C = 7042 M = 7043 Y = 7044 K = 7013 NGZaktiv Donnerstag, 10. Juni 2004 Schattendasein Die meiste Zeit werden Füße in Schuhe eingezwängt und führen im Gegensatz zu unseren Händen ein Schattendasein. Aber wer so oft wie möglich barfuß läuft, wird mit beweglichen und kraftvollen Füßen belohnt. VON HORST SCHUHMACHER as unsere Füße täglich leisten, ist für viele selbstverständlich. Sie stemmen bei jedem Schritt unser Körpergewicht, beim Joggen sogar das dreibis fünffache. Im Sport lassen sie uns laufen, seitwärts bewegen, springen, abfedern und sicher landen, wobei kleinere Bodenunebenheiten durch die Vielzahl der Gelenke ausgeglichen werden. Die Weichen für gesunde Füße werden schon im Kindesalter gestellt, wo es innerhalb der ersten acht Lebensjahre vielfältige Wandlungen gibt. Ideal ist es, Kinder während dieses Entwicklungsprozesses so oft wie möglich barfuß oder in AntirutschSocken laufen zu lassen. Eltern kön- W Weitspringerin Susen Tiedtke hat’s begriffen: Gesunde Füße sind für Sportler extrem wichtig. nen das Laufenlernen fördern, indem sie eine für die Tast- und Bewegungserfahrung anregende Umwelt bieten und Geduld für die wichtigen Phasen des Rutschen, Robben und Krabbeln mitbringen. Lauflernhilfen sind zwar gut gemeint, nehmen den Kindern aber wichtige Erfahrungen. Die Diagnose von Fußschwächen oder -schäden ist Sache des Arztes, in vielen Fällen lassen sie sich noch beheben und korrigieren. Bei Kindern und Erwachsenen ist passendes Schuhwerk von größter Bedeutung, da es den Fuß und die darüber liegenden Gelenke bis hin zum Rücken beeinflusst. Der Schuh sollte dem Fuß eine stabile seitliche Führung verleihen und ein normales Abrollverhalten ermöglichen. Unbequeme Schuhe sind die Ursache für viele Fußprobleme. Erste Anzeichen für beginnende Fußschwächen können einseitig abgelaufene Schuhe sein. Zu enge Schuhe, hohe Absätze und starre Sohlen behindern den Einsatz der Fußmuskulatur. Einlegesohlen, möglichst vom orthopädischen Schuhmacher maßgefertigt, helfen Fußprobleme und Fehlbelastungen zu vermeiden. Fußschwächen sind inzwischen ein geheimes Volksleiden und treten häufig kombiniert auf. An der Spitze der häufigsten Fußbeschwerden liegen Plattfüße, Senkfüße und Spreizfüße. Bei einem Plattfuß ist das Längsgewölbe abgeflacht, bei einem Hohlfuß das Längsgewölbe stark ausgeprägt und bei einem Spreizfuß der Vorfuß deutlich verbreitert, das vordere Quergewölbe durchgesunken. Da jeder Fuß individuell ist, gibt es den Idealfuß nicht. Bei Formverlusten der Füße können von Orthopäden Fußgymnastik in Kombination mit individuell angefertigten Einlagen verordnet werden. Gerade beim Sport wird deutlich, wie wichtig gesunde Füße für den Erhalt der Leistungsfähigkeit sind. Zwar halten Knochen, Sehnen, Knorpel und Bänder im Fuß wie jede gesunde Struktur eine Menge an Belastung aus, doch wer intensiv Sport betreibt, nimmt erhöhte Belastungen des Gewebes in Kauf. Fehltritte können dazu führen, dass Bänder gezerrt werden oder reißen und Knochen brechen. Verletzungen des Sprunggelenks gehören nach den Knieverletzungen zu den häufigsten Sportverletzungen. Ebene Böden und das Tragen von Schuhen führen dazu, dass die Fußmuskulatur sich mehr und mehr zurückbildet. So können sie den Anforderungen im Sport und im Alltag nicht mehr genügen. Eine Folge kann das Umknicken des oberen Sprunggelenks, oft verbunden mit einem oder mehreren Bänderrissen, sein. Während früher oft operiert wurde, reicht heute in 95 Prozent der Fälle eine konservative Therapie (Orthese und Physiotherapie) zur Ausheilung aus. Zu Beginn sind Entlastung und Schonung