jenseits boom-Generation wird das Rentenalter der Erwerbsarbeit verstanden wird. Die der Zukunft prägen. Mit dem Älterwerzuerst bei jungen Erwachsenen festgeden einer Generation, die in ihren jungen stellten Prozesse von Individualisierung Jahren von einer globalen Jugend- und und Pluralisierung der Lebensverläufe beMusikbewegung beeinflusst wurden, trerühren immer mehr auch die späteren ten auch in der zweiten Lebenshälfte akLebensjahre. Der Lebensstil namentlich 65- bis 74-jähriger, teilOhne Verständnis der Lebens­ weise aber auch über 75-jähriger geschichte ist Soziale Arbeit mit Menschen hat sich seit den 80erJahren eindeutig in Richtung eialten Menschen sinnlos ner aktiveren Lebensgestaltung entwickelt. Soziale Verhaltensweisen – tivere Verhaltensweisen auf. Gleichzeitig wie Sport, Sexualität, Lernen usw. –, die profitierte diese Generation von einer Exfrüher nur jüngeren Erwachsenen zugepansion des Bildungssystems, wodurch traut wurden, werden immer mehr als Männer und Frauen dieser Generation zentrale Voraussetzungen eines «erfolghäufiger eine höhere Fachausbildung reichen Alterns» definiert. Auch das Konoder ein universitäres Studium absolviesum- und Verkehrsverhalten älterer Menren konnten als ihre Eltern oder Gross­ schen unterscheidet sich immer weniger eltern. So sind gerade auch die Frauen der vom Verhalten jüngerer Erwachsener. So ersten Nachkriegsgeneration selbstbekönnen nach Ergebnissen des Mikrozenwusster und eigenständiger als ihre Mütsus 2005 zum Verkehrsverhalten über ter. Da körperlich harte Arbeit in Land80% der 65- bis 79-Jährigen als verkehrswirtschaft und Industrie seltener wurde, mässig mobil eingestuft werden. Die erreichen Babyboomer das Rentenalter in neuen Modelle aktiven Alterns haben aloft besserer Gesundheit als ihre Eltern. lerdings nicht dazu beigetragen, dass traditionelle Defizitvorstellungen zum Alter verschwanden, sondern zu beobachten ist eher, dass sich Menschen länger als jung und später als alt einschätzen. François Höpflinger ist Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte sind Altersund Generationenfragen. 14 Alle drei Wandlungsprozesse (demografische Alterung, Generationenwandel des Alters und neue Modelle des Alterns) beeinflussen sich gegenseitig, und nur der Einbezug aller Wandlungsprozesse ermöglicht ein differenziertes Verständnis neuer Entwicklungen der späteren Lebensjahre. Zur Lebenslage älterer Menschen – gesundheitlich, wirtschaftlich, sozial Dank wirtschaftlichem Wohlstand, sozial­ politischer Absicherung (gerade im Alter) und ausgebauter gesundheitlicher Versorgung leben viele Menschen in der Schweiz nicht nur lange, sondern sie verbleiben auch lange gesund und behinderungsfrei. Dadurch können viele – wenn auch nicht alle – 65- bis 79-Jährigen von einem langen «gesunden Rentenalter» profitieren. Diese Phase «später Freiheit» dauert allerdings unterschiedlich lang, in Abhängigkeit von den finanziellen und psychischen Ressourcen sowie den körperlichen Belastungen in früheren Lebensphasen. Deutliche gesundheitlich bedingte Einschränkungen des Alltagslebens treten für viele Frauen und Männer heute erst nach dem 80. Altersjahr auf. Im hohen Alter – der vierten Lebensphase – nimmt das Risiko massiver Pflegebedürftigkeit und alltagsrelevanter hirnorganischer Störungen zu. So ist gut ein Drittel (33–35%) der 85-jährigen und älteren Menschen pflegebedürftig, und mehr als ein Drittel der über 90-jährigen Menschen leidet