Marke statt Versprechen

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Foto: Dolomitenregion Drei Zinnen
Das Skigebiet „Sextner Dolomiten“ in Südtirol geht neue Wege: Gemeinsam mit einer weiteren Region vermarktet sich die Destination als
„Dolomitenregion Drei Zinnen“ mit dem Ziel, als „kompakteste alpine Welt für erfahrene Kenner“ wahrgenommen zu werden
Marke statt Versprechen
Beim Kampf um die Gunst von Gästen und Besuchern entscheidet nicht das
Budget, sondern die Bedeutung, die eine Stadt oder Region in den Köpfen
der Menschen erlangt.
Gastautor: Christoph Engl, BrandTrust
Z
wei Themen scheinen in der Tourismusbranche stetig wiederzukehren: Das erste hat mit dem harten Kampf in den touristischen Organisationen um das richtige Werbebild zu tun. Ständig wird in Frage gestellt,
ob man den optimalen Blickwinkel der Region, der Stadt oder des Bundeslandes genutzt
hat, um sich für die Kunden ins richtige Licht
zu rücken. Und das andere Thema hat mit
der unzählig oft geäußerten, klagenden Feststellung in nahezu jeder Vorstandssitzung
und Versammlung zu tun: Das viel zu kleine
Budget, um die potenziellen Kunden auf das
eigene attraktive Angebot aufmerksam zu
machen. Höhere Werbebudgets – so der
Trugschluss – würden Erfolge sichern.
40 I Public Marketing, März '17
Das richtige Bild erzeugen
Ein Bild auf europäischen Autobahnen: In
Höchstgeschwindigkeit erfährt man, woran
man gerade vorbeidonnert: An der deutschen „Korbstadt“, an einem „Biosphärenreservat“, an einer „historischen Altstadt“, an
einem „Schloss XY“ in der „Metropolregion
XY“. Jeder schreit aus vollem Halse, in der
Hoffnung gehört zu werden. Man bildet ab,
was ist, man beschreibt den Zustand, man
beleuchtet sich selbst. Fragt man in den Regionen, den Städten oder den Bundesländern nach dem markenprägenden Schlüsselbild, dann erhält man oft zur Antwort: „Dieses gibt es nicht. Es ist die Vielfalt, die uns
ausmacht.“ Genau deshalb bleibt es vielen
tools + plattformen + strategien
touristischen Regionen über Generationen
verwehrt, dass sie als Marke und bedeutungsvolles Produkt wahrgenommen werden. Die Frage „Welche(s) Bild(er) sollen wir
von uns zeigen?“ ist schlichtweg die falsche
Frage. Darauf wird es nie eine beweisbar
schlüssige Antwort geben. Die entscheidende Frage für touristische Destinationen wäre
hingegen: Welches Bild sollen die Kunden
von uns haben? Für die Beantwortung
braucht es den Willen, Wahrnehmung zu
steuern – und dafür gibt es Strategien.
Identifikation spricht An
Der informationsüberladene Konsument hat
kein Interesse mehr an Abbildung. Die Währung der Zukunft ist Orientierung und Empfehlung und katapultiert die Welt des Marketings in eine total neue Dimension. Was als
großer Werbedruck und verführerische Produktinformation in ungesättigten Märkten
einmal sehr gut funktioniert hat, kommt in
gesättigten Märkten an ein schnelles Ende.
Der Überfluss an Information mündet stetig
in einem Defizit an Aufmerksamkeit. Das
Darstellen von Fakten verliert in der Marktsättigung zunehmend seine Kraft.
Claims, die sich Städte oder Regionen unter
ihre Namen schreiben, erweisen sich als zahnloser Tiger in einer Welt mangelnden Vertrauens. Die schönen Behauptungen „Saarbrücken – unglaublich vielfältig“, „Paderborn –
überzeugt“, „München – mag dich“, und
Chemnitz „Stadt der Moderne“ perlen an den
Kunden ab wie Regentropfen auf einer GoreTex Jacke.
Tourismus ist Leistung
Die schön formulierten Versprechen müssen
allerdings durch konkrete Leistungen bewiesen werden. Daran wird die Glaubwürdigkeit der Versprechenden gemessen. Wer als
Marke Bedeutung erlangen und von Kunden
als Marke wahrgenommen werden will,
muss mit nachvollziehbaren Spitzenleistungen aufwarten – sonst wird jede Kommunikation gefährlich schnell als leere Hülse entlarvt. Man muss immer zuerst etwas Großes
haben, bevor man darüber eine gute Geschichte erzählen darf. Selbst das zur Mode
verkommene „Storytelling“ nützt nichts
ohne Substanz. Es ist so wie bei einem Eisberg: Hätte dieser keine gewaltig große Basis, die man zwar nicht sieht – die jedoch
entscheidend für seine Widerstandskraft ist
– dann wäre er nur eine leicht verrückbare
Scholle an der Wasseroberfläche. So gelten
zum Beispiel Elsass, Südtirol und der Hochschwarzwald als Genussregionen, weil die
Dichte hervorragender Restaurant- und
Kochleistungen unvergleichbar sind.