die Grundlage der Therapie. ■ Der Autor ist Dozent an der medicoreha Gesundheitsakademie in Neuss Trainieren für gesunde Füße W Übung 1: Damit bleiben die Zehen auch in Zukunft beweglich. Gut zu wissen Anatomie des Fußes Der Fuß stellt das Fundament für den aufrechten Gang dar. Die biomechanische Konstruktion jedes Fußes besteht aus 26 Knochen. Eine Vielzahl von Muskeln, Sehnen und Bänder verspannen wie bei einer Hängebrücke ein Längsgewölbe (vom Ballen zur Ferse) und ein Quergewölbe (vom Großzehen- zum Kleinzehenballen). Dabei erledigen die Muskeln einen großen Teil der Knochenarbeit, die den Fuß zur stabilen und elastischen Basis unseres Körpers macht. Der Fuß hat zwei Sprunggelenke. Im oberen Sprunggelenk erfolgt die Hebung und Senkung, im unteren die Aus- und Einwärtskantung. Die Fußheber setzen an der Vorderkante des Schienbeins an und bewirken, dass der Fuß beim Gehen mit der Ferse aufsetzten und harmonisch über die Fußsohle abrollen kann. Die Wadenmuskulatur ermöglicht als Gegenspieler einen kräftigen Abdruck und sorgt bei der Landung nach einem Sprung für eine gute Stoßdämpfung. Über den Außenrand des Sprunggelenks laufen weitere wichtige Muskeln und Bänder, die ein Umknicken des Fußes bei der Landung verhindern können. Andere Muskeln, Sehnen und Bänder stützen die Innenseite ab und verlaufen unter der Fußsohle. Hier verspannen sie das Fußgewölbe und sind vor allem für Balance, Elastizität und Dämpfung verantwortlich. er etwas für die Gesunderhaltung seiner Füße tun will, sollte es mit Fußgymnastik versuchen. Die folgenden Übungen sollen einen Anstoß geben und eine Idee davon vermitteln, was in diesem Bereich möglich ist. Für alle Übungen gilt: Es soll natürlich barfuß trainiert werden. Zu beachten ist dabei, dass die Übungsangebote auschließlich für Menschen mit gesunden Füßen geeignet und gedacht sind. Wer unter Fußschmerzen oder -erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes leidet, sollte auf jeden Fall den Arzt oder medizinisches Fachpersonal um Rat fragen. Übung 1 Füße begrüßen und Zehen Begrüßen Sie Ihre Füße, indem Sie im Sitzen jeden Fuß massieren und reiben. Nachdem sich ein gutes Durchblutungsgefühl eingestellt hat, ziehen Sie zwei Zehen in entgegengesetzte Richtungen (Hochziehen und Runterdrücken oder Abspreizen) und halten die Dehnung etwa für zehn Sekunden. So bleiben ihre Zehen auch in Zukunft schön beweglich. Übung 2 Fußrücken hochziehen Ihre Füße stehen 20 bis 30 Zentimeter vor einer Wand. Lehnen Sie sich mit dem Rücken an, dabei sollte eine möglichst große Körperspannung aufgebaut werden, damit Sie nicht im Rücken durchhängen. He- Übung 2: Köperspannung aufbauen und Fußrücken hochziehen. auf den linken oder rechten Fuß und heben Sie den Fußrücken des freien Fußes an. Wenn Sie Schwierigkeiten mit der Balance haben, können Sie sich an einer Wand abstützen. Übung 3: Gut für das Fußgewölbe und die Wadenmuskulatur. ben Sie dann die Zehen und den Vorfuß 15 bis 20 Mal vom Boden in Richtung Knie an. Übung 3 Kante hochsteigen Stellen Sie sich mit den Fußballen auf eine Kante (Buch, Treppe). Senken Sie langsam die Fersen bis Sie eine Dehnung spüren. Heben Sie anschließend die Fersen 15 bis 20 Mal bis das Fußgelenk vollständig gestreckt ist. Achten Sie darauf, dass das Knie immer über der Fußspitze bleibt. So können Sie ihre Füße kräftigen und das Längs- und Quergewölbe der Füße stabilisieren. Variation: einbeinige Ausführung Übung 5 Tennisballmassage Die letzte Übung ist gut für zwischendurch geeignet. Sie brauchen einen Tennis- oder besser noch Igelball mit Noppen. Rollen Sie den Ball mit