Berichte aus den Arbeitskreisen Abb. 14: Isolierter Einzelzahn eines Crocodiliers wahrscheinlich der Gattung Pelagosaurus, Höhe 12 mm, Slg. B. Rahm Abb. 15: Der isolierte Wirbel eines Ichthyosauriers der Art Leptopterygius platyodon mit 11,5 cm ▲ Abb. 16: ..und das ca. 3.5 cm lange, bezahnte Fragment einer Unterkieferleiste des Fisches Saurhynchus acutus; alle Mineralien und Fossilien aus dem unteren Lias der ehem. Ziegelgrube Merkel bei Siebeldingen gehören auch der isolierte Einzelzahn eines Crocodiliers (Abb. 14) der vermutlich zur Gattung Pelagosaurus gehört, der einzelne Wirbel eines Ichthyosauriers der Art Leptopterygius platyodon (Abb. 15) oder das bezahnte Kieferfragment des Fisches Saurhynchus acutus (Abb. 16). Durch die Verfüllung des Grubenareals sind die fossilführenden Schichten heute nicht mehr zugänglich. Durch die beabsichtigte Überbauung geht ein paläontologisch wichtiger Aufschluss verloren, der m.E. den Charakter eines geowissenschaftlichen Denkmals zumindest von regionaler Bedeutung durchaus besitzt. Schließlich handelt es sich, wie mehrfach erwähnt, um den einzigen Aufschluss des Lias in der Pfalz und neben wenigen Vorkommen in der Trierer Bucht in Rheinland-Pfalz. So wäre es unzweifelhaft wichtig, wenigstens ein paar Quadratmeter der ehemaligen Ziegeleigrube Merkel zu erhalten und gegebenenfalls unter Schutz zu stellen. Pfalz und ihren angrenzenden Gebieten vorkommenden Gesteine aus folgenden Perioden der Erdgeschichte den Fokus: - Quartär (1,8 Millionen Jahre bis heute), mit Hauptvorkommen im Rheingraben und im Mainzer Becken - Tertiär (65 bis 1,8 Millionen Jahre), ebenfalls mit Hauptvorkommen im Rheingraben und im Mainzer Becken - Trias, speziell Buntsandstein und Muschelkalk (250 bis ca. 220 Millionen Jahre), mit Hauptvorkommen im Pfälzerwald und im Westrich - Permokarbon (ca. 310 bis 250 Millionen Jahre), mit Hauptvorkommen im Nordpfälzer Bergland und am Haardtrand Speziell der paläontologische Teil dieser Sammlungen stellt ein Archiv zur Rekonstruktion von Umweltänderungen auf langen Zeitskalen dar, denn mit rezentökologischen Methoden können langandauernde ökologische Prozesse, nicht nur solche in Folge von Klimaänderungen, nicht adäquat untersucht werden, da die Beobachtungszeiträume einfach zu kurz sind. Obwohl in manchen Bereichen (z.B. in der Botanik durch Herbare) Daten für die letzten zweibis dreihundert Jahre zur Verfügung stehen, sind auch diese für einen Menschen relativ langen Zeiträume zu kurz, um bestimmte ökologische Prozesse zu beobachten und die Beobachtungen verlässlich zu interpretieren (vgl. Tabelle 1). Die Untersuchung geowissenschaftlicher Befunde ermöglicht es uns jedoch, Veränderungen der Umwelt sowie ihre Einflüsse auf verschiedenste Ökosysteme über lange Zeiträume hinweg (Tausende von Jahren bis hin zu Millionen von Jahren) zu untersuchen. Dadurch können zum Beispiel auch langfristige Folgen von Klima- und Umweltänderungen und ihre Effekte auf einzelne Organismen und ganze Ökosysteme studiert werden. So kann zum Beispiel anhand von Material aus den Sammlungen der POLLICHIA der Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten während des Quartärs rekonstruiert werden: Während der letzten Warmzeit, vor etwa 130.000 – 120.000 Jahren, lebte im Bereich des Rheingrabens eine wärmeangepasste