Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) in Blutkultur und Liquor Gemäß der Verordnung zur Anpassung der Meldepflicht nach §7 IfSG an die epidemiologische Lage ist der Nachweis von MRSA aus Blut oder Liquor seit dem 01.07.2009 meldepflichtig (Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2009 Teil I Nr. 27, ausgegeben zu Bonn am 28. Mai 2009). Die Einführung der Meldepflicht stellt einen wichtigen Baustein zur Surveillance invasiver MRSA-Infektionen dar. Die Meldung umfasst zusätzlich zum Labornachweis klinische Angaben wie Infektionsort, ob und welche Symptome bestanden und welcher Fokus (gesichert oder möglicherweise) zum MRSA-Nachweis in Blutkultur/Liquor geführt hat. Dadurch werden wertvolle Hinweise bezüglich Ursachen und Präventionsmöglichkeiten gewonnen. Im Jahr 2010 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 1.029 MRSA-Nachweise aus Blutkultur und Liquor (5,76 pro 100.000 Einwohner) vorwiegend von Menschen im Alter über 60 Jahren an die Landesstelle übermittelt. In 7 Fällen erfolgte der Nachweis im Liquor. Abb.1: Geographische Verteilung der MRSA-Nachweise in Blut und Liquor pro 100.000 Einwohner je Kreis/kreisfreie Stadt, 2010 Regional schwanken die MRSA-Meldungen von einem Fall (0,28 pro 100.000 Einwohner) im Kreis Lippe bis 29 Fälle (17,3 pro 100.000 Einwohner) im Stadtkreis Mühlheim an der Ruhr. (Abb.1) Zu beachten ist, dass es sich hierbei um den Wohnort (Hauptwohnsitz) des Patienten handelt und somit ein Rückschluss auf die Qualität der Krankenhäuser nicht möglich ist. Die relativ niedrigen MRSA-Meldezahlen schwanken auch zufällig. Unter anderem beeinflussen die unterschiedlichen Grunderkrankungen der Patientenpopulation die Anzahl der MRSA-Nachweise. Die Meldezahlen können Hinweise auf die regionale Versorgungsaufgabe geben. Konstantes regionales Meldeverhalten vorausgesetzt, können in den Regionen zeitliche Veränderungen der MRSA-Nachweise in Blut und Liquor in begrenztem Maß interpretiert werden. Infektionsjahresbericht 2010 | LIGA.NRW 1/4 250 Anzahl der Meldungen 200 150 100 50 0 <1 1- 4 5- 9 10 - 14 15 - 19 20 - 24 25 - 29 30 - 39 M W 40 - 49 50 - 59 60 - 69 70 - 79 80 - 89 90 Altersgruppen in Jahre Abb.2: Verteilung der übermittelten MRSA-Nachweise in Blut und Liquor nach Alter und Geschlecht, 2010 In 628 Fällen waren Männer von invasiven MRSA-Infektionen betroffen, Frauen weniger häufig (in 401 Fällen) und in höherem Lebensalter als Männer. (Abb.2) Für 1.024 Fälle (99,5%) wird von einem Krankenhausaufenthalt berichtet. Die seit 2010 erfassten Zusatzinformationen zur MRSAMeldungen erhöhen die Aussagekraft der Meldepflicht von MRSA-Nachweisen in Blutkultur und Liquor. 1000 100,0 prozentualer Anteil 900 90,0 800 80,0 700 70,0 600 60,0 500 50,0 400 40,0 300 30,0 200 20,0 100 10,0 0 Anteil Symptome in % Anzahl Meldungen Anzahl der Meldungen 0,0 Fieber septisches Lungenentzündung Krankheitsbild Endokarditis meningeale Zeichen Symptome Abb.3: Verteilung der übermittelten MRSA-Nachweise in Blut und Liquor nach Symptomen, 2010 Für die 1.029 gemeldeten MRSA-Nachweise in Blut und Liquor wurden 1.745 Symptome übermittelt (Mehrfachnennung möglich). Bei 876 Fällen (85,1%) wurde Fieber angegeben, bei 582 Fällen (56,6%) ein septisches Krankheitsbild, bei 249 Fällen (24,2%) eine Lungenentzündung. Wesentlich seltener wurden Endokarditis (in 20 Fällen; 1,9%) und meningeale Zeichen (in 18 Fällen; 1,7%) berichtet. (Abb.3) Infektionsjahresbericht 2010 | LIGA.NRW 2/4 500 Anzahl der Meldungen 100,0 prozentualer Anteil 90,0 Anzahl Meldungen 70,0 60,0 300 50,0 200 40,0 30,0 100 Anteil Fokus in % 80,0 400 20,0 Trauma neurochirurgischer Eingriff Infektion in einer benachbarten Lokalisation (z.B. Sinusitis) 0,0 invasiver Zugang z.B. Liquor-Shunt zentralnervöser Katheter oder invasiver Zugang anderer Art hämatogene Streuung bei Sepsis bzw. septischem Herd (z.B.Endokarditis) sonstige Fremdkörperassoziierte Infektionen 10,0 0 Fokus Abb.4: Verteilung der übermittelten MRSA-Nachweise in Blut und Liquor nach dem möglichen oder gesicherten Fokus, 2010 Für die 1.029 gemeldeten MRSA-Nachweise in Blut und Liquor wurde in 794 Fällen der mögliche oder gesicherte Fokus angegeben. Bei 451 Fälle (43,8%) ein zentralvenöser Katheter oder invasiver Zugang anderer Art, bei 146 Fällen (14,2%) hämatogene Streuung bei Sepsis bzw. septischem Herd (z.B. Endokarditis), bei 63 Fällen (6,1%) sonstige Fremdkörper-assoziierte Infektion, in 79 Fällen (7,7%) invasiver Zugang z.B. Liquor-Shunt, in 15 Fällen (1,5%) Infektion einer benachbarten Lokalisation (z.B. Sinusitis), in 17 Fällen (1,7%) ein neurochirurgischer Eingriff und in 23 Fällen (2,2%) ein Trauma berichtet. (Abb.4) 250 100,0 50 20,0 0 0,0 Abdomen (z.B. operativer Eingriff) 40,0 andere MRSAInfektionen 100 Knochen und Gelenke (z.B. Spondylodiszitis) 60,0 Harnwege/Nieren 150 Respirationstrakt 80,0 Anteil MRSA-Infektionen in % prozentualer Anteil 200 Haut- und Weichteile (z.B. Wundinfektionen) Anzahl Meldungen Anzahl der Meldungen MRSA-Infektionen Abb.5: Verteilung der übermittelten MRSA-Nachweise in Blut und Liquor nach MRSAInfektionen, 2010 Für die 1.029 übermittelten MRSA-Nachweise in Blut und Liquor wurden in 665 Fällen (64,6%) MRSA-Infektionen angegeben. Bei 227 Fällen (22,1%) traten MRSA-Infektionen von Haut- und Weichteilen (Wundinfektionen) auf, bei 218 Fällen (21,2%) war der Respirationstrakt betroffen, Infektionsjahresbericht 2010 | LIGA.NRW 3/4 bei 107 Fällen (10,4%) Harnwege/Nieren, bei 37 Fällen (3,6%) Knochen und Gelenke (Sponylodiszitis), bei 32 Fällen (3,1%) Abdomen, z.B. operativer Eingriff und bei 44 Fällen (4,3%) lagen andere MRSA-Infektionen vor. (Abb.5) Die 110 gemeldeten Todesfälle (67 Männer, 43 Frauen) unterschätzen das MRSA-Problem in Nordrhein-Westfalen. Wie bei anderen Meldekategorien sind MRSA-Todesfälle nicht meldepflichtig. Bei der MRSA-Meldung wird „verstorben“ mit angegeben. Daher wird in der Regel ein „Todesfall zum Meldezeitpunkt“ erfasst. Einige Gesundheitsämter in Nordrhein-Westfalen gleichen die MRSA-Meldungen mit den Totenscheinen ab. Dieser Abgleich und ein Nachfragen 12-16 Wochen nach dem MRSA-Nachweis, ob der Patient MRSA-bedingt verstorben ist, wird von LIGA.NRW den Gesundheitsämtern empfohlen, um mehr Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Berlin Sachsen-Anhalt Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Brandenburg Thüringen Sachsen Hessen Schleswig-Holstein Bremen Rheinland-Pfalz Bayern Baden-Württemberg bundesweiter Durchschnitt Saarland Hamburg 0 1 2 3 4 5 6 7 8 MRSA-Nachweise in Blut und Liquor pro 100.000 Einwohner Abb.6: MRSA-Nachweise in Blut und Liquor pro 100.000 Einwohner nach Bundesland, 2010, Quelle: Robert Koch-Institut, SurvStat@rki, 10.07.2011 Nach den Daten des Robert Koch-Instituts (Abb.6) liegt Nordrhein-Westfalen bei den MRSANachweisen pro 100.000 Einwohner im Vergleich mit den anderen Bundesländern auf dem 5. Platz und wie 10 der Bundesländer über dem Bundesdurchschnitt. Dabei ist zu beachten, dass dort für NRW im Jahr 2010 die 903 Meldungen ausgewiesen sind, die korrekt in der Meldekategorie „MRSA“ übermittelt wurden. Bedingt durch verzögerte Einführung der MRSA-Übermittlung in den Meldeprogrammen der Gesundheitsämter wurden im Jahr 2010 an die Landesstelle NRW weitere 126 MRSA-Fälle in der Meldekategorie „Weitere Bedrohliche Krankheiten“ übermittelt, die in unsere Auswertungen (NRW: 1.029 MRSA-Nachweise) eingeschlossen wurden, in der offiziellen Statistik des RKI jedoch, für alle Bundesländer einheitlich, nicht berücksichtigt werden. Keine MRSA-Nachweise in Blut und Liquor in Hamburg und im Saarland erscheinen wenig überzeugend. MRSA scheint deutschlandweit in der nördlichen Hälfte ein größeres Problem zu sein als im Süden. Wie auf Ebene der Stadt- und Landkreise in Nordrhein-Westfalen muss auch bundesweit betrachtet von unterschiedlich großer Untererfassung ausgegangen werden. Infektionsjahresbericht 2010 | LIGA.NRW 4/4