Rebirth 17. Mai 2014 Seite 1 Lebensläufe Der 19

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Rebirth 17. Mai 2014
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Lebensläufe
Der 19-jährige Guillermo P. wird von seinem Hausarzt mit Fieber “zur Abklärung” eingewiesen.
Guillermo war bis vor 5 Wochen gesund; dann - Ende April - bekam er einen hartnäckigen,
trockenen Husten, zu dem sich zwei Wochen später auch noch Fieber und Schüttelfrost
dazugesellten. Guillermo war in hausärztlicher Behandlung, und schonte sich auf Anraten von Dr.
Ruiz, einem Landsmann, ohne dass die Beschwerden sich besserten. Als zwei Tage später das
Sputum sich grünlich verfärbt, fertigt Dr. Ruiz ein Thorax-Röntgen an:
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Guillermo stammt aus dem Süden Spaniens und wuchs in einer ländlichen Gegend auf; seine Eltern
bearbeiten einen kleinen Bauernhof und sind auf der nahe gelegenen Rinderzucht angestellt. Er ist
erst vor 4 Monaten nach Frankfurt gekommen, wo sein Bruder Arbeit auf einer der großen
Baustellen bei Holzmann gefunden hat. Er lebt derzeit bei ihm in einer kleinen Wohnung und sucht
ebenfalls nach einer Betätigung.
Die Anamnese durch Dr. Ruiz geht unkompliziert – Guillermo hat nach der Pflichtschule auch drei
Jahre in der Stierzucht gearbeitet, wo er für die Jungtiere verantwortlich war. Er hatte vor zwei
Jahren eine “Malaria”, und weiß nur noch, dass diese mit einer zweiwöchigen Medikation behandelt
wurde. In der letzten Woche hat er einige Male ungeformten Stuhl gehabt. Auf Nachfrage kann er
nicht sagen, welche Kinderkrankheiten er gehabt hat oder ob er geimpft ist. Auch die
Familienanamnese kann nicht erhoben werden.
Guillermo verneint, jemals Drogen genommen zu haben, er raucht 3 – 5 Zigaretten pro Tag und
trinkt gelegentlich etwas Wein, wenn er durch einen Gelegenheitsjob etwas Geld hat. Er hat keine
Bluttransfusionen bekommen, er verneint Promiskuität oder homosexuelle Aktivitäten.
Dr. Ruiz verschreibt Azithromycin und instruiert Guillermo, wann er sich wieder melden soll.
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Zwei Tage später ist Guillermo wieder in der Praxis. Er fühlt sich unverändert krank; auch der
Auswurf ist nicht besser geworden, so dass er stationär eingewiesen wird.
Bei der Aufnahme in der Infektiologie erscheint Guillermo krank, blass und kachektisch. Er gibt
dem PJler – der aufgrund seines Auslandsjahres gut Spanisch spricht – einen Gewichtsverlust von 9
kg in den letzten 2 Monaten an. Bei 38,6°C hat er einen Puls von 100 / min, einen RR von 90 / 60
mm Hg, eine AF von 20/min und einen BMI von 17,7 kg/m2. Über den Ohrläppchen und an den
Augenbrauen sind ekzematöse Veränderungen, die Zunge ist leicht verfärbt, ohne einen eindeutigen
Candidabelag. Lymphknoten sind nicht tastbar vergrößert.
Auskultatorisch finden sich an der linken Lungenbasis einige Rasselgeräusche, ein 2/6 Systolikum
ist am 3. ICR rechts zu hören. Die Leber ist 2 cm unterhalb des RB tastbar, aber nicht schmerzhaft.
Die Milz ist nicht tastbar, im Abdomen sind auch bei tiefer Palpation keine Resistenzen zu finden.
Die Nierenlager sind frei. Die übrige körperliche Untersuchung ist unauffällig. Noch in der
Aufnahme wird eine BGA angefertigt; unter Raumluft ist der pH 7,50, der pO2 89 mm Hg, der
pCO2 29 mm Hg.
