Typisch Mann, typisch Frau: Der kleine Unterschied im Gehirn - „Erkenntnisse“ aus dem MRT Elke R. Gizewski Universitätsklinik für Neuroradiologie, Medizinische Universität Innsbruck Das Werkzeug der modernen Hirnforschung: Was steht hinter dem MRT? Lassen sich mit der Methode geschlechtsspezifische Unterschiede nachweisen? „Hardware“ • • • Starkes Magnetfeld (1,5 T oder mehr) 1,5 T = 30.000 fache des Erdmagnetfeldes Heute oft schon 3 T Radiowellen zur Signalerzeugung aus den Wasserstoffatomen des Körpers • Nachteil: Gerät ist laut • Abmessungen der Röhre: 1m x 60 cm • Vorteil: keine Nebenwirkungen (solange keine Metallteile oder Herzschrittmacher in die Nähe kommen) MRT des Kopfes Wie funktioniert das Gehirn??? Wie sieht das Hirn aus Denken, bewegen ... Mehr Nervenzellaktivität Steigert die Durchblutung verändert das MR-Signal Durchführung eines fMRTs Geringes Signal spezielle Aufgabenstellung off on off on off on off on t Standard: je on/off Phase 10 Aufnahmen des gesamten Hirnvolumens Rechnergestützte statistische Berechnung führt zur Darstellung der aktivierten Hirnbereiche Mehr Signal mit mehr Tesla besser: 3T MRT Einfache Funktion Schritt von der „Radiologie“ zur „Psychologie“ Komplexe Fragestellungen Wie präsentiert man Stimuli? Leinwand Alternative: spezielle nichtmagnetische Video-Brille Does gender matter? Sozialpsychologische, neurobiologische, medizinische Studien Unterschiede zwischen Mann und Frau existieren dennoch: Geschlechtsunterschiede hinsichtlich Methoden und Ergebnissen teilweise vorläufig und widersprüchlich. Mann und Frau Unterschiede: •Sprachliche Aufgaben •Räumliche Aufgaben •Erotische Stimuli Geschlechtsabhängige Unterschiede des räumlichen Vorstellungsvermögens Häufig bessere Testergebnisse bei Männern (Vover, 1995). Allerdings: Geschlechtsunterschiede nicht immer zu finden (Masters & Sanders, 1993) lassen sich durch Übung oft eliminieren (Kass, 1998). Möglicherweise Beeinflussung durch Konstellationen der Sexualhormonspiegel auf Ausmaß zerebraler Asymmetrien (Hausmann, 2002) Metaanalyse Dennoch Unterschiede? Probandengruppe 20 rechtshändige Männer 20 rechtshändige Frauen in der Mitte der Zyklusphase Mentale Rotation Ruhephase Aktive Phase Aktivierte Areale bei der Präsentation des MRTest Mann und Frau Netzwerk ...doch: nicht alles ist gleich Mann>Frau Bewegung der Hand Assoziation Qualität und Schnelligkeit der Aufgabenlösung bei beiden gleich! Frau>Mann Erinnerung Gizewski et al 2006 Neuroradiology Mann und Frau Unterschiede: •Sprachliche Aufgaben •Räumliche Aufgaben •Erotische Stimuli Gender-spezifische Hirnaktivierung Paradigma: -erotische Filmsequenzen -Filmsequenzen mit emotional neutralem Inhalt Karama et al. 2002 HBM Gizewski et al 2006 Exp Brain Res Subjektives Erregungsmaß 0,8 Männer Frauen 0,7 0,6 0,5 0,4 Reihe1 0,3 0,2 0,1 0 m f Rating auf einer Skala von 0-10 m-t-f Aktivierte Areale bei der Präsentation erotischer Stimuli Mann und Frau > Der kleine Unterschied > Insula Amygdala orbitofrontal Hamann et al. (2004) Zyngulum Thalamus fMRT mit erotischen Bildern spezifische Aktivierung bei Männern Amygdala Interpretation? •Männer aktivieren einige Hirnareale vermehrt während erotischer Stimuli •Diese Areale gehören zu phylogenetisch älteren Hirnstrukturen Aber: ist bei Frauen immer alles gleich? Stimmung, Affekt und sexuelles Verlangen zyklusabhängige Schwankungen (Jarvis, 1991) Einnahme von oralen Kontrazeptiva stabilisierender Effekt möglich. Subjektives Erregungsmaß Zyklusphasen 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 Reihe1 Trend aber statistisch nicht signifikant 0,3 0,2 0,1 0 M m F-Lut f F-Mens fmens Aktivierung mid-luteal> menstrual Orbitofrontaler Kortex, Insula Nur funktionelle (vorübergehende, zeitlich andere Abfolge) Unterschiede? Alles „ähnlich“ in der Gehirn-Struktur? spezielle MRT