PCM - Molekulardynamik

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PCM - Molekulardynamik
Einleitung
Die Bausteine der Materie (Atome bzw. Moleküle) befinden sich in ständiger Bewegung, die
sich in ihrer Gesamtheit durch makroskopische Größen wie Druck und Temperatur äußert.
Die Teilchenbewegung selbst entzieht sich jedoch aufgrund komplizierter, nicht-analytischer
Wechselwirkungen einer einfachen Beschreibung. Will man ein Verständnis dieser Wechselwirkungen erlangen, ist es erforderlich, herauszufinden, welche Parameter und Abhängigkeiten zuallererst für die beobachteten Phänomene verantwortlich sind. Dazu macht man gezielt
Näherungen, die sich im Vergleich mit dem Experiment rechtfertigen müssen.
Trotz Näherungen kann das Vielteilchen-Problem im allgemeinen nicht analytisch gelöst werden, sobald eine nicht-triviale Wechselwirkung zugrunde gelegt wird. Dies führt auf die Notwendigkeit einer numerischen Behandlung, die in den meisten Fällen gerne vermieden würde. Hier ist der Grund dafür nicht, dass eine numerische Lösung immer mit einem gewissen
Fehler behaftet ist, vielmehr kann die Lösung eben nur durch Zahlenwerte angegeben werden. Man erhält also keine »Formel«, die sowohl die Möglichkeit der Variation bestimmter
Parameter als auch eine gewisse Anschaulichkeit bieten würde — Anschaulichkeit erhält die
numerische Lösung erst in einer — wie auch immer gearteten — grafischen Darstellung.
1
Das Computerprogramm Moldyn , mit dem Sie im Praktikumsversuch arbeiten, stellt eine
solche Anschaulichkeit her. Moldyn simuliert die Dynamik eines Edelgasensembles mit bis zu
250 Teilchen in zweidimensionaler Anordnung auf Grundlage der klassischen Mechanik. Mit
Moldyn können eine Vielzahl physikalischer Problemstellungen behandelt werden, im Praktikum werden Sie sich jedoch vorwiegend mit Aggregatszuständen und Phasenübergängen befassen.
Zum Verständnis der Molekulardynamik sind hier abgesehen von der Newtonschen Mechanik nur Grundkenntnisse der Eigenschaften des idealen Gases erforderlich. Die darüberhinaus benutzten Elemente der statistischen Physik können Sie vorerst einfach als gegeben nehmen — die entsprechenden Herleitungen und Beweise werden Ihnen in der Statistik-Vorlesung nachgeliefert.
I. Theorie
1. Lennard-Jones-Potential
Selbst das einfache Modell des idealen Gases erweist sich in vielen Fällen als durchaus sinnvoll, obwohl die Teilchen keiner Wechselwirkungskraft unterliegen. Das Modell versagt jedoch vollkommen, wenn es zur Beschreibung von Phasenübergängen herangezogen wird.
(Wenn man so will, kondensiert und gefriert das ideale Gas zugleich — aber erst am absoluten
Nullpunkt der Temperatur).
Um Phasenübergänge quantitativ zu beschreiben, muss demnach eine Wechselwirkungskraft
eingeführt werden, die im einfachsten Fall nur vom Abstand der Teilchen abhängt. Das Lennard-Jones-Potential
σ 12 σ 6
U(r) = 4 ε  --- –  ---
 r
 r
(1)
ist eine theoretische Näherung für die sogenannte Van-der-Waals-Bindung bei Edelgasen. Es
gibt die potentielle Energie zwischen zwei Atomen an, die sich im Abstand r befinden. Die Parameter σ und ε sind stoffabhängige Konstanten, die für Argon die numerischen Werte
-10
-21
σ = 3,405 ⋅ 10 m und ε = 1,653 ⋅ 10 J besitzen.
