Alternative für große Sachprogramme

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A n a l y s e n ... B e r i c h t e ... Aufsätze
Dr. Oliver CuUmann, Bremen
Versicherungseinkäufer sind aufgrund der wirtschaftlichen Situation gezwungen,
über die Veränderung von Programmstrukturen und Platzierungsprozessen nach­
zudenken, um günstigere Versicherungsprämien zu erhalten und effizienter zu
werden. Daher diskutieren sie zunehmend die Layerung von Versicherungspro­
grammen und das Vertical Marketing. Ziel des zweiteiligen Aufsatzes ist es, die
praktischen Implikationen heider Platzierungsverfahren darzustellen.
A
Alternative für große
Sachprogramme
ngesichts der derzeitigen wirtschaft­
lichen Situation vieler Unternehmen
sind Versicherungseinkäufer gezwun­
gen, restriktivere Budgetvorgaben einzuhalten
und Prämieneinsparungsmöglichkeiten bei der
Platzierung von Versicherungen zu realisieren
- dies gilt auch für den Bereich der Sachversi­
cherung. Üblicherweise berechnen Versiche­
rer die Prämien in der Sachversicherung ver­
einfacht dargestellt durch Multiplikation der
Versicherungssumme und eines Prämiensat­
zes, der den Bewertungsmaßstab des zu versi­
chernden Risikos darstellt. In der kommenden
Erneuerungsrunde ist im Bereich der Sachver­
sicherung nach derzeitigem Stand schon allein
deshalb mit sinkenden Prämien zu rechnen,
weil sich im Zuge der Wirtschaftskrise die Ver­
sicherungssummen voraussichtlich verringern
werden. Gleiches gilt auch für die Prämienbe­
messungsgrundlagen in anderen Sparten wie
z.B. Transport und Haftpflicht.
Die Versicherer von Sachversicherungs­
programmen sehen diese Entwicklung mit
Sorge und fürchten einen Prämienrückgang.
Verluste aus Kapitalanlagen haben in den ver­
gangenen Monaten die Eigenkapitalbasen der
Risikoträger reduziert. Gleichzeitig steigen
die Refinanzierungskosten vieler Erst- und
Rückversicherer sowie zudem die mittelfristi­
gen Eigenkapitalanforderungen aufgrund von
Solvency II. Deshalb mahnen Versicherer die
Notwendigkeit höherer Versicherungsprämien
bereits seit Monaten öffentlich an. Aber nicht
nur bei Großrisiken ist eine generelle Markt­
verhärtung bislang ausgeblieben.
Teil 1 : Gelayerte Versicherungsprogramme
bei komplexen Sachversicherungsprogram­
men eine Möglichkeit sein, mehr Wettbe­
werb zu erzeugen und die Gesamtprämie der
Deckung zu reduzieren. Entsprechend adap­
tiert ist grundsätzlich eine Übertragung der
im Folgenden gemachten Aussagen in ähnli­
cher Form auch auf die Platzierung anderer
Versicherungssparten möglich.
Um den erforderlichen Kapazitätsbedarf
zu decken, werden größere Sachversicherungs­
programme üblicherweise im Rahmen der Mit­
versicherung bei einem Versichererkonsortium
mit einem führenden und weiteren beteiligten
Versicherern platziert. Gemäß der Terminolo­
gie der Europäischen Kommission erfolgt die
Vermarktung dieser Konsortialprogramme im
so genannten Subskriptionsverfahren. Dabei
handelt der Versicherungsnehmer mit einem
führenden Versicherer zunächst die Konditi­
onen des Gesamtprogramms aus. Dem voran
gehen in der Regel Gespräche oder eine Aus­
schreibung mit den Versicherern, die aus der
Herkömmliche
proportionale
Mitversicherung
Versicherungsnehmer müssen und wer­
den angesichts der derzeitigen Lage diesen
Bestrebungen soweit wie möglich entgegen­
wirken wollen. In diesem Zusammenhang
können alternative Vermarktungsstrategien
.1168
• Versicherungswirtschaft Heft 1 5 / 2 0 0 9
Gelayertes
Programm
PML
PML
Um in der derzeitigen Marktphase Prä­
mienrückgänge auszugleichen, streben viele
Versicherer danach, ihre Prämienbasis über
Anteilserhöhungen stabil zu halten. Abhän­
gig von der weiteren Wettbewerbssituation
unter den Versicherern, ihrer eigenen wirt­
schaftlichen Situation und der künftigen Ent­
wicklung der Schadenquoten ist aber auch da­
von auszugehen, dass die Sachversicherer zu­
künftig versuchen werden, Prämiensatzstei­
gerungen durchzusetzen, um die befürchte­
ten Prämienrückgänge zumindest zum Teil
auszugleichen.
Sicht der Versicherungsnehmerin oder deren
Vermittler wichtig für die spätere Platzie­
rung des gesamten Versicherungsprogramms
sind. In den anschließenden Verhandlungen
mit dem Führungsversicherer fixiert die Ver­
sicherungsnehmerin die aus ihrer Sicht am
Markt durchsetzbaren Konditionen für den
Versicherungsvertrag. Der führende Versiche­
rer übernimmt einen wesentlichen prozentu­
alen Anteil der Deckung - üblicherweise den
größten Anteil aller an einem Programm teil­
nehmenden Versicherer. Die übrigen Anteile
werden im Rahmen der Mitversicherung den
Beteiligungsversicherern angeboten, die dann
nur entscheiden können, ob sie das Risiko auf
Grundlage der mit dem führenden Versiche­
rer definierten Konditionen zeichnen und wel­
chen Anteil des Programms sie auf dieser Ba­
sis tragen wollen. Das gesamte Versicherungs­
programm wird demnach bei allen Versiche­
rern zu einheitlichen Versicherungsbedingun­
gen und Prämiensätzen eingedeckt. Die Ver-
Deckungs­
strecke
FV
BV
1
FV
3
Layer 3
BV BV
4 5
Layer 2
BV BV BV
2 3 4
Grund­
deckung
BV
3
BV
1
Deckungsantell
Deckungsanteil
BV BV
4
7
(FV1)
FV
2
BV BV BV
2
3 4
FV
1
0%
BV
6
100%
Layer2xs. Layerl:
Nur Flexa
Layer 1 xs. Grunddeckung:
Flexa/Sturm/Hagel
Grunddeckung:
All Risk
FV: Führender Versicherer
BV: Beteiligter Versicherer
PML-Analyse
Versicherungsorte
Definition
Deckungsstrecl^en / Layer
Quelle: GEBRÜDER KROSE GmbH S Co. KG
Proportionale Mitversicherung versus gelayertes Programm
Analysen ... Berichte ... Aufsätze
marktung an Mitversicherungsgemeinschaf­
ten im Subskriptionsverfahren zeichnet sich
durch die Einfachheit der Platzierung aus. Sie
ist von der Europäischen Kommission in der
Vergangenheit unter der Voraussetzung ak­
zeptiert worden, dass es zwischen den Mit­
gliedern des jeweiligen Versichererkonsorti­
ums zu keiner Wettbewerbsbeschränkung z.B.
