G22_20_21:_G_Musterseite 11.11.2008 19:28 Uhr Seite 20 20 씰 Gesunderhaltung Geflügelzeitung 22|2008 Erkrankungen des Geflügels durch aviäre Metapneumoviren E rkrankungen der Atemwege sind beim Geflügel allgemein weit verbreitet, wobei zahlreiche unterschiedliche Erreger beteiligt sein können. Beim Huhn werden vornehmlich vier Infektionen beschrieben, die Mykoplasmose, der Röchelschnupfen, die Infektiöse Bronchitis (IB) und die Infektiöse Laryngotracheititis (ILT). Während es sich bei den beiden erstgenannten Erkrankungen um bakterielle Infektionen handelt, zu deren Behandlung unterschiedliche Medikamente, vornehmlich Antibiotika, eingesetzt werden, werden die beiden letztgenannten Erkrankungen durch Viren hervorgerufen, bei denen nach Ausbruch von Krankheitserscheinungen keine Behandlung mehr möglich ist. Hier steht als Bekämpfungsmaßnahme die vorbeugende Impfung während der Aufzucht im Vordergrund, die in der Rassegeflügelzucht mehr oder weniger regelmäßig durchgeführt wird. In den letzten Jahren hat sich nun gezeigt, dass trotz umfangreicher Impfmaßnahmen weiterhin Atemwegserkrankungen bei Hühnern auftreten, die entweder die Folge von Impfdurchbrüchen waren oder aber auch durch bisher noch unbekannte Erreger verursacht sein könnten. Intensive Untersuchungen, zunächst in der Putenzucht, haben ergeben, dass hierfür Viren aus der Familie der Pneumovirinae verantwortlich gemacht werden können. Bei den Puten ist bereits seit Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts eine Erkrankung der oberen Luftwege bekannt, die als Rhinotracheitis der Puten (englisch: turkey rhinotracheitis = TRT) beschrieben wurde, wobei der verantwortliche Erreger zunächst als Pneumovirus bezeichnet wurde, wegen seiner Affinität zu den Atmungsorganen. Die Erstbeschreibung stammt aus Südafrika, aber es hat sich bald gezeigt, dass TRT bei Puten weltweit verbreitet ist. Bei dieser Tierart verursacht der hochinfektiöse Erreger nicht unerhebliche Ausfälle sowie erhöhte Kosten in der Aufzucht durch schlechtes Wachstum, verminderte Futteraufnahme und Leistungsabfall bei Legeputen. Auch erhöhte Verluste treten auf. Eine Infektion mit dem Erreger ist darüber hinaus häufig ein Wegbereiter für Sekundärinfektionen, zumal das Virus immunsuppressive Eigenschaften besitzt, d.h. die Ausbildung einer Immunität nach Impfung oder dem Überstehen einer anderen Infektion führt nur zu einem mäßigen Immunschutz. Forschungsergebnisse Die Virusinfektion der Puten hat Anlass zu weiteren Forschungen über die Pneumoviren gegeben, sifiziert sind, sowie das MäusePneumonievirus. Zu den Metapneumoviren zählen zahlreiche unterschiedliche Stämme aus dem Geflügelbereich, daneben aber auch wiederum Erreger, die gleichfalls zu menschlichen Erkrankungen führen können, wobei bisher keine Beziehungen zwischen tierischen und menschlichen Infektionen nachgewiesen werden konnten. Ausgehend von den Erkrankungen bei Puten wurden Untersu- Jungtier mit Atmungsstörung, wie sie bei einer Infektion mit Metapneumoviren auftreten kann wobei sich schnell zeigte, dass diese Gruppe sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Erreger zusammensetzt, die bei zahlreichen Tierarten vorkommen und erstmals auch im Jahr 2001 beim Menschen nachgewiesen wurden. Ohne näher auf die Eigenschaften der einzelnen Viren einzugehen, sei nur soviel gesagt, dass sie taxonomisch zur Virus-Familie Paramyxoviridae