MPG-official form - Max Planck Institute for Chemical Ecology

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19. Januar 2017
Nr. 1/2017 (172)
Leibwächter im Darm mit chemischer Waffe
Symbiotische Darmbakterien produzieren ein Antibiotikum, das gefährliche
Krankheitserreger im Raupendarm ausschaltet
Nützliche Bakterien im Darm von Schmetterlingsraupen produzieren einen
antibakteriellen Wirkstoff und töten damit andere, für die Entwicklung der Raupen
schädliche Bakterien ab. Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Leitung
des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena konnte erstmals
nachweisen, dass die Symbiose-Bakterien Enterococcus mundtii das Toxin Mundticin
absondern. Es dringt im Darm des Afrikanischen Baumwollwurms Spodoptera littoralis
in schädliche Darmkeime ein und tötet die Einzeller. Enterococcus mundtii sorgt damit
für eine gesunde Darmflora und ein vermindertes Infektionsrisiko des Ernteschädlings.
(Cell Chemical Biology, Januar 2017, DOI: 10.1016/j.chembiol.2016.11.015)
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Enterococcus mundtii-Darmbakterien (gelb) bilden einen Biofilm auf der Darmschleimhaut des
Afrikanischen Bauwollwurms Spodoptera littoralis. Die symbiotischen Bakterien produzieren ein Kanalbildendes Peptid namens Mundticin: Im Darm des Baumwollwurms dringt es in die Zellmembram von
krankheitsübertragenden Bakterienzellen (blau und rosa) ein und tötet diese. Symbiotische Bakterienzellen
(grün), wie beispielsweise Clostridien oder andere E. mundtii-Bakterien, sind gegenüber Mundticin
unempfindlich. Rechts: Raupe (oben und Mitte) und Puppe (unten) des Baumwollwurms Spodoptera
littoralis, die mit dem Krankheitserreger Enterococcus faecalis infiziert wurden. Enterococcus mundtii im
Darm gesunder Raupen hält diesen pathogenen Konkurrenten in Schach und verhindert eine Infektion.
Grafik und Fotos: Yongqi Shao, Universität Zhejiang, Hangzhou, China
Der Afrikanische Baumwollwurm Spodoptera littoralis ist ein besonders im
Mittelmeerraum weit verbreiteter und gefürchteter Landwirtschaftsschädling. Er hat ein
sehr breites Nahrungsspektrum und befällt Gemüse, Obst, Blumen und Feldfrüchte.
Das Insekt ist neuen Erkenntnissen zufolge deshalb so erfolgreich, weil es eine
Symbiose mit einem Bakterium in seinem Darm eingegangen ist.
Bereits 2012 konnten Forscher der Abteilung Bioorganische Chemie am Max-PlanckInstitut in Jena zeigen, dass sich das Mikrobiom von Spodoptera littoralis, also die
Gesamtheit aller Mikroorganismen, die diesen Schädling besiedelt, im Laufe der
Larvenentwicklung stark verändert. Während im frühen Larvenstadium noch
verschiedene Arten der Gattung Enterococcus zu finden waren, dominierten bei
ausgewachsenen Raupen kurz vor der Verpuppung Bakterien der Art Enterococcus
mundtii. Krankheitserreger, wie die verwandten Arten Enterococcus faecalis und
Enterococcus casseliflavus, waren aus dem Mikrobiom der Raupen nahezu
verschwunden. Diese Erkenntnisse veranlassten die Wissenschaftler, die Faktoren
näher zu untersuchen, die die Zusammensetzung des Mikrobioms im Verlauf der
Entwicklung der Insekten beeinflussen.
