Printausgabe der Tiroler Tageszeitung vom Mo, 26.09.2016 EXKLUSIV Alpenverein will Recht auf Naturgenuss in der Verfassung Ein Ende der Diskussionen rund um Betretungsrecht und Wegefreiheit fordert der Alpenverein. Er sieht Bayern hier als Vorbild für Österreich. Was im Wald und in den Bergen erlaubt ist und was nicht, ist in den Alpenländern höchst unterschiedlich geregelt.Foto: Tirol Werbung © Tirol Werbung / Schwarz Jens Von Nikolaus Paumgartten Leutasch, Innsbruck – Vom Rütteln am freien Wegerecht bis zu Betretungsverboten für Wald­, Weide­ oder Gebirgsflächen. Es sind Forderungen wie diese, die von Jägerschaft, Landwirtschaft, Seilbahnwirtschaft und privaten Waldbesitzern immer wieder neu aufs Tapet gebracht werden. Zuletzt hatte sich Tirols Landesjägermeister Anton Larcher für die Ausweisung von Wildruhezonen mit Betretungsverboten starkgemacht und VP­Agrarsprecher LA Hermann Kuenz im Bedarfsfall vertragliche Regelungen – sprich Einschränkungen – des freien Wegerechtes gefordert. WERBUNG Mehr erfahren Der Präsident des Österreichischen Alpenvereins, Andreas Ermacora, kann diesen Vorstößen naturgemäß wenig abgewinnen. „Vielmehr“, so Ermacora, „bin ich für ein verfassungsrechtlich gesichertes Grundrecht auf Naturgenuss und Erholung in der Natur.“ Am Beispiel Bayern zeige sich, dass eine gesetzliche Regelung im Sinne der Erholungssuchenden in der Praxis gut funktioniere: Laut Bayerischem Naturschutzgesetz hat jeder das Recht auf den Genuss der Naturschönheiten und auf die Erholung in der freien Natur. Dabei dürfen ausdrücklich alle Teile der freien Natur, insbesondere Wald, Bergweide, Fels, Ödungen, Brachflächen, Auen, Uferstreifen und landwirtschaftlich genutzte Flächen, von jedermann unentgeltlich betreten werden. Ein unentgeltliches freies Betretungsrecht in Österreich gilt nur für den Wald und ist bundesweit im Forstgesetz geregelt. Was Gebirgsflächen jenseits der Baumgrenze betrifft, sind die Bestimmungen je nach Bundesland unterschiedlich. In Tirol besteht hier offiziell zwar kein generelles Betretungsrecht, in der Praxis gelten diese Flächen aber aufgrund des Gewohnheitsrechtes als frei begehbar. Auch was die Nutzung von Wegen angeht, sei man in Bayern weiter als hierzulande, sagt Ermacora. Laut bayerischem Naturschutzgesetz darf jeder auf Privatwegen in der freien Natur wandern und, soweit sich die Wege dafür eignen, reiten und mit Fahrzeugen ohne Motorkraft fahren. Vor allem der letzte Punkt ist einer, der in Österreich zu Ungunsten der Erholungssuchenden geregelt ist und immer wieder zu Konflikten zwischen Mountainbikern und Grundeigentümern führt. Denn grundsätzlich dürfen Forststraßen in Österreich nicht von Radfahrern befahren werden. In Tirol hat das Land als Vorreiter in Österreich mit dem so genannten Mountainbikemodell 2.0 eine Möglichkeit geschaffen, Downhill­ und Mountainbike­ Routen offiziell auszuweisen. Für diesen Zweck werden Nutzungsübereinkommen mit den Grundbesitzern geschlossen und Haftungs­ bzw. Sicherheitsfragen vertraglich geklärt. Länder im Vergleich Österreich: In Österreich gilt im Wald das freie Wegerecht, oberhalb der Baumgrenze regeln Landesgesetze die Bestimmungen. Bayern: In Bayern hat der Gesetzgeber den Erholungssuchenden höchste Priorität und damit die meisten Freiheiten eingeräumt. Südtirol: In Südtirol schreibt das Naturschutzgesetz das Recht auf Naturgenuss und Erholung fest. Theoretisch könnten Grundeigentümer aber ihren Besitz einzäunen und das Begehen von Privatwegen verbieten. Schweiz: Das Schweizer Recht kennt den Begriff „Wegefreiheit“ nicht. Hier erlaubt das Grundrecht der Bewegungsfreiheit, fremden Boden im Wald und Bergland zu betreten.