Serie © 2009 Carl Hanser Verlag, München www.cad-cam.de Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. METHODEN PLM-PLANUNG UND -UMSETZUNG C A D C A M - S p e c i a l ( Te i l 2 ) PLM-Best-Practice – ein Unternehmensleitfaden Product Lifecycle Management (PLM) ist Top-Thema beim Management von mittelständischen Unternehmen. Wissensbasiert unterstützt diese Strategie alle Prozesse und Methoden hinsichtlich der Produktentwicklung von der Idee bis zum Recycling. Damit ermöglicht PLM die Beherrschung der klassischen Marktanforderungen wie eine kurze Time-to-Market oder die Fertigung von maßgeschneiderten Produktvarianten. Oft aber werden diese Versprechen nicht oder nur unzureichend erfüllt. Ein Grund liegt in der mangelnden Kenntnis der Voraussetzungen für die Einbindung und Umsetzung der Anforderungen speziell von mittelständischen Unternehmen. In ihrer Serie beschreiben Prof. Dr.-Ing. Jörg Feldhusen und Dr.-Ing. Boris Gebhardt die Zusammenhänge, die für die strategische PLM-Planung und deren operative Umsetzung bedeutsam sind. Autoren: Dr.-Ing. Boris Gebhardt (frei) und Prof. Dr.-Ing. Jörg Feldhusen, Direktor des Instituts für Konstruktionstechnik der RW TH Aachen. Ihr gemeinsames Werk ›Produkt Lifecycle Management für die Praxis‹ ist 2008 beim Springer Verlag erschienen. PLM-Strategie Wie können Sie PLM planen und steuern? Die Umsetzung von PLM bewirkt tiefgreifende Änderungen in jedem Unternehmen. Sie betreffen die Produkte, Prozesse und die bestehende Organisation. Nur wenn das Management diese Ganzheitlichkeit berücksichtigt, kann PLM sein Potenzial vollständig entfalten. Um PLM aber erfolgreich implementieren zu können, müssen alle Mitarbeiter eines Unternehmens aktiv eingebunden werden. GROSSE ERWARTUNGEN. Von PLM versprechen sich Unternehmen einen großen Wettbewerbsvorteil. Wie aus dem Begriff ›Product Lifecycle Management‹ hervorgeht, liegt der Schwerpunkt hierbei auf dem Produkt. Durch eine intelligente Produktgliederung sollen Kun3 0 CAD CAM 1-2/2009 denanforderungen wirtschaftlich und schnell umsetzbar sein. Grundsätzlich ist dies mithilfe eines modularen Produktaufbaus möglich. Die Definition von autonomen Modulen erfordert jedoch eine andere Planung als dies bei konventionellen Produkten der Fall ist. Damit ändern sich Unternehmensprozesse, etwa in der Fertigung oder in der Entwicklung. Organisatorische Anpassungen fallen an. Sie reichen von geänderten Verantwortungsbereichen einzelner Mitarbeiter bis zu neuen Abteilungen für die Grundlagenentwicklung oder die marktgerechte Produktpflege. Häufig ist sich das Management dieser Auswirkungen, der Ziele und Arbeitsschritte zur Umsetzung von PLM nicht bewusst beziehungsweise sind diese nicht eindeutig definiert. Gründe hierfür gibt es verschiedene: ■ eine ungenaue Vorstellung von den Potenzialen und Risiken von PLM. Die Planung der unterneh- © 2009 Carl Hanser Verlag, München www.cad-cam.de Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. PLM-PLANUNG- UND -UMSETZUNG mensspezifischen PLM-Schwerpunkte und deren Umsetzung wird als ›ein Projekt von vielen‹ behandelt. Typische Folgeerscheinungen sind ein Reengineering von Produktstrukturen oder von Kerngeschäftsprozessen wie dem Auftragsdurchlaufprozess; ■ firmeninterne Konstellationen, deren Interessen über dem Gesamtnutzen für das Unternehmen stehen. Hierzu gehören ein ausschließlich auf Investitionskosten bezogenes, kurzfristiges Kostenbewusstsein oder ein ausgeprägtes Abteilungsund Standortdenken, um etwa persönliche Interessen oder bestehende IT-Systeme zu schützen; ■ falsche und/oder unrealistische