Die Forscher um Wilhelm Boland kultivierten daher Enterococcus-Bakterien für
sogenannte Agardiffusionstests: Mit dieser Methode kann gezeigt werden, welche
Bakterien sich in einem Medium bei Anwesenheit anderer Mikroorganismen
ausbreiten und welche in ihrem Wachstum gehemmt werden. Dabei entdeckten sie,
dass die im Raupendarm dominanten Enterococcus mundtii Bakterien eine chemische
Substanz in das Medium abgaben, die das Absterben der anderen Bakterienarten
verursachte. Kollegen aus dem Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und
Infektionsbiologie identifizierten anschließend die Substanz: Es handelt sich um das
Peptid Mundticin KS, ein sogenanntes Bacteriocin, das von Bakterien abgesondert
wird, um konkurrierende Bakterienstämme zu verdrängen.
Weitere Untersuchungen zeigten, dass Enterococcus mundtii die Substanz quasi als
körpereigenes Antibiotikum im Raupendarm produziert. Die Forscher versuchten,
Raupen, die mit den Symbiose-Bakterien vergesellschaftet waren, mit dem Darmkeim
Enterococcus faecalis zu infizieren. Der Erreger konnte jedoch dank der Symbionten
erfolgreich aus dem Darm verdrängt werden. Raupen, die einen Enterococcus
mundtii-Stamm ohne das Gen für die Synthese von Mundticin in ihrem Darm hatten,
waren gegen eine Infektion mit dem Erreger hingegen machtlos. Bekamen die
infizierten Raupen Mundticin mit ihrer Nahrung verabreicht, gingen die Darmerreger
innerhalb von 24 Stunden um mehr als 60 Prozent zurück.
„Mundticin ist somit das erste mikrobielle Stoffwechselprodukt aus dem Darm eines
Organismus, von dem wir wissen, wie es die Zusammensetzung der Darmflora
beeinflusst“, erklärt Boland. Welche Mikroorganismen im Darm überleben und welche
absterben, wird aber auch von der Nahrung und den darin enthaltenen sekundären
Pflanzeninhaltsstoffen bestimmt. „Das Mikrobiom ist das Ergebnis einer sehr
empfindlichen Balance von Sekundärmetaboliten aus der pflanzlichen Nahrung und
den Stoffwechselprodukten sowohl der Insekten selbst als auch der die Insekten
besiedelnden Mikroorganismen.“ Dieses Zusammenspiel wird derzeit genauer
untersucht.
Viele Schmetterlingslarven richten in der Landwirtschaft große Schäden an. Zu ihrer
Bekämpfung werden immer wieder auch Bakterien zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt. „Grundlegende Kenntnisse über die Wirkungsweise von
Bakteriocinen sowie die Identifizierung von Genen, die Resistenz gegen die Wirkstoffe
verleihen, könnten maßgeblich dazu beitragen, die Schädlingskontrolle mithilfe
bakteriocinresistenter Bakterien zu verbessern,“ sagt Erstautor Yongqi Shao, der
seine Untersuchungen in Jena durchgeführt hat und seit 2015 an der Zhejiang
Universität in Hangzhou, China, forscht. Auch für die medizinische Forschung liefert
die Studie interessante Ansätze, denn Bacteriocine gelten als mögliche Alternativen
zu konventionellen Antibiotika, gegen die in den letzten Jahren bedrohliche
Resistenzen entstanden sind.
Die Arbeit wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereiches
Mediatoren
in
komplexen
Biosystemen“
mit
Mitteln
der
Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. [AO/KG]
„Chemische
Deutschen
Originalveröffentlichung:
Shao, Y., Chen, B., Sun, C., Ishida, K., Hertweck, C., Boland, W. (in press). SymbiontDerived Antimicrobials Contribute to the Control of the Lepidopteran Gut Microbiota.
Cell Chemical Biology 24, 1-10. DOI: 10.1016/j.chembiol.2016.11.015
http://dx.doi.org/10.1016/j.chembiol.2016.11.015
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Wilhelm Boland, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-KnöllStraße 8, 07745 Jena, E-Mail [email protected], Tel.: +49 3641 57 1201
Kontakt und Bildanfragen:
Angela Overmeyer M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str.
8, 07743 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail [email protected]
Download von hochaufgelösten Fotos über
http://www.ice.mpg.de/ext/downloads2016.html
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