Text_Barfußpark-1 - Therapiezentrum Schwackendorf

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Den besten Weg, unsere Füße gesund zu erhalten, zeigt uns die Natur. Good-Health-Redakteurin Dörte
Janßen ist mal wieder barfuß gegangen – im weichen Sand, durch kühles Moor, auf warmer Erde, über
raue Kieselsteine – und hat wunderbare Erfahrungen gemacht
V
or mir schlängelt sich ein ausgetrockneter Bachlauf mit großen Kieselsteinen. Vorsichtig setze ich meinen linken Fuß auf
die Steine, traue mich aber noch nicht so richtig, das Bein zu belasten. Denn ich bin barfuß. Ich kann mich gar nicht mehr
daran erinnern, wann ich das letzte Mal ohne Schuhe unterwegs war – außer unter der Dusche. Als Kind habe ich es
geliebt, auf nackten Sohlen durch den Garten zu laufen, das feuchte Gras unter meinen Füßen zu spüren. Und sogar der
Kiesweg auf dem Grundstück meiner Eltern konnte mich nicht stoppen. Heute allerdings fühlt es sich befremdlich an,
die Steine unter den Füßen zu spüren. Ihre abgerundeten Ecken bohren sich in meine Füße, drücken an den Sehnen und
lassen meinen Gang unsicher werden. Ich laufe ein bisschen wie auf Eiern. „Das ist ganz normal“, sagt Heike Brodersen. „Wir
haben es einfach verlernt, uns sicher ohne festes Schuhwerk zu bewegen.“ Die Physiotherapeutin nutzt die Möglichkeiten des
Barfußparks Schwackendorf in Schleswig-Holstein für einige ihrer Therapien.
Die Patienten, mit denen die 34-Jährige in den Barfußpark kommt, haben vor allem neurologische Erkrankungen wie Multiple
Sklerose oder kognitive Einschränkungen nach einem Schlaganfall. „Hier kann ich mit ihnen die Koordination und das
Gleichgewichtsgefühl trainieren oder schlicht das Gehen unter den vielfältigen Möglichkeiten.“
Fehlstellungen vorbeugen
„Die Mehrheit der Menschen hat Fuß­deformationen wie Knick-, Senk- oder Spreizfüße“, sagt Heike Brodersen. Denn: „Im
Gegensatz zu unseren Vorfahren laufen wir kaum noch barfuß. Und Schuhe stützen die vielen kleinen Muskeln in den Füßen, die
somit kaum noch trainiert werden.“ In der Folge verkümmern Muskulatur, Bänder und Sehnen. „Aber wir brauchen eine aktive
Fußmuskulatur für einen sicheren Gang und sicheres Stehen. Je schwächer sie also wird, desto weniger kann sie ihrer Aufgabe,
das Fußgewölbe aufrecht zu halten, nachkommen.“ Mit schmerzhaften Folgeschäden für Knie, Hüfte und Rücken. „Durch das
Barfußlaufen können Fehlstellungen gelindert werden, die auf eine unterentwickelte Muskulatur zurückzuführen sind.“, sagt
Heike Brodersen.
Ungewohnte Freiheit
Tag für Tag quetschen wir unsere Füße in Schuhe und drängen so unserem gesamten Organismus unnatürliche
Bewegungsabläufe auf. Hier im Park kommen sie endlich mal wieder frei. Sobald meine Füße nicht mehr durch Schuhe gehalten
werden, müssen sie sich ständig an den Untergrund anpassen. Wie wenig beansprucht sie in letzter Zeit waren, merke ich auf der
sogenannten Slackline, ein breites Band, das knapp 20 Zentimeter über dem Boden gespannt ist. Meine Fußgelenke wackeln
bedenklich nach links und rechts, um das Gleichgewicht zu halten. Ich schaffe es gerade einmal einen Meter vorwärts, dann
rutsche ich ab. Und auch im Moorbecken fühle ich mich nicht besonders sicher. Knietief stehe ich im Wasser, meine Füße
versinken im Matsch. Auf dem rutschigen Boden wage ich mich nur langsam vorwärts. „Genau diese Rückmeldung brauchen wir
im Alltag. Sie registriert die Beschaffenheit des Untergrunds, den Dehnungsgrad der Haut und die Stellung der Gelenke
zueinander.“ Zusätzlich kontrollieren Druck- und Schwingungsrezeptoren, wie wir auf dem Boden stehen, Muskeln werden
dazugeschaltet, um die Balance zu halten. „Dieses System wird beispielsweise durch stark dämpfende Sohlen gestört.“
Je abwechslungsreicher der Untergrund ist, desto positiver der Effekt. „Denn die unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten
stärken nicht nur die Kraft und Koordination, sondern stimulieren auch die Wahrnehmung der Füße.“ Mein Weg führt weiter –
über Rindenmulch, Sand, Korken, Kastanien, Tannenzapfen und Scherben, deren Kanten abgeschliffen sind, sodass sie nicht in
die Haut schneiden. Gut 1,5 Kilometer gehe ich und merke, wie die unterschiedlichen Untergründe meine Fußsohlen massieren.