Vergleicht man den Potentialterm beispielsweise mit dem bekannten Gravitationspotential (U ∝ 1/r), dessen rAbhängigkeit experimentell (im nichtrelativistischen Bereich) immer wieder auf das genaueste bestätigt wurde,
so wirkt das Lennard-Jones-Potential weniger »naturgegeben«. Tatsächlich ist es eher als Ergebnis empirischer
Untersuchungen zu verstehen, wenngleich sich die r-Abhängigkeit teilweise aus physikalischen Grundgesetzen
ableiten lässt.
2. Repulsion und Attraktion beim Lennard-Jones-Potential
Auffällig ist die Zusammensetzung des Potentials aus zwei Summanden; der Term mit positivem Vorzeichen erzeugt starke Repulsion (Abstoßung), derjenige mit negativem Vorzeichen
Attraktion. (Wie kann man das sofort sehen?)
Der attraktive Term ist als Van-der-Waals-Potential oder London-Wechselwirkung bekannt und beschreibt eine elektrische Wechselwirkung. Die Atome des Edelgases besitzen
zwar nach außen kein elektrisches Feld, die Ladungsverteilung eines Atoms befindet sich jedoch in ständiger Bewegung, sodass pro Zeiteinheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten eines Dipolmomentes besteht. Dies erzeugt ein elektrisches Feld an seinem Nachbaratom, das dadurch ein induziertes Dipolmoment erhält. Die Wechselwirkung ist somit immer anziehend.
1. Moldyn erhielt den deutschen Hochschul-Software-Preis 1990 und darf kopiert werden. Es
kann z. B. im DOS-Emulator (X-Window) oder im DOS-Fenster (MS-Windows) aufgerufen
werden.
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2
Der empirisch gewonnene repulsive Anteil des Potentials erklärt sich vorwiegend durch die
Tatsache, dass er experimentelle Daten für Edelgase gut reproduziert. Man kann den Term
zwar so interpretieren, dass sich bei starker Annäherung zweier Atome die Elektronenhüllen
überlappen und somit elektrisch abstoßen, doch sollte dies nicht allzu wörtlich genommen
werden.
U(r)/ Â
1
3. Diskussion von Lennard-Jones-Potential und -Kraft
Der Radius σ bezeichnet offensichtlich den Nulldurchgang des Potentials (siehe Bild 1). Die
Bedeutung der Energie ε ergibt sich erst bei Betrachtung der Lennard-Jones-Kraft
ε
σ
d
F(r) = – ------ U(r) = 24 --- 2  ---
σ  r
dr
13
σ
–  ---
 r
7
,
0
(2)
deren Nullstelle
ro =
6
2 σ ≈ 1,122 σ
(3)
-1
0,8
das Potentialminimum
U(r o) = – ε
(4)
liefert.
Für Abstände r > ro ist die Lennard-Jones-Kraft negativ, also anziehend. Das Minimum der
Lennard-Jones-Kraft liegt bei r ≈ 1,244 σ ≈ 1,109 r0. In diesem Abstand herrscht somit die
maximale Anziehung zwischen zwei Teilchen. Aus Bild 2 ist zu ersehen, dass die Anziehungskraft mit zunehmendem Abstand relativ rasch abklingt und für r > 2 ro bereits nahezu verschwindet. Die Repulsion hingegen (r < ro) wächst für kleine Abstände schnell ins Unermessliche. Es ist zu beachten, dass die Abszisse bei Bild 1 bzw. Bild 2 erst mit r/ro = 0,8 beginnt,
woran abzulesen ist, wie stark die Abstoßung zunimmt. Beim Abstand r = 0,8 ro hat die Kraft
bereits den Wert F ≈ 161,1 ε/ro. Dies entspricht dem ca. 60-fachen Betrag der maximalen Anziehung F ≈ – 2,690 ε/ro.