Gefragt: Eine klare Positionierung
Viele Marketinginitiativen von Städten, Regionen und Institutionen verpuffen ohne
nachhaltige Wirkung. Es gewinnt hingegen,
wer Charakter zeigt und damit eine Möglichkeit schafft, dass sich Menschen damit identifizieren können. Es ist der Fall der Stadt
Cham am Rande des bayerischen Waldes
und seit dem Mittelalter an einer der wichtigsten Handelstraßen gen Böhmen gelegen.
Gemeinderat und Marketingverein waren
sich einig, dass man sich als Handelsstadt bezeichnet und dies aus gutem Grund. Aber
man war sich auch der Gefahr bewusst, in
einer Zeit der wandelnden Konsumbedürfnisse mit dieser Charakteristik nicht genügend Bedeutung und Differenzierung zu
zeigen, um darauf ein attraktives, zukunftsfähiges Angebot für Unternehmen, Kunden
und Bürger aufzubauen.
Der Markenprozess erbrachte für Cham eine völlig neue Positionierung: Man wird in
den nächsten Jahren alles daran setzen, um
innerhalb Bayerns die Nr. Eins als
In den
allermeisten Fällen
ist das Problem
von touristischen
Regionen nicht
das zu kleine
Werbebudget,
sondern zu wenig
Spitzenleistung
sowie die
mangelnde
Konzentration.
Christoph Engl
So werden Destinationen zu Marken
1. Langfristige Ausrichtung
Das Marketing von Städten muss auf einer soliden, strategischen Grundlage
stehen. Wer nicht festgelegt hat, was er wie als großes Ziel erreichen will,
verliert sich in teuren Kampagnen ohne größeren Zusammenhang.
2. Klare Differenzierung
Sich gegen die zunehmende Nivellierung durchzusetzen braucht eine hohe
Spezifik. Mit anderen gleichzuziehen, bedeutet in der Mittelmäßigkeit zu
verschwinden.
3. Mut zur Fokussierung
Städte und Regionen werden durch ihre Angebotsvielfalt nicht stärker, sondern schwächer. Wahrgenommen und gekauft wird, wer Weniges exzellent
leistet.
4. Hohe Anfangsenergie
Die Entwicklung einer Stadt oder einer Region zu einer Marke, ist mit dem
einem Dampfer zu vergleichen – nicht mit einem Schnellboot. Man muss zu
Beginn lange genug und kräftig anschieben, aber dann ist man nicht mehr
zu stoppen.
5. Dauerhaftes Nachlegen
Marke zu sein ist ein Unternehmen, keine Explosion. Städte und Regionen
brauchen ein gutes Management, um die eigene Marke mit kontinuierlichen
Spitzenleistungen immer wieder aufzuladen. Damit wird sie groß.
März '17, Public Marketing I 41
tools + plattformen + strategien
„Stadt der umfassendsten Begegnungskultur“ zu werden. Das bereits ausgeprägte und
lebendige Vereinswesen ausbauen, die neue
Stadthalle dem Thema Begegnung widmen,
am Marktplatz Lounge-Möbel installieren,
jedem neuen Bürger eine einjährige Vereinsmitgliedschaft schenken: Das sind die ersten
konkreten Initiativen, die die Stadtverwaltung und die Unternehmerschaft umsetzen
werden, um nach und nach diese NummerEins-Position zu leben und zu stärken. Kein
lässiger Claim, kein kreativer Slogan, kein
uneingelöstes Versprechen – dafür eine klare
Strategie, wie man eine Stadt mit einem geografischen Namen in eine neue Entwicklungsstufe auf dem Weg zu einer Marke
bringt. Dies ist verbunden mit großen Anstrengungen, aber am Ende wird Cham in
einem Thema Bedeutung erlangen, wie keine
andere Stadt im weiten Umkreis.
Nicht der
Nutzen macht ein
Produkt zur Marke,
sondern die emotionale Bedeutung
macht Menschen
zu Anhängern von
großen Marken.
Christoph Engl
Geografie mutig verlassen
42 I Public Marketing, März '17
Gastautor
Foto: BrandTrust
Einen anderen, mutigen Weg geht das Skigebiet „Sextner Dolomiten“ in Südtirol, an der
Grenze zu Osttirol und dem Veneto gelegen.