durch Absprachen der betreffenden Versiche­
rer kommt. Zwar ist die Kommission von die­
ser Position in ihrer letzten Sektorenuntersu­
chung abgerückt. Sofern die Mitversicherung
auf Vorgabe des Versicherungsnehmers erfolgt,
wird sie allerdings weiterhin als wettbewerbs­
neutral eingestuft.
Dennoch stellt sich industriellen Kunden die
Frage, ob ihre Versicherungsprogramme mit ei­
ner anderen Deckungsstruktur und einem an­
deren Vermarktungsverfahren effizienter und
zu einer geringeren Prämie platzierbar wären.
In diesem Zusammenhang werden besonders
im Bereich der Sachversicherung derzeit zwei
alternative Vermarktungsstrategien diskutiert:
Die „Layerung von Versicherungsprogrammen"
und das „Vertical Marketing". Im Folgenden sol­
len zunächst die praktischen Implikationen von
gelayerten Programmen dargesteht werden. In
der nächsten Ausgabe der
Versicherungswirt­
schaft wird der Fokus auf der Diskussion des
Vertical Marketings liegen.
Die Layerung von Versicherungsprogram­
men ist in einigen Versicherungssparten be­
reits häufig angewendete Praxis, so z.B. bei Exzedentendeckungen in Haftpflicht und D&O.
Aber auch im Bereich der Sach- und Trans­
portversicherung finden sich inzwischen ge­
layerte Deckungen. Bislang wurden Layerdeckungen insbesondere deshalb implementiert,
um bei Programmen mit hohem Kapazitäts­
bedarf weitere Versicherungsmärkte erschlie­
ßen zu können und so etwaige Kapazitätseng­
pässe zu vermeiden.
Größere Auswahlmöglichkeit
in Ausschreibungen
Bei der Layerung eines Versicherungspro­
gramms gilt es, die Gesamtdeckungsstrecke
horizontal in sinnvolle Layer aufzuspalten. Das
heißt, es werden über der Deckungssumme ei­
nes Grundvertrags weitere definierte Deckungs­
strecken, so genannte Exzedenten, gebildet, die
mit dem jeweiligen Risikoprofil eines Unterneh­
mens korrespondieren sollten (siehe Abbildung).
Üblicherweise fließen bei der Festlegung der
Layer z.B. Informationen zu den PML der ein­
zelnen Unternehmensstandorte (idealerweise
je versicherter Gefahr), angestrebte Limite für
bestimmte Gefahren oder das Zeichnungsver­
halten zu beteiligender Versicherer ein.
Die Layer werden einzeln vermarktet und
bepreist. Für jeden Layer können unterschied­
liche Deckungsinhalte vereinbart sein, entwe­
der de jure durch vertragliche Vereinbarun­
gen oder de facto durch die Konzeption von
Layern, die jenseits limitierter Deckungsbe­
standteile einsetzen. So ist es z.B. nicht unüb­
lich, dass in einem Grundvertrag und unteren
Exzedenten eine AU-Risk-Deckung vereinbart
ist, während in den oberen Layern nur noch
eine Flexa-Deckung besteht.
Die Differenzierung der Deckungsstrecken
hat den Vorteil, dass sich voraussichtlich mehr
Risikoträger und damit mehr Marktkapazitä­
ten an einer Ausschreibung beteiligen können.
Die Versicherer bewerben sich entsprechend
ihrer Zeichnungspräferenzen für Anteile be­
stimmter Layer. So gibt es z.B. auf Katastro-
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A n a l y s e n ... Berichte ... Aufsätze
phendeckungen spezialisierte Versicherer, die
sich nur in Deckungsbereichen oberhalb einer
bestimmten Schadenhöhe, des so genannten
Attachment-Punkts, engagieren wollen. Ver­
sicherer mit spezifischen Zeichnungsstrate­
gien oder bestimmten Deckungspräferenzen
könnten sich an einem herkömmlichen Ver­
sicherungsprogramm ohne Layer nur mit ge­
ringer Kapazität oder gar nicht beteiligen. Mit
einer gelayerten Struktur haben sie hingegen
die Möglichkeit, ihre gesamte Kapazität in die
für sie passenden Layer einzubringen.
nen Layer von unterschiedlichen Versicherern
wahrgenommen wird. In einem Schadenfall,
der mehrere Deckungsstrecken betrifft, wür­
den dann die jeweils führenden Versicherer
in die Schadenregulierung einbezogen. Die
Abstimmung mit den Führungsversicherern
könnte sich aufgrund unterschiedlicher Inte­
ressenlagen im Schadenfall schwieriger erwei­
sen als im Vergleich zu einem herkömmlichen
Versicherungsprogramm ohne Layer, bei dem
nur ein führender Versicherer für die Schaden­
regulierung verantwortlich ist.
Eine Layerung erhöht daher die für ein
Programm verfügbaren Kapazitäten und da­
mit auch den Wettbewerb um Anteile an einem
Versicherungsprogramm. Dies resultiert häufig
in einer geringeren Programmprämie. Sofern
nicht ein einzelner Versicherer einen Layer al­
leine zeichnet, müssen einzelne Anteile jeder
Deckungsstrecke im Rahmen von Mitversi­
cherungslösungen platziert werden.
