Allgemeines Nachtragsprüfung der Höhe nach Nachtragsprüfung der Höhe nach 1 Allgemeines Definitionen • Der Begriff „Nachtrag“ entspringt der Baupraxis und ist nicht eindeutig bestimmt. • Nachtragsleistungen sind nach h.M. - geänderte Bauleistungen nach § 1 Abs. 3 VOB/B i.V. § 2 Abs. 5 VOB/B - zusätzlich erforderliche Bauleistungen nach § 1 Abs. 4 VOB/B i.V. § 2 Abs. 6 VOB/B • Nachtragsangebote sind nach h.M. Angebote für Nachtragsleistungen mit dem Ziel der Ergänzung des Bauvertrages. • Nachtragsvereinbarungen sind nach h.M. nach Vertragsabschluss („nachträglich“) als verbindlicher Zusatz erklärte Bestandteile des Bauvertrags. • Nachtragsvergütungen beinhalten nach h.M. die Vergütungen von Ansprüchen aus Nachtragsvereinbarungen. Nachtragsprüfung der Höhe nach 2 Allgemeines Die geschuldete Leistung und die bepreiste Bauleistung Systematik vgl. BGH, IBR 2013, 333 bepreiste Bauleistung nach § 2 Abs. 1 VOB/B geschuldete Leistung nach §§ 631, 633 Abs. 1 BGB Geschuldete Leistung • Versprochenes Werk • Erfolg • Mangelfreiheit Zusätzlich erforderliche Bauleistungen § 1 Abs. 4 VOB/B • Der Auftragnehmer schuldet nach § 631 BGB das versprochene Werk und den Erfolg sowie nach § 633 Abs. 1 BGB ein mängelfreies Werk. • Ändert der Auftraggeber den Bauentwurf nach § 1 Abs. 3 VOB/B ändert sich die geschuldete Leistung. Nachtragsprüfung der Höhe nach 3 Allgemeines Begründung monetärer Ansprüche infolge Nachtragsleistungen • Zur Geltendmachung von monetären Ansprüchen aufgrund von Nachtragsleistungen ist durch den Auftragnehmer folgendes darzulegen (Anspruchsbegründung): 1. Darlegung des Sachverhaltes Ø Was hat sich gegenüber dem Vertrag verändert (Soll-Ist)? 2. Darlegung der Anspruchsgrundlage Ø § 2 Abs. 5 VOB/B, § 2 Abs. 6 VOB/B 3. Nachweis der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen Ø Entsprechend der Anspruchsgrundlage 4. Darlegung der kausalen Folgen Ø Was war der tatsächliche Ressourcenaufwand? 5. Berechnung der Anspruchshöhe Ø Wie ändert sich die Vergütung? Nachtragsprüfung der Höhe nach 4 Allgemeines Bedeutsame Rechtsprechung • Mit Abschluss einer Nachtragsvereinbarung sind alle monetären Ansprüche abgegolten (OLG Düsseldorf, BauR 1996, 267; OLG Brandenburg, IBR 2011, 395; OLG München, IBR 2014, 652). Prinzip: „Kein Nachtrag zum Nachtrag“. • Werden Nachtragsleistungen angeboten und diese mit Willen des Auftraggebers ausgeführt, liegt darin möglicherweise eine stillschweigende Annahme des Nachtragsangebotes (KG Berlin, IBR 2009, 7; OLG Koblenz, IBR 2013, 334; vgl. OLG Jena, IBR 2006, 484; anderslautend: OLG Hamm, IBR 2012, 443). Nachtragsprüfung der Höhe nach 5 Anspruchsgrundlagen und -voraussetzungen Geänderte Bauleistung Anspruchsgrundlage § 1 Abs. 3 VOB/B Änderungen des Bauentwurfes anzuordnen, bleibt dem Auftraggeber vorbehalten. Anspruchsgrundlage § 2 Abs. 5 VOB/B Werden durch Änderung des Bauentwurfes oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Die Vereinbarung soll vor Ausführung getroffen werden. Nachtragsprüfung der Höhe nach 6 Anspruchsgrundlagen und -voraussetzungen Zusätzlich erforderliche