Weil es kaum gegen die Nachbargebiete wie
Kronplatz, Alta Badia oder Gröden/Seiseralm punkten konnte und auf keinen Fall über
die Marketingmittel dieser Mitbewerber verfügte, erdachte man sich eine Strategie, anstatt über die zu geringen Werbebudgets zu
klagen. Und: Eine zweite touristische Region, die bisher unter dem Namen Hochpustertal firmierte, sollte Teil dieses Neustarts
sein.
Die beiden Player, die zuvor mit eigenen
Werbebudgets und getrennten Marktstrategien aufgetreten waren, definierten einen gemeinsamen Markenkern. Man verabschiedete sich von den bisherigen Bezeichnungen
und verständigte sich auf einen neuen Namen. Die Gäste sollen die Region zukünftig
als „die kompakteste alpine Welt für erfahrene Kenner“ wahrnehmen. Gemeinsam tritt
man nun auf als „Dolomitenregion Drei Zinnen“. Während es das Hochpustertal als geografische Bezeichnung auf der Landkarte
gibt und ebenso den Ort Sexten, aus dem das
Skigebiet seinen Namen genommen hatte, ist
die „Dolomitenregion Drei Zinnen“ ein Markenname, den es so auf keiner Landkarte zu
finden gibt.
Dieser neu geschaffene Begriff muss nun
mit Bedeutung gefüllt werden – durch Spitzenleistungen, die jedem Besucher der Region das Gefühl vermitteln, zum Kenner zu
werden. Man entscheidet sich damit sehr
deutlich dagegen, für jede Zielgruppe das
richtige Angebot zu haben oder zu entwickeln und stellt sich markant auf. Dieser Mut
erspart breit zu streuende Marketingmittel.
In den allermeisten Fällen ist das Problem
von touristischen Regionen nicht das zu kleine Werbebudget, sondern zu wenig Spitzenleistung sowie die mangelnde Konzentration.
Bedeutungsstatus halten
Thematische Fokussierung hat den 1.800
Seelenort Wacken in Schleswig-Holstein auf
eine neue Ebene der Aufmerksamkeit gebracht. Es wird einmal im Jahr zu Europas
Heavy Metal-Mekka mit über 75.000 Besuchern. Das „Wacken-Festival“ ist zum Kult
avanciert: 40.000 Karten waren für die
2017-Ausgabe innerhalb von nur 15 Minuten
verkauft. Der Ort katapultiert sich Jahr für
Jahr im August aus der bedeutungslosen
Geografie in eine europaweite Bekanntheit.
Wacken wird die meiste Zeit des Jahres über
etwa genauso oft gegoogelt wie das drumherum liegende Bundesland Schleswig-Holstein. Das einzig Problematische daran: Wacken verliert seinen Bedeutungsstatus über
das Jahr wieder sehr schnell und muss deshalb als Veranstaltermarke gelten. Dies wäre
anders, wenn in Wacken im Zuge dieses Festivals Europas größte Heavy Metal-Akademie entstanden wäre oder die bedeutendste
Probehalle für den Nachwuchs.
Marke ist für eine Region oder Stadt nur
dann ein prägendes Element, wenn sich die
Markeninhalte auch dauerhaft erleben lassen. Salzburg schaltet Mozart nach den großen Festspielen nicht ab, in Montreux gibt es
Jazz auch außerhalb des großen Festivals, in
München wird Geselligkeit auch nach oder
vor dem Oktoberfest gelebt.
Charakter formt Städte zu Marken
Christoph Engl ist Geschäftsführer
der Agentur BrandTrust in Nürnberg. Als langjähriger Direktor von
Südtirol Marketing war er federführend an der Einführung der Dachmarke Südtirol beteiligt. Sein
Know-how setzt er als Markenstrategie-Experte für Städte, Regionen
und Organisationen ein. Sein Buch
„Destination Branding: Von der
Geografie zur Marke“ erhält im
März 2017 den ITB BuchAward.
* [email protected]
Marke ist weder für Unternehmen, Städte
oder Regionen mit Durchschnittlichem noch
als Eintagsfliege zu haben. Es nur besser machen zu wollen als viele andere, ist das Gift
für die eigene Profilierung. Auch für das
wahrnehmbar Bemerkenswerte von Städten
und Regionen gilt der Markengrundsatz:
Nicht der Nutzen macht ein Produkt zur
Marke, sondern die emotionale Bedeutung
macht Menschen zu Anhängern von großen
Marken. Diese Bedeutung wird von treuen
Kunden bzw. Besuchern mit Preispremium
und hoher Loyalität belohnt. Niemand will
Durchschnitt – und schon gar nicht dafür
gute Preise bezahlen.
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