Erwartungen bei der Lösung von bestehenden Problemen wie nicht beherrschten Varianten oder zu langen Entwicklungszeiten. Da es sich bei der PLM-Umsetzung um ein prestigeträchtiges Projekt handelt, erzeugt das Management einen hohen Erfolgsdruck. Problematisch ist, dass der Erfolg häufig ausschließlich an der erhofften Wirtschaftlichkeit gemessen wird. Aus Managementsicht muss demnach die Umsetzung von PLM im Unternehmen erfolgreich sein, um die Investitionskosten zeitnah und umfassend zu decken. So entstehen erzwungene Kompromisse, und definierte Projektziele oder wichtige Systemfunktionen werden gestrichen. Anhand einer Matrix kann man den späteren Erfolg der PLM-Umsetzung und deren Akzeptanz vereinfacht visualisieren. Ein niedriger Umsetzungszwang und eine geringe Anwenderakzeptanz bedeuten zum Beispiel ein geringes Interesse seitens der Beteiligten am PLM-Projekt. In diesem Fall sollte man die Sinnhaftigkeit einer PLM-Umsetzung hinterfragen. Ein starker Umsetzungszwang sowie eine hohe Anwenderakzeptanz wiederum bilden den Idealfall: Management und Mitarbeiter teilen ihr Interesse an dem Projekt. Die Bedürfnisse des Unternehmens und des betroffenen Mitarbeiters werden umfassend berücksichtigt. Es ist wichtig, dass jeder Mitarbeiter einen persönlichen Vorteil für seine Tätigkeiten erkennt. Geschieht dies nicht, so wird die PLM-Umsetzung aus Sicht der Mitarbeiter als ›Umsetzungszwang von oben‹ empfunden. Und das resultiert in einer mangelnden Anwenderakzeptanz: Die Mitarbeiter nutzen IT-Systeme nicht oder generieren alternative Tätigkeitsabfolgen, um die Systemnutzung auf ein Minimum zu beschränken. Das PLM-Potenzial wird nicht erschöpfend genutzt. Wichtig sind eindeutige Richtlinien Eine gute PLM-Planung erfordert eindeutige Richtlinien und Vorschriften. Dies betrifft Aspekte wie die Form der Datenablage und Datenstruktur, standardisierte Vorgehensweisen für das Freigabe- und Änderungsmanagement oder für den Datenaustausch mit Kunden und/oder Zulieferern. Es ist essenziell, Prozess- und Produktverantwortlichkeiten innerhalb der Aufbauorganisation eindeutig zu bestimmen. Bleibt diese Steuerung aus, gestaltet jede Abteilung die METHODEN PLM-Umsetzung nach ihren individuellen Vorstellungen. Wildwuchs entsteht. Besonders wichtig sind eindeutige Unternehmensrichtlinien auf Gebieten wie Variantenkonfiguration oder Produktmodularisierung, um das umgesetzte PLM-Potenzial langfristig für das Unternehmen zu sichern. Grundsätzlich ist die PLM-Strategie in das ›Management for X‹ (siehe CAD/CAM 11-12/2008) eingebettet. ›MaX‹ bezeichnet die Gesamtheit aller strategischen Maßnahmen und operativen Prozesse, aus denen sich die Unternehmensstrategie zusammensetzt. Deshalb müssen Unternehmen PLM individuell aus ihrer jeweiligen Strategie heraus entwickeln. Jede PLM-Strategie basiert auf einer klar formulierten Unternehmensvision. Sie beschreibt die Ziele und ist für jeden Mitarbeiter eindeutig verständlich wie etwa ›In unserem Geschäftsbereich werden wir mit unseren Produkten in den nächsten fünf Jahren der führende 1st Tier Supplier‹. Anhand der Matrix kann man den Erfolg der PLM-Umsetzung und deren Akzeptanz visualisieren. Die grau hinterlegten Felder stellen die beiden extremen Szenarien dar: Ein niedriger Umsetzungszwang und eine niedrige Anwenderakzeptanz bedeuten ein geringes Interesse seitens des Managements und der Mitarbeiter am PLM-Projekt. Ein hoher Umsetzungszwang sowie eine hohe Anwenderakzeptanz bedeuten hingegen im anderen Fall, dass Management und Mitarbeiter ein gemeinsames Interesse an der Umsetzung von PLM