Fauna, die nicht nur Waldelefanten (Abb. 1), Wasserbüffel und Auerochsen (Abb. 2), sondern auch Nashörner und Flusspferde umfasste. In der folgenden Eiszeit, vor etwa 120.000 bis 10.000 Jahren, besiedelte dann eine kälteangepasste Fauna mit Mammut (Abb. 3), Moschusochsen und Wollnashörner dieses Gebiet. Die Fauna der aktuellen Warmzeit zeichnet sich gegenüber früheren Warmzeiten vor allem durch das Fehlen der sehr großen Arten (wie etwa Elefanten) aus, woran nach Meinung der meisten Wissenschaftler wohl der Mensch als zusätzlicher Stressfaktor nicht unbeteiligt war. Der Auerochs (Abb. 2) mag hier als Beispiel für eine Groß- Ulrich H. J. Heidtke Geowissenschaftlicher Arbeitskreis Die geowissenschaftlichen Sammlungen der POLLICHIA als Archiv für Umweltänderungen auf langen Zeitskalen (Kurzfassung des Vortrags bei der POLLICHIA-Frühjahrstagung am 5. März 2006) Die geowissenschaftlichen Sammlungen der POLLICHIA umfassen mehrere Tausend geologische, paläontologische und mineralogische Objekte, schwerpunktmäßig aus der Pfalz, speziell in der Mineralogie aber auch weit über diesen geographischen Rahmen hinaus. Stratigraphisch bilden die in der - kurzfristig (sofort, Stunden, Tage, Wochen, Monate) - Saisonal (Monate, wenige Jahre) - Sukzessionen (Wochen, Monate, wenige Jahre) - Wanderung von Arten (Jahre bis Jahrzehntausende) - Evolutionäre Vorgänge (Jahrtausende bis Jahrmillionen) - Geologische Vorgänge (bis Jahrmillionen) Tab. 1: Zeitrahmen verschiedener Prozesse in der Ökologie POLLICHIA-Kurier 22 (2) – 2006 - 22 - Berichte aus den Arbeitskreisen Abb. 1: Unterkiefer eines warmzeitlichen Waldelefanten (Elephas antiquus) aus den Rheinschottern (Sammlung der POLLICHIA im PMN). säugerart der Warmzeiten dienen, die definitiv vom Menschen ausgerottet wurde. Als weiteres Beispiel sei hier auf Seeökosysteme des Rotliegend verwiesen. Während des späten Paläozoikums, vor etwa 300 bis 290 Millionen Jahren zur Zeit des unteren Perms, kam es im Bereich des Saar-NaheBeckens zur Bildung zahlreicher großer Seen, deren Sedimente uns heute eine große Zahl von Fossilien liefern, die man zur Rekonstruktion ganzer Ökosysteme heranziehen kann. Das Pfalzmuseum für Naturkunde (POLLICHIA-Museum) gräbt seit mehreren Jahren regelmäßig in den Sedimenten des so genannten RümmelbachHumberg-Sees (Abb. 4). Sedimente dieses Sees findet man von Rümmelbach bei Lebach im Saarland bis zum Humberg bei Odernheim am Glan (daher der Name). Das Gebiet, in dem die Sedimente dieses Sees heute zu finden sind, hat in etwa die fünfbis siebenfache Fläche des Bodensees. Paläoökologische Untersuchungen an diesen Sedimenten und den darin eingeschlossenen Fossilien haben gezeigt, dass dieser See im Laufe seines Bestehens eine recht komplexe Entwicklung durchgemacht hat. Dabei können zur Zeit grob vier verschiedene Phasen der Seeentwicklung unterschieden werden (Abb. 5, vgl. BOY, 1994). Wohl in erster Linie abhängig von der Belüftung des Sees konnten sich während dieser vier Phasen unterschiedlich komplexe Ökosystem etablieren, wobei während Phasen geringer Durchlüftung die Nahrungsnetze eher einfach waren und während Phasen guter Durchlüftung an Abb. 2: Skelett eines warmzeitlichen Auerochsen (Bos primigenius) aus den Rheinschottern (Sammlung der POLLICHIA im PMN). Abb. 3: Unterkiefer eines