1
Û/ro
1,2
1,4
1,6
1,8
2
r /ro
Bild 1:
Lennard-Jones-Potential
F(r)
Â/ro
6
4
2
0
-2
0,8
Û/ro
1
1,2
1,4
1,6
1,8
2
r /ro
Bild 2:
Lennard-Jones-Kraft
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3
II. Auswertung der Teilchendaten
4. Potentielle Energie und Gitterstruktur
Jedes einzelne Teilchen in einem Vielteilchensystem zeigt das Bestreben, in eine möglichst
stabile Lage zu geraten, in der es ein Minimum in der potentiellen Energie einnimmt. Dieses
Bestreben überträgt sich somit auf das Gesamtsystem, und es stellt sich die Frage, welche spezielle Teilchenanordnung die gesamte potentielle Energie minimiert. Naiv könnte man behaupten, dass einfach alle Teilchen den Abstand ro zueinander einnehmen müssen. Diese
Überlegung ist zwar nicht ganz richtig, führt aber dennoch auf die gesuchte spezielle Gitterstruktur. Richtig ist nämlich, dass alle nächsten Nachbarn eines Teilchens in einem gleichen
Abstand R sitzen müssen. Die so entstehende Gitterstruktur wird hexagonal genannt. (Verdeutlichen Sie sich die hexagonale Struktur, indem Sie sich ein Teilchen vorgeben, einen
Kreis um das Teilchen ziehen, den Radius auf dem Kreis abtragen, in den Schnittpunkten die
nächsten Nachbarn einzeichnen usw.). Da ein Teilchen nicht nur nächste Nachbarn hat, spürt
es die Anziehung der übernächsten Nachbarn usw., sodass sich das System insgesamt zusammenzieht und sich ein Abstand R < ro einstellt. Eine Abschätzung zeigt, dass R nur um einige
Promille von ro abweicht. (Versuchen Sie dieses Ergebnis herzuleiten.)
Die Lösung des Vielteilchen-Problems liefert mikroskopische Daten (Teilchenorte und Geschwindigkeiten), mit deren Hilfe nun makroskopische Aussagen getroffen werden können.
Einige der folgenden Größen sind strenggenommen nur für das ideale Gas exakt. Sie behalten
jedoch aus Gründen, auf die hier nicht näher eingegangen wird, auch für das reale Gas zumindest in guter Näherung ihre Gültigkeit.
1. Teilchen-Energien
Eine wichtige Systemgröße stellt die mittlere Gesamtenergie pro Teilchen
(8)
E = E kin + E pot
dar, die im folgenden bestimmt werden soll. (Denken Sie an das Keplerproblem. Welchen
Rückschluss auf den Systemzustand könnte die mittlere Gesamtenergie pro Teilchen zulassen?)
Die mittlere kinetische Energie pro Teilchen ist
5. Lösung der Bewegungsgleichung
1
E kin = ---N
Das Problem stellt sich bei N Teilchen folgendermaßen dar. Für jedes einzelne Teilchen i = 1,
2, …, N wird die Newtonsche Bewegungsgleichung
2
d
m i -------2- r i = F i =
dt
N
∑
F ( r i – r j )e ij
(5)
(7)
Durch Übergang zu einem endlichen Zeitschritt (dt > 0) wird aus der exakten Gleichung eine Näherungsformel,
die den jeweils unbekannten Wert x(t + dt) aus bereits bekannten Werten berechnen lässt. Die Güte der Approximation hängt wesentlich von der Schrittweite dt ab und wird bis zur Grenze maximal möglicher Rechengenauigkeit immer besser, je kleiner dt gewählt wird.
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.
(9)
N
∑v
2
i
(10)
i
zuzuordnen, womit sich die mittlere kinetische Energie pro Teilchen zu
2
1
E kin = --- mv
2
(11)
vereinfacht.
(6)
und in Gl. (5) eingesetzt. Die Differentialgleichung wird somit in eine Differenzengleichung überführt, die folgendermaßen umgeformt wird
2 F x(t)
.
