Energetische Sanierung 1 Oben: Die alte Villa in Neunkirchen im unsanierten Zustand. 2 Schmuck, energiesparend und im Bezug auf den Nutzwert stark verbessert – die fertig sanierte Villa im Bergischen Land. Neuer Glanz für alte Villa Aus alt mach neu: Eine altehrwürdige Villa in Neunkirchen wurde gründlich saniert und in ein modernes Bürogebäude verwandelt. Ein Musterbeispiel dafür, was jeder Hausbesitzer mit einer vollständigen energetischen Sanierung aus seinem alten Gebäude machen kann. D as Büro war viel zu klein geworden. Die Chefin hatte längst ihr Büro geopfert und war in eine Ecke des Besprechungsraums gezogen. Jeder Raum war vollgestopft mit Schreibtischen und Zubehör. Also mußte eine Lösung her. Mietobjekte wurden besichtigt, die Umnutzung einer Wohnung angedacht, bis im Kölner Stadtanzeiger die Zwangsversteigerung des Objekts Hauptstraße 24 zur Auflösung der Gemeinschaft angezeigt wurde. Zwei Termine wurden abgesagt, Dieter Marx von der P.S.A. Bauunternehmung GmbH verhandelte dann direkt mit den Eigentümern und konnte einen Kaufpreis vereinbaren. Bis alle Parteien den Notarvertrag unterschrieben, ging wieder Zeit ins Land. Ende August 2012 war das Gebäude endlich vom Müll befreit, drei Seecontainer an alten schrottreifen Möbeln und Gegenständen mussten entsorgt werden. Dazu gehörte auch ein alter Wohnwagen. Nach Zahlung des Kaufpreises ging das Haus in den Besitz der neuen Eigentümer über, die es vermutlich www.ausbauundfassade.de nie wieder hergeben werden. So schön ist es geworden, aber wie kam es dazu? Beeindruckender Gewölbekeller Die Nutzungsänderung wurde beantragt, das ganze Gebäude wurde Stück für Stück entkernt. Begonnen wurde mit dem Freiräumen des Grundstücks. Nur ein alter Rhododendronbusch war erhaltenswert und wurde umgesetzt. Dann wurde das ganze Gebäude ringsherum ausgeschachtet, eine Drainage verlegt, der Sockel professionell abgedichtet und damit der Keller trockengelegt. Der Keller innen wurde gesandstrahlt und als der alte Putz und Dreck verschwunden war, kam ein herrlicher Gewölbekeller zum Vorschein. Alle Wände wurden dann mehrlagig mit Sanierputz von Weber verputzt, der muffige, unangenehme Geruch des Raumes gehörte fortan der Vergangenheit an. 33 PUTZ + TROCKENBAU Restaurierte Holztüren Alle Steigleitungen wurden ausgebaut, die Stromkabel entfernt, die alten Holzböden und schönen, alten Fliesen im Flur mit mehreren Lagen Vlies, Folie und Holzplatten gesichert. Die edlen Holztüren wurden allesamt im Keller gesammelt und Stück für Stück von mehreren Lagen alter Farbe befreit, grundiert und lackiert. Annette Marx (Geschäftsführerin der P.S.A. Bauunternehmung GmbH) sicherte alle Türgriffe und Scharniere. Diese wurden später professionell restauriert und wieder eingebaut. Die bergische Eingangstür mit den aufwendigen Schnitzereien wurde ausgebaut und durch eine Bautüre ersetzt. Dann wurde diese aufwendig saniert und mit einem modernen Schließsystem versehen. Im Dachgeschoss wurden alle Wände sowie die beiden alten Kamine und Böden ausgebaut. Die Holzbalken wurden freigelegt und überprüft. Dabei fand man ein altes, im Dach verstecktes Gewehr, das bei der Polizei in Hennef abgegeben wurde. Optik wie ein »ausgeschlachteter Wal« Das Architekturbüro Michael aus Köln beaufsichtigte die Umsetzung der Planung. Die Bauleitung und Vergabe der Fremdgewerke erfolgte durch die Firma P.S.A. selbst. Bis auf das Gewerk Elektro, das neu besetzt werden musste, bewies man mit der vorgenommenen Auswahl eine glückliche Hand. Allerdings sah das Gebäude zwischenzeitlich aus wie ein »ausgeschlachteter Wal«. Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass dieses Haus ein prächtiges Bürogebäude werden sollte. Alle Stuckdecken wurden mittels einer Teleskopkamera auf Schäden überprüft. Mit dieser Kamera wird sonst die Verklebung von WDVS-Platten überprüft. Leider waren durch unsachgemäßen Aufbau von Duschkabinen und undichten Wasser-und Abwasserleitungen einige Holzbalken faul, so dass bis auf zwei Decken im 3 Das Dachgeschoss wurde in einen großzügigen Besprechungs- und Ausstellungsraum verwandelt. Hier finden alle Mitarbeiter/innen Platz. 34 4 Das Dachgeschoss musste bis auf den Dachstuhl komplett entkernt werden. Zwei riesige Kamine wurden abgerissen und durch ein kleines Edelstahlrohr ersetzt. Erdgeschoss alle Decken geöffnet und in F90 geschlossen werden mussten. Dies war eine Bedingung des Brandschutzes. Über den harten Winter 2012/2013 wurde dann auf dem Lager Unmengen an Stuck nachgezogen. Einige Rosetten wurden später dazugekauft. Besonders schöne Stuckornamente in den Büros des Erdgeschosses wurden ebenso sorgfältig restauriert, wie beim Stuckbogen im Flur. Hinsichtlich Brandschutz wurde freiwillig ohne Auflage ein Entrauchungsfenster im Flur eingebaut und alle Treppenuntersichten der Holztreppe in F90 verkleidet. Wirkungsvolle Ausleuchtung Das einzige »richtige« Badezimmer im ersten Obergeschoss musste gesperrt werden, bis neue Balken eingezogen waren. Dass hier niemand samt Badewanne im darunterliegenden Flur gelandet war, grenzte an ein Wunder. Der Küchenanbau war ebenfalls vollkommen marode. Der Fußboden musste komplett abgetragen und erneuert werden. Einzelne Wände kippten einfach nach dem Öffnen um und mussten neu aufgemauert werden. Erst sollte der Anbau komplett abgerissen werden, aber Annette Marx setzte sich durch. Die Küche ist heute ein zentraler Ort für das tägliche Mitarbeiterfrühstück, für Treffen und Besprechungen. Marco Overath vom IBO Innovationsbüro Overath wurde mit der Lichtplanung des Gebäudes und später mit der Auswahl der Lampen und Kontrolle der Elektrik beauftragt. Diese Entscheidung war im Rückblick sehr wichtig, denn hier wurden die Grundlagen für eine besonders effiziente Ausleuchtung des Gebäudes gelegt. Alle alten Holzfenster wurden durch dreifachverglaste Holzfenster ersetzt. Die alte Profilierung wurde nachgearbeitet. Die Küche erhielt eine großzügige neue Fensteranlage. Alte Kapitelle brechen Außen wurde der alte Stuck auf zwei Seiten sowie der vollkommen unpassende Landhausputz auf den ande- ausbau + fassade 06.2015 Energetische Sanierung ren Seiten abgeschlagen. Alle 64 Stück der alten Kapitelle brachen. David Marx, der Juniorchef von P.S.A., damals in Arnsberg in der Meisterausbildung, setzte noch halbwegs erhaltene Stücke zusammen, fertigte Formen an und sorgte dafür, dass täglich zwei bis drei Kapitelle auf dem Lager nachgegossen wurden. Diese wurden dann später wieder angebracht. Die Villa wurde danach mit 14 cm Mineralwolle gedämmt, gedübelt und armiert. Das ganze Gebäude wurde anschließend komplett eingehaust, eine fahrbare Heizung angeschafft und unter anderem mit dem in den alten Tanks vorhandenen Heizöl unter den Planen so geheizt, dass im Januar und Februar trotz starkem Frost weitergearbeitet werden konnte. Ein Schlauch wurde auch in das Gebäude verlegt, um dort für eine angenehme Arbeitstemperatur zu sorgen. 