eingeordnet werden, zu der auch das bekannte Newcastle-DiseaseVirus gehört, ohne dass aber engere Beziehungen zwischen dem Paramyxovirus (Erreger der Newacstle-Krankheit) und den Pneumoviren bestehen. Letztere werden inzwischen zur Subfamilie Pneumovirinae zusammengefasst, die wiederum in die Gruppen Pneumovirus und Metapneumovirus mit zahlreichen Mitgliedern unterteilt wird. Zu den Ersteren zählen zahlreiche respiratorische Syncytial-Viren von Rind und Mensch, wobei einige Stämme noch nicht klas- chungen bei anderen Geflügelarten durchgeführt, wobei sich zeigte, dass vor allem Hühner aus derselben Region in einem nicht unerheblichen Umfang Antikörper gegen das Metapneumovirus der Puten aufweisen, sich also mit dem Erreger auseinander gesetzt hatten. Daher ist es sinnvoll, den verantwortlichen Erreger nicht als PutenRhinotracheitisvirus zu bezeichnen, sondern als aviäres Pneumovirus, bzw. unter Berücksichtigung neuerer Forschungsergebnisse als aviäres Metapneumovirus. Aviäre Metapneumoviren vermehren sich nicht nur bei Puten oder Hühnern, sondern auch bei Fasanen, Perlhühnern und Warzenenten. Tauben und die meisten Enten erwiesen sich nach bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen als refraktär gegenüber aviären Pneumoviren. Die Ergebnisse von Untersuchungen bei Gänsen sind etwas unterschiedlich, auch bei Wildgänsen, Möwen und Haus- spatzen. Es scheint aber so, dass auch Wildvögel den Erreger in sich tragen, auch wenn sie nicht immer Kontakt zu landwirtschaftlichen Geflügelbetrieben haben. Unabhängig von dem Nachweis aviärer Metapneuviren bei zahlreichen Vogelarten bleibt die Pute Hauptwirt, gefolgt vom Huhn. Verschiedene Serotypen Ursprünglich hatte es den Anschein, als wenn die aviären Metapneumoviren alle zu einem einzigen Serotyp gehören würden. Mit Anwendung moderner diagnostischer Verfahren unter Verwendung von monoklonalen Antikörpern und molekulargenetischen Verfahren wurden zunächst zwei unterschiedliche Serotypen ermittelt, die als Serotyp A und B bezeichnet wurden. Bei Krankheitsausbrüchen bei Puten in den USA in den letzten Jahren wurde ein weiterer Serotyp isoliert und als Typ C bezeichnet. Die letzte Erweiterung der Virusgruppe der Metapneumoviren erfolgte durch den Nachweis eines Serotyp D bei Puten in Frankreich im Jahr 2000. Inzwischen lassen sich die Serotypen A und B weltweit nachweisen, während Serotyp C bisher nur in den USA isoliert werden konnte. In Frankreich existieren alle 4 Serotypen, in Deutschland überwiegend nur die Serotypen A und B. Es dürfte allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis alle Serotypen eine weitere Verbreitung erfahren, zumal der Geflügelhandel keine Grenzen kennt. Die Serotypen sind weitgehend stabil, sodass eine Impfung mit dem jeweils verantwortlichen Serotyp durchgeführt werden kann. Krankheitsbild Abgesehen von der TRT, die zu massiven Verlusten bei einer schlecht geführten Putenzucht führen kann, interessiert heute vor allem die Auswirkung dieser Virusinfektion bei Hühnern. Unter normalen Haltungsbedingungen führt eine Infektion bei dieser Tierart zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Atemstörung, kann aber auch ohne deutliche Krankheitsanzeichen verlaufen, sodass sie vom Rassegeflügelzüch- G22_20_21:_G_Musterseite 11.11.2008 19:28 Uhr Seite 21 Gesunderhaltung 씱 21 Geflügelzeitung 22|2008 ter überhaupt nicht bemerkt wird, es sei denn, es