x(t + dt) = 2x(t) – x(t – dt) + dt ----------m
2
i i
i
2
1
v = ---N
Zur Lösung wird beispielhaft nur die x-Koordinate eines beliebigen Teilchens betrachtet, da das Problem für alle
Koordinaten und Teilchen identisch ist. Die Beschleunigung wird mit Hilfe symmetrischer Zeitableitungen ausgedrückt
2
x(t + dt ⁄ 2) – x(t – dt ⁄ 2)
d x
dx
x˙(t + dt ⁄ 2) – x˙(t – dt ⁄ 2)
x(t + dt) + x(t – dt) – 2x(t)
------ = x˙(t) = --------------------------------------------------------------- ⇒ --------2- = --------------------------------------------------------------- = ------------------------------------------------------------------2
dt
dt
dt
dt
dt
1
∑ --2- m v
Haben alle Teilchen die gleiche Masse (reine Substanz), ist es sinnvoller, den Teilchen eine
mittlere quadratische Geschwindigkeit
j≠i
aufgestellt. Ein Summand bezeichnet die Kraft des Teilchens j auf Teilchen i, wobei eij einen
Einheitsvektor darstellt, der von Teilchen j auf Teilchen i zeigt. Insgesamt ergibt sich also ein
System gekoppelter Differentialgleichungen, das nur numerisch behandelt werden kann.
N
Die mittlere potentielle Energie pro Teilchen ist
1
E pot = ---N
N
∑ U(r ) .
ij
(12)
i, j > i
Diese Summe besteht aus N(N - 1)/2 Summanden. Daraus kann man ablesen, dass der Aufwand zur Berechnung des Vielteilchenproblems in etwa quadratisch mit der Teilchenzahl N
zunimmt!
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4
2. Temperatur
Für ein einatomiges, reines, ideales Gas besteht im zweidimensionalem Raum folgender Zusammenhang zwischen Temperatur T und mittlerer kinetischer Energie pro Teilchen
2
1
E kin = --- mv = k B T ,
2
(13)
vo =
kB T
---------.
m
(17)
2
Bemerkenswert ist, dass v o demnach nur die Hälfte des mittleren Geschwindigkeitsquadrates Gl. (13) beträgt. Wie aus Bild 3 zu ersehen ist, wächst die Wahrscheinlichkeit für deutliche
Abweichungen vom Mittelwert mit steigender Temperatur.
-23
wobei kB = 1,308648 ⋅ 10 J/K die Boltzmann-Konstante bezeichnet.
f (v) [s/m]
3. Druck
0,004
Die Berechnung des Druckes P basiert auf dem sogenannten Virialsatz. Diese Methode ermöglicht eine einfache Bestimmung von P, ohne den Umweg über die Registrierung von Impulsänderungen beschreiten zu müssen. Man erhält
1
PA = Nk B T + --- W ,
2
T = 100 K
0,003
(14)
0,002
T = 300 K
wobei A die Fläche bezeichnet, die das Gas einschließt. Das Virial
1
W = – ---N
N
∑ F(r ) ⋅ r
ij
ij
0,001
(15)
i, j > i
berücksichtigt die Wechselwirkung der Teilchen untereinander. Mit W = 0 stellt Gl. (14) gerade die Gleichung des idealen Gases dar. Gilt somit für den mittleren Teilchenabstand r ≈ r o
(Attraktion und Repulsion heben sich quasi auf), erhält man im wesentlichen den Druck des
idealen Gases. Bei einer festen Temperatur ist ausgehend von r = r o der Druck bei zunehmendem r im Vergleich zu demjenigen des idealen Gases erstmals erhöht, nähert sich diesem aber wieder, wenn die Kraft verschwindet. Bei abnehmendem r hingegen fällt der Druck
rasch ab und kann sogar das Vorzeichen wechseln. (Ist der Druck des realen Gases unter Normalbedingungen demnach höher oder niedriger als derjenige des idealen Gases, und was bedeutet wohl ein negativer Druck?)
0
0
600
800
v [m/s]
Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung für zweidimensionales Argon bei verschiedenen Temperaturen
Die Größe f(v) dv liefert den Bruchteil dN/N der Teilchen, die Geschwindigkeiten zwischen v und v + dv besitzen. Für endliche Intervalle (dv > 0) muss zur Integraldarstellung übergegangen werden. Insbesondere für
T → 0 und T → ∞ verschwindet f(v) und damit, salopp formuliert, die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Teilchen eine endliche Geschwindigkeit besitzen. Tatsächlich bleibt jedoch auch in diesem Fall das sichere Ereignis
∞
∫ f(v) dv = 1
(18)
0
Für ein zweidimensionales ideales Gas im thermischen Gleichgewicht gilt die Maxwellverteilung
2
400
Bild 3:
4. Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung
mv
mv
f(v) = ---------- exp  – -------------  .