Es existieren verschiedene Möglichkei­
ten, diesen Abstimmungsaufwand durch die
sinnvolle Gestaltung der Führungsklauseln zu
verringern. Die genaue Ausgestaltung dieser
Vereinbarungen stellt bei gelayerten Deckun­
gen eine große Herausforderung dar und setzt
eine ausgefeilte Struktur der jeweiligen Betei­
ligungsverhältnisse voraus.
Im Folgenden sollen die praktischen Impli­
kationen der Platzierung gelayerter Versiche­
rungsprogramme beschrieben werden:
Administrationsaufwand
erliölit sich
Die Vermarktung gelayerter Versiche­
rungsprogramme erhöht den Administra­
tionsaufwand im Vergleich zu herkömmli­
chen Versicherungsprogrammen ohne Lay­
erung. So müssen vorab Überlegungen zu
einer sinnvollen Strukturierung der Lay­
er angestellt werden. Hilfreich in der Pla­
nungsphase ist die Vorab-Prämienabschätzung (ohne Einbeziehung von Versicherern)
für die angedachten Layer. Durch die Beur­
teilung der Exponierung der einzelnen Layer
(z.B. PML-Profile) ist der Umfang der bereit­
zustellenden Risikoinformationen höher als
bei einem konventionellen Programm. Dar­
über hinaus muss pro Layer ein eigener Ver­
trag erstellt werden, in dem die layerspezifischen Prämien und Bedingungen dokumen­
tiert werden. Innerhalb der einzelnen Layer
können einheitliche Versicherungsscheine
ausgestelh werden, da die Prämienbasis wie
bei klassischen Programmen für alle Versi­
cherer identisch ist. Da es sich bei den Lay­
ern um eigenständige Versicherungsverträge
mit unterschiedlichen führenden Versiche­
rern handelt, kann sich auch der Melde- und
Abstimmungsaufwand erhöhen, z.B. bei der
Erfüllung von Obliegenheiten.
M e h r A b s t i m m u n g im
S c h a d e n f a l l erforderlich
Üblicherweise können Prämieneinspa­
rungen bei gelayerten Programmen nur dann
erzielt werden, wenn die Führung der einzel­
Versicherungswirtschaft Heft 1 5 / 2 0 0 9
Deckungslücken müssen
vermieden werden
Die Konstruktion eines gelayerten Pro­
gramms erfordert spezifisches Know-how, um
die Deckungsinhalte der einzelnen Layer auf­
einander abzustimmen und damit Deckungs­
lücken zu vermeiden. Besondere Beachtung
muss dabei den Wirkungsmechanismen zwi­
schen den Layern in bestimmten Schadenfall­
konstellationen geschenkt werden. Stellvertre­
tend für die Vielzahl der zu bedenkenden Fall­
konstellationen soll der zusätzliche Regelungs­
bedarf gelayerter Programme anhand der fol­
genden drei Beispiele skizziert werden:
• In einem gelayerten Programm deckt der
obere Layer nur Flexa-Schäden, bei den
unteren Layern handelt es sich um AURisk-Deckungen. Es tritt ein Schaden ein,
der durch Überschwemmung verursacht
wird. Diese führt zu einer Explosion mit
anschließendem Feuerschaden. Der Ge­
samtschaden überschreitet den Attach­
ment-Punkt des oberen Layers, der FlexaSchaden allein jedoch nicht. Im Versiche­
rungsvertrag ist daher eine Regelung zu
treffen, die vermeidet, dass die Versiche­
rer des oberen Layers reklamieren, der At­
tachment-Punkt für ihre Deckungsstrecke
sei nicht überschritten, da in diesem Layer
nur Flexa-Schäden gedeckt sind,
ü Der oberste Layer deckt nur den Versi­
cherungsort mit dem höchsten PML ab.
Bei einem Sturmschaden, der diesen und
einen weiteren Versicherungsort betrifft,
wird der oberste Layer nur durch die Ad­
dition der beiden Layer betroffen, nicht
aber bei separater Betrachtung der beiden
Einzelschäden. Im Versicherungsvertrag
ist daher eine Regelung vorzusehen, die es
vermeidet, dass keine Eintrittspflicht des
obersten Layers besteht, weil der Schaden
an dem zweiten Versicherungsort nicht
durch den obersten Layer gedeckt wird.
• Mehrere Layer haben aufgrund eines ein­
getretenen Schadenereignisses eine Ent­
schädigung gezahlt. Es wird ein Regress­
verfahren durchgeführt, bei dem Teile der
Entschädigungsleistung von den regressierten Parteien wieder eingeholt werden
können. Um die Motivation zur Erzielung
von Regresserlösen zu fördern und Dis­
kussionen über die Aufteilung des erziel­
ten Regresserlöses zu vermeiden, sollte in
dem Bedingungswerk vorab geregelt wer­
den, ob die Regresserlöse z.B. entsprechend
der Deckungsstrecken der einzelnen Layer
verteilt werden („Nutzentheorie") oder den
Gesamtschaden verringern sollen („Ultimate Net Loss"-Klausel), wodurch jeweils
nur der oberste Layer von dem Regresser­
lös profitieren würde.
Die Beispiele zeigen, dass auch die Platzierung
eines gelayerten Programms intensiver Über­
legungen und Vorbereitungen hinsichtlich ih­
rer Strukturierung und operativen Ausgestal­
tung bedarf und daher sorgfältig vorbereitet
werden muss. Dies gilt unter anderem für die
Strukturierung der Layer, die Überprüfung der
von den Versicherern angebotenen Layerprämien und die deckungslückenfreie Gestaltung
der Versicherungsbedingungen.
Fazit: Die Layerung von Deckungsstre­
cken großer Sachversicherungsprogramme
kann Prämieneinsparungspotenziale erschlie­
ßen. Sie steUt daher ein probates Mittel dar,
um einen Beitrag zur Erreichung der derzei­
tig ambitionierten Budgetziele von Versiche­
rungsmanagern zu leisten. Allerdings erhöhen
gelayerte Versicherungsprogramme den ad­
ministrativen Aufwand eines Versicherungs­
programms bei der Strukturierung, der Do­
kumentierung und der Erfüllung von Oblie­
genheiten. Insbesondere erfordern gelayerte
Versicherungsprogramme im Schadenfall zu­
sätzlich Abstimmungsbedarf mit den führen­
den Versicherern der jeweiligen Exzedenten,
sofern ein Schaden die Deckungsstrecke des
Grundvertrags übersteigt. Die Dokumentie­
rung gelayerter Deckungen verlangt umfassen­
des Know-how, um das reibungslose Zusam­
menspiel der einzelnen Layer zu gewährleisten
und Deckungslücken zu vermeiden.
