Bedeutung gezielten Product-LifecycleManagements für die Luftfahrt wächst Wer in der Luftfahrt auf ein zuverlässiges und intelligentes Product-Lifecycle-Management (PLM) setzt, optimiert nicht nur Entwicklung und Produktion. Er sorgt auch vor, wenn die Gefahr besteht, dass IT-Systeme durch lange Projektlaufzeiten veralten. In einer Hochtechnologiebranche wie der Luftfahrtindustrie hatte das Thema PLM – Product Lifecycle-Management – schon immer eine besondere Bedeutung. In den vergangen Jahren hat diese noch einmal zugenommen. Hinter PLM verbirgt sich das Konzept, sämtliche Informationen, die im Verlauf des Lebenszyklus eines Produkts anfallen, nahtlos in ein System zu integrieren. Ging es dabei bis vor kurzem vor allem um die Verwaltung mechanischer Produktdaten, so müssen heute auch elektronische und elektrotechnische Komponenten gemanagt und Softwaresteuerung sowie die eingebettete Software abgebildet werden. Auch ganze Prozesse, verantwortliche Personen und Systeme sind heute vielfach integriert, so dass das PLM ein wirklich komplexes und letztlich intelligentes „Rückgrat“ für ein Unternehmen und sein Umfeld darstellt. Zudem ist das Thema derzeit in aller Munde, weil heute ganz unterschiedliche Personengruppen innerhalb und außerhalb des Unternehmens auf Produktdaten zugreifen müssen. Waren die Daten früher in erster Linie für die Produktentwickler interessant, brauchen heute auch viele andere Funktionen wie etwa Marketing, Sales, Service und Zulieferer Zugang zum PLM. Doch zurück zum Flugzeugbau: Anschaulich wird das Thema etwa am Beispiel einer Fluggesellschaft, die neue Sitze einkauft. Alle Daten der Sitze müssen in richtiger Form digital beim Flugzeugbauer integriert werden. „Das mag zwar einfach klingen, ist aber recht komplex“, sagt Michael Kirch- –4– gässner, Director PLM-Services beim Beratungsunternehmen Altran. Denn hierbei geht es längst nicht nur um die Größe des Sitzes. „Integriert werden müssen etwa Entflammbarkeit, Gewicht, ökologische Eigenschaften der Sitze, Stoffe, Verkabelung und so weiter“, ergänzt Michael Kirchgässner. Als Altran-Berater arbeitet er traditionell an der Schnittstelle zwischen Zulieferer und Flugzeugbauer und weiß, welche Informationen dieser benötigt: „Wir helfen dem Sitz-Produzenten beispielsweise dabei, diese Daten korrekt zur Verfügung zu stellen.“ Tatsächlich spricht eine Reihe handfester Vorteile für ein ausgeklügeltes PLM: Wird dieses optimal integriert, lassen sich Produkte und Produktdaten über den gesamten Lebenszyklus hinweg wesentlich besser managen. Auch die funktionsübergreifende Zusammenarbeit im Unternehmen wird verbessert. Damit sinken die Kosten pro Produkt nachweislich, zum Beispiel weil mögliche Synergien beim Einkauf sichtbar werden, oder weil die bestehende IT-Landschaft optimiert wird und damit das Time-to-Market verkürzt. Auch das Engineering wird effektiver. Viele Ingenieure müssen oft Stunden damit verbringen, bestimmte Daten zu finden und anschließend aus einem bestehenden System in das eigene zu übertragen. Mit einem entsprechend gemanagten PLM entfallen diese Stunden. Ebenso entfallen die Ressourcen, die für den Datentransfer zwischen verschiedenen Systemen, Dateiformaten und Standorten verbraucht werden. „Manager sollten PLM heute nicht mehr als IT-Investition betrachten – PLM ist die Transformation der Produktentwicklung“, sagt Michael Kirchgässner. der PC-Hersteller seine Workstation als längst veraltet betrachtet. Auch hier kann intelligent eingesetztes PLM rechtzeitig auf Probleme hinweisen und für Abhilfe sorgen. Gleichzeitig reduzieren Unternehmen mit innovativen PLMSystemen Risiken: Nach einem Flugzeugunglück müssen die zuständigen Behörden meist innerhalb weniger Tage viele Daten der Komponenten nach Anhaltspunkten für das Unglück durchforsten. Dann müssen viele Zulieferer häufig auch detaillierte Testdaten und Daten der zugekauften Einzelteile offenlegen. Unternehmen, die die Daten dann kaum oder nur unter hohen Kosten in der benötigten Qualität bereitstellen können, drohen empfindliche Strafen. „Vor diesem Hintergrund betrachten wir PLM-Systeme heute als Enabler, um Prozesse und Produkte effizienter gestalten zu können“, berichtet Michael Kirchgässner. Egal, für welche PLM-Strategie man sich entscheidet – Unternehmen, die Systeme kontinuierlich pflegen, senken auch das Risiko, von plötzlichen Obsoleszenzen überrascht zu werden. „Erfolgsentscheidend ist dabei“, so Michael Kirchgässner, „die Anforderungen der Produktkomponenten und ihrer Prozesse so präzise zu formulieren, dass die unterschiedlichen PLM-Disziplinen diese in der Software entsprechend umsetzen können.“ Ein großes Problem bei Luftfahrtprojekten ist die Obsoleszenz der verwendeten Hardund Software innerhalb des Lebenszyklus des Produktes. Angesichts von Projektlaufzeiten von 20 Jahren und mehr, sind Geräte und Programme, auf denen mit der Konstruktion begonnen wurde, wenn die Entwicklung abgeschlossen ist, bereits veraltet und damit unbrauchbar. Wenn dann zum Beispiel gegen Ende der Entwicklung eines neuen Flugzeuges zusätzliche Hardware-Komponenten benötigt werden, ist die Überraschung groß, wenn sich herausstellt, dass die gewünschten Produkte gar nicht mehr hergestellt werden, weil Altrans Dienstleistung besteht an dieser Stelle darin, IT-Systeme bereitzustellen, Methoden zu entwickeln und Prozesse zu etablieren, mit denen man digitale Informationen verfügbar machen kann. „Wir führen PLM sozusagen ein und beraten Kunden darin, wie sie das meiste aus den Programmen für sich herausholen“, sagt Michael Kirchgässner. www.altran.de Ingenieurspiegel 1 | 2014