 2k B T 
kB T
200
erhalten.
(16)
Der Funktionswert f(v) ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen den Geschwindigkeitsbetrag v besitzt. Somit liegt insbesondere das Maximum von f(v) bei der wahrscheinlichsten Geschwindigkeit
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5
5. Paarkorrelation (Abstandsverteilung)
Eine weitere Information über den Systemzustand liefert die Paarkorrelationsfunktion
(r)
γ (r) = ρ
---------ρ
(19)
mit
1
ρ(r) = ---N
N
∑ ρ (r) .
i
(20)
i
Die mittlere Teilchendichte ρ entspricht dem Verhältnis von Gesamtteilchenzahl N zur Gesamtfläche A. Ein Summand ρ i(r) bezeichnet die Anzahl der Teilchen dNi, die sich innerhalb
eines Kreisringes der Fläche 2 π r dr im Abstand r um Teilchen i befinden, pro Fläche dieses
Kreisringes. Für die Berechnung muss zu einer endlichen Breite (dr → 2 a) übergegangen und
die Anzahl der Teilchen dNi → 2 Ni, die sich in Abständen [r - a, r + a] vom Teilchen i befinden, durch die Fläche 4 π a r geteilt werden. Insgesamt entspricht γ(r) der über alle Teilchen
gemittelten lokalen Dichte, bezogen auf die mittlere Dichte.
Bei geringen Temperaturen (Festkörper) befinden sich die Teilchen an mehr oder weniger
festen Orten. Die Paarkorrelation γ(r) zeigt somit deutliche Spitzen für die nächsten und weiteren Nachbarn (Nah- und Fernordnung), während sie für die Mehrzahl aller Orte verschwindet. Für die flüssige Phase bleibt nur die Nahordnung erhalten.
6. Spezielle Berechnungsmethoden: Randbedingungen
Eine Abschätzung der Teilchendichte eines zweidimensionalen Argonkristalls in hexagonaler
Anordnung bei T = 0 ergibt
13
–2
N
2
ρ = ---- ≈ ------------2- ≈ 1 ⋅ 10 mm .
A
3r
(21)
o
Ein Modell, welches das Studium der Teilchendynamik im Inneren eines ausgedehnten (über
atomare Größenordnungen hinausgehenden) Ensembles ermöglichen soll, müsste demnach
eine Teilchenzahl N verwenden, deren Größe der Intention eines Modells widersprechen würde. In Moldyn wird dieses Problem mit Hilfe periodischer Randbedingungen (PRB) gelöst.
Acht virtuelle Berechnungszellen, die Kopien des beobachteten Ensembles darstellen, umgeben das tatsächliche Ensemble (Bild 4). Bei der Berechnung der Kraft auf ein bestimmtes
Teilchen wird ein Kasten gerade so gewählt, dass dieses Teilchen in der Mitte liegt.
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Bild 4:
Berechnungsmethode periodische Randbedingungen
Die Berechnungsmethode PRB nähert ein unendlich ausgedehntes Teilchensystem. Für bestimmte Fragestellungen ist jedoch gerade das »Ende« und die damit verbundene Oberflächendynamik von Interesse. Die Simulation kann deshalb auch mit freien Randbedingungen
(FRB) durchgeführt werden. Das Ensemble wird hierbei als im Vakuum »schwimmend« betrachtet. Da die kleine Teilchenzahl bei entsprechender Temperatur zu ausgeprägten Oberflächeneffekten führt, ist die Anordnung bei FRB von einem Kasten mit reflektierenden Wänden
umgeben (jedoch nicht eingezwängt), um »Ausreißer« dem System zurückzuführen.