in ihrem Unternehmen haben. CAD CAM 1-2/2009 31 © 2009 Carl Hanser Verlag, München www.cad-cam.de Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. METHODEN PLM-PLANUNG UND -UMSETZUNG Die vier Schritte der Planung Im ersten Schritt der PLM-Planung identifiziert man all die Aspekte aus der Vision, die durch PLM beeinflusst werden können. Diese betreffen die Produkte sowie die Ablaufund Aufbauorganisation des Unternehmens und werden maßgeblich durch Zeit, Qualität und Kosten bestimmt, die sich über den gesamten Lebenszyklus erstrecken. denanforderungen lassen sich zum Beispiel durch Produktmodularisierung erfüllen. Ein Reengineering des Produktentwicklungsprozesses sorgt für hohe Wirtschaftlichkeit. Unnötiges Over-Engineering entfällt. Im dritten Schritt werden die strategischen Ziele als konkrete operative Ziele formuliert. Aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten zeigt sich nun der tatsächliche Auf- Serie Es ist wichtig, dass jeder Mitarbeiter einen p e r s ö n l i c h e n Vo r t e i l f ü r s e i n e Tä t i g k e i t e n erkennt. Anleitung zur Planung einer PLM-Strategie. Dies bedeutet, dass durch die entsprechende Gestaltung der Produkte und wertschöpfenden Geschäftsprozesse, wie dem abteilungsübergreifenden Auftragsdurchlauf- oder dem Entwicklungsprozess, die genannten Größen beeinflusst werden. Ein abgeleitetes strategisches Ziel ist es zum Beispiel, den Kundenanforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig kostensparend zu arbeiten. Die PLM-Strategie zu konkretisieren, ist der nächste Schritt. Er beschreibt grundsätzliche Ansätze, um die aus der Vision abgeleiteten strategischen Ziele durch Produkt- und Prozessgestaltung zu erreichen. Kun3 2 CAD CAM 1-2/2009 wand einer PLM-Umsetzung. Dieser ist für die Kosten-Nutzen-Betrachtung seitens des Managements wichtig. So kann ein operatives Ziel zur Umsetzung der Produktkonfiguration die Erstellung eines Produktkonfigurators sein. Dafür sind konfigurierbare Produkte nötig. Gibt es diese nicht, müssen zuerst die Produktstrukturen aufgebaut werden. Dies erfordert es, Abläufe in Bereichen wie Entwicklung, Arbeitsvorbereitung, Fertigung oder Service anzupassen. Im vierten Schritt werden operative Maßnahmen für die Mitarbeiter wie Auswahl und Aktualisierung von bestimmten Produktstrukturen definiert. Ob das Ziel eingehalten wird oder sich Abweichungen einschleichen, überprüft ein kontinuierlicher Controllingprozess. Hierfür ist es erforderlich, spezifischen Kennzahlen zu definieren. Der Prozentsatz gleicher oder ähnlicher Kundenbestellungen vor und nach der PLM-Umsetzung wäre ein Beispiel für eine solche Kennzahl. Bei der Produktentwicklung entstehen große Datenmengen. Sie müssen über den gesamten Produktlebenszyklus durchgängig gesteuert und verwaltet werden. Das Konfigurations-, Änderungs- und Freigabemanagement bilden einen wesentlichen Bestandteil von PLM und MaX. Da sie alle Produktlebenszyklusphasen beeinflussen, müssen sie als Basis für eine nachhaltige PLM-Strategie definiert und auf das Unternehmen zugeschnitten sein. Eine sorgfältige Planung unterstützt die PLM-Umsetzung und die Mitarbeiterakzeptanz. Das kann aber nur ein Baustein von vielen sein. Vielen Unternehmen sind nämlich die mit PLM einhergehenden Veränderungen ihres Tagesgeschäfts nicht bewusst. Anhand eines Industrieprojekts beantwortet deshalb der dritte Teil der Serie die Frage, mit welchen Auswirkungen man im Tagesgeschäft konkret rechnen muss. JRü @ www.ikt.rwth-aachen.de Diesen Artikel finden Sie auf der Hompage www.cad-cam.de unter der Dokumentennummer CC110010.