kaltzeitlichen Mammuts (Mammuthus primigenius) aus den Rheinschottern (Sammlung der POLLICHIA im PMN). Abb. 4: Fossilgrabung des Pfalzmuseum für Naturkunde (POLLICHIA Museum) in den Sedimenten des Rümmelbach-Humberg-Sees bei Wörsbach im Jahr 1995. POLLICHIA-Kurier 22 (2) – 2006 - 23 - Berichte aus den Arbeitskreisen Komplexität zunahmen. In den Sedimenten des See findet man zum Beispiel in verschiedenen Phasen das großwüchsige Amphib Sclerocephalus haeuseri (Abb. 6) bzw. großwüchsige Haie der Gattungen Triodus, Xenacanthus und Orthacanthus. Knorpelschmelzschuppenfische der Gattung Paramblypterus (Abb. 7) findet man in allen Seephasen, während Stachelhaie der Gattung Acanthodes (Abb. 8) nur in den mindestens einigermaßen gut durchlüfteten Phasen vorkamen. Am Boden lebende Orgamismen, wie etwa Vertreter verschiedener Krebsgruppen, findet man nur während Phasen mit sehr guter Durchlüftung. Obwohl über die Gründe für die Änderungen der anorganischen Umweltparameter in vielen Fällen nur spekuliert werden kann, zeigt dieses Beispiel, dass es möglich ist, selbst anhand von Material aus dem Erdaltertum Änderungen und Entwicklungen von Ökosystemen in Abhängigkeit von solchem externen Parametern zu rekonstruieren. Die geowissenschaftlichen Sammlungen der POLLICHIA haben über diese Beispiele hinaus ein viel versprechendes Potential für zahlreiche weitere paläoökologische Untersuchungen. Solche Untersuchungen können dabei helfen, die langfristigen Reaktionen von Ökosystemen auf Klimaund Umweltänderungen besser zu verstehen und so rezentökologische Untersuchungen um den Faktor Zeit ergänzen. Für die Pfalz ist dabei, unter Anderem, von speziellem Interesse, wie sich verschiedene Landökosysteme im oberen Karbon und im unteren Perm (etwa 310 bis 280 Millionen Jahre vor heute) entwickelt haben, lange bevor es dann vor etwa 250 Millionen Jahren an der Perm-Trias-Grenze zum größten bekannten Massenaussterbeereignis der Erdgeschichte kam, bei dem nach neuesten Schätzungen etwa 90 – 95 % aller damals lebenden Arten ausgestorben sind (sowohl im Meer als auch auf dem Land). Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte. PD Dr. Dieter Uhl, Neustadt an der Weinstraße / Utrecht Abb. 5: Profil des Rümmelbach-Humberg-Sees bei Wörsbach (links) im Geoskop-Urweltmuseum Burg Lichtenberg, der geowissenschaftlichen Zweigstelle des Pfalzmuseum für Naturkunde (POLLICHIA Museum), sowie (rechts) eine Aufstellung der wichtigsten Organismen während der vier Phasen der Entwicklung dieses Sees (basierend auf Boy, 1994). POLLICHIA-Kurier 22 (2) – 2006 - 24 - Literatur BOY, J.A. (1994): Seen der Rotliegend-Zeit ein Lebensraum vor rund 300 Millionen Jahren in der Pfalz.– In: W. v. KOENIGSWALD (Hrsg.) Erdgeschichte im Rheinland. Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, 107-116. Berichte aus den Arbeitskreisen Abb. 6: Ein juveniles Exemplar des großwüchsigen Amphibs Sclerocephalus haeuseri aus dem Rümmelbach-Humberg-See (Sammlung der POLLICHIA am Geoskop, Maßstab = 2 cm). Abb. 7: Knorpelschmelzschuppenfisch Paramblypterus duvernoyi aus dem Rümmelbach-Humberg-See (Sammlung der POLLICHIA am Geoskop, Maßstab = 7 cm). Abb. 8: Stachelhai Acanthodes bronni aus dem Rümmelbach-Humberg-See (Sammlung der POLLICHIA am Geoskop, Maßstab = 7 cm). POLLICHIA-Kurier 22 (2) – 2006 - 25 -