Uhl, D. (2006): Die geowissenschaftlichen Sammlungen

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Berichte aus den Arbeitskreisen
Abb. 14: Isolierter Einzelzahn eines Crocodiliers wahrscheinlich der Gattung Pelagosaurus, Höhe 12 mm, Slg. B. Rahm
Abb. 15: Der isolierte Wirbel eines Ichthyosauriers der Art Leptopterygius platyodon
mit 11,5 cm ▲
Abb. 16: ..und das ca. 3.5 cm lange, bezahnte Fragment einer Unterkieferleiste des
Fisches Saurhynchus acutus; alle Mineralien
und Fossilien aus dem unteren Lias der ehem.
Ziegelgrube Merkel bei Siebeldingen
gehören auch der isolierte Einzelzahn eines
Crocodiliers (Abb. 14) der vermutlich zur
Gattung Pelagosaurus gehört, der einzelne
Wirbel eines Ichthyosauriers der Art Leptopterygius platyodon (Abb. 15) oder das
bezahnte Kieferfragment des Fisches Saurhynchus acutus (Abb. 16).
Durch die Verfüllung des Grubenareals sind
die fossilführenden Schichten heute nicht
mehr zugänglich. Durch die beabsichtigte
Überbauung geht ein paläontologisch
wichtiger Aufschluss verloren, der m.E. den
Charakter eines geowissenschaftlichen
Denkmals zumindest von regionaler Bedeutung durchaus besitzt. Schließlich handelt es
sich, wie mehrfach erwähnt, um den einzigen Aufschluss des Lias in der Pfalz und
neben wenigen Vorkommen in der Trierer
Bucht in Rheinland-Pfalz. So wäre es unzweifelhaft wichtig, wenigstens ein paar
Quadratmeter der ehemaligen Ziegeleigrube Merkel zu erhalten und gegebenenfalls
unter Schutz zu stellen.
Pfalz und ihren angrenzenden Gebieten vorkommenden Gesteine aus folgenden Perioden der Erdgeschichte den Fokus:
- Quartär (1,8 Millionen Jahre bis
heute), mit Hauptvorkommen im
Rheingraben und im Mainzer Becken
- Tertiär (65 bis 1,8 Millionen Jahre),
ebenfalls mit Hauptvorkommen im
Rheingraben und im Mainzer Becken
- Trias, speziell Buntsandstein und
Muschelkalk (250 bis ca. 220 Millionen Jahre), mit Hauptvorkommen im
Pfälzerwald und im Westrich
- Permokarbon (ca. 310 bis 250 Millionen Jahre), mit Hauptvorkommen im
Nordpfälzer Bergland und am Haardtrand
Speziell der paläontologische Teil dieser
Sammlungen stellt ein Archiv zur Rekonstruktion von Umweltänderungen auf langen Zeitskalen dar, denn mit rezentökologischen Methoden können langandauernde
ökologische Prozesse, nicht nur solche in
Folge von Klimaänderungen, nicht adäquat
untersucht werden, da die Beobachtungszeiträume einfach zu kurz sind. Obwohl in
manchen Bereichen (z.B. in der Botanik
durch Herbare) Daten für die letzten zweibis dreihundert Jahre zur Verfügung stehen, sind auch diese für einen Menschen
relativ langen Zeiträume zu kurz, um
bestimmte ökologische Prozesse zu beobachten und die Beobachtungen verlässlich
zu interpretieren (vgl. Tabelle 1).
Die Untersuchung geowissenschaftlicher
Befunde ermöglicht es uns jedoch, Veränderungen der Umwelt sowie ihre Einflüsse
auf verschiedenste Ökosysteme über lange
Zeiträume hinweg (Tausende von Jahren bis
hin zu Millionen von Jahren) zu untersuchen. Dadurch können zum Beispiel auch
langfristige Folgen von Klima- und
Umweltänderungen und ihre Effekte auf
einzelne Organismen und ganze Ökosysteme studiert werden.