an demenziellen Erkrankungen. Daher steigt bei den «alten Alten» der Anteil jener, die aus gesundheitlichen und sozialen Gründen auf eine pflegerische Versorgung angewiesen sind. So ­leben fast zwei Fünftel (38%) der 90- bis 94-Jährigen in einer Alters- und Pflegeeinrichtung, und bei den 95-jährigen und älteren Menschen ist dies nahezu die Hälfte (49%). Das moderne Rentenalter umfasst damit unterschiedliche Lebensphasen (die unterschiedliche soziale Angebote erfordern): • Zum einen entstand für viele – wenn auch noch nicht für alle – ein ausgedehntes gesundes Rentenalter, welches vielfältige Aktivitäten jenseits der Erwerbsarbeit erlaubt. • Zum anderen ist das hohe Alter oft – wenn auch nicht immer – mit einer verstärkten Fragilisierung und erhöhter Hilfs- und Pflegebedürftigkeit verbunden. Menschen in dieser Lebensphase sind besonders stark auf soziale Unterstützung und Solidarität angewiesen. Sowohl im dritten Lebensalter (gesundes Rentenalter) als auch im vierten Lebensalter (fragiles Alter, Pflegebedürftigkeit) zeigen sich starke – und eher anwachsende – wirtschaftliche und soziale Unterschiede. So ist der Anteil an wohlhabenden bis reichen AltersrentnerInnen in den A l ter | S C H W E R P U N K T letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen, ohne dass sich der Anteil der einkommensschwachen Altersrentner und Altersrentnerinnen reduziert hat. 1993 wie 2007 beanspruchten gut 12% der AHVRentner und Rentnerinnen Ergänzungsleistungen zur AHV, und gut ein Fünftel der älteren Bevölkerung kann als einkommensschwach eingestuft werden. Das Altern ist auch heute durch starke Ungleichheiten gekennzeichnet, und eine differenzierte Soziale Arbeit für ältere Menschen und mit älteren Menschen basiert auf einer genauen Abklärung der je nach Altersphase unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Gruppen älterer bzw. alter Frauen und Männer. Zwischen Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Verantwortung Die Entwicklung zu einer Gesellschaft langlebiger Menschen, die ihre späteren Lebensjahre aktiv gestalten, führt zu ­neuen Spannungsfeldern zwischen Freiheiten im Alter und sozialen Verpflichtungen des Alters: Einerseits ergeben sich für mehr Menschen neue Chancen eines langen gesunden Alters, welches individualisierte Freiheiten erlaubt. Selbstbestimmung und Selbstständigkeit sind dabei bedeutsame Leitvorstellungen. Dies wird etwa sichtbar im Wunsch, möglichst lange selbstständig zu Hause zu leben, oder in einer steigenden Bedeutung selbstorganisierter Seniorengruppen. Alte Menschen fühlen sich häufiger als eigenverantwortliche Subjekte ihres Handelns und nicht als Objekte fremdbestimmter Altersarbeit. Andererseits führen demografische Alterung und sozialpolitische Ängste zu Ungleichgewichten im Generationenvertrag und zu neuen Überlegungen zur sozialen Verantwortung alter Menschen. Dies wird verstärkt durch gerontologische Kompetenzmodelle, die auf Kompetenzen und Ressourcen alter Menschen ­hinweisen. Die neue gesellschaftliche Verantwortung des Alters wird etwa deutlich in Diskussionen zur Erhöhung des Rentenalters («Wer länger gesund und kompetent ist, soll auch länger arbeiten.») Neue Leitmodelle zum Alter(n) Die vier neuen Leitvorstellungen des Alterns orientieren sich stark an gesellschaftlichen Modellen eines selbst- und mitverantwortlichen Lebens älterer Menschen: 1.zeigt sich das Modell des «erfolgreichen Alterns», das sich auf eine aktive Gestaltung von Lebenszufriedenheit und langjähriger Gesundheit bezieht. Gesellschaftspolitisch hat es vor allem gesundheitsfördernde Ansätze und individuelle Strategien eines aktiven Alterns zur Folge. Daraus können sich soziale Verpflichtungen zu ­lebenslang gesunder Lebensführung ­ergeben. 