würden serologische Untersuchungen durchgeführt. Aber Komplikationen durch andere Erkrankungen der Atemwege, seien es andere Virusinfektionen oder bakterielle Erkrankungen, führen schnell zu massiv auftretenden Atemstörungen mit einer längeren Krankheitsdauer. Hierbei spielen auch schlechte Haltungsbedingungen, ein schlecht durchlüfteter Stall oder ein hoher Ammoniakgehalt in der Stallluft eine wichtige Rolle, sowie ein Überbesatz an Tieren im Verhältnis zur Stallfläche. Ein besonderes Krankheitsbild neben den Atemstörungen ist das Auftreten von Entzündungserscheinungen der geschwollenen Augenlider sowie eine deutliche Anschwellung des Sinus infraorbitalis sowie des Sinus periorbitalis der Nasennebenhöhlen mit dem nicht zu übersehenden Bild eines „Eulenkopfes“, sodass die Krankheit entsprechend dem englischen Sprachgebrauch auch als „swollen head Syndrom“ (geschwollener Kopf-Syndrom) bezeichnet wird. Verantwortlich hierfür ist die Ausbildung eines Ödems in der Unterhaut des Kopfes und des Halses. Vergleichbare Veränderungen finden sich auch bei Puten. Dieses Krankheitsbild ist jedoch nicht alleine auf eine Infektion mit dem aviären Metapneumovirus zurückzuführen, sondern tritt nur auf, wenn andere Krankheitserreger als komplizierender Faktor hinzukommen. Betroffen sind dabei immer nur einzelne Tiere im Bestand. Der bei vielen Atmungserkrankungen auftretende eitrige Nasenausfluss gehört ebenfalls zum typischen Bild einer Metapneumovirusinfektion. In den Bronchen der betroffenen Junghühner schwinden die Zilien, die für den Abtransport und Auswurf von Fremdstoffen verantwortlich sind. Dieser Schaden kann aber auch durch andere Viren verursacht sein. Die Inkubationszeit wird mit drei bis neun Tagen angegeben. Sowohl bei legenden Puten als auch bei Legehennen sinkt die Legeleistung deutlich ab. Es werden vermehrt dünnschalige Eier gelegt, und die Farbe bei braunschaligen Eiern hellt auf. Verluste durch Tod einzelner Tiere bewegen sich zwischen 2 und 4 %, selten höher. Abgesehen von der länger dauernden Minderung der Legeleistung sind typische Krankheitsanzeichen oft nur wenige Tage erkennbar, wobei Sekundärinfektionen das Krankheitsbild Legehenne mit geschwollenem Kopf infolge einer Virusinfektion Fotos:Prof. Hafez, FU Berlin verschlimmern und verlängern können. Verbreitung Seit der ersten Isolierung eines Metapneumovirus besteht Einigkeit darüber, dass der Erreger horizontal verbreitet wird, d.h. er wird von infizierten Tieren auf nicht infizierte Stallgenossen durch Kontakt übertragen. Kontaminierte Gerätschaften oder Futter können gleichfalls für eine passive Verbreitung verantwortlich gemacht werden. Vor allem erfolgt auch eine Übertragung durch Gerätschaften oder den Menschen von Stall zu Stall. Eine Luftübertragung wird zwar vermutet, ist aber bis heute nicht bewiesen. Wie bereits erwähnt, kann jede Belastung der Tiere durch Stress oder unzureichendes Management die Empfänglichkeit der Tiere erhöhen. Durch in Rassegeflügelbeständen häufige Haltung mehrerer Altersgruppen in einem Betrieb wird die Weiterverbreitung einer Infektion mit dem Metapneumovirus unterstützt. Eine Übertragung über das Brutei ist bisher nicht bewiesen. Zwar können schon sehr früh bei Küken Infektionen nachgewiesen werden, aber es wird angenommen, dass hierfür an der Schale kontaminierte Bruteier verantwortlich zu machen sind, vermutlich durch einen infizierten