In der nächsten Ausgabe der Versicherungs­
wirtschaft werden die praktischen Implikati­
onen einer anderen Platzierungsmethode, dem
„Vertical Marketing", beschrieben.
Dr. Oliver Cullmann ist Geschäftsführen­
der Gesellschafter des auf industrielle Großrisiken
spezialisierten Versicherungsvermittlers Gehrüder
Krose. Er verantwortet dort die Bereiche Sachver­
sicherung und Captive-Beratung.
Analysen ... Berichte ... Aufsätze
Dr. Oliver Cullmann, Bremen
Versicherungseinkäufer der Wirtschaft denken über die Veränderung von
Programmen und Platzierungsprozessen nach, um effizienter zu werden und
günstigere Prämien zu erzielen. Gleichzeitig kritisiert die EU-Kommission die
Mitversicherung zu einheitlichen Prämien. Bei der Diskussion um Alternativen
wird daher neben der Layerung immer häufiger das Vertical Marketing
genannt.
I
Alternative Strategie für
große Sachprogramme
m Fokus des zweiten Teils dieses Aufsatzes
steht eine Vi^eitere alternative Platzierungs­
methode, das so genannte Vertical Mar­
keting. In der vergangenen Ausgabe der Ver­
sicherungswirtschaft
sind die Motivation für
die Diskussion alternativer Platzierungsmetho­
den in der Sachversicherung sowie die prakti­
schen Implikationen von gelayerten Versiche­
r u n g s p r o g r a m m e n besprochen worden.
Die Europäische Kommission hat kartell­
rechtliche Bedenken gegen die Vereinbarung
einheitlicher Prämien für alle Mitversicherer
eines P r o g r a m m s im Rahmen des Subskrip­
tionsverfahrens. Diese hat sie in ihrem a m
25. September 2007 veröffentlichten Abschluss­
bericht zur Untersuchung von Versicherungs­
produkten u n d -dienstleistungen für Unter­
n e h m e n in der Gemeinschaft (Sektoruntersu­
chung) veröffentlicht. In dem Bericht fordert
die Kommission die Versicherungsnehmer so­
gar dazu auf, „Versicherungen zu Bedingun­
gen abzuschließen, die keine harmonisierten
Prämien umfassen".
Die Kommission ist der Meinung, dass
über Vertical Marketing geringere Gesamtprä­
mien für ein Versicherungsprogramm erzielt
werden können. Dabei werden von den Ver­
sicherern zunächst die Konditionen für den
von ihnen angestrebten prozentualen Anteil
der Deckung abgefragt. Nach entsprechender
Auswahl der gewünschten Versicherer werden
die Anteile zu individuellen u n d nicht m e h r
wie beim klassischen Subskriptionsverfahren
zu einheitlichen Konditionen bei den Versiche­
rern platziert. Die Kommission belegt diese
Vorgehensweise mit dem Begriff „Auktions­
verfahren". Dieser Begriff impliziert, dass die
Anteilsvergabe hauptsächlich danach erfolgt,
welcher Versicherer die niedrigste Prämie ver­
langt. In der Praxis spielen bei der Vergabe der
Anteile von großen Industriedeckungen aber
auch andere Faktoren eine Rolle, wie die Boni­
tät des Versicherers, seine Zeichnungsstabilität
oder besondere Fähigkeiten für die Durchfüh­
r u n g des Versicherungsprogramms.
Aufgrund des im Zuge der Wirtschafts­
krise e n t s t a n d e n e n Kostendrucks bei den
Versicherungsbudgets der Versicherungsneh­
mer ist der Einsatz des Vertical Marketings in
den vergangenen Monaten von vielen Versi­
cherungsmanagern erwogen u n d in einigen
*
F o r t s e t z u n g aus V W 15/2009 S. 1168.
Versicherungswirtschaft Heft 16/2009
Teil 2: Vertical IVIarketing*
Fällen auch bereits implementiert worden.
Verstärkt worden ist diese Entwicklung auch
durch das Verbot von Verbandstarifen u n d
die Entwicklung eigener Prämienrichtlinien
durch die Versicherer, die ihre neuen Tarifierungstools n u n nutzen, u m individuelle Prä­
mien u n d Bedingungen für ihren Anteil an­
zubieten. Verschiedene Formen der vertikalen
Vermarktung sind denkbar:
•
Prämiendifferenzierte Vermarktung: Die
Anteile an einem P r o g r a m m werden zwar
auf der Grundlage vorgegebener identi­
scher Versicherungsbedingungen, aber
zu unterschiedlichen Prämiensätzen ge­
zeichnet. Dazu müssen die Prämienvor­
stellungen jedes einzelnen Versicherers
abgefragt und d a n n entsprechend berück­
sichtigt werden.
•
Bedingungsdifferenzierte Vermarktung:
Dabei werden für sonst vergleichbare De­
ckungsbereiche versichererspezifische Be­
dingungen abgeschlossen, u m so den durch
die jeweiligen Richtlinien eines Versiche­
rers gesetzten Zeichnungsrahmen best­
möglich auszunutzen.
•
Kombination aus prämiendifferenzierter
u n d bedingungsdifferenzierter Vermark­
tung: Für jeden Anteil werden mit jedem
Versicherer individuelle Prämiensätze und
Bedingungen vereinbart.
Aus Vereinfachungsgründen soll im Folgen­
den nur das prämiendifferenzierende Vertical
Marketing diskutiert werden.
Die Unterschiede zwischen einer her­
kömmlichen Subskriptionsvermarktung u n d
Vertikal Marketing sind in der Grafik schema­
tisch dargestellt. Wie bereits oben beschrieben
liegen der Subskriptionsvermarktung die mit
dem führenden Versicherer ausgehandelten
Konditionen zugrunde. Die beteiligten Versi­
cherer bekommen diese Konditionen mitgeteilt
u n d müssen lediglich prüfen, ob sie zu diesen
Konditionen das Risiko mitzeichnen und wel­
chen Anteil des Risikos sie ü b e r n e h m e n wol­
len. Die mitgeteihen Konditionen haben eine
Informations- und Orientierungsfunktion, da
sie den zu beteiligenden Versicherern Einblick
in die Risikoeinschätzung des führenden Ver­
sicherers geben. In der Vergangenheit war bis­
weilen zu beobachten, dass vorwiegend klei­
nere Versicherer ein Risiko zu den genannten
Konditionen weitgehend im Vertrauen auf die
Risikoeinschätzung des führenden Versiche­
rers zeichneten, ohne selbst ein tiefgreifendes
Underwriting zu betreiben.
Beim Vertical Marketing hingegen sollte
den Beteiligungsversicherern die mit dem füh­
renden Versicherer vereinbarte Prämie nicht
mitgeteilt werden. Die Informations- und Ori­
entierungsfunktion der Führungsquotierung
entfällt. Die Versicherer sollen und müssen im
Rahmen ihrer Risikobewertung eigene Prämi­
envorstellungen entwickeln und benennen. Da­
durch, dass ein Führungsangebot nicht mehr
erforderlich ist, können sowohl potenzielle
Führungs- als auch Beteiligungsversicherer
gleichzeitig mit der Bitte u m Angebotsabgabe
angesprochen werden. Ein zweistufiger Prozess wie beim Subskriptionsverfahren ist al­
so nicht erforderlich.
Wünschenswert für das Vertikal Marke­
ting ist, dass einem Versicherer die von anderen
Versicherern geforderten Prämienkonditionen
auch dauerhaft unbekannt bleiben. Dies k a n n
durch spezielle Dokumentierungstechniken
gewährleistet werden. Versicherer, die davon
erfahren, dass sie eine unterdurchschnittliche
Prämie erhalten, werden intern unter Druck ge­
raten u n d in kommenden Verlängerungsrun­
den ihre zusätzlichen Marktkenntnisse nutzen
und vorsichtiger quotieren. Das würde für die
Versicherungsnehmer das Prämiensenkungs­
potenzial und damit den möglichen Vorteil des
Vertical Marketings deutlich verringern.
Welche Vor- oder Nachteile hat nun Vertical
Marketing gegenüber einer herkömmlichen Ver­
marktung im Subskriptionsverfahren? Welches
sind die praktischen Implikationen des Verti-
• vvw
Analysen ... Berichte ... Aufsätze
cal Marketings? Folgende Thesen können aus
praktischer Erfahrung mit der Platzierung von
Sachversicherungsprogrammen mittels Verti­
cal Marketing aufgestellt werden:
These 1: Vertical Marketing k a n n zu ei­
ner geringeren Gesamtprämie führen - muss
aber nicht. Die Prämienfestsetzung bei Versi­
cherern wird im Wesentlichen von zwei Fak­
toren bestimmt:
•
•
Risikoeinschätzung und Zeichnungsricht­
linien. Beides beantwortet grundsätzlich
die technischen Fragen beim Underwri­
ting: Soll ein Risiko gezeichnet werden,
u n d wenn ja, zu welcher (Mindest-)Prämie u n d mit welchem Anteil?
Wettbewerb, Verhandlungsposition u n d
Interessenlagen. Diese beeinflussen neben
der Risikobewertung die Prämienfindung
des Versicherers, mit der er für die Zeich­
nung eines bestimmten Risikos des Versi­
cherungsnehmers anbieten will oder muss,
u m (gerade noch) auf dem Versicherungs ­
p r o g r a m m berücksichtigt zu werden.
I m Gegensatz zum Subskriptionsverfahren
sind beim Auktionsverfahren exklusive Vor­
abverhandlungen mit potenziellen führenden
Versicherern als spätere Vorgabe für die betei­
ligten Versicherer nicht zwingend erforderlich.
Vielmehr können unter Vorgabe eines Bedin­
gungsrahmens gleichzeitig bei allen Versiche­
rern, die für eine Anteilszeichnung an dem
ausgeschriebenen P r o g r a m m in Frage kom­
men, gleichzeitig Prämienquotierungen ab­
gefragt werden.
Wenn die Prämie eines Versicherers un­
ter der durchschnittlich von allen Versiche­
rern angebotenen Prämie liegt, wird seitens
des Versicherungsnehmers wenig Bedarf für
Nachverhandlungen bestehen. Liegt die ange­
botene Prämie allerdings oberhalb des sonst
Herkömmliche
proportionale
TT KARLSRUHE
angebotenen Prämiendurchschnitts, wird der
Versicherungseinkäufer unter Umständen ver­
suchen, niedrigere Prämienangebote zu nut­
zen, u m die höhere Prämienforderung für den
angebotenen Anteil mindestens auf die Durch­
schnittsprämie aller Versicherer zu reduzieren.
Je nach Marktsituation wird sich der angespro­
chene Versicherer in dieser Situation zu einer
Nachbesserung seines Angebots bereiterklä­
ren. In einem Markt, in dem der Versicherer
wenig Wettbewerb u n d Alternativen für die
Versicherungsnehmer vermutet, könnte mit
Verweis auf die eigene Risikoeinschätzung
eine Nachbesserung der Prämien verweigert
werden. Im Extremfall k a n n dies das Ergebnis
zur Folge haben, dass die Durchschnittsprä­
mie der später beteiligten Versicherer höher
ist als die des Führungsversicherers.
n = . R « : M der so genannten
offenen
Ob das letztlich erzielte Ergebnis mit Ver­
tical Marketing preislich günstiger ist als bei
einer herkömmlichen Platzierung bleibt da­
her schlussendlich offen. Eine Prämiendif­
ferenzierung im Rahmen des Vertical Mar­
ketings suggeriert, dass alle an einem Ver­
sicherungsprogramm beteiligten Versicherer
ein Risiko zu der für sie gerade noch akzepta­
blen Prämie zeichnen. Offenbleiben wird aber
immer, ob dies auch wirklich so ist. Diese Fra­
ge wird nicht zweifelsfrei beantwortet werden
können. Denn es ist denkbar, dass im Rahmen
einer herkömmlichen Vermarktung durch ge­
schickte Verhandlungen eine günstigere Prä­
mie mit dem führenden Versicherer hätte er­
zieh werden können, der sich die beteiligten
Versicherer z.B. aufgrund der Informations­
u n d Orientierungsfunktion angeschlossen
hätten, obwohl ihre eigenen Vorstellungen
eigentlich darüber lagen.
Das Recht der so genannten
offenen Mitversicherung
Vertragsrechtliche Konstruktion und
kartellrechtliche Beurteilung
Dr. Henning Schcloske
2007, 502 S., DIN A5, kart., 4 2 , - €*
Berliner Reihe Bond 28
ISBN 978-3-89952-297-6
Die vorliegende Arbeit bietet eine
umfassende wissenschaftliche
Aufarbeitung des Rechts der offe­
nen Mitversicherung. Sie deckt die
ganze Bandbreite der versicherungs-,
gesellschafts- und kartellrechtlichen
Fragestellungen ab und geht auch
auf zivilprozessuale und kollisions­
rechtliche Fragen ein.
Zwischenfazit: Die Chancen des Verti­
cal Marketings müssen im Einzelnen vor der
„Vertical
Mitversicheruna
Ja,
Marketina"
ir^ü !h,^«*o||e
Ex.!
Fax 0721 3509-201
PML
Deckungs­
strecke
FV
Bruttoprämie/
(alternativ auch
Bedingungsumfang)
BV
1
NameA'orname
FV
0)
Firma
BV
1
Straße/Hausnummer
Deckungsanteil
Gelayertes
FV
3
Deckungsstrecke
Programm
BV
6
(FV1)
FV
2
FV
1
BV
3
BV
1
100%
Deckungsanteil
Layerung und „Vertical
EUR
BV BV
7
4
BV BV
4 5
BV BV BV
2 3 4
FV
3
4
Platzierungsmethoden von Versicherungsprogrammen.
Marketing"
BV
4
BVG
1
Bruttoprämie/
(alternativ auch
Bedingungsumfang)
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Versicherungswirtschaft Heft 16/2009
1257
Analysen ... Berichte ... Aufsätze
endgültigen Platzierung eines Versicherungs­
programms soweit möglich geprüft u n d abge­
schätzt werden. Das Ergebnis ist stark von der
Verhandlungsposition der Versicherungsneh­
merin gegenüber den einzelnen Versicherern
abhängig. In einem schwierigen Marktumfeld
k a n n Vertical Marketing zumindest verkrus­
tete Strukturen auft)rechen, so z.B. in Fällen,
in denen ein führender Versicherer aufgrund
seiner starken Stellung in einem Programm
keine Prämienreduzierung zugesteht, die be­
teiligten Versicherer sich aber in einem inten­
siven Wettbewerb miteinander befinden und
daher günstigere Prämien als der führende
Versicherer anbieten. In diesem Fall sind über
Vertical Marketing signifiikante Prämienein­
sparungspotenziale erzielbar.
These 2: Höherer administrativer Auf­
wand durch Vertical Marketing. Sowohl beim
Subskriptions- als auch beim Auktionsverfah­
ren decken verschiedene Versicherer im Rah­
men der Mitversicherung gemeinsam ein be­
stimmtes Risiko ab. Nach herrschender Mei­
nung werden dabei zwischen dem Versiche­
rungsnehmer und den einzelnen Versicherern
jeweils selbstständige Verträge abgeschlossen.
Die Mitversicherung stellt somit ein Bündel
mehrerer rechtlich voneinander unabhängiger
Verträge dar. Bei Versicherungsprogrammen
mit einheitlichen Konditionen für alle betei­
ligten Versicherer existieren etablierte Klau­
seln zur Handhabung der Mitversicherung.
Diese Verfahrensweisen u n d Klauseln müssen
den Besonderheiten des Auktionsverfahrens
in einigen Punkten angepasst werden. Verti­
cal Marketing ist wie oben erwähnt z.B. nur
d a n n sinnvoll anwendbar, wenn jedem Ver­
sicherer ausschließlich die eigene Prämie be­
k a n n t ist, nicht jedoch die mit anderen Ver­
sicherern vereinbarten Konditionen. Um das
zu gewährleisten, müssen bestimmte Rege­
lungen hinsichtlich der Administration u n d
Gestaltung eines Versicherungsprogramms
getroffen werden.
Bei der h e r k ö m m l i c h e n P l a t z i e r u n g
eines Versicherungsprogramms erhalten al­
le beteiligten Versicherer den gleichen Ver­
sicherungsschein, in d e m die Gesamtprämie
sowie das Versichererkonsortium mit den
jeweiligen Deckungsanteilen ausgewiesen
sind. Ein einheitliches D o k u m e n t k a n n bei
einer mittels Vertical Marketing platzierten
Deckung nicht erstellt werden, da ansons­
ten allen Versicherern die individuell verein­
barten Prämien aufgedeckt werden müssten
u n d die Prämienunterschiede zwischen den
Versicherern offengelegt w ü r d e n . Vielmehr
sind beim Vertical Marketing für jeden Ver­
sicherer separate Versicherungsscheine an­
zufertigen.
Die A b r e c h n u n g eines mittels Vertical
M a r k e t i n g platzierten Versicherungspro­
Versicherungswirtschaft Heft 16/2009
g r a m m s sollte daher nicht über den führen­
den Versicherer erfolgen, u m auch ihm gegen­
über eine Aufdeckung der mit den beteiligten
Versicherern vereinbarten Prämien zu ver­
meiden. Vielmehr soUte eine „neutrale" Stel­
le, die die unterschiedlichen Konditionen der
Versicherer kennen darf (z.B. der Versiche­
rungsnehmer selbst oder ein Vermittler), die
Dokumentierung u n d Abrechnung überneh­
men. Qualifizierte Vermittler soUten über das
dazu erforderliche Know-how u n d die techni­
schen Voraussetzungen für die entsprechende
Abrechnung verfügen.
den einzelnen Versicherern individuelle Ver­
tragswerke vereinbart u n d entsprechend do­
kumentiert werden. Auch die Schadenregulie­
r u n g würde verkompliziert, da im Extremfall
jede einzelne Beteiligung nach unterschied­
lichen Bedingungswerken reguliert werden
muss. Bedingungsdifl^erenzierung erscheint
daher n u r in bestimmten u n d wohl definier­
ten Ausnahmefällen sinnvoll u n d wünschens­
wert, z.B. wenn der Versicherungsnehmerin
besonders an spezifischen Deckungsbaustei­
nen gelegen ist, die aber nur von einem Teil
der Versicherer angeboten werden.
Bei internationalen Sachversicherungs­
p r o g r a m m e n , die der führende Versicherer
mit lokalen Policen zu 100 Prozent vorzeich­
net u n d d a n n entsprechend der vereinbarten
Anteile bei den beteiligten Programmversi­
cherern rückversichert, ist es noch schwieri­
ger, die Vertraulichkeit der Prämienangebote
jedes einzelnen Versicherers gegenüber dem
führenden Versicherer zu wahren. In diesem
Fall muss der führende Versicherer wissen,
welche Gesamtprämie er lokal zu erheben
hat. Die vertrauliche Behandlung der Prämi­
en der Beteiligten gegenüber der Führenden
k a n n nur durch geeignete Gestaltung der Prämienverteilungs- und Abrechnungsmodalitä­
ten gewährleistet werden.
These 3: Detaillierte A b s t i m m u n g über
Führungsprovisionen u n d anderen Kosten­
positionen sind erforderlich. Üblicherweise
erhält der führende Versicherer eine Vergü­
tung für die Aufwendungen im Zusammen­
h a n g mit der Führungsarbeit sowie der Vor­
zeichnung lokaler Policen. Häufig wird die­
se Vergütung als Führungsprovision, einem
Prozentsatz der Gesamtprämie bezogen auf
die Anteile der beteiligten Versicherer, ver­
rechnet. Der Führende kalkuliert die Füh­
rungsprovision auf Grundlage „seiner" Prä­
mie u n d wird möglicherweise erwarten, dass
diese Prämie auch die Basis für die Kostener­
stattung der beteiligten Versicherer darstellt.
Beim Vertical Marketing sind die Basen für
prozentuale Kostenerstattungen jedes einzel­
nen Versicherers jedoch unterschiedlich u n d
niedriger als das Prämienniveau des führen­
den Versicherers.
Auch unterjährige Abstimmungen werden
bei einem durch Vertical Marketing platzier­
ten P r o g r a m m aufwendiger. So kann z.B. der
Einschluss eines neuen Tochterunternehmens
mit signifikanter Größe aufgrund des Abstim­
mungsaufwands u n d unterschiedlicher Risi­
koeinschätzung der beteiligten Versicherer
zu Problemen führen. Aufgrund der entfalle­
nen Informations- u n d Orientierungsfunk­
tion des führenden Versicherers werden un­
terjährig erforderliche Prämienanpassungen
entsprechend der Risikoeinschätzung des je­
weiligen Versicherers unterschiedlich ausfal­
len. Explizite Sondervereinbarungen können
aber den Abstimmungsprozess bei einer Ri­
sikoerhöhung vermindern.
Zwischenfazit: Die aufgeführten P u n k t e
zeigen, dass Vertical Marketing den adminis­
trativen Aufwand einer Police deutlich erhö­
hen k a n n . U m diesen Aufwand bewältigen
zu können, sind entsprechendes Know-how
hinsichtlich der Gestaltung u n d Dokumen­
tierung der Mitversicherungsmechanismen
zwischen den einzelnen Versicherern sowie
die passenden Abrechnungstools erforder­
lich. Die d a m i t verbundenen höheren Ab­
wicklungskosten sollten im Idealfall über ei­
nen Teil der erzielten Prämieneinsparungen
finanziert werden.
Bei der bedingungsdifferenzierenden Ver­
marktung w ü r d e sich der administrative Auf­
wand eines Versicherungsprogramms noch­
mals deutlich erhöhen. So müssten z.B. mit
Es ergibt sich ein potenzieller Interessen­
konflikt, da der Führende aufgrund des Ver­
tical Marketings und der unterschiedlichen
Prämienniveaus der Beteiligten nicht auf ei­
nen Teil seines Erstattungsbetrags für die Füh­
rungsarbeit verzichten möchte. Auf der ande­
ren Seite wollen die beteiligten Versicherer für
ihr günstigeres Angebot nicht dadurch „be­
straft" werden, dass die prozentuale Kosten­
belastung für ihren Anteil steigt, weil die Füh­
rende den von ihr kalkulierten Absolutbetrag
für die Führungsarbeit erwartet.
Zwischenfazit: Die verschiedenen Gestal­
tungsmöglichkeiten im Umgang mit den Kos­
tenerstattungen an den führenden Versiche­
rer soUten im Vorfeld des Vertical Marketings
sorgfältig geprüft und anschließend mit dem
Führenden u n d beteiligten Versicherern im
Detail abgestimmt werden.
These 4: Höhere Prämienvolatilität u n d
Fluktuation beteiligter Versicherer. Bei Scha­
denfällen weisen die Versicherer, bei denen
eine Deckung zu geringeren Prämien platziert
w u r d e , höhere (Brutto-)Schadenquoten aus.
Dies wird sich auf zukünftige Prämienforde­
r u n g e n auswirken u n d damft tendenziell die
Volatilität der Prämien pro Deckungsanteil
im Zeitablauf erhöhen. In der Folge sind ent­
weder stärker schwankende Gesamtprämien
Analysen ... Berichte ... Aufsätze
oder eine erhöhte Fluktuation der beteiligten
Versicherer zu erwarten.
Eine niedrige Prämie im R a h m e n des
Vertical Marketings k a n n auch die Stabilität
der Rückversicherung gefährden. Ein Rück­
versicherer, dem ein Risiko mit unterschied­
lichen Prämien fakultativ angeboten wird,
dürfte meistens die Offerte mit der höchsten
Prämie bei der Zeichnung und Verlängerung
bevorzugen.
Insgesamt k a n n davon ausgegangen wer­
den, dass eine stärkere Verbreitung des Verti­
cal Marketings mittelfristig die Marktsituation
im Industrieversicherungsbereich beeinflusst.
Versicherer, die eine starke Stellung im Markt
u n d bei den Kunden haben, könnten bestrebt
sein, höhere Prämien im Vergleich zu Versi­
cherern, die sich in einer stärkeren Wettbe­
werbssituation befinden, durchzusetzen. In
der derzeitigen Marktphase ist zu beobach­
ten, dass dies häufig den klassischen Füh­
Dr. Heinz Benölken, Kassel,
u n d Kerstin Müller, Dresden
„Es bleibt nichts, wie es war." So könnte
m a n die Auswirkungen der Finanzmarktkrise
mit seinen Verwerfungen für viele Branchen der
Finanzdienstleistungs- und auch Realwirtschaft
beschreiben. Unabhängig vom Finanzmarkt­
erdbeben gilt das auch für viele Umwehaspek­
te für Versicherungsunternehmen. Wie wird es
sich entwickeln, wenn keine neuen Strategien
umgesetzt werden? Es geht bei der Status quoPrognose (SQP) um das kritische Hinterfragen
der Einflussfaktoren vergangener Entwicklun­
gen und ihrer Relevanz für die Zukunft. „Das
Lineal verlängert, der Nebel bleibt" reicht nicht.
Der Bogen spannt sich von der Umweheinschät­
zung bisheriger und veränderter Rahmenbe­
dingungen bis zu möglichen Auswirkungen
auf die zukünftige Ertrags- und Bilanzstruk­
tur und auf das Ist-Portfolio, das sich zum Sta­
tus quo-Portfolio entwickelt.
Baustein: Status-quo-Prognose
möglicher Zukunftsszenarien
Quantitative Modelle beschreiben die Zu­
kunft unvollkommen, bisherige Prämissen
sind zu hinterfragen, u m keine praxisfernen
Fortsetzung aus V W 15/2009 S. 1171.
rungsversicherern gelingt, die ihre herausge­
hobene Stellung nutzen, u m ein hohes Prämi­
enniveau zu realisieren. Dies wird z.B. damit
begründet, dass die Führungsversicherer zu­
sätzliche Ressourcen und Know-how vorhal­
ten, das durch eine höhere Prämie im Vergleich
zu einem beteiligten Versicherer vergütet wer­
den müsste. Dieser zusätzliche Aufwand wird
allerdings heute meist im Rahmen der bereits
vereinbarten Führungsvergütung abgegohen.
Die Führungsarbeit k a n n alternativ auch über
eine höhere Prämie des führenden Versiche­
rers entlohnt werden, wobei d a n n allerdings
kein Grund mehr besteht, eine Führungspro­
vision zu erheben.
Fazit: Ob die Platzierungeines Sachversi­
cherungsprogramms mittels Vertical Marke­
ting sinnvoll ist, bedarf einer intensiven Prü­
fung des jeweiligen Einzelfalls. Genau wie die
Layerung von Versicherungsprogrammen kön­
nen mittels Vertical Marketing substanzielle
Prämieneinsparungspotenziale erschlossen
werden, die für Versicherungsnehmer gerade
in wirtschaftlich schwierigen Marktphasen
interessant sind. Allerdings werden der Ab­
stimmungsbedarf mit den Versicherern u n d
der Administrationsaufwand des P r o g r a m m s
je nach Ausgestahung der Deckung z u m Teil
sogar erheblich erhöht. Ob der Einsatz von
Vertical Marketing sinnvoll ist, hängt zudem
von dem jeweiligen Risikoprofil und der Risi­
kophilosophie des Versicherungsnehmers so­
wie seiner Verhandlungsposition ab. In jedem
Fall erfordert der Einsatz von Vertical Marke­
ting umfassendes fachliches Know-how, u m
den besonderen Anforderungen dieser Plat­
zierungsmethode gerecht zu werden.
Der Autor ist Geschäflsführender Gesellschaf­
ter des auf industrielle
Großrisiken
spezialisier­
ten Versicherungsmaklers
Gebrüder Krose. Er ver­
antwortet dort die Bereiche Sachversicherung
und
Captive-Beratung.
Im Anschluss an die Bewertung der strategischen Ausgangssituation des Unter­
nehmens stellen die Autoren vier Bausteine zum strategischen Entwicklungspro­
zess vor Dabei geht es vor allem um eine sorgfältige Potenzialidentifikation und
Fähigkeitenbewertung zur Generierung eines nachhaltig tragfähigen Ziel-Port­
folios, das von situativen Ad-hoc-Entscheidungen unabhängig macht.
Den veränderten
Rahmenbedingungen
strategisch begegnen
Teil 2: Die vier Bausteine zur Ausscinöpfung identifizierter
und im Entwicklungsprozess priorisierter Fähigkeiten*
Zahlenfriedhöfe aufzubauen. Beispiele für
Prämissenwandel:
Neue Rahmenbedingungen der Alters­
vorsorge für das Personenversicherungsge­
schäft: Für äftere Jahrgänge ist neben der ei­
gen genutzten Immobilie und dem Sparkon­
to die klassische Lebensversicherung wesent­
licher Baustein der eigenen Altersvorsorge.
Nach Einführung des Alterseinkünfte-Geset­
zes im Jahr 2005 sparen berufsaktive Jahrgän­
ge primär förderungsgetrieben „bei Riester"
(Versicherungs-, Fonds- und Bank-Riester), in
den Durchführungswegen der betrieblichen
Altersvorsorge und in zunehmendem Maße
mit dem „Wohn-Riester" seit Einführung des
Eigenheim-Rentengesetzes 2008. Die Entwick­
lung der Beftragseinnahmen außerhalb des
zweiten Förderungswegs wird zunehmend volatfler. Konsequenz: Die Aussagefähigkeft his­
torischer Zeitreihen der Beitragseinnahmen als
Stützbereich von Prognosen sinkt.
Auswirkungen soziodemografischer
Rahmenbedingungen auf das Sachversicherungs- und Kreditgeschäft: Eine Folge der
tendenzieUen Überalterung der Bevölkerung
ist der rapide Rückgang der Bautätigkeft vor
allem für Familienheime im Grünen. Das wird
durch den Trend primär äfterer Jahrgänge in
Stadtwohnungen durch Investftionen in den
Wohnungsbestand nur teilweise kompensiert.
Neben der Verlagerung im Finanzierungsbe­
reich von klassischen Hypotheken spielen er-
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