„Das ist gleichzeitig eine Massage der inneren Organe“, sagt Bodersen. Denn der ganze Körper ist auf den Fußsohlen abgebildet.
„Um die 70 000 Nervenenden befinden sich hier, die auf den unebenen Böden stimuliert werden.“ Natürlich könne nicht speziell
ein Organ durchs Barfußlaufen erreicht werden, „aber der ganze Körper wird dadurch langfristig stimuliert“. Zusätzlich wird die
Durchblutung gefördert und der Stoffwechsel aktiviert.
Mein Gefühl für den Untergrund ist über viele Jahre in Pumps und Turnschuhen abgestumpft. Langsam fange ich wieder an zu
spüren: Es ist weich, mal spitz, dann hart oder fest. All diese Eindrücke stürzen auf mich ein. Ich fühle wieder. Nehme jede Sehne
an meinen Füßen wahr. Gleichzeitig spüre ich meine Muskeln – oder besser das, was von ihnen noch übrig ist. Auch das sei ganz
normal: „Beim Barfußlaufen werden über 30 Muskeln aktiviert, beim Laufen in Schuhen lediglich drei.“ Am deutlichsten zeigt
sich das bei meinen Zehen. Eigentlich erfahren sie kaum Bewegung. Jetzt aber versuche ich sie in den Boden zu krallen, um einen
besseren Halt zu haben. Und diese Anstrengung strahlt übers Schienbein bis in mein Gesäß aus.
Anatomisches Meisterwerk
Tagtäglich leisten Füße Schwerstarbeit, denn sie müssen unser Gewicht auf den nur wenigen Quadratzentimetern Fußsohle
verteilen. Sie tragen uns fast 130 000 Kilometer weit durchs Leben – dreimal um die Erde. Und das schaffen unsere Füße dank
eines fein aufeinander abgestimmten Gerüsts: 28 Knochen, die über rund 30 Gelenke verbunden sind, werden von mehr als 100
Bändern gehalten und mit über 20 Muskeln bewegt.
Problematisch wird es, wenn wir unsere Füße in zu enge Schuhe stecken – was laut Umfrage des Deutschen Schuhinstituts bei 80
Prozent der Deutschen der Fall ist. Vor allem Frauen belasten ihre Füße mit Absatzschuhen. Normalerweise wird das
Körpergewicht von den Fersen abgefangen. Aber schon bei Absätzen von drei Zentimetern Höhe verlagern sich 22 Prozent des
gesamten Körpergewichts auf den Vorderfuß. Bei fünf Zentimetern steigt die Belastung auf 57 Prozent und bei 7,5 Zentimetern
sogar auf 76 Prozent. Der Vorderfuß hält dann den gesamten Körper und balanciert das komplette Körpergerüst aus. Dabei
rutschen die Zehen nach vorne und werden von den Schuhen eingeengt. Es sind aber nicht nur die Füße, die dadurch einer
extremen Belastung ausgesetzt sind – auch die Wirbelsäule wird steifer. Dennoch gibt die Physiotherapeutin Entwarnung: „Es ist
gar nicht so schlimm, wenn man mal hohe Absätze trägt. Das Entscheidende ist, dass wir möglichst häufig die Schuhe wechseln,
damit der Fuß immer wieder eine andere Position einnehmen kann.“ Und er muss immer wieder Platz bekommen: „Fakt ist, dass
wir öfter auf Schuhe verzichten sollten, um gravierende Folgeschäden zu vermeiden“, sagt Heike Brodersen.
Fingerübung für die Füße
Viele Übungen aus dem Park können in den Alltag integriert werden – so auch die Koordinationsaufgabe, die mich an der
nächsten Station erwartet. Ich setze mich auf eine Bank. Vor mir steht ein Pfahl, an dem zwei Seile befestigt sind. Die soll ich jetzt
miteinander verknoten – selbstverständlich mit den Füßen. Ich versuche die Seile mit meinen Zehen zu greifen. Jedoch
funktioniert das nur mit dem großen Zeh. Die anderen wollen mir nicht gehorchen. Dennoch schaffe ich es, nach einiger Zeit
einen einfachen Knoten zu machen. „Zu Hause kann man das einfach trainieren, indem man beispielsweise ein Handtuch
zusammenlegt oder einen Stift mit den Füßen aufhebt und damit malt“, regt Heike Brodersen an. Nach knapp zwei Stunden
verlasse ich den Barfußpark. Vielleicht bilde ich es mir ein, aber ich habe das Gefühl, dass ich aufrechter gehe und mich in meinen
ganzen Körper wohlfühle. „Die Muskeln sind entspannter, wodurch sich der Körper wieder besser aufrichten kann“, bestätigt
Heike Brodersen. Dieses Gefühl möchte ich ab sofort öfter haben. Sobald die nächsten warmen Tage kommen, werde ich wieder
barfuß gehen – dann vielleicht im Stadtpark.
Tipp: Auf www.barfusspark.info sind
knapp 70 solcher Anlagen in Deutschland aufgeführt!
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