Biologie (Niedersachsen): Erhöhtes Anforderungsniveau Abiturprüfung 2015 – Aufgabe I BE Schlangen – erfolgreiche Spezialisten Die extreme Giftigkeit einiger Schlangen und ihre fremd anmutenden Verhaltensweisen haben dazu geführt, dass sie von Menschen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden: Bei einigen wecken sie Urängste, andere halten sie als Haustiere. In der Bibel werden sie als listig und falsch dargestellt, doch ist bis heute ein von einer Schlange umwundener Stab das Symbol medizinischer Berufe. Von besonderem Interesse für die Forschungen sind die Schlangengifte, da sie aufgrund ihrer vielfältigen Wirkungsweisen bedeutsam für die Entwicklung neuer Medikamente sind. Im Folgenden sollen Sie sich mit stoffwechselbiologischen, neurobiologischen, ökologischen und evolutionsbiologischen Aspekten bei ausgewählten Schlangenarten auseinandersetzen. 1 Stoffwechselbiologische Aspekte bei Schlangen 1.1 Beschreiben Sie die Phasen der Zellatmung ausgehend von einem Molekül Glucose hinsichtlich der Endprodukte, der Energieausbeute und der Reduktionsäquivalente. 1.2 Skizzieren Sie einen beschrifteten Querschnitt eines Mitochondriums. Deuten Sie die in M 1 a dargestellten Befunde des Experiments zum Sauerstoffverbrauch in Mitochondrien. 1.3 Werten Sie die in M 1 b dargestellten Daten in Bezug auf das Aufrechterhalten der optimalen Bruttemperatur bei sinkender Umgebungstemperatur und die damit verbundene Fähigkeit der Pythons zur Temperaturregulation aus. Neurobiologische Aspekte: Wärmesicht bei Schlangen und Schlangengifte 2.1 Erläutern Sie unter Berücksichtigung von M 2 a die in M 2 b und M 2 c dargestellte Fähigkeit zur Wärmesicht und ihre Beeinflussung durch die beiden Geschmacksstoffe. 2.2 Beschreiben Sie die Vorgänge an der Axonmembran bei der saltatorischen Weiterleitung von Aktionspotenzialen. 2.3 Werten Sie unter Berücksichtigung von M 3 a die in M 3 b dargestellten Versuchsergebnisse zur Beeinflussung der Erregungsleitung an Neuronen durch das Gift der Schwarzen Mamba auch unter Betrachtung der Vorgänge an der Synapse aus. 8 16 12 2 2015-1 15 9 12 3 Evolutionsbiologische und ökologische Aspekte bei Schlangen 3.1 Erläutern Sie auf der Grundlage der Informationen in M 4 die Entstehung der Insel-Lanzenotter als allopatrische Artbildung. 3.2 Werten Sie M 5 für jede der drei Schlangengruppen dahingehend aus, ob sie eine andere Gruppe nachahmt oder von einer anderen nachgeahmt wird. 12 20 M 1: Stoffwechselbiologische Aspekte bei Schlangen M 1 a: Experiment zum Sauerstoffverbrauch in Mitochondrien Zur Untersuchung des Sauerstoffverbrauchs wurden aus Schlangenzellen die Mitochondrien isoliert. Die erhaltene Mitochondriensuspension wurde auf zwei Versuchsansätze gleichmäßig aufgeteilt und unter identischen Bedingungen aufbewahrt. Um den Sauerstoffverbrauch zu messen, wurden die beiden Suspensionen jeweils in eine luftdicht abgeschlossene Kammer gegeben. Der pH-Wert wurde konstant bei pH 7,4 gehalten. Im ersten Ansatz wurde die Sauerstoffkonzentration in der Suspension vor und nach Zugabe einer bestimmten Menge Pyruvats gemessen. In einem zweiten Ansatz wurde vor der Zugabe einer gleichen Menge Pyruvats zuvor noch eine geringe Menge Fluoracetat beigefügt. Die