52 Verkehrsverbünde VRS: Wir verbinden die Region Entstehung Im Großraum Köln-Bonn wurde frühzeitig die Notwendigkeit erkannt, das Nahverkehrsangebot durch eine engere Zusammenarbeit der Verkehrsunternehmen zu verbessern: Bereits in den 1970er Jahren wurde der Grundstein zur Bildung eines Verkehrsverbundes gelegt. Eine Arbeitsgruppe „Verbundverkehr” hatte das Bundesland NordrheinWestfalen mit Hilfe landesplanerischer und verkehrlicher Kriterien in Koopera- ber 1976 die „Ver­kehrs- und Tarifgemeinschaft Rhein-Sieg” – als Vorstufe des heutigen Verkehrsverbundes. Am 8. Dezember 1986 schließlich wurde der Grundvertrag zwischen den Vertragspartnern Bundesrepublik Deutschland, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Zweckverband Verkehrsverbund Rhein-Sieg geschlossen. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Verbundstart am 1. September 1987. Gleich das erste Verbundjahr 1988 Dr. Wilhelm Schmidt-Freitag, Geschäftsführer, Bereich Marketing/Finanzen, Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH, Köln Dr. Norbert Reinkober, Geschäftsführer, Bereich Leistungsangebot, Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH, Köln tionsräume eingeteilt. 1973 wurde ein Fach-ausschuss zur Vorbereitung des Ver-kehrsver­bundes Rhein-Sieg (VRS) ins Leben gerufen. Mit finanzieller Unter­stützung des Landes bildete sich dann am 1. Okto- war ein Erfolg. Entgegen dem damals bundesweiten Trend von rückläufiger Nachfrage nach öffentlichen Perso­ nennahverkehrsleistungen, stiegen die Fahrgastzahlen im VRS damals um drei Prozent auf 328,4 Mio. Eine 1988 Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 9-2006 durchgeführte Akzeptanzana­lyse ergab, dass bereits ein Jahr nach Start 80 % der VRS-Bevölke­rung den Verbund kannten. Bis zum Jahr 1995 stiegen die Fahrgastzahlen auf 384,3 Mio. Entwicklung des Verbundes Das neunte Verbundjahr 1996 stand für den VRS unter veränderten Vor­ zeichen. Denn mit der Verlagerung der Aufgaben-, Ausgaben- und Finan­zierungskompetenzen für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) vom Bund auf die Länder wurden in den Bundesländern auch die Zuständigkeiten für den SPNV neu geordnet. In Nordrhein-Westfalen lag seitdem die Verantwortung für den SPNV auf regionaler Ebene. Im VRS übernahm die Aufgabe der Zweckverband Ver­kehrsverbund Rhein-Sieg. Von der Umstrukturierung war auch die Ver­bundgesellschaft unmittelbar betroffen: Die VRS GmbH war von da an eine Tochtergesellschaft der regionalen und lokalen Aufgabenträger im Ver­ bundgebiet. Parallel dazu vergrößerte sich das Verbundgebiet um den Kreis Euskirchen. 2003 beschloss der VRS-Zweckverband eine neue, zukunfts- und wettbewerbsorientierte Organisationsstruktur. Mit dem Ziel einer rechtssicheren Gestaltung des zukünftigen Zu­sammenwirkens von lokalen Aufgabenträgern, Zweckverband, Verkehrs­unternehmen und Verbundgesellschaft wurde eine so genannte modifi­zierte Zweck- 53 verbandslösung gefunden. Die Neuorganisation ab dem 1. Januar 2004 bewirkte ei­nen Eigentümerwechsel: Alleiniger Eigentümer der Verbundgesell-schaft ist seitdem der Zweckverband VRS. Organisationsstruktur Die gewählte Lösung verbindet die Vorteile eines Zweckver­bandsmodells – zur Sicherung von Vergabeverfahren im SPNV – mit den wirtschaftlichen Vorteilen der bestehenden Struktur und der verkehrspoli­tischen Zielvorgabe, den Kunden ein regional einheitliches Nahverkehrs­system anzubieten. Das zentrale Entscheidungsgremium des Zweckverbandes VRS ist die Zweckverbandsversammlung. Der Zweckverbandsversammlung vorge­schaltet ist für alle verkehrspolitisch relevanten Themen der Hauptaus­schuss. Der seit dem 1. Januar 2004 bestehende Vergabe-ausschuss be­rät und entscheidet unmittelbar über die Vergabe von Verkehrsleistungen im SPNV. Neben diesen Gremien hat die Verbundgesellschaft seit 2004 einen Aufsichtsrat, der die Geschäftsführung in allen wirtschaftlichen Fra­gen, die die VRS GmbH betreffen, berät. Die Verkehrsunternehmen sind organisatorisch über einen Beirat eingebunden. Aufgaben der Verbundgesellschaft Wesentliche aufgabenträgerbezogene Aufgaben sind: o Ausgestaltung und Kontrolle des SPNV, o Durchführung europaweiter SPNVAusschreibungen, o Koordination der Abstimmungsprozesse zwischen regionalem SPNV und lokalem ÖPNV, Wesentliche unternehmensbezogene Aufgaben sind: o Fortentwicklung des Verbundtarifs unter Berücksichtigung teil­marktund zielgruppenbezogener Nachfragebedürfnisse, o Weiterentwicklung des Vertriebssystems, o Durchführung von Marktforschungsprojekten und Umsetzung der Er­gebnisse in geeignete