So kann zum Beispiel anhand von Material
aus den Sammlungen der POLLICHIA der
Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten
während des Quartärs rekonstruiert werden: Während der letzten Warmzeit, vor
etwa 130.000 – 120.000 Jahren, lebte im
Bereich des Rheingrabens eine wärmeangepasste Fauna, die nicht nur Waldelefanten (Abb. 1), Wasserbüffel und Auerochsen
(Abb. 2), sondern auch Nashörner und
Flusspferde umfasste. In der folgenden Eiszeit, vor etwa 120.000 bis 10.000 Jahren,
besiedelte dann eine kälteangepasste
Fauna mit Mammut (Abb. 3), Moschusochsen und Wollnashörner dieses Gebiet.
Die Fauna der aktuellen Warmzeit zeichnet
sich gegenüber früheren Warmzeiten vor
allem durch das Fehlen der sehr großen
Arten (wie etwa Elefanten) aus, woran
nach Meinung der meisten Wissenschaftler
wohl der Mensch als zusätzlicher Stressfaktor nicht unbeteiligt war. Der Auerochs
(Abb. 2) mag hier als Beispiel für eine Groß-
Ulrich H. J. Heidtke
Geowissenschaftlicher Arbeitskreis
Die geowissenschaftlichen
Sammlungen der POLLICHIA
als Archiv für Umweltänderungen auf langen
Zeitskalen
(Kurzfassung des Vortrags bei der POLLICHIA-Frühjahrstagung am 5. März 2006)
Die geowissenschaftlichen Sammlungen
der POLLICHIA umfassen mehrere Tausend
geologische, paläontologische und mineralogische Objekte, schwerpunktmäßig aus
der Pfalz, speziell in der Mineralogie aber
auch weit über diesen geographischen Rahmen hinaus. Stratigraphisch bilden die in der
- kurzfristig (sofort, Stunden, Tage, Wochen, Monate)
- Saisonal (Monate, wenige Jahre)
- Sukzessionen (Wochen, Monate, wenige Jahre)
- Wanderung von Arten (Jahre bis Jahrzehntausende)
- Evolutionäre Vorgänge (Jahrtausende bis Jahrmillionen)
- Geologische Vorgänge (bis Jahrmillionen)
Tab. 1: Zeitrahmen verschiedener Prozesse in der Ökologie
POLLICHIA-Kurier 22 (2) – 2006
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Berichte aus den Arbeitskreisen
Abb. 1: Unterkiefer eines warmzeitlichen
Waldelefanten (Elephas antiquus) aus den
Rheinschottern (Sammlung der POLLICHIA
im PMN).
säugerart der Warmzeiten dienen, die definitiv vom Menschen ausgerottet wurde.
Als weiteres Beispiel sei hier auf Seeökosysteme des Rotliegend verwiesen. Während
des späten Paläozoikums, vor etwa 300 bis
290 Millionen Jahren zur Zeit des unteren
Perms, kam es im Bereich des Saar-NaheBeckens zur Bildung zahlreicher großer
Seen, deren Sedimente uns heute eine
große Zahl von Fossilien liefern, die man zur
Rekonstruktion ganzer Ökosysteme heranziehen kann. Das Pfalzmuseum für Naturkunde (POLLICHIA-Museum) gräbt seit
mehreren Jahren regelmäßig in den Sedimenten des so genannten RümmelbachHumberg-Sees (Abb. 4). Sedimente dieses
Sees findet man von Rümmelbach bei
Lebach im Saarland bis zum Humberg bei
Odernheim am Glan (daher der Name). Das
Gebiet, in dem die Sedimente dieses Sees
heute zu finden sind, hat in etwa die fünfbis siebenfache Fläche des Bodensees.
Paläoökologische Untersuchungen an diesen Sedimenten und den darin eingeschlossenen Fossilien haben gezeigt, dass
dieser See im Laufe seines Bestehens eine
recht komplexe Entwicklung durchgemacht hat. Dabei können zur Zeit grob vier
verschiedene Phasen der Seeentwicklung
unterschieden werden (Abb. 5, vgl. BOY,
1994). Wohl in erster Linie abhängig von
der Belüftung des Sees konnten sich während dieser vier Phasen unterschiedlich
komplexe Ökosystem etablieren, wobei
während Phasen geringer Durchlüftung die
Nahrungsnetze eher einfach waren und
während Phasen guter Durchlüftung an
Abb. 2: Skelett eines warmzeitlichen Auerochsen (Bos primigenius) aus den Rheinschottern
(Sammlung der POLLICHIA im PMN).