Eileiter, aber auch andere Übertragungsmöglichkeiten noch in der Brutmaschine, die nicht oder nur unzureichend zwischen den einzelnen Schlüpfen desinfiziert worden ist. Impfung Bereits frühzeitig wurde in den Putenbeständen der Versuch unternommen, durch geeignete Vakzi- nationsmaßnahmen einen Schutz aufzubauen, zumal maternale Antikörper nur eine untergeordnete Rolle spielen, also das Immunsystem erst noch „erweckt“ werden muss. Eine wiederholte Impfung mit einem attenuierten Impfstoff erfolgt bereits sehr frühzeitig (1., 3. und 8 Lebenswoche). Zuchttiere können im 2. Lebens-Halbjahr mit einer inaktivierten Vakzine geimpft werden, die injiziert werden muss. Es lässt sich dann ein Antikörperspiegel nachweisen, wozu jedoch etwas aufwändigere Nachweismethoden erforderlich sind. Neben den Mono-Impfstoffen stehen hier auch Kombinations-Impfstoffe zur Verfügung, die eine größere Palet- te von Geflügelviren abdecken. Bei Puten sinkt der Antikörperspiegel aber bereits nach vier Wochen wieder ab. Die Tiere besitzen aber trotzdem eine belastbare Immunität, sodass Reinfektionen kaum mit klinischen Krankheitserscheinungen verbunden sind. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die gebildete Immunität nicht alleine humoralen Ursprungs ist, sondern auch zell-assoziiert. Bei Hühnern scheint der humoralen Immunität (serologisch messbar) eine größere Bedeutung zuzukommen, wobei vor allem diese Art der Immunität für einen Schutz der weiblichen Geschlechtsorgane verantwortlich ist, da bei einem hohen Antikörperspiegel kein Abfall der Legeleistung sowie in der Qualität der gelegten Eier festzustellen ist. Trotz der bisher erzielten positiven Ergebnisse in der Impfprophylaxe sind aber noch viele Fragen offen, vor allem in der Immunisierung größerer Tierbestände. Auch die Qualität der Impfstoffe kann noch verbessert werden, vor allem in der Anwendbarkeit. Erste Versuche mit gentechnisch hergestellten Vakzinen zum Schutz von Puten gegen die TRT, die viel versprechend sind, wurden auf wissenschaftlicher Basis durchgeführt. Ob derartige Impfstoffe aber für den Bereich der Rassegeflügelzucht mit ihren verhältnismäßig kleinen Beständen geeignet sind, muss gegenwärtig noch offen bleiben. Dr. Werner Lüthgen Unser Buchtipp Taschenatlas Groß- und Wassergeflügel Horst Schmidt, Rudi Proll, 2008, 128 S., 150 Farbf., kart., ISBN 9783-8001-5393-0, € 12,90 In diesem Fachbuch werden alle in Deutschland standardmäßig erfassten Rassen des Groß- und Wassergeflügels dargestellt. Die wichtigsten Rassemerkmale, ihre Herkunft, Farbund Zeichnungsausprägungen, die Besonderheiten und Verbreitung werden in Kurzform beschrieben. In hoher Fotoqualität werden alle Rassen mehrfach abgebildet. Nicht Massenzuchten und Marktproduktion sind Leitfäden für die Repräsenta- tion der großen Vertreter im Reigen des Rassegeflügels, sondern deren kulturhistorische Entwicklung, ihre überraschende Ausprägung ästhetischer Feinheiten und die Farbenpracht des Gefieders. Natürlicherweise bietet das Groß- und Wassergeflügel aber auch für die ökologisch verantwortliche Selbstversorgung ein gesundes Nahrungsmittel. Über allem steht die Faszination am Rassetier, die Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe und die Freude an der Erhaltung alten züchterischen Kulturgutes. Das Buch gilt zur Information und Erbauung zugleich für Züchter, Tierfreunde, Biologen und Haustierforscher.