6.2 Synthetische Rohstoffe 6.2.4 Reduktions

Werbung
6.2 Synthetische Rohstoffe
6.2.4 Reduktions- und Oxidationsverfahren
Die Reduktionsverfahren spielen bei der Herstellung nichtoxidischer Rohstoffe, insbesondere
bei Carbiden eine große Rolle. Das wichtigste Verfahren ist die carbothermische Reduktion
und Aufkohlung von Quarzsand, SiO2, mit Petrolkoks und elektrischer Energie zu SiC nach
der Brutto-Gleichung:
− 2500° C
SiO2 + 3 C ⎯1800
⎯⎯
⎯
⎯→ SiC + 2 CO
Die tatsächlich ablaufenden Reaktionen sind wesentlich komplizierter. Produkte sind grobkristallines α-SiC, Graphit, flüchtiges Kohlenmonoxid und Schwefelverbindungen aus dem Petrolkoks. CO und S können aus den Abgasen wiedergewonnen werden. Dieses sog. AchesonVerfahren wird wegen seiner Besonderheiten und technischen Bedeutung für diesen Werkstoff in Kapitel 10.4.2 ausführlich behandelt. Es wird aber auch in kleinerem Maßstab zur
Synthese von Borcarbid B4C aus Borsäure H3BO3 bzw. Boroxid B2O3 angewandt. Wiederum
kommen Graphit oder Petrolkoks als Reduktionsmittel zum Einsatz:
2 B2O3 + 7 C → B4C + 6 CO ↑
Der Prozeß wird in großen Lichtbogenöfen oder Wiederstandsöfen bei Temperaturen zwischen 1500 und 2500°C durchgeführt und ist wie die SiC-Synthese stark endotherm. Ähnlich,
aber mit geringer Produktivität verläuft die Synthese von hochreinem B4C mit definierter Stöchiometrie, wenn Borsäure mit Acetylen-Ruß, hochreinem Zucker oder Ethylenglykol bei
1600-1800°C in einem schutzgasgespülten Rohrofen umgesetzt wird:
4 H3BO3 + 7 C → B4C + 6 H2O+ 6 CO
Die Herstellung von Übergangsmetallcarbiden wie WC, TiC, TaC, NbC usw. und deren
Mischkristallen, die wichtige Bestandteile der Hartmetalle darstellen, erfolgt aus dem sog.
Rohoxid durch Vermahlung der Roherze, z.B. Wolframit, (Fe,Mn)WO4, zusammen mit oxidiertem Hartmetallschrott, Laugung mit NaOH oder Soda im Autoklaven, Filtration der erzeugten Na-Wolframatlösung von festen Rückständen gefolgt von einer weiteren Raffination
von Sb, Si, As, P und Mo. Die Wolframextraktion aus der Lösung wird mit organischen Ionenaustauschern durchgeführt, nach einer Aufkonzentration mit Ammoniak wird die Lösung
zu Ammoniumwolframat, (NH4)10W12O41·5H2O eingedampft und in Drehrohröfen zu WO3
calciniert. Es entstehen dabei gelbes Oxid, WO3, sowie die grünen bis tiefblauen oder violetten „Blauoxide“ WO3-x mit einer Stöchiometrie von WO2.98 über WO2.90 zu WO2.72. Diese
werden nun in Wasserstoffatmosphäre bei 750-1200oC zum β-W-Metall reduziert. Das Metallcarbid wird über eine Carburierung mit Ruß unter H2 in Kohledrehrohröfen oder unter
Vakuum in Induktionsöfen bei 1400-1600oC erzeugt. Die je nach Temperatur stark versinterten Carbid-Kuchen werden aufgebrochen, gemahlen und gesiebt. Ungebundener Kohlenstoff
wird aufoxidiert.
WC kann auch über eine Direktreduktion und gleichzeitige Carburierung der Oxide nach den
Gleichungen
WO3 + CH4 + H2 → WC + 3 H2O
(6.x2)
W + 2 CO → WC + CO2
(6.x3)
oder nach einem an der Technischen Universität Wien entwickelten Verfahren aus dem
Scheelit bei 1800oC in Induktionsöfen erfolgen:
CaWO4 + 4 C → WC + CaO + 3 CO
CaO wird mit HCl herausgelöst. Die Synthese von TiC aus den Oxiden (TiO2) erfolgt ebenfalls mit Ruß unter H2 in Kohledrehrohröfen oder unter Vakuum in Induktionsöfen bei 20002200oC. Eine Abtrennung von Rest-Kohlenstoff ist danach wie zuvor erforderlich. Verbleibender Sauerstoff und Stickstoff lösen sich im TiC und bilden einen Ti(C,N,O)-Mischkristall.