Marketingstrategien, o Durchführung unternehmensübergreifender Werbung, Verkaufsför­ derung und Öffentlichkeitsarbeit, inklusive einheitlicher Fahrgast­ informationen, o leistungsgerechte Aufteilung der erzielten Verkaufserlöse auf alle den Verbundtarif anwendende Verkehrsunternehmen, o Weiterentwicklung der zentralen Fahrplan- und Tarifauskunft. Eine besondere Aufgabe kommt dem VRS durch die Ansiedelung des für das Land NRW tätigen KompetenzCenters Marketing (KCM) zu. Das KCM hat im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW den „NRW-Tarif” entwickelt und gemeinsam mit den Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 9-2006 54 anderen Kooperations­räumen und den Verkehrsunternehmen umgesetzt. Beim NRW-Tarif handelt es sich um ein Tarifsystem für landesweite Fahr­ten, das die bestehenden Verbundtarifsyste- Tarifzonen auf rund 60 Tarifgebiete bewährte sich sowohl bei Viel- als auch bei Gelegenheitsfahrern. Die VRSSystematik löst immer mehr Übergangstarife ab. So können Kunden heute die Wettbewerbsfähigkeit von Bus und Bahn. Sys-temerhalt sowie Angebotsverbesse-rungen sind aber ohne eine dauerhafte abgesicherte Finanzierung nicht möglich, zumal an­gesicht des Seit Juni 2004 an das Schienennetz im VRS angebunden: der Köln/Bonn-Airport (Bilder: VRS). me ergänzt. Derzeitige und zu erwartende Arbeitsschwerpunkte Ist auch der Pkw nach wie vor das meistgenutzte Verkehrsmittel im Ver-bundgebiet, so konnte der ÖPNV dennoch seine Marktposition in den letzten Jahren verbessern: Über ein Drittel der Verbundbevölkerung kann zu den Stammkunden gezählt werden. Dieser Erfolg liegt vor allem an der erheblichen Ausweitung des Bus- und Bahnangebotes. Um einen weiteren Fahrgastzuwachs zu erreichen, setzt sich der VRS für den Ausbau des Bahnknotens Köln ein, denn das „Nadelöhr” Kölner Hauptbahnhof und Engpässe auf den Zulauf­ strecken verursachen Verspätungen im Regionalverkehr. Mit der anste­henden Beseitigung der Engpässe an den Bahnhöfen Köln Messe/Deutz und Köln Hauptbahnhof sowie der kostengünstigen Umsetzung von Aus­baulösungen auf den SPNV-Zulaufstrecken wird der ÖPNV künftig noch wettbewerbsfähiger. Kundenbefragungen zeigen, dass das 2004 eingeführte VRS-Preissys­tem „Eine Stadt. Ein Preis” sehr gut angenommen wird. Die Reduktion von vorher 173 Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 9-2006 mit dem VRS-Tarif bis Düsseldorf (VRR), Düren (AVV) oder seit dem 28. Mai 2006 nach Neuwied-Engers (VRM) fahren. In der Planung ist auch die Gültigkeit des VRS-Tarifs bis nach Altenkirchen. Parallel dazu weitet der VRS sukzessive seine Vertriebswege aus: Seit Juli 2005 sind viele VRS-Tickets im Internet zu er­werben. Ziel ist es, hier künftig das gesamte VRS-Ticketsortiment anzubieten. Zudem wird an einer verbundweiten Lösung zum „HandyTicket” gearbei­tet. Neben dem Internetvertrieb wird auch die 1997 eingeführte online-Aus­ kunft stetig weiterentwickelt. Heute fragen täglich mehr als 25 000 Men­ schen ihre Reiserouten im Internet ab. Mehr Zugriffe er­wartet der VRS durch die im Mai 2006 erfolgte Integration des VRS-Tarif­beraters und Innovationen im Bereich der PDA- und Handy-Auskünfte. ÖPNV-Finanzierung dauerhaft sichern Die zukünftige Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des ÖPNV im Groß­raum Köln/Bonn hängt vor allem von der Fi-nanzmittelausstattung der Besteller bzw. der Verkehrsunternehmen ab. Die Kürzungen der Re­g ionalisierungsmittel gefährden bereits aktuell begrenzten Handlungsspielraums der öffentlichen Haushalte bereits in den vergangenen Jahren der Anpassungsdruck auf die Ver­kehrsunternehmen gestiegen ist. Es gilt deshalb, die vorhandenen Finan­zierungsbausteine – Fahrgeldeinnahmen, Fahrgeldsurrogate und Betriebskos­tenzuschüsse – im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit zu überprüfen, not­wendige Modifikationen vorzunehmen und eventuell neue Finanzierungs­ bausteine zu entwickeln. Hinsichtlich der Steigerung der Effizienz ist auf der Ertragsseite vor allem die stärkere Ausschöpfung der Marktpotenziale über höhere Fahrgeldeinnahmen fortzusetzen. Derzeit decken die Tarifer­löse verbundweit etwa 46 % des Verbundaufwandes. Bis 2009 soll dieser Anteil im VRS durch entsprechende Tarifanpassungen auf etwa 50 % ge­steigert werden. Nicht nur Fahrgäste profitieren von Bus und Bahn, auch anderen gesellschaftli­chen Gruppen, etwa Autofahrern oder Arbeitgebern, erwachsen indirekt wirtschaftliche Vorteile aus dem ÖPNVAngebot. Mittelfristig gilt es daher, diese Drittnutzer angemessen an der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs zu beteiligen.