Bauleistung Anspruchsgrundlage § 1 Abs. 4 VOB/B Nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, hat der Auftragnehmer auf Verlangen des Auftraggebers mit auszuführen, außer wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist. Andere Leistungen können dem Auftragnehmer nur mit seiner Zustimmung übertragen werden. Nachtragsprüfung der Höhe nach 7 Anspruchsgrundlagen und -voraussetzungen Zusätzlich erforderliche Bauleistung Anspruchsgrundlage § 2 Abs. 6 VOB/B (1) Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung. Er muss jedoch den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt. (2) Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren. Nachtragsprüfung der Höhe nach 8 Störung des Äquivalenzgefüges Vorschlag zur Vergütungsanpassung nach der VOB/B • Ausgleich für eine Äquivalenzstörung nach §§ 1, 2 VOB/B Vertragsabschluss (Gleichgewicht) Bauleistung Störung des Gleichgewichtes Vergütung Vergütung Mengenänderung Nachtragsprüfung der Höhe nach 9 Wiederherstellung des Gleichgewichtes Mengenänderung Vergütungsanpassung Preisfortschreibung Vorschlag zur Vergütungsanpassung nach der VOB/B • Die Vergütung ist nach dem Grundsatz zu berechnen: „Welche Kosten hätte der Auftragnehmer bei dem tatsächlichen kausalen Ressourcenaufwand kalkuliert“? („Preisfortschreibung“ oder „vorkalkulatorische Betrachtungsweise“; vgl. Rechtsprechung zu § 2 Abs. 5, 6 VOB/B: OLG Frankfurt, IBR 2008, 1054; OLG Jena, IBR 2011, 321; OLG Oldenburg, IBR 2011, 567; OLG München, IBR 2012, 11; OLG Düsseldorf, IBR 2014, 67; OLG Nürnberg, IBR 2015, 5; OLG Brandenburg, IBR 2016, 70; OLG Köln, IBR 2016, 385; KG Berlin, IBR 2016, 505; OLG Hamm, 14.10.2016 - 12 U 67/15). Diese Vorgehensweise steht vermeintlich im Widerspruch zum Wortlaut des § 2 Abs. 5, 6 VOB/B. Nachtragsprüfung der Höhe nach 10 Preisfortschreibung Exkurs: Das (neue) Bauvertragsrecht im BGB § 650c Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b Absatz 2 (1) Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Absatz 2 vermehrten oder verminderten Aufwand ist nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln. (2) Der Unternehmer kann zur Berechnung der Vergütung für den Nachtrag auf die Ansätze in einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation zurückgreifen. Es wird vermutet, dass die auf Basis der Urkalkulation fortgeschriebene Vergütung der Vergütung nach Absatz 1 entspricht. Nachtragsprüfung der Höhe nach 11 Preisfortschreibung Kalkulationsgrundlagen • Angebotskalkulation im Bauwesen - Strukturell können in der Angebotskalkulation des Bauwesens drei Kostengruppen unterschieden werden: 1. Einzelkosten (EK; Kosten, die einer Bauleistung direkt zugeordnet werden können; auch als „Direkte Kosten“ bezeichnet) Bsp.: Lohn, Gerät, Material, Nachunternehmer Quelle: karow900 Nachtragsprüfung der Höhe nach 12 Preisfortschreibung Kalkulationsgrundlagen • Angebotskalkulation im Bauwesen - Strukturell können in der Angebotskalkulation des Bauwesens drei Kostengruppen unterschieden werden: 2. Baustellengemeinkosten (BGK; Kosten, die für die Abwicklung der Baumaßnahme benötigt werden, aber den Bauleistungen nicht direkt zugeordnet werden können) Bsp.: Bauleiter, Polier, Container Quelle: Euromodul Nachtragsprüfung der Höhe nach 13 Preisfortschreibung Kalkulationsgrundlagen • Angebotskalkulation im Bauwesen - Strukturell können in der Angebotskalkulation des Bauwesens drei Kostengruppen unterschieden werden: 3. Allgemeine Geschäftskosten (AGK; Kosten, die für den Betrieb des Bauunternehmens benötigt werden, aber den Aufträgen nicht direkt zugeordnet werden können) Bsp.: Verwaltung, Bauhof Nachtragsprüfung der Höhe nach 14 Preisfortschreibung Kalkulationsgrundlagen • Prinzip der Angebotskalkulation im Bauwesen BGK Einzelkosten Lohn Gerät Material Fremd Sonstige + + + + + AGK W+G Zuschläge bzw. Umlage = Angebotssumme Gießkannenprinzip aufgrund der fehlenden Zuordnungsmöglichkeit I.d.R. Keine vertragliche Abrechnungspositionen vorgesehen Nachtragsprüfung der Höhe nach 15 Preisfortschreibung Vorschlag zur Berechnung der Einheitspreise nach § 2 Abs. 5, 6 VOB/B Einzelkosten • Fortschreibung der Angebotskalkulation Beispiel: - Kalkulierte Einzelkosten vertraglich vereinbartes Rohr: 40 €/m - Ist-Kosten vertraglich vereinbartes Rohr: 50 €/m - Vergütungsanspruch Einzelkosten für die geänderte Bauleistung: Ist-Kosten geändertes Rohr: 60 €/m - 10 €/m Positionsverlust = 50 €/m Ø Der betragsmäßige Positionsverlust der Einzelkosten bleibt erhalten (vgl. OLG Dresden, IBR 2013, 262). Ø Leistungsansätze gemäß dokumentiertem Ist-Ressourcenaufwand • Fehlen in der Angebotskalkulation Kostensätze, können die Ist-Kosten mit dem kalkulierten Preisniveau normiert werden. Nachtragsprüfung der Höhe nach 16 Preisfortschreibung Vorschlag zur Berechnung der Einheitspreise nach § 2 Abs. 5, 6 VOB/B Gemeinkosten, W+G BGK AGK W+G Nicht angeordnete Mengenänderungen Mengenmehrung § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B 2. Preis: Keine BGK, sofern die BGK projektbezogen kalkuliert wurden*1, sonst: kalk. Zuschläge Kalk. Zuschlagssatz Kalk. Zuschlagssatz Mengenminderung § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B Ausgleich der fehlenden Beträge durch Mindermenge*2 Ausgleich der fehlenden Beträge durch Mindermenge*2 Kein Anspruch*3 Angeordnete Mengenänderungen Zusätzlich erforderliche Bauleistung § 2 Abs. 6 VOB/B Keine BGK, sofern die BGK projektbezogen kalkuliert wurden*1, sonst: kalk. Zuschläge Kalk. Zuschlagssatz Kalk. Zuschlagssatz Geänderte Bauleistung § 2 Abs. 5 VOB/B Wie die vertraglichen Pos., sofern die BGK projektbezogen kalkuliert wurden*1, sonst: kalk. Zuschläge Kalk. Zuschlagssatz Kalk. Zuschlagssatz *1 Projektbezogen kalkulierte BGK: Bauzeitabhängige Vergütungsanpassung als Einzelkosten, sofern sich durch eine Mengenänderung die Bauzeit und/oder die bauzeitabhängigen Kosten je Zeiteinheit verändern. *2 Ausgleich für projektbezogen kalkulierte BGK und umsatzbezogen kalkulierte BGK, AGK sofern diese nicht insgesamt erwirtschaftet werden. *3 Rechtlich nicht geklärt; nach dem Grundsatz der vorkalkulatorischen Betrachtungsweise kein Anspruch. Nachtragsprüfung der Höhe nach 17