Auch die Synthese von großen Mengen an Roh-ZrO2 erfolgt in der Regel durch einen reduktionsunterstützten Prozeß. Grundlage für die Verhüttung von Zirkonsilicat, dem billigsten und
best verfügbaren ZrO2-Rohstoff, ist dessen thermische Zersetzung (Dissoziation) bei 2000°C
im Lichtbogenofen nach der Brutto-Gleichung
ZrSiO4→ ZrO2 + SiO2
Das SiO2 liegt danach als erstarrtes Quarzglas vor, das chemisch oder durch mechanische
Aufbereitung abgetrennt werden muß. Besser ist daher der Einsatz von Kohlenstoff, der das
SiO2 zu flüchtigem SiO reduziert, das absublimiert:
ZrSiO4 + C → ZrO2 + SiO↑ + CO↑
Ein weitere Herstellungsmöglichkeit von ZrO2 ist die Umsetzung von ZrSiO4 im Schachtofen
bei 800-1200oC unter Chlorgas. Dabei läuft folgende Reaktion ab:
ZrSiO4 + 3C + 4 Cl2 → ZrCl4 ↑+ SiCl4 ↑+ 4CO ↑
Die flüchtigen Zirkonium- bzw. Siliciumtetrachlorid lassen sich durch fraktionierte Sublimation trennen. Ebenfalls weitgehend abtrennbar sind Hafnium, Thorium und Seltene Erden, die
immer als teilweise beträchtliche Verunreinigungen in den natürlichen Mineralien vorkommen.
Neben der carbothermischen Reduktion eines Oxides mit Kohlenstoff sind auch aluminothermische, silicothermische und magnesiothermische Reduktionsprozesse möglich, die auf
der starken Sauerstoffaffininität dieser Elemente basieren. Nach diesen Prinzipien werden
gerne Übergangsmetallcarbide oder -boride hergestellt, die einen entsprechend hohen Anteil
an z.B. Magnesiumboriden enthalten. So kann Borcarbid aus Boroxid und Ruß bei 10001800°C synthetisiert werden:
2B2O3 + 6 Mg + C → B4C + 6 MgO
Das Reaktionsgemisch wird, wie bei Thermit-Prozessen üblich, lokal elektrisch gezündet.
Auch ist die Umsetzung unter Wasserstoff in einem Graphitrohrofen möglich. Ein Problem ist
die Abtrennung von Magnesiumoxid, Magnesiumborid und unreagiertem metallischem Magnesium, die üblicherweise mit Salzsäure oder Flußsäure herausgelaugt werden, was jedoch
nicht vollständig geschieht.
Auch Oxidationsprozesse kommen zur Herstellung besonders reiner Oxidpulver aus Metallen
zum Einsatz. So werden beispielsweise nach dem Iwatami-Verfahren metallische AluminiumPellets in einem Lichtbogen unter reinem Wasserdampf erschmolzen und verdampft. Dabei
bildet sich Aluminiumhydroxid-Staub, der noch im Lichtbogen oder bei einer Nachbehandlung zu Al2O3 umgesetzt wird. Die Reinheit des Al2O3 richtet sich dabei ganz nach der Reinheit des eingesetzten Aluminiums, die nach der üblichen Herstellungsmethode über
Schmelzflußelektrolyse über 99,999 % liegen kann. Auch Zirkonoxidpulver läßt sich so in
nahezu beliebigen Reinheiten herstellen.
Schwindungsfreie, endkonturnahe Formkörper können durch Oxidation von MetallsilicidGrünteilen hergestellt werden. Als Keramik erhält man entweder ein SiO2-gebundenes ZrO2
oder ZrSiO4:
ZrSi2 + 3 O2 → ZrO2 + 2 SiO2
ZrSi2 + 3 O2 → ZrSiO4 + SiO2
Die mit der Reaktion einhergehende Volumenvergrößerung um etwa 100% kompensiert die
porenbedingte Schwindung des Bauteils. Verwendet man Polymethylsilsesquioxan als in SiO2
umwandelbaren Binder, kann der axial oder isostatisch gepreßte Grünkörper vor dem Oxidationssintern auch durch Drehen, Fräsen, Schleifen usw. bearbeitet werden.
6.2.5 Lösungs- und Fällungsprozesse aus wässeriger Lösung
Die bisher beschriebenen Verfahren gehen von einzelnen Körnern aus, die eine ideale, d.h.
atomare Mischung der Ausgangskomponenten nicht erlauben, wodurch die Homogenität des
gewünschten Produkts beeinträchtigt werden kann. Ferner sind Festkörperreaktionen diffusionsabhängig und benötigen daher hohe Temperaturen und eventuell lange Reaktionszeiten.