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III. Die Bedienung von Moldyn
1. Startmaske
Nach dem Aufruf von Moldyn wählen Sie »L« (Lennard-Jones-Potential). Sie befinden sich
daraufhin in einer Eingabemaske für eine Vielzahl an Parametern, die den Programmablauf
steuern. Den einzelnen Parametern sind bereits Werte zugeordnet, die einer Standardeinstellung entsprechen. Vorerst sind eigentlich nur die Felder Startposition, Startgeschwindigkeit
und Randbedingung von Bedeutung. Alle übrigen Parameter, die nicht nur die Physik, sondern auch Numerik und grafische Darstellung betreffen, sollte man zunächst besser »unangetastet« lassen. Notieren Sie den angegebenen Wert für die Masse eines Argon-Atoms.
In der Startmaske kann nicht jede beliebige Anzahl von Teilchen mit beiden möglichen Gitterstrukturen hexagonal bzw. kubisch kombiniert werden. Es können hier vielmehr nur ganz
bestimmte Teilchenzahlen, die zugleich(!) die Gitterform bestimmen, gewählt werden. (Befindet man sich mit dem Cursor im Feld Teilchenzahl, werden erlaubte Werte am unteren
Bildschirmrand angezeigt).
2. Die Simulation
Die obere Zeile vermerkt zur Kontrolle die wichtigsten Startdaten. Die untere Zeile gibt Informationen über Befehle und abrufbare Menüs. Lassen Sie die Simulation anlaufen und sehen
Sie sich zunächst einfach an, was passiert.
Bei Geschwindigkeits- und Abstandsverteilung entsprechen Linien den aktuellen Werten und
Punkte einer Mittelung über die Zeit der Simulation. Für die makroskopischen Systemgrößen
wie Temperatur und Gesamtenergie pro Teilchen werden ebenfalls aktuelle und gemittelte
Werte angegeben. Welche für Auswertungen jeweils günstiger sind, muss für jeden Fall einzeln entschieden werden. Eine Berechnung des Drucks erfolgt nur bei Wahl von PRB.
Rufen Sie jetzt das Menü »Spurbild« auf und probieren Sie den Effekt der Umschaltung von
Spur auf Punkte. Sie sollten später eine der jeweiligen Aufgabe angemessene Einstellung
wählen. Testen Sie bei der Voreinstellung »Spur« auch die Nützlichkeit der Delete-Taste bei
laufender Simulation.
Der schnellste Weg zurück zur Startmaske ist der Aufruf von »Menue« und dann Neustart.
Ebenfalls unter »Menue« findet man das Untermenü »Diagramme«, wo Abstands- und Geschwindigkeitsverteilung vergrößert dargestellt werden können.
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IV. Versuchsdurchführung
Versuch 1:
Gitterstrukturen
Wählen Sie 196 Teilchen (kubisch) unter FRB bei einer Startgeschwindigkeit v = 10 m/s. Starten und stoppen Sie die Simulation, indem Sie zweimal kurz hintereinander Space drücken.
Notieren Sie die Werte für Temperatur und Energien. Lassen Sie nun die Simulation weiterlaufen und beobachten Sie die schlagartige Umordnung ins hexagonale Gitter.
Durch die Umwandlung von potentieller in kinetische Energie steigt die Temperatur. Stoppen
Sie die Simulation, nachdem sich ein Gleichgewicht eingestellt hat. Dies erkennen Sie daran,
dass das zeitliche Mittel der Maxwellverteilung einen (einigermaßen) kontinuierlichen Verlauf zeigt, der sich (fast) nicht mehr ändert. Notieren Sie die neuen Daten.
Kühlen Sie nun den Kristall so ungefähr auf die ursprüngliche Temperatur herunter. Setzen
Sie dazu einige Male alle Geschwindigkeiten auf Null, indem Sie unter Spurbild das Untermenü »Aufstellung ändern« wählen und bei »Geschwindigkeit global ändern« den Multiplikationsfaktor »0« eingeben (danach »Return« drücken). Die Simulation muss dazu jeweils
weiter laufen, wobei die Temperatur heruntergeht. Notieren Sie wieder die neuen Daten.
Versuchen Sie jetzt, den Kristall in den absoluten Nullpunkt der Temperatur zu bringen. Warum ist das kaum möglich?