mehr oder weniger Druck ihrer Fußsohle hin und her. Übung 5: Die Ballmassage fördert die Durchblutung der Füße. Ausprobieren! Übung 4 Pinguin Die Fersen berühren sich und die Füße zeigen leicht nach außen. Erheben Sie sich auf die Fußballen. Verlagern Sie Ihr Gewicht abwechselnd Übung 4: Die Fersen aneinander und watscheln wie die Pinguine. In Gnadental gibt es in der Nähe der Erft einen vom Neusser Verkehrsverein initiierten 400 Meter langen Barfuß-Pfad, auf dem man Erfahrungen mit unterschiedlichen Untergründen sammeln kann. Barfuß laufen auf Kies, Kieselsteinen, Rindenmulch, Muscheln oder Sand ist ein gutes Training für die Füße. Fußmuskeln und Gelenke werden hierbei mehr beansprucht als beim Gehen in einengendem Schuhwerk. In Freiheit und ohne bequeme Führung und Abstützung durch Schuhe können die Füße sich den natürlichen Belastungen viel besser anpassen. Ratsam ist es aber, damit langsam anzufangen, da die Überlastungsgefahr gerade am Anfang groß ist. Mehr Informationen hierzu gibt es im Internet unter www.barfusspfad-neuss.de. Hintergrund Mehr Beachtung für die Füße VON DR. ACHIM KABLITZ In unserem Leben gehen und laufen wir etwa vier Mal um die Erde – das entspricht etwa 160 000 Kilometern oder 270 Millionen Schritten. Dies erklärt die Wichtigkeit eines gesunden Fußes für das Wohlbefinden. Der aufrechte Gang des Menschen bringt es mit sich, dass nicht nur das gesamte Gewicht auf den Füßen lastet, sondern die kleine Grundfläche der Füße ausreichen muss, das Gleichgewicht bei allen Bewegungsarten zu halten. Dies erklärt, dass der Fuß eine außergewöhnlich komplizierte Kombination aus Festigkeit, Elastizität, Beweglichkeit und Empfindungsvermögen darstellt. Der Erhalt der Leistungsfähigkeit des Fußes ist äußerst wichtig und muss trainiert werden. Das beste Training ist das Gehen auf unebenen Böden, da durch das Ausgleichen der Unebenheiten die Muskulatur ständig beansprucht wird. Insbesondere das Barfußgehen ist sehr wichtig, da sich der Fuß frei bewegen kann und auf natürliche Art gezwungen wird, seinen eigenen Stand zu suchen. Kleinkinder und barfuß gehende Erwachsene bewegen dabei automatisch ihre Zehen, was dazu führt, dass die Fußgewölbe aufgerichtet werden. Beim Gehen in Schuhen werden die Zehen praktisch nicht bewegt. Natürlich muss berücksichtigt werden, auf welchem Untergrund barfuß gegangen wird, denn nicht jeder Bodenbelag ist ideal. Außerdem hat ein Schuh auch bestimmte Funktionen, zum Beispiel Schutz vor Witterungseinflüssen und Verletzungen. Schlechtes Schuhwerk und eine untrainierte Fußmuskulatur lassen aber nicht nur die Beinmuskulatur verkümmern, sondern führen auch zu einem Verlust der Feinmotorik, da die natürlichen Fußsohlenreflexe, die das Gehen steuern, nicht zum Einsatz kommen. Außerdem drohen schmerzhafte Erkrankungen der Füße, wobei beispielhaft der Spreizfuß genannt werden soll, da er die häufigste erworbene Fußdeformität darstellt. Beim Spreizfuß kommt es durch Absenkung des Fußquergewölbes zu Beschwerden mit Verbreiterung des Vorfußes. Eine Einlagenversorgung ist häufig die einzige Möglichkeit, die Beschwerden zu lindern – vollständige Abhilfe ist kaum noch zu erreichen. Nicht zu vergessen sind die Folgeerkrankungen an Knie- und Hüftgelenk und an der Wirbelsäule durch schmerzbedingte Gangbildveränderung. Den Füßen sollte schon früh mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, denn Fußschmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich – was nützt ein Ferrari ohne Reifen ! ■ Der Autor ist Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin und Akupunktur in Neuss