Eine ideale Mischung und schnelle Synthesen bei geringen Temperaturen sind aber in Flüssigkeiten möglich, was voraussetzt, daß man die benötigten Komponenten in flüssiger oder
gelöster Form zu Verfügung hat. Bei den naßchemischen Verfahren geht man oft von löslichen Salzen aus; auch metallorganische Verbindungen werden eingesetzt. Probleme bereitet
häufig die Entfernung des Lösungsmittels, meist des Wassers, wobei keine Entmischung der
vorgelegten Komponenten eintreten darf. Für diesen Zweck wurden einige Verfahren entwickelt, die unten angeführt sind.
Ein Vorteil dieser Verfahren liegt in der Möglichkeit, bestimmte chemische Zusammensetzungen, auch mit kleinen Anteilen, genau einzustellen, weshalb sie nach Stuijts und Koppens
besonders Eingang in die Elektro- und Magnetokeramik (Kapitel 10) gefunden haben. Ein
weiterer Vorteil liegt auch darin, sehr feindisperse und damit reaktive Pulver zu erhalten, die
interessante Sintereigenschaften aufweisen.
Die älteste dieser Methoden ist die Mischfällung (Kopräzipitation). Das klassische und
zugleich meist genutzte Beispiel sind die Ferrite. Man löst dazu z.B. Ni- und Fe-Nitrat oder Chlorid und fällt gemeinsam durch Na2CO3 die entsprechenden Carbonate, die nach Filtration
und Waschen zum Oxid verglüht werden. Auch Fällungen der Hydroxide oder Oxalate sind
üblich. Wichtig dabei ist, daß die Fällungseigenschaften der eingesetzten Komponenten ähnlich sind, damit keine Phasentrennung eintritt. Am günstigsten ist die Fällung von Mischkristallen. Der Prozeß wird darüber hinaus durch die Art des Lösungsmittels, pH-Wert und
Temperatur bestimmt. Zur Erzielung besonders feiner Pulver muß die pH-Wert-Änderung
möglichst schnell durchgeführt werden (alkalischer bzw. saurer Sturz). Hierzu wird die salzhaltige Lösung langsam in einen Behälter mit der pH-Flüssigkeit eingetropft, für den schnellen Mischungsprozeß verwendet man Hochgeschwindigkeitsrührer. Allerdings sollten möglichst keine sonstigen unerwünschten Ionen der Lösung mitgefällt werden, da dadurch die
Eigenschaften der Produkte beeinflußt werden können. Beispiele für solche Fällungsreaktionen sind:
Al2(SO4)3 + 6 NH4OH ⎯ΔpH
⎯⎯↑→ 2 Al(OH)3 + 3 (NH4)2SO4
NaAlO2 + HCl + H2O ⎯ΔpH
⎯⎯↓→ Al(OH)3 + NaCl
6 NaAlO2 + Al2(SO4)3 + 12 H2O ⎯ΔpH
⎯⎯↑→ 8 Al(OH)3 + 3 Na2SO4
Eine andere Gruppe von Verfahren verdampft das Lösungsmittel, was den Vorteil hat, daß
keine Fremdionen zur Fällung benötigt werden, was aber auch Probleme aufwerfen kann,
wenn das Lösungsverhalten der Komponenten unterschiedlich ist. Besonders bewährt haben
sich die Gefrier- und die Sprühtrocknung.
Die Gefriertrocknung ist ein Verfahren aus der Lebensmitteltechnik und kann ebenfalls zur
Fällung keramischer Pulver herangezogen werden. Für die Herstellung eines homogenen keramischen Rohstoffs ist es erforderlich, eine Entmischung beim anfänglichen Gefrieren zu
vermeiden. Schnettler u. M. rühren deshalb ihre Lösung aus Al- und Mg-Sulfat in auf -60°C
vorgekühltes Hexan ein, wobei einzelne Kügelchen mit Durchmessern um 0,3 mm entstehen.
Die gefrorenen Kügelchen werden abgesiebt und im Vakuum gefriergetrocknet, wobei das
H2O absublimiert. Das verbleibende Gefüge ist durch viele Porenkanäle gekennzeichnet. Man
erhält anschließend durch Tempern Spinell. Diese Methode eignet sich auch für Ferrite.
