Presseaussendung

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IMBA Information für die Medien
2.4.2010
Gesperrt bis 1. April 2010, 18 Uhr MESZ
Fünfhundert Gene dirigieren den Takt des Herzens
Wiener Forscher erstellen erste vollständige Genkarte der Herzfunktion
Ein internationales Forscherteam um IMBA-Direktor Josef Penninger identifizierte
sämtliche Gene, die an der Regulation der Herzfunktion beteiligt sind. Dieses Wissen ist
eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung dringend benötigter Herzmedikamente. Die aktuelle Ausgabe des Journals Cell widmet den neuen Erkenntnissen eine
Titelgeschichte.
Pro Jahr sterben rund 15 000 Österreicher am plötzlichen Herztod. Ohne spürbare
vorangegangene Warnzeichen hört ihr Herz auf zu schlagen, nicht selten trifft es
scheinbar gesunde, junge Menschen. Ursache ist immer eine Vorerkrankung des
Herzens, die aber nicht immer bemerkt wird. Dazu kommt als Auslöser eine Stresssituation - zum Beispiel sportliche Betätigung - die zu einer Rhythmusstörung führt.
Mediziner suchen seit langem nach erkennbaren Risikofaktoren, die Menschen für
solche tödlichen Rhythmusstörungen anfällig machen. In jüngster Zeit konnten Molekularbiologen wertvolle Hinweise liefern: immer wieder fanden sie Gene, die wesentlich
an der Herzfunktion beteiligt sind und bei Erkrankungen eine Rolle spielen.
Eine Landkarte der Herzfunktion
Josef Penninger und sein Postdoktorand Greg Neely am Institut für Molekulare Biotechnologie der Akademie der Wissenschaften (IMBA) gingen die Suche systematisch
an. Gemeinsam mit Forschern aus den USA, Kanada, Japan, Indien, Italien und
Deutschland erarbeiteten sie eine „Landkarte“ aller an der Herzfunktion beteiligten Gene
und ihrer Wechselwirkungen. Die Karte, die an das Streckennetz einer Fluggesellschaft
erinnert, ist ein Datenschatz für Herzspezialisten. „Die Information, die uns nun zur
Verfügung steht, wird in zahlreiche weitere Forschungsprojekte einfließen und gibt uns
Hinweise, wo wir in Zukunft mit Medikamenten ansetzen könnten“, meint Neely. Die
riesige Rechnerleistung, die zu ihrer Erstellung nötig war, lieferte ein Bioinformatik-Team
in Bangalore.
Um an die Gene heranzukommen, bedienten sich die Forscher der hauseigenen
Taufliegen-Sammlung VDRC (Vienna Drosophila Research Center). Gemeinsam mit
dem kalifornischen Fliegen-Herzspezialisten Rolf Bodmer (Sanford-Burnham Medical
Research Institute, La Jolla) konnten sie 500 Gene identifizieren, die für das einwandfreie Funktionieren des Fliegenherzens notwendig sind. Wird eines dieser Gene
blockiert, so droht dem Tier bei Stress ein schneller Herztod.
Von den gefundenen Herz-Genen war bisher nur etwa ein Drittel bekannt. Eines der neu
identifizierten Gene, NOT-3, wurde von den Forschern genauer unter die Lupe genommen. Blockiert man es, so entwickeln die Fliegen schwere Herzrhythmusstörungen und
erweiterte Herzkammern. Beim Menschen ist dieses Krankheitsbild als „dilatative
Kardiomyopathie“ bekannt und kann in seltenen Fällen vererbt werden.
Von Fliegen über Mäuse zum Menschen
Josef Penningers früherer Mitarbeiter Keiji Kuba (Akita University, Japan) konnte die an
Fliegen gewonnenen Erkenntnisse auch für Wirbeltiere bestätigen. Blockiert man NOT-3
bei Mäusen, so kommt es ebenfalls zu krankhaften Veränderungen des Herzens und zu
Herzstillstand bei Stress.
Die eindeutigen Versuchsergebnisse führten die Forscher bald zu der Frage, ob ein
ähnlicher Mechanismus auch beim Menschen wirksam ist. Gemeinsam mit Andrew
Hicks und Peter P. Pramstaller vom EURAC-Institut für Genetische Medizin in Bozen,
Italien, und Arne Pfeufer vom Institut für Humangenetik am Helmholtz Zentrum in
München, alle Teil des QTSCD Konsortiums (QT Interval and Sudden Cardiac Death),
gelang der Beweis: Veränderungen in der NOT3-Region korrelieren auch beim Menschen mit einer erhöhten Anfälligkeit für Herzprobleme. Patienten mit dieser Veranlagung weisen im EKG ein verlängertes QT-Intervall auf. Sie spüren davon nichts, doch
bei körperlicher Belastung kann es zu tödlichen Arrhythmien kommen.
Obwohl der Kreislauf bei Fliegen anders funktioniert als beim Menschen sind die Gene,
die die Herzfunktion steuern, im Lauf der Evolution also kaum verändert worden. Als
Studienobjekte sind Fliegen nahezu unschlagbar. „Unsere Arbeit mit Drosophila hat
gezeigt, dass wir auf diese Weise krankheitsrelevante Gene finden können, die wir bei
der Untersuchung an Menschen niemals entdeckt hätten“, so Josef Penninger.
Hunderte Kandidaten-Gene warten nun darauf, auf ihre Beteiligung an Herzerkrankungen überprüft zu werden. In diese Arbeit wird noch viel Forscher-Herzblut fließen.
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Die Arbeit “A global in vivo Drosophila RNAi screen identifies NOT3 as a conserved
regulator of heart function” von G. Gregory Neely et al. wird am 2. April 2010 in Cell
publiziert.
Kontakt
Mag. Evelyn Missbach MAS
IMP-IMBA Communications
Tel: +43 1 79730 3626
[email protected]
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Josef Penninger
[email protected]
Penninger-Labor:
http://www.imba.oeaw.ac.at/research/josef-penninger/
Illustrationen und ein Video finden Sie im Internet unter der Adresse:
http://www.imba.oeaw.ac.at/pressefoto-herzgene
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