Abb. 3: Unterkiefer eines kaltzeitlichen Mammuts (Mammuthus primigenius) aus den
Rheinschottern (Sammlung der POLLICHIA im PMN).
Abb. 4: Fossilgrabung des Pfalzmuseum für Naturkunde (POLLICHIA Museum) in den Sedimenten des Rümmelbach-Humberg-Sees bei Wörsbach im Jahr 1995.
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Berichte aus den Arbeitskreisen
Komplexität zunahmen. In den Sedimenten des See findet man zum Beispiel in verschiedenen Phasen das großwüchsige
Amphib Sclerocephalus haeuseri (Abb. 6)
bzw. großwüchsige Haie der Gattungen
Triodus, Xenacanthus und Orthacanthus.
Knorpelschmelzschuppenfische der Gattung Paramblypterus (Abb. 7) findet man in
allen Seephasen, während Stachelhaie der
Gattung Acanthodes (Abb. 8) nur in den
mindestens einigermaßen gut durchlüfteten Phasen vorkamen. Am Boden lebende
Orgamismen, wie etwa Vertreter verschiedener Krebsgruppen, findet man nur während Phasen mit sehr guter Durchlüftung.
Obwohl über die Gründe für die Änderungen der anorganischen Umweltparameter
in vielen Fällen nur spekuliert werden kann,
zeigt dieses Beispiel, dass es möglich ist,
selbst anhand von Material aus dem Erdaltertum Änderungen und Entwicklungen
von Ökosystemen in Abhängigkeit von solchem externen Parametern zu rekonstruieren.
Die geowissenschaftlichen Sammlungen
der POLLICHIA haben über diese Beispiele
hinaus ein viel versprechendes Potential für
zahlreiche weitere paläoökologische Untersuchungen. Solche Untersuchungen
können dabei helfen, die langfristigen
Reaktionen von Ökosystemen auf Klimaund Umweltänderungen besser zu verstehen und so rezentökologische Untersuchungen um den Faktor Zeit ergänzen.
Für die Pfalz ist dabei, unter Anderem, von
speziellem Interesse, wie sich verschiedene
Landökosysteme im oberen Karbon und im
unteren Perm (etwa 310 bis 280 Millionen
Jahre vor heute) entwickelt haben, lange
bevor es dann vor etwa 250 Millionen Jahren an der Perm-Trias-Grenze zum größten
bekannten Massenaussterbeereignis der
Erdgeschichte kam, bei dem nach neuesten Schätzungen etwa 90 – 95 % aller
damals lebenden Arten ausgestorben sind
(sowohl im Meer als auch auf dem Land).
Aber das ist dann wieder eine andere
Geschichte.
PD Dr. Dieter Uhl,
Neustadt an der Weinstraße / Utrecht
Abb. 5: Profil des Rümmelbach-Humberg-Sees bei Wörsbach (links) im Geoskop-Urweltmuseum Burg Lichtenberg, der geowissenschaftlichen Zweigstelle des Pfalzmuseum für Naturkunde (POLLICHIA Museum), sowie (rechts) eine Aufstellung der wichtigsten Organismen
während der vier Phasen der Entwicklung dieses Sees (basierend auf Boy, 1994).
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Literatur
BOY, J.A. (1994): Seen der Rotliegend-Zeit ein Lebensraum vor rund 300 Millionen Jahren in der Pfalz.– In: W. v. KOENIGSWALD
(Hrsg.) Erdgeschichte im Rheinland. Verlag
Dr. Friedrich Pfeil, München, 107-116.
Berichte aus den Arbeitskreisen
Abb. 6: Ein juveniles Exemplar des großwüchsigen Amphibs Sclerocephalus haeuseri aus dem Rümmelbach-Humberg-See (Sammlung der
POLLICHIA am Geoskop, Maßstab = 2 cm).
Abb. 7: Knorpelschmelzschuppenfisch Paramblypterus duvernoyi aus dem Rümmelbach-Humberg-See (Sammlung der POLLICHIA am
Geoskop, Maßstab = 7 cm).
Abb. 8: Stachelhai Acanthodes bronni aus dem Rümmelbach-Humberg-See (Sammlung der POLLICHIA am Geoskop, Maßstab = 7 cm).
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