Technik zur Darstellung der Faserbahnen des Gehirns (DTI: Diffusion Tensor Imaging) Frauen ausgeprägtere Strukturierung im Stirn- und Hinterhauplappen, Balken und Schläfenlappen (Hippokampus) Männer motorische Bahnen, Stirnlappen, Schläfenlappen (Insula) Weitere Strukturanalysen? spezielle MRT Technik zur Darstellung der grauen und weissen Substanz des Gehirns VBM: Voxel Based Morphometry Wie verändert sich die Dicke der Nervenzellschichten? Aus dem fMRT: hormonelle Einflüsse während der verschiedenen Zyklusphasen der Frau im fMRT z.B. bei mentaler Rotation Erkenntnisse aus VBM: Plastizität des Gehirns, z.B. Training Jonglieren oder Klavierspielen Tatsächlich um eine Änderung der Substanz oder um vorübergehende Umstrukturierung ??? Einfluss der Hormone? Einfluss des Hormonzyklus auf die Dicke der grauen Substanz vermindert in der lutealen Phase De Bondt et al. 2013 Eur Radiol Sehr schnelle strukturelle Plastizität! PET: zerebrale Verarbeitung von Pheromonen (spezielle Steroide) unterschiedlichen Aktivierungsmustern bei Männern und Frauen, insbesondere Hypothalamus homosexuelle Männer vergleichbare Reaktion wie heterosexuelle Frauen und verschieden zu heterosexuellen Männern Savic et al. 2005, PNAS Why don´t men understand women? Hinweise, dass Männer die emotionalen Informationen aus der Region der Augen bei Frauen weniger gut extrahieren können fMRT mit Augenpaaren Aufgaben: Identifikation von Geschlecht und Emotion Männer: doppelt so häufig Probleme die Emotionen aus den weiblichen Augenpaaren zu identifizieren als aus den männlichen Why don´t men understand women? Schiffer, Gizewski PLOS One 2013 Why don´t men understand women? Vermindert aktivierte Areale bei Männern, die weibliche Emotionen lesen sollten Assoziation Emotionales Gedächtnis Selbst-Bezogene Prozesse Amygdala: mehr emotionale Empathie? Männer sind Männern gegenüber empathischer? Vermehrt aktivierte Areale bei Männern, die männliche Emotionen lesen sollten Essen 29. Juni 2000 In zehn Minuten vom Hunger zum Völlegefühl Eine US-Forschergruppe hat das Gehirn von Versuchspersonen untersucht, die mit Zuckerlösung "gefüttert" wurden. Das Ergebnis: Nach zehn Minuten signalisiert das Hirn, dass genug gegessen wurde. Bei fettleibigen Menschen ist dieses Signal jedoch schwächer und erfolgt später. Gedankenlesen im Zeitalter der Gehirnscanner Raul Rojas 18.11.2011 Forscher tasten langsam das Dickicht der Gehirnfunktionen ab und enträtseln nach und nach die Architektur des Gehirns Universelle Regeln Ist Grammatik im Gehirn verankert? Möglicherweise ist im Gehirn schon eine universelle Grammatik angelegt: Auf die Regeln einer echten Sprache reagiert das Denkorgan, so eine Hamburger Studie, aktiver als auf erfundene. 27. Juni 2003 Die Bilder zeigen und die Wahrheit und sind Beweise? •Exponentiell wachsende Anzahl von Studien •Immer weitere Einblicke in die Hirnfunktion •Doch: je komplexer die Fragestellung desto schwieriger die Interpretation! •Emotionale Stimuli von der Mitarbeit der Probanden abhängig •Cave: Statistische Werte (falsch positiv?), Gruppenergebnisse Zufällige Signalveränderungen ohne einer Korrektur für multiple Vergleiche führen zu falsch positiven Resultaten STATISTIK der vermehrten DURCHBLUTUNG!!! Der kleine Unterschied!? •Frauen und Männer zeigen Unterschiede in der Hirnstruktur und Hirnfunktion •Dies korreliert aber oft nicht mit der psychologisch gemessenen Leistung oder subjektiver Bewertung •Hormonabhängigkeit der Aktivierungen •Aber auch andere Einflüsse: z.B. sexuelle Orientierung, Erziehung, Lernen… •Methode: nicht die absolute Objektivität •Aber das Beste, dass wir zur Zeit haben Neurowissenschaftler und Journalisten sind angehalten mit der “Macht der bunten Bilder” verantwortungsvoll umzugehen. Jan Derrfuß, Christian Fiebach und Hauke Heekeren Gehirn und Geist 04/2009