2.wird häufiger das Modell eines «produktiven Alterns» propagiert. Zentral ist die Idee, dass auch ältere Menschen gesellschaftlich wertvolle Leistungen erbringen können bzw. erbringen müssen. Sozialpolitisch eingebettet wird dieses Modell in Forderungen nach ­einer Ausdehnung der Lebensarbeitszeit oder einer Neuaufwertung der Freiwilligenarbeit im Alter. 3.wird das Modell eines «selbst gestalteten Alterns» betont. Hier geht es um Selbstverwirklichung in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft. Zentral ist vor allem die Idee, dass Altern nicht ein passiv zu erleidender Prozess ist, sondern aktiv zu gestalten ist. 4.wird auch das Modell eines «solidarischen Alterns» vermehrt diskutiert. Dabei geht es um Fragen der Generationensolidarität zwischen Jung und Alt. Eingebettet wird dieses Modell in Bestrebungen zur Verstärkung der intergenerationellen Solidarität älterer Menschen gegenüber jüngeren Menschen wie auch zu einer gezielten Hilfe gesunder alter Menschen zugunsten hilfs- und pflegebedürftiger alter Menschen. Alle sozialen Leitbilder modernen Alterns bewegen sich zwischen individuellen Gestaltungsspielräumen und neuen sozialen Verpflichtungen. Die neuen (Wunsch-)Modelle zum Altern beziehen sich primär auf das dritte Lebensalter (­gesundes Rentenalter). Die vierte Lebensphase (fragiles Alter, Phase der Pflegebedürftigkeit) bleibt davon weniger betroffen. Hier bleiben klassische Defizitvorstellungen stärker verankert. Dadurch ergibt sich ein asymmetrischer Wandel des Alters: Einerseits zeigen sich ein starker Strukturwandel und eine erhöhte Dynamik des gesunden Rentenalters, das gleichzeitig einer verstärkten Individualisierung wie auch neuen gesellschaftlichen Verpflichtungen unterliegt. Andererseits konzentrieren sich die traditionellen negativen Bilder vom Alter immer stärker auf das hohe Lebensalter, wo sich aufgrund altersbezogener Einschränkungen deutliche Begrenzungen individueller Gestaltungsspielräume ergeben. Das Alter als klare soziale Grösse gibt es daher nicht, sondern es zeigen sich je nach Altersphase teilweise gegensätz­ liche normative und soziale Entwicklungen. | Literatur Bundesamt für Statistik (2007): Statistik Alterssicherung. Analyse der Vorsorgesituation der Personen rund um das Rentenalter anhand der Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) 2002 und 2005, Neuchâtel: BFS. Höpflinger, François (2009): Sozialgerontologie: Alter im gesellschaftlichen Wandel und neue soziale Normvorstellungen zu späteren Lebensjahren, in: Thomas Klie; Martina Kumlehn; Ralph Kunz (Hrsg.), Praktische Theologie des Alterns, Berlin: Walter de Gruyter, 55–73. Höpflinger, François (2009): Einblicke und Ausblicke zum Wohnen im Alter, Zürich: Seismo-Verlag. Kruse, Andreas; Martin, Mike (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie der Gerontologie. Alternsprozesse in multidisziplinärer Sicht, Bern: Huber. Lalive d‘Epinay, Christian; Spini, Dario, et al. (2008): Les années fragiles. La vie au-delà de quatre-vingts ans, Quebec: Presse de l’université Laval. Wahl, Hans-Werner; Heyl, Vera (2004): Gerontologie – Einführung und Geschichte, Stuttgart: Kohlhammer. 15