Wilhelm Girstenbrey Wenn der Arzt nichts findet Kranksein ohne Befund 157-9_0001-0152.indd 3 07.02.2008 9:06:46 Uhr 5 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Krankheit im Wandel der Geschichte . . . . 12 12 14 1.1 Kranksein – wo, wann, wie und warum? . . . 1.2 Einheit von Leib und Seele . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Sonderform der Psychosomatik: Somatoforme Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 Somatoforme Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.1 Umfangreiche Palette von Symptomen und Beschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ursachen somatoformer Störungen . . . . . . . . 2.3 Viele Diagnosen – schwierige Lösungen . . . . 2.4 Vage Ahnungen aus dem Volksmund . . . . . . . 2.5 Wenn das Herz nicht zum Herzen findet . . . . 2.6 Brücke zwischen Psyche und Soma . . . . . . . . 18 21 23 26 28 29 3 Wie entstehen somatoforme Störungen? . . 3.1 Das „Biologische“ im „Psychischen“ . . . . . . . 3.2 Wie kommt es zur „Somatisierung“? . . . . . . . 3.3 Krankheiten können „erlernt“ und auch „verlernt“ werden . . . . . . . . . . . . . 157-9_0001-0152.indd 5 34 34 40 42 07.02.2008 9:06:46 Uhr 6 Inhalt 4 Besonderheiten in der Arzt-PatientenBeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 „Schwierige“ Patienten für den Arzt. . . . . . . . 4.2 Typische Klagen im Internet. . . . . . . . . . . . . . 5 Die Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 5.2 5.3 5.4 Komplexe Diagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaffelte Wege der Diagnostik. . . . . . . . . . . Nicht zu viel und nicht zu wenig!. . . . . . . . . . Mögliche Fehler bei der diagnostischen Abklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Wann ist eine Überweisung zum Fachpsychotherapeuten notwendig?. . . . . . . . 5.6 Wann ist eine Überweisung an eine stationäre Einrichtung sinnvoll?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Vom Symptom zum Syndrom . . . . . . . . . . . 6.1 Breites Spektrum organbezogener Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Kummer mit dem Reizdarm-Syndrom . . . . . . 6.3 Rheuma im Graubereich: Das Fibromyalgie-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Attacken in der Brust: Herzphobie . . . . . . . . . 6.5 Schmerzensreiche Karriere: Somatoforme Schmerzstörung. . . . . . . . . . . . 157-9_0001-0152.indd 6 45 45 46 51 51 53 54 56 57 58 61 61 62 65 71 77 07.02.2008 9:06:46 Uhr Inhalt 6.6 Sphinx der Frauenärzte: Chronischer Unterbauchschmerz der Frau . . . 6.7 Unsichtbar und unverstanden: Chronisches Erschöpfungssyndrom . . . . . . . . 6.8 Leidvolles Dilemma: Umweltbezogene Körperbeschwerden. . . . . . 6.9 Kummervolle Sorge um das eigene Aussehen: Körperdysmorphe Störung. . . . . . . . . . . . . . . 6.10 Eingebildete Kranke im Fokus: Hypochondrische Störung . . . . . . . . . . . . . . . 6.11 Übersicht über somatoforme Störungen und ihre Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 86 93 103 113 120 126 7 Hilfe zur Selbsthilfe: Alle Chancen der Therapie nutzen! . . . . . . . 129 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 Was läuft zwischen Seele und Körper ab? . . . . Aha-Erlebnisse bei Feedback-Übungen. . . . . . Gefangen im Teufelskreis. . . . . . . . . . . . . . . . Von Biographie und Symptom zur Therapie . . Verunsicherung auf beiden Seiten abbauen . . Fünf Regeln für den Umgang zwischen Arzt und Patient . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Minimale Intervention in Kleingruppen . . . . 157-9_0001-0152.indd 7 130 132 134 138 140 141 145 07.02.2008 9:06:46 Uhr 8 8 Erfolge mit der kognitiven Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 8.1 Ablenken und Umlenken . . . . . . . . . . . . . . . . 147 8.2 Schlechte Gedanken ablösen durch gute Gedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 8.3 „Krankheitsgewinn“ ist kontraproduktiv . . . . 149 Nützliche Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 157-9_0001-0152.indd 8 07.02.2008 9:06:46 Uhr 12 1 Krankheit im Wandel der Geschichte 1.1 Kranksein – wo, wann, wie und warum? Gesundheit ist des Menschen höchstes Gut, heißt es. Welche Art von Gut ist dann Krankheit? Noch im 19. Jahrhundert predigten romantisch-religiös fixierte Vertreter einer vorwissenschaftlichen Medizin, dass Krankheit Ausfluss der Sünde sei. Es gab die unterschiedlichsten Schulen, die dem kranken Menschen Heilung versprachen, dieses Versprechen jedoch nur selten einhalten konnten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts dämmerte dann die Morgenröte einer neuen naturwissenschaftlich fundierten Medizin herauf. Erstmals wurden inKranksein = Sünde, fektiöse Erreger in Form von Bakterien dieser Meinung als Auslöser von Infektionskrankheiten war man noch im 19. Jahrhundert. dingfest gemacht. Die Entdeckung von Robert Koch, dass der „Tuberkelbazillus“ verantwortlich ist für die gefürchtete, Leben vernichtende Schwindsucht, kam 1882 einer Revolution gleich. 157-9_0001-0152.indd 12 07.02.2008 9:06:47 Uhr Kranksein – wo, wann, wie und warum? 13 Damit war ein neuer Grundstock für das naturwissenschaftlich-medizinische Krankheitsmodell gelegt, das angesichts der erfolgreichen Bekämpfung der Infektionskrankheiten bis heute dominiert hat. Dieses so erfolgreiche Modell basiert auf der Annahme, dass für jede Erkrankung eine bestimmte und auch erkennbare Ursache existiert. Die Ursache liegt in einer Schädigung von Körperzellen oder Geweben oder beruht auf einer Entgleisung mechanischer oder biochemischer Regulationssysteme. Aufgrund der beobachteten Symptome gelangt der naturwissenschaftlich ausgebildete Arzt zu einer begründeten Diagnose und kann dafür auch eine begründete Therapie vorschlagen und durchführen. Dieses medizinische Erklärungsmodell für Krankheit setzt also ein eindeutiges Ursache-Wirkungs-Prinzip auf körperlicher Ebene voraus. So erfolgreich es sich im Hinblick auf die Infektionskrankheiten erwiesen hat, so begrenzt waren die Erfolge bei Erkrankungen, bei denen die Psyche des Menschen im Spiel ist. Die gilt vor allem für Krankheiten „multifaktorieller Genese“, bei denen also vielfältige Einflüsse psychosozialer Natur an einem Krankheitsprozess beteiligt sind. 157-9_0001-0152.indd 13 07.02.2008 9:06:47 Uhr 14 Krankheit im Wandel der Geschichte 1.2 Einheit von Leib und Seele In der Geschichte der abendländischen Philosophie lässt sich das sogenannte Leib-Seele-Problem bis in die Antike zurückverfolgen. In der Medizin wandte sich die Aufmerksamkeit zunächst nur weniger Ärzte erst im 20. Jahrhundert den Phänomenen der Psychosomatik zu (abgeleitet von griechisch psyche = Atem, Hauch, Seele und soma = Körper, Leib). Darunter wird heute die medizinische Disziplin verstanden, die sich mit den Wechselbeziehungen zwischen seelischen, körperlichen und sozialen Determinanten befasst. Als Vater der modernen Psychosomatik wird in Deutschland der Arzt Georg Groddeck angesehen, der in seinem in Baden-Baden gegründeten Sanatorium nicht nur körperliche Massagen, sondern auch „Seelenmassagen“ durchführte in Form von „Lockerungen von Seelenverkrampfungen“ mit Hilfe der Psychoanalyse. Groddeck erweiterte damit Ansätze von Sigmund Freud über die Triebabfuhr: Psychische Erregung, die nicht adäquat verarbeitet oder angeführt werden kann, „springt“ in einen beliebigen Körperteil und wird dort umgewandelt in ein körperliches Symptom. Das körperliche Leiden ist demnach Ausfluss eines unbewussten Konfliktes oder Traumas. 157-9_0001-0152.indd 14 07.02.2008 9:06:47 Uhr Sonderform der Psychosomatik: Somatoforme Störungen 15 Verschiedene medizinische Schulen haben die psychosomatischen Theorien bis heute erweitert und teilweise auch bereichert. Dazu gehören die tiefenpsychologischen Schulen, philosophisch-anthropologische Ansätze, psychophysiologische, biopsychosoziale und salutogenetische Entwürfe. Aus der Fülle unterschiedlicher Ansätze wird bereits deutlich, dass das Problem wohl erkannt, eine allseits befriedigende Lösung aber noch nicht vorliegt. 1.3 Sonderform der Psychosomatik: Somatoforme Störungen Heute werden körperliche Beschwerden, die sich nicht oder nicht ausreichend auf eine organische Erkrankung zurückführen lassen, als sogenannte somatoforme Störungen (von griechisch soma = Körper, Leib und lateinisch forma = Form, Gestalt) zurück- Oft werden die Betroffenen mit geführt. Vielfach wird auch noch der somatoformen Begriff „funktionelle Störungen“ ge- Störungen als Hypobraucht in dem Sinne, dass eine körper- chonder bezeichnet. liche Funktion beeinträchtigt ist, ohne dass sich dafür eine organische Ursache finden lässt. Die verschiedenen ärztlichen Disziplinen haben sich damit immer schwer getan, konnten wenig helfen, waren aber immer sehr phantasievoll in der Erfindung neuer Bezeichnun- 157-9_0001-0152.indd 15 07.02.2008 9:06:47 Uhr 16 Krankheit im Wandel der Geschichte gen wie vegetative Dystonie, psychovegetatives Syndrom, psychovegetative Labilität, vegetativ-endokrines Syndrom, vegetative Areflexie, vegetative Stigmatisation, Organneurose, psychogenes Syndrom, Somatisation, Neurasthenie usw. Betroffene, die „somatisieren“, sind in Arztpraxen meist wenig beliebt. Sie verlangen Erklärungen, Diagnosen und erfolgversprechende Therapien für subjektiv als unangenehm empfundene körperliche Symptome, für die der Arzt kein organisches Korrelat beibringen kann. Schätzungsweise jeder fünfte Arztbesuch steht in Zusammenhang mit einer somatoformen Störung. Der Patient leidet, aber der Arzt findet keine organische Ursache für die geschilderten Beschwerden. Der Patient ist von seinem Arzt enttäuscht und der Arzt ärgert sich über seinen schwierigen Patienten, dem er nicht selten eine eingebildete Krankheit unterstellt, Simulation oder auch psychogene Ursachen, von denen wiederum der Patient nichts wissen will. Denn Patienten, die unter somatoformen Störungen leiden, beharren meist hartnäckig auf organischen Ursachen ihrer unangenehmen Symptome, fühlen sich vom Arzt nicht ernst genommen oder halten ihn für inkompetent. 157-9_0001-0152.indd 16 07.02.2008 9:06:47 Uhr Sonderform der Psychosomatik: Somatoforme Störungen 17 Sie suchen einen anderen und noch einen anderen Arzt auf und setzen damit ein „Doctor-Hopping“ oder „DoctorShopping“ in Gang, das erhebliche Konsequenzen für das Gesundheitssystem hat: Gegenüber einem durchschnittlichen Patienten fallen sechs- bis 14-fach erhöhte Behandlungskosten an, verbunden mit einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von sieben Tagen pro Monat. Somatoforme Störungen finden sich in vielen medizinischen Disziplinen, in der Allgemeinmedizin ebenso wie in der Inneren Medizin (z. B. Reizdarm-Syndrom, Fibromyalgie, Herzneurose), in der Frauenheilkunde (z. B. unklare Unterbauchbeschwerden), in der Urologie (z. B. Reizblase, Potenzprobleme) und in der Dermatologie (anhaltender Juckreiz, Hautausschlag). Frauen sind erheblich häufiger betroffen als Männer. 157-9_0001-0152.indd 17 07.02.2008 9:06:47 Uhr 51 5 Die Diagnose 5.1 Komplexe Diagnosen Die diagnostischen Kriterien für somatoforme Störungen sind ebenso wortreich und phantasievoll wie die Klagen der Betroffenen: – Somatisierungsstörungen (in der ICD-10-Klassifikation eingeordnet unter F 45.0) weisen meist einen jahrelangen Verlauf mit einer Vielzahl körperlicher Beschwerden auf, für die keine ausreichende somatische Erklärung zu finden ist. – Undifferenzierte somatoforme Störungen (F 45.1), bei denen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monate anhaltende multiple und körperliche Symptome vorliegen, treten wesentlich häufiger auf. Die für eine Somatisierungsstörung geltenden diagnostischen Kriterien sind jedoch nicht voll erfüllt. – Hypochondrische Störungen (F 45.2) werden vor allem bei Patienten angenommen, die primär an einer ängstlich getönten Überzeugung leiden, eine schwere Krankheit zu haben (wie Krebs, AIDS). Sie leiden weniger unter den Beschwerden selbst. – Somatoforme autonome Funktionsstörungen (F 45.3) werden auf verschiedene vegetativ innervierte Organe projiziert (zum Beispiel Herz-Kreislauf, Magen-Darm, Atmung, Geschlechtsorgane). 157-9_0001-0152.indd 51 07.02.2008 9:06:51 Uhr 52 Die Diagnose – Somatoforme Schmerzstörungen (F 45.4) gehen auf psychische Ursachen zurück und werden häufig erst nach mehrjähriger Krankheitsdauer, nach verschiedenen Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen richtig eingeordnet. Darüber hinaus werden in der medizinisch-psychotherapeutischen Fachliteratur weitere somatoforme Störungen genannt. Dazu gehören die sogenannten Konversionsstörungen, bei denen im Vordergrund einige wenige neurologische Symptome stehen (beispielsweise Lähmungen, Missempfindungen auf der Haut, Bewegungsstörungen, Krampfanfälle), die nicht durch eine neurologische Erkrankung begründet sind, den Patienten aber erheblich in seinen Lebensfunktionen beschränken. Die sogenannte körperdysmorphe Störung manifestiert sich in einem übermäßigen Beschäftigtsein des Betroffenen mit angenommenen körperlichen Entstellungen oder „hässlichen“ Körperpartien, wobei eine solche Bewertung von den Personen in seiner Umgebung nicht geteilt wird. 157-9_0001-0152.indd 52 07.02.2008 9:06:51 Uhr Gestaffelte Wege der Diagnostik 53 5.2 Gestaffelte Wege der Diagnostik Betroffene, die unter einer somatoformen Störung leiden, sind zunächst am besten aufgehoben bei einem Hausarzt, Internisten oder Frauenarzt, der über Der erste Weg sollte Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne den Betroffenen der „psychosomatischen Grundversor- immer zum Hausarzt, gung“ verfügt. Reguläre Kenntnisse in Internisten oder diesem Bereich werden im Rahmen der Frauenarzt führen. ärztlichen Weiterbildung beziehungsweise Fortbildung erworben und zertifiziert. Die Diagnostik muss immer zwei Dimensionen erfassen: Organische Diagnostik Eine ausreichende organbezogene Diagnostik vorgebrachter körperlicher Beschwerden ist unumgänglich im Sinne einer sogenannten Ausschlussdiagnostik. Das heißt, mögliche organische Erkrankungen, die zu den geschilderten Beschwerden passen könnten, müssen ausgeschlossen werden. Der diagnostizierende Arzt sollte sich jedoch dabei bewusst sein, dass er eine Gratwanderung begeht: Wiederholt vorgenommene und unnötige organmedizinische Untersuchungen bergen die Gefahr in sich, dass der Patient noch stärker auf die Annahme einer organisch bedingten Erkrankung fixiert wird. Eine organische Ausschlussdiagnostik ist daher nicht als alleinige Basis für die Stellung einer Diagnose geeignet. 157-9_0001-0152.indd 53 07.02.2008 9:06:51 Uhr 54 Die Diagnose Psychische Diagnostik Sie muss über die Zählung von Beschwerden hinausgehen und gegenwärtige Gemütsbewegungen (Affekte), psychische Konflikte, Persönlichkeitsstruktur, biographische Belastungen, soziale und kulturelle Faktoren berücksichtigen. 5.3 Nicht zu viel und nicht zu wenig! Der Hausarzt wird zunächst nur eine Verdachtsdiagnose stellen können in dem Sinne, dass wahrscheinlich eine somatoforme Störung vorliegt. Die Zuordnung zu speziellen Unterformen kann nicht das Ziel primärärztlicher Diagnostik sein. Der zunächst aufgesuchte „Primärarzt“ sollte auch immer anerkennen: Betroffene mit einer somatoformen Störung sind nicht mehr, aber auch nicht weniger organisch krank als Patienten ohne eine solche Störung. Unter Umständen müssen im weiteren Verlauf einer „Patientenkarriere“, zum Beispiel bei plötzlicher Veränderung geschilderter Beschwerden, erneut organbezogene Untersuchungen vorgenommen werden. Es ist also stets eine sorgfältige simultane Diagnostik auf medizinischer und psychischer Ebene notwendig. Dazu gehört eine genaue Erhebung der Krankheitsgeschichte und eine körperliche Untersuchung, zusammen mit orientieren- 157-9_0001-0152.indd 54 07.02.2008 9:06:51 Uhr Nicht zu viel und nicht zu wenig! 55 den labormedizinischen und technischen Untersuchungen (wie EKG, Ultraschall). In den meisten Fällen lässt sich damit das Vorliegen einer organischen Erkrankung mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen. Eine umfangreiche apparative Ausschlussdiagnostik (wie CT, MRT) kommt zunächst nicht in Frage. Vom Arzt sollten psychosoziale Zusammenhänge nicht erst angesprochen werden, wenn organmedizinische Untersuchungen „o. B.“, also ohne Befund, ausgefallen sind. Der Betroffene sollte schon im Verlauf der ersten Gespräche über heute bekannte Regelkreise zwischen psychosozialem Stress, hormonalen Prozessen und körperlichen Symptomen aufgeklärt werden. Mit solchen Informationen ist der Betroffene oft eher bereit, mögliche psychische Ursachen seiner Erkrankung anzunehmen. Aktuelle und auch länger zurückliegende Beschwerden können dann im Gespräch zwischen Patient und Arzt am ehesten im Kontext zu psychischen Belastungen erörtert werden. Zur Sprache kommen sollten auch mögliche sozialmedizinische Folgen körperlicher Beschwerden. Wenn bei einem Betroffenen bereits der Wunsch nach vorgezogener Berentung besteht, ist er weniger motiviert, eine psychotherapeutische Behandlung vorzunehmen. 157-9_0001-0152.indd 55 07.02.2008 9:06:51 Uhr