Aufgabe: Vergleichen Sie qualitativ die drei Datensätze, und geben Sie Begründungen für
die Unterschiede. (Vernachlässigen Sie beim Vergleich der ersten beiden Datensätze die unbedeutende Verschiebung der Gesamtenergie aufgrund numerischer Fehler). Was kann man
über die räumliche Ausdehnung nach dem Abkühlen, im Vergleich zum ursprünglich kubischen Kristall aussagen?
Alle folgenden Versuche werden, soweit nicht anders angegeben, mit 56 Teilchen in hexagonaler Anordnung durchgeführt.
Versuch 2:
Randbedingungen
Starten Sie eine Simulation mit v = 20 m/s unter PRB. Wiederholen Sie die Simulation mit
FRB und beobachten Sie den Unterschied.
Aufgabe: Begründen Sie die beobachteten Unterschiede zwischen PRB und FRB.
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Versuch 3:
Abstandsverteilung
Versuch 6:
Schmelzpunkt
Simulieren Sie einen Kristall unter PRB nahe dem absoluten Nullpunkt (v ≈ 5 m/s). Wie Sie
sehen, entspricht die Paarkorrelation γ(r) bei tiefen Temperaturen keiner kontinuierlichen
Funktion, vielmehr gibt es nur ganz bestimmte Werte r , bei der sie von Null abweicht.
Versuchen Sie nun, bei PRB den Schmelzpunkt von Argon zu bestimmen. Welche Art der
Darstellung (Spur oder Punkte) ist wohl in diesem Fall ratsam? Beachten Sie, dass Sie nahe
am Schmelzpunkt evtl. etwas länger warten müssen, bis sich ein Gleichgewicht einstellt. Nehmen Sie die Daten vSM (Startgeschwindigkeit), TSM und ESM auf, und wiederholen Sie den Versuch unter FRB. Vergleichen Sie die Daten beider Schmelzpunkte — welche Änderung kann
man erwarten, wenn die Simulation unter FRB mit 168 Teilchen durchgeführt wird? Wählen
Sie eine entsprechende Startgeschwindigkeit und überprüfen Sie Ihre Vermutung. Nehmen
Sie nur qualitativ den Unterschied in der Teilchendynamik wahr, ohne tatsächlich ein weiteres Mal den Schmelzpunkt genau zu bestimmen.
Aufgabe: Skizzieren Sie, um diese Werte herauszufinden, einen Ausschnitt des hexagonalen
Gitters. Wählen sie ein Atom als Startpunkt und berechnen Sie in Einheiten des kleinsten auftretenden Abstandes r o = R die Entfernung zu den umgebenden Atomen. Welche weiteren
Abstände r n treten auf? Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit der Paarkorrelation aus der Simulation. Kann man auch die Funktionswerte γ (r n) nachvollziehen?
Versuch 4:
Geschwindigkeitsverteilung
Wählen Sie PRB und führen Sie den folgenden Versuch jeweils mit Startgeschwindigkeiten
v = 50 m/s bis v = 250 m/s in Abständen von ∆v = 50 m/s aus.
Lassen Sie die Simulation laufen, bis sich jeweils ein Gleichgewicht eingestellt hat, und notieren Sie die sich einstellende Temperatur T. Vergrößern Sie das Diagramm für die Geschwindigkeitsverteilung, und stellen Sie durch Eingabe dieser Temperatur einen Vergleich mit der
theoretischen Maxwellverteilung an. (Zeigt sich keine nahezu exakte Übereinstimmung, ist
das Gleichgewicht noch nicht erreicht). Notieren Sie die wahrscheinlichste Geschwindigkeit
vo. (Die Abszisse ist in Abständen von dv = 4 m/s markiert; in dieser Genauigkeit kann vo abgelesen werden). Verlassen des Fensters geschieht durch Drücken von »E«.
2
Aufgabe: Tragen Sie in einem Diagramm T gegen v o ( v o ≠ v !) auf, und bestimmen Sie daraus die Boltzmann-Konstante kB. Die Masse eines Argon-Atoms finden Sie in der Startmaske.
Versuch 5:
Flüssigkeit
Wählen Sie jetzt die Geschwindigkeit v = 500 m/s bei PRB, und lassen Sie die Simulation eine
Zeitlang laufen.
Aufgabe: Beschreiben Sie zunächst qualitativ Ihre Beobachtungen. Was hat sich insbesondere bei der Paarkorrelationsfunktion im Vergleich zu den vorhergehenden Versuchen geändert? Erklären Sie diese Veränderung. Wodurch kann man also eine Flüssigkeit beschreiben?
Formulieren Sie anhand Ihrer neuen Erkenntnisse über Festkörper und Flüssigkeit eine Definition des Schmelzpunktes.
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Aufgabe: Geben Sie für PRB und FRB die Daten des Schmelzpunktes (bei 56 Teilchen) an.
Beschreiben Sie, zu welchem Effekt die erhöhte Teilchenanzahl bei FRB führt. Von einer
Übereinstimmung mit dem experimentellen Ergebnis TSM = 84 K darf im zweidimensionalen
Modell nicht ausgegangen werden. In welche Richtung erwarten Sie die Abweichung? Beantworten Sie anhand dieser Überlegung, welche der beiden Berechnungsmethoden (PRB oder
FRB) hier die besseren Ergebnisse zu liefern scheint. Angenommen Sie würden das experimentelle Ergebnis nicht kennen, welcher Methode würden Sie dann für die Beschreibung des
Schmelzvorganges den Vorzug geben? Begründen Sie Ihre Antworten.
Versuch 7:
Gas
Versuchen Sie jetzt, den gasförmigen Zustand und den Siedepunkt zu definieren. Kann die
Flüssigkeit bei PRB verdampfen? In der Realität liegen Schmelz- und Siedepunkt von Argon
nur um 3 K auseinander. (Können Sie eine Erklärung dafür geben?) Das würde bedeuten,
dass die neue Startgeschwindigkeit im Vergleich zur bisherigen Startgeschwindigkeit vSM nur
unbedeutend höher gewählt werden müsste, um die Gasphase zu erreichen. Probieren Sie das
aus, und achten Sie dabei auf die Gesamtenergie pro Teilchen.
Definiert man die Gasphase als E > 0 , betrachtet aber allein die Teilchendynamik, so scheint
der Unterschied zwischen Gasphase und Flüssigkeit in diesem Modell nicht mehr so dramatisch zu sein, wie zwischen Flüssigkeit und Festkörper. Versuchen Sie deshalb, ob sich nicht
vielleicht bei höheren Geschwindigkeiten doch noch eine deutlichere Änderung abzeichnet.
Erhöhen Sie die Geschwindigkeit in Schritten von ∆v ≤ 150 m/s. Achten Sie darauf, ob die Gesamtenergie in etwa konstant bleibt und brechen Sie sofort ab, wenn dies nicht mehr gegeben
ist. Bei Geschwindigkeiten v ≥ 800 m/s können Sie die Simulation entweder nur kurz laufen
lassen, oder Sie müssen die Schrittweite dt in der Startmaske reduzieren. Beachten Sie, dass
Sie dann aber subjektiv langsamere Teilchen sehen (»Zeitlupe«).
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Aufgabe: Geben Sie die Daten des Siedepunktes Ts an. Erläutern Sie, welche Beobachtungen
und Überlegungen zur Festlegung Ihres Siedepunktes geführt haben. Vergleichen Sie Flüssigkeit und Gasphase, indem Sie auf Gesamtenergie, Paarkorrelation und Teilchendynamik eingehen. Sind die Grenzen des Modells hier erreicht, oder können Sie eine positivere Interpretation anbieten?
Anregungen zu Zusatzversuchen
1. Kristallisation
2. Stöße und Stoßwellen
3. Thermische Längenausdehnung
4. Wärmeleitung
5. Mischungen und Legierungen
6. Leerstellendiffusion und Diffusion in Flüssigkeiten
7. Wenigteilchensystem und chaotische Bewegung
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