6 Das Chefbüro im ersten Obergeschoss. Fotos: P.S.A. Bauunternehmung GmbH Reges Interesse am Bautagebuch Die Firma Sto fertigte die Entwürfe zur Verwendung von Stuckprofilen. Nach intensiver gemeinsamer Beratung fiel die Wahl auf eine dezente Profilierung. Jedes Profil wurde mit Sto »Flexyl« behandelt und abgedichtet. Der Oberputz ist ein feiner Filzputz in 0,5 mm Korngröße. Er wurde sorgfältig in Q3 aufgetragen, eine Schattenbildung ist fast nicht vorhanden. Die edle Farbwahl »Weiß-Hellgrau« erfolgte nach Probeanstrichen und gemeinsamer Absprache. Das Objekt wurde zwei bis drei Mal mit Sto-Produkten gestrichen. Die ganze Ortschaft verfolgte die Baumaßnahme an dem historischen Gebäude mit großem Interesse. Ein wöchentlich aktualisiertes Bautagebuch – der Tipp dazu kam von der Handwerkskammer – informierte mit Bildern über den Baufortschritt. Es wurde rege verfolgt. Selbst heute noch ist das Bautagebuch auf der Homepage veröffentlicht und wird oft gelesen. 5 Die Terrasse und die Küche als gelungener Kontrast zur alten Villa. Die Küche bekam ein neues begrüntes Dach und eine großzügige Fensteranlage. www.ausbauundfassade.de Neuer Dachstuhl als letzter Akt Jeder wartete auf das Fallen der Bauplanen. Im Frühjahr war es dann soweit: als die Folien abgenommen wurden und das Haus sein neues Gesicht zeigte, war die Begeisterung groß. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass das alte ungepflegte Haus wieder derart aufblühen würde. Der letzte Akt im Rahmen der Sanierung war ein neuer Dachstuhl auf der Küche und die Vergrößerung der Terrasse in eine kubische Form – alles nach Plänen des Architekturbüros Michael. Eine moderne, klar strukturierte Ergänzung durch den Küchenanbau mit umlaufender Terrasse sorgte für das gewisse Etwas. Letztlich wurden für zwei Büros neue Möbel angeschafft, eine neue Küche bestellt und für das Archiv endlich einheitliche Regale ausgesucht. Die alten Öltanks im Keller wurden herausgeschnitten und aus dem ehemaligen Bunker ein Lagerraum für Pellets gebaut. Die Holzpelletsheizung läuft bis heute ohne Störung. In einem Jahr werden etwa drei Tonnen Pellets benötigt (zirka 1200 Euro brutto bei 300 m² Bürofläche). Mitte Juni 2013 fand der Umzug vom alten Geschäftsgebäude in die Villa statt, die früher auch als Polizeistation, Bürgermeisterwohnhaus und Pension genutzt wurde. Am 19. Juni 2013 wurde das neue Bürohaus den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde mit einem »Tag der offenen Tür« vorgestellt. Bis heute war die Entscheidung zum Kauf und Sanierung der alten Villa entscheidend für das ausführende Unternehmen, die P.S.A. Bauunternehmung GmbH. Der Betrieb konnte erstmalig zeigen, was jeder Hausbesitzer aus seinem alten Gebäude machen kann, wenn er eine vollständige geplante energetische Sanierung durchführt. Finanziert wurde das Projekt aus dem Verkauf des alten Wohnund Geschäftshauses, einem KfW-Darlehen und aus Eigenmitteln. Annette Marx, P.S.A. Bauunternehmung GmbH 35