Die Sprühtrocknung (Kapitel 7.3.1.3.1) findet Einsatz bei der Trocknung von Nitrat- oder
Chloridlösungen, wenn man für 10 bis 20 μm große Tröpfchen und eine rasche Verdampfung
des Wassers sorgt. Dann tritt keine Entmischung ein, und es bilden sich meist Hohlkugeln in
Größe der Tröpfchen. Ist im Sprühturm die Temperatur so hoch und die Verweilzeit so lang,
daß sich die Salze zersetzen, dann entstehen bei diesem Sprühröstverfahren (oder Sprühbrennen) gleich die Oxide. Diese Methode findet ebenfalls bei der Herstellung von Ferriten Einsatz.
6.2.6 Hydrothermalverfahren
Bei der Hydrothermalsynthese keramischer Pulver handelt es sich im Prinzip um eine druckunterstützte Auflösung der eingebrachten Rohstoffe über Hydroxid-Zwischenstufen und die
Ausfällung der unter den gewählten Druck- und Temperaturbedingungen stabileren neuen
Phasen ebenfalls als Hydroxide. Bezüglich der Drucklaugung entspricht das Hydrothermalverfahren also der ersten Stufe des Bayer-Prozesses (Kapitel 6.2.1). Die Fällung des Reaktionsproduktes erfolgt entweder spontan oder im Zuge einer gezielten Druck-, Temperaturoder pH-Wert-Änderung, die die Existenzbereiche der Phasen verschieben. Nach dem Abkühlen und Herunterfahren auf Normaldruck wird die Suspension filtriert, das Pulver mehrmals
gewaschen, in Tunnel- oder Drehrohrtrockner bzw. durch Sprühtrocknen getrocknet und ggf.
noch zum Oxid calciniert. Die Reinheit der Pulver ist je nach Rohstoffeinsatz und Fällungsbedingungen sehr hoch, die Kopräzipitation eng verwandter Ionenspezies kann allerdings
nicht ausgeschlossen werden. Prinzipiell können jedoch minderwertigerer Rohstoffe eingesetzt werden, wenn die Verunreinigungen in Lösung bleiben.
Das Verfahren ist großtechnisch für die Herstellung von Quarz-Einkristallen für PiezoSchwinger entwickelt worden, die sehr langsam in der Lösung bei etwa 375oC und 150 MPa
Druck wachsen, während die Temperaturen am Bodensatz zur Sättigung der Lösung 425oC
betragen. Die industrielle Übertragung des Verfahrens auf nichtmetallisch-anorganische Pul-
ver wurde in der Waschmittelbranche durchgeführt, die auf diese Weise Zeolithe als Ionentauscher (Weichmacher) herstellt.
Nach diesem Prinzip läßt sich beispielsweise der feuerfeste Wollastonit, CaSiO3, oder Diopsid, CaO·MgO·2SiO2, herstellen, indem man im Autoklaven eine feuchte Masse aus Weißfeinkalk oder gebranntem Dolomit und Quarzmehl 7 bis 16 h bei 200 bis 250°C behandelt. Es
bilden sich dann nach´
6 SiO2 + 6 Ca(OH)2 → 6CaO·6SiO2·H2O + 5 H2O
oder
12 SiO2 + 6 Ca(OH)2 + 6 Mg(OH)2 →
6CaO·6SiO2·H2O + 6MgO·4SiO2·4H2O + 2 SiO2 + 7 H2O
die Silicathydrate Xonotlit, C6S6H, oder Serpentin, M6S4H4, wobei zuletzt für die Formeln die
in der Zementchemie übliche Schreibweise mit folgenden Abkürzungen verwendet wurde:
SiO2 = S, Al2O3 = A, Fe2O3 = F, CaO = C, MgO = M und H2O = H.
Für den Einsatz in der Keramik ist eine Entwässerung üblich, die bei Xonotlit schon ab 650°C
einsetzt, aber meist durch Calcinieren bei 865...1150...1350°C durchgeführt wird, wobei nach
6CaO·6SiO2·H2O → 6 CaSiO3 + H2O
direkt Wollastonit entsteht. Die Bildung von Diopsid erfordert nach der Entwässerung noch
eine Festkörperreaktion nach
C6S6H + M6S4H4 + 2 S → 6 CMS2 + 5 H2O,
was aber wegen der hohen Feinkörnigkeit der Silicathydrate keine Schwierigkeiten bereitet.
Ausreichende Reaktionsgeschwindigkeiten erreicht man bei 1200 bis 1250°C. Der Xonotlit
selbst ist ein wichtiger Füllstoff in Pasten und Kunststoffen, aber auch ein Stabilisator für
Schlicker.
Im Bereich der Hochleistungskeramiken können in großem Maßstab komplexe Mischkristallpulver für Elektrokeramiken hergestellt werden, zum Beispiel Titanate für Kondensatoren,
Aktoren, