Nerven Der Anbruch des Informationszeitalters in der Medizin Die Neurobiologie der Psyche Dr. med. Philip Eckardt Vernetzung und integratives Zusammenwirken aller Körpersysteme durch das Nervensystem Fachbeitrag von Dr. med. Philip Eckardt Noch immer dominiert die Trennung psychischer und physischer Symptome das Denken in der Medizin. Je nachdem wo es „wehtut“ wird angesetzt. In einigen Fällen ist das auch goldrichtig, in vielen Fällen aber grundfalsch. Das liegt in erster Linie an einer reduktionistischen und fragmentierten Betrachtungsweise des Systems Mensch. Die Betrachtung einzelner Teile lenkt dabei aber den Blick vom Wesentlichen ab: Die unglaubliche Vernetzung und das integrative Zusammenwirken aller Körpersysteme durch das Nervensystem. Das Nervensystem nimmt im Rahmen der Intround Exterozeption, bei ungestörter Funktion, alle Parameter wahr und generiert daraus die optimale Adaptationsstrategie. In diese Strategie fließen angeborene und erworbene Informationen ein. Dies gilt nicht nur für emotionale Adaptationsvorgänge, sondern auch für physische, wie das z.B. beim Immunsystem der Fall ist. Ist der Informationsfluss im Nervensystem aber in irgendeiner Weise beeinträchtigt, können Symptome in allen Körpersystemen entstehen. Das hängt einzig und allein von der Lokalisation der Störung ab. ge Therapie ist oft die Folge. Eindeutig davon getrennt betrachtet werden müssen gelernte Programme, also Gewohnheiten, welche durch jahrelanges Training aus dem Unterbewusstsein heraus, ohne zugrunde liegende Störung im Nervensystem oder Körper, einfach als eine ungünstige Lösungsstrategie in der aktuellen Lebenssituation das Leben unangenehm oder sogar zur Hölle machen können. Hier sind klassische Ansätze wie die Verhaltenstherapie, bei der neue Lösungsstrategien trainiert werden können, indiziert und erfolgreich. Aber wie kann man die Ursache-Symptom Beziehung besser ausleuchten, um letztlich an der richtigen Stelle anzusetzen? Betrifft es die Regulationsmechanismen der Organe, können die körperlichen Symptome dominieren. Sind von der Regulationsstörung aber Strukturen im Nervensystem selber betroffen, welche an der emotionalen oder kognitiven Steuerung beteiligt sind, können die psychischen Symptome dominieren. Die enge Vernetzung unserer Emotionen mit der Physiologie kann natürlich auch dazu führen, das Organstörungen zu psychischen Symptomen führen und umgekehrt. Hintergrund ist, unabhängig von der Ebene der aufgetretenen Symptome, eine Störung der Wahrnehmung und der Regulation auf dem Boden einer Störung des Informationsflusses. Erstmal gilt es, die Betrachtung von Gesundheit und Krankheit allgemein unter die Lupe zu nehmen. In der Regel versucht man mehrere Symptome unter die Haube zu bringen und daraus eine Krankheit zu definieren. Während ein Symptom eine Abweichung einer Körperfunktion von einem gefühlten oder gemessenen Normbereich ist, ist eine Krankheit, also die Zusammenfassung von Symptomen, eine reine Erfindung von Ärzten und Wissenschaftlern. Nun versucht man der Krankheit eine Ursache zuzuordnen, in den letzten Jahren war der Ort der Suche oft das Genom. Bisher bleiben die Erfolge aus. Dieser Ansatz ist zutiefst reduktionistisch und wird den komplexen und integrativen Regulationsvorgängen des Körpers nicht gerecht. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, wird in Zukunft das Korrelat der Regulation, das Nervensystem bzw. die Diagnostik des Nervensystems, eine wesentlich größere Bedeutung einnehmen müssen. Störung oder Gewohnheit? Versucht man nun solche Zusammenhänge über eine Gesprächstherapie zu lösen, bleibt der Erfolg nicht selten aus. Jahrelan- Ein Symptom ist nur ein Symptom Gelernte und angeborene Programme Jede Handlung geschieht in einem Kontext. Diesen Kontext liefert das Bewusstsein. Das Bewusstsein markiert dabei im Gedankenfluss aus aktuellen Wahrnehmungen, vergangenen Erfahrungen und zukünftigen Planungen die Gegenwart, damit wir eine der Gegenwart adäquate Handlung ausführen können. Dafür muss auch die Physiologie entsprechend angepasst werden. Auch das Unterbewusstsein liefert einen großen Anteil an Parametern, auf den wir reagieren. Dabei bedient sich das Gehirn immer aus einer Mischung von angeborenen und gelernten Verhaltens- und Steuerungsprogrammen. Eine gesunde Reaktion und Handlung setzt einen ungestörten Informationsfluss im Nervensystem voraus, damit die Information aus der Umwelt bis in die Zellen gelangt und eine geeignete Stoffwechselsituation bereitgestellt wird. Wahrnehmung und Informationsfluss Der erste Schritt ist immer die Wahrnehmung. Sie findet fragmentiert im Wechsel mit der Handlung statt. Die Taktfrequenz ist dabei abhängig von dem Grad der Aufmerksamkeit. Alle sensorischen Systeme oszillieren zwischen Input- und Outputphase hin und her. Damit die Information aus den sensorischen Systemen an die sensorischen Kortices weitergeleitet werden können, müssen diese mit den sensorischen Systemen synchronisiert werden. Es muss also neben der eigentlichen Information (z.B. Farbe: rot) mindestens ein weiteres Signal für die Köherenz der Systeme über das Nervensystem übermittelt werden. Dies gilt auch für afferente Signale. Das primäre System der Wahrnehmung ist das Hirnnervensystem. Es liefert den größten Anteil der Information über die Umwelt. Die Informationen aus dem Hirnnervensystem werden in den primär sensori- Psyche schen Kortices entziffert. Diese liegen im hinteren Teil des Gehirns. Von dort geht die Information über die assoziativen Kortices, welche die Informationen an Hand der gelernten Schemata einordnen, in den vorderen Teil des Gehirns, den Frontalkortex. Hier sitzt die Exekutive der Motorik und damit der Handlung mit dem prämotorischen und motorischen Kortex. Überwacht und gelenkt wird die Handlung durch den präfrontalen Kortex. Von hier gehen Signale an das Stammhirn, um über den Hypothalamus die drei Körpersysteme, das viszeromotorische, das somatomotorische und das neuroendokrine System, in der Peripherie zu lenken. Neben den absteigenden (top-down) Informationen liefert das Stammhirn für die Handlung Verhaltensvorschläge (bottomup), welche sich evolutionär bewährt haben. Sieben bei Tieren experimentell erwiesene Verhaltensprogramme sind Neugier, Fürsorge, Lust, Spielen, Angst, Rage und Panik. Diese Verhaltensvorschläge gehen mit entsprechenden Gemütsäußerungen einher. Die Vorschläge werden über das mittlere Vorderhornbündel und den präfrontalen Kortex an die sensorischen Kortices weitergeleitet. Sie dienen zum einen der Entwicklung und zum anderen der Sicherheit. Der präfrontale Kortex hat die Möglichkeit, den Vorschlag des Stammhirns zu unterdrücken, sowie die Aufmerksamkeit gezielt auf bestimmte Informationen zu lenken und so die sensorischen Systeme zu steuern. Selbst in lebensbedrohlichen Situationen können wir in Panik noch Entscheidungen treffen. Bei der Erfassung der Umwelt teilen sich die Hemisphären hierbei die Aufgaben, indem die linke Hemisphäre in erster Linie auf Geräusche, z.B. Veränderung der Stimme eines Menschen, und die rechte Hemisphäre auf räumlichvisuelle Veränderungen, also z.B. Veränderungen in der Mimik eines Menschen, reagiert. Auch aus diesem Grund ist eine Vernetzung beider Hemisphären äußert wichtig, damit man Änderungen im Verhalten von Menschen schnell erkennen und entsprechend darauf reagieren kann. Die endgültige Verknüpfung aus gegenwärtigem Kontext, angeborener und gelernter Verhaltensvorschläge und neuen Verhaltensmöglichkeiten, führt letztlich zur physiologischen Umsetzung. Das einzige Therapiekonzept, welches konsequent über den Informationsfluss im Nervensystem den Zugang zu der Ursache von Symptomen aller Art, also auch psy- chischen Symptomen, sucht, ist das von dem neuseeländischen, osteopathischen Arzt Allan Phillips DO entwickelte neurologische Integrationssystem (NIS). Neurologisches Integrationssystem (NIS) In diesem Behandlungskonzept werden alle Symptome konsequent als Folge einer Fehlsteuerung durch gestörten Informationsfluss im Nervensystem gesehen. Dr. Phillips entwickelte in den letzten 25 Jahren aus dem Wissen der Anatomie und Physiologie sowie aus den bekannten Korrelationen aus der Osteopathie und der TCM einen systemisch-systematischen Satz an neurologischen Tests, um die wesentlichen Aspekte neurologischer Regulationsstörungen zu diagnostizieren und therapieren. Dabei bedient sich das NIS der Muskelfunktionsdiagnostik und prüft die Reaktion eines gezielt gesetzten Reizes. Entscheidend ist die Kombination der Kontakte. Dadurch werden die Systeme, deren Fähigkeit zur Kohärenz (Bedingung für den Informationsaustausch) getestet werden soll, für die Testung festgelegt. Hierbei ist meistens ein Kontakt am zentralen Nervensystem. So können die Integration der Hirnnerven (Wahrnehmung), der kortikalen Strukturen (Kognition und Emotion) und der Körpersysteme (Physiologie) getestet und gegebenenfalls integriert werden. Die Integration der Strukturen erfolgt einfach durch eine bilaterale, manuelle Stimulation beider Hemisphären über dem Gyrus postzentralis. So können nicht nur psychologische Themen, sondern auch die viszeralen und somatischen Störungen, ja sogar pathologische Störungen durch Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten behandelt werden. Informationszeitalter Die Herangehensweise mit NIS läutet einen Paradigmenwechsel in der Medizin ein. Nicht mehr das Zielorgan oder die Zielstruktur steht im Fokus der diagnostischen Bemühungen, sondern das Netzwerk, welches Informationen zwischen Systemen koordiniert weiterleitet. Das NIS bietet einem die Möglichkeit, eine Netzwerkdiagnose zu stellen und sofort, einfach und effizient zu behandeln. Ob Rückenschmerzen, Allergien, Verdauungsstörungen oder eben affektive Störungen. Mit den Erkennt- nissen der Neurobiologie und dem Neurologischen Integrationssystem (NIS) hat die Zukunft der Medizin begonnen. 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Korrespondezadresse: Dr. med. Philip Eckardt, Neurolog-Akademie für angewandte Neurowissenschaft Johannisstraße 8, 82418 Murnau Tel: 08841/62 75 32, Fax: 08841/62 77 366 [email protected], www.neurlog.de