erhaltenen Messwerte sind im folgenden Diagramm dargestellt. Hinweis: Fluoracetat wird ebenfalls am Coenzym A gebunden und bildet aktivierte Fluoressigsäure. Diese reagiert im Weiteren zum C6-Körper Fluorcitrat, welcher an das Enzym zum Abbau von Citrat binden kann, aber nicht enzymatisch abgebaut wird. Zusammengestellt und verändert aus: Karlson, P: Biochemie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart (1972), S. 70. Tavernier, R.: Biologie Terminale D. Bordas Editions, Paris (1989). 2015-2 Lösung Die Aufgabe beinhaltet die folgenden Themen: – Stoffwechselbiologie: Teilschritte der Zellatmung zur Energiebereitstellung, Struktur-Funktions-Beziehungen (Mitochondrien), Temperaturregulation bei poikilothermen Organismen – Neurobiologie: Signaltransduktion, Informationsübertragung zwischen Sinnesund Nervenzellen, Weiterleitung elektrischer Potenziale – Evolutionsbiologie: allopatrische Artbildung, Anpassung als Ergebnis der Evolution r 1.1 In dieser Teilaufgabe sollen Sie Ihre im Unterricht erworbenen Kenntnisse zur r Zellatmung strukturiert und fachsprachlich korrekt wiedergeben. Gehen Sie dar bei auf die Endprodukte, Energie- und Reduktionsäquivalente ein. Die Zellatmung beginnt im Cytoplasma mit dem anaeroben Glucoseabbau. Dabei entstehen pro Molekül Glucose 2 Moleküle Brenztraubensäure (bzw. Pyruvat-Ionen). In einem Aktivierungsprozess werden dafür zunächst 2 ATP-Moleküle benötigt, letztlich aber 4 ATP-Moleküle gewonnen, sodass sich bezüglich der Energieäquivalente ein Nettogewinn von 2 ATP ergibt. Parallel dazu werden insgesamt 2 Reduktionsäquivalente in Form von NADH + H + produziert. An diesen Prozess schließt sich im Stroma (Matrix) der Mitochondrien die oxidative Decarboxylierung an. Dabei wird von Brenztraubensäure / Pyruvat eine CO2-Gruppe abgespalten und aktivierte Essigsäure (Acetyl-CoA) gebildet. Zusätzlich liefert dieser Vorgang ebenfalls NADH + H +. Ausgehend von den 2 Molekülen Brenztraubensäure, den Endprodukten der Glykolyse, entstehen insgesamt 2 Moleküle CO2, 2 Moleküle NADH + H + und 2 Moleküle aktivierte Essigsäure. Letztere werden durch den ebenfalls im Stroma der Mitochondrien ablaufenden Citronensäurezyklus vollständig zu CO2 abgebaut, sodass dabei 4 CO2 entstehen. Daneben erzeugt dieser Prozess 2 ATP, 2 FADH2 und 6 NADH + H +. Hier wird CoA wieder regeneriert, das für die Bildung der aktivierten Essigsäure bei der oxidativen Decarboxylierung (s. o.) erforderlich ist. Als letzter Prozess spielt sich an der inneren Mitochondrienmembran die oxidative Phosphorylierung ab. Dabei werden die Reduktionsäquivalente NADH + H + und FADH2 wieder oxidiert. Die dabei freigesetzten Elektronen werden über eine Elektronentransportkette, die in der Membran lokalisiert ist, auf elementaren Sauerstoff übertragen, der mit den ebenfalls freigesetzten Protonen zu Wasser reagiert. Der Elektronentransfer dient gleichzeitig dem Aufbau eines Protonengradienten zwischen Intermembranraum und Mitochondrienmatrix, der zusätzlich noch einen elektrischen Gradienten bildet. Die Elektronen des NADH + H + durchlaufen eine längere Transportkette als die des FADH2, weshalb pro NADH + H + mehr Protonen in den Membranzwischenraum gepumpt werden als pro Molekül FADH2. 2015-8