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Das Aufnahmelabor zeigt folgende Werte:
HK 27%
Hb 9,0 g/dl
Thrombozyten 259 000/µl
Leukozyten 3 000/µl
Neutrophile 60%
Stabförmige 3%
Lymphozyten 29%
Monozyten 6%
Eosinophile 1%
Basophile 1%
MCV 82 fL
Harnstoff 21 mg/dl
Kreatinin 0.8 mg/dl
Protein 8,4 g/dl
Albumin 2,7 g/dl
Immunglobuline 5.7 g/dl
Glukose 81 mg/dl
Bilirubin 1.0 mg/dl
Guillermo wird in der Infektiologie in einem Isolierzimmer untergebracht, Blut und Urin wird zur
Kultur eingeschickt und Guillermo “abgedeckt”.
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Die ersten beiden Tage bekommt er Cefuroxim und Nystatin. Trotzdem hat Guillermo jeden Tag
zwischen 38.4 und 39,8°C Fieber. Die bei der Aufnahme hörbaren Rasselgeräusche bessern sich
langsam. Im Labor nimmt die Anämie bis auf einen HK von 20% am 2. Tag zu, mit 2,3%
Retikulozyten.
Am vierten stationären Tag wird ein CT des Thorax angefertigt:
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Vergrößerte Lymphknoten finden sich paratracheal, subkarinal, aortopulmonal, präkaval sowie im
oberen Abdomen; sie haben bis zu 1,5 cm Durchmesser. Im Lungenfenster sind diffuse
Verschattungen im linken Unterlappen erkennbar.
Wiederholte Blut- und Urinkulturen bleiben steril; eine kleine Zungenläsion wird angezüchtet, es
wächst C. albicans, ebenso wie aus einer Sputumkultur. Die Suche nach Mykobakterien, Malaria
und Babesiose sind erfolglos, ebenso wie P. jiroveci-Färbungen im Sputum und ein Tuberkulin-Test.
Auch in den nächsten zwei Tagen – die Antibiose wird umgestellt von Cefuroxim auf
Clarithromycin plus Doxycyclin. Am sechsten Tag kommt ein Anruf aus der Mikrobiologie – auf
einer Blutagar-Platte werden nach 5 Tagen Inkubation Chlamydosporen gefunden:
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Aufgrund der Anamnese wird eine Urinprobe nachgeschickt; hier lässt sich schnell HistoplasmaAntigen nachweisen. Damit hat Guillermo eine disseminierte Histoplasmose mit einer HistoplasmaSepsis; eine mögliche Infektionsquelle ist die Rinderfarm, auf der er gearbeitet hat.
Im mikrobiologischen Labor wird die Kolonie neu plattiert und wächst zu einer typischen,
myzelierten Histoplasma-Kultur aus:
Nach dieser Information kann spezifischer nach Mykoplasma gesucht werden, sowie nach der
Ursache dieser Infektion, die aber auch bei immunkompetenten Patienten auftreten kann.
Charakteristisch sind Makrophagen, bei denen die Hefesporen in Phagolysosomen nachgewiesen
werden können:
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Histoplasmose manifestiert sich primär im retikuloendothelialen System, und befällt primär das
Knochenmark, die Milz und Leber, häufig aber auch die Nebennieren. Daher ist bei Verdacht auf
Histoplasmose die Knochenmarksbiopsie eine gute Nachweismethode.
Zusätzlich kommen weitere serologische Ergebnisse, die am Vortag abgenommen wurden. Im
Serum sind anti-Toxoplasma-IgG und anti-CMV-IgG positiv, ein ELISA auf HIV ist stark positiv.
Die ebenfalls durchgeführte PCR ergibt 638 000 HIV-Kopien pro ml.
Histoplasma-Pilzinfektionen werden mit Amphotericin B behandelt. Guillermo allerdings verträgt
das Ampho schlecht, sein Kreatinin steigt auf 2,5 mg/dl, mit dem Blutdruck fällt auch die Diurese
ab. Nach der Hydratation hört der Stationsarzt bei einer Kontrolle einen dritten Herzton. Hierauf
wird ein Herzecho durchgeführt, dass eine diffuse linksventrikuläre Hypokinesie mit einer EF von
27% zeigt, vereinbar mit einer HIV-Kardiomyopathie. Erst nachHAART bessern sich die
Symptome, das Kreatinin fällt wieder etwas ab. Drei Wochen nach der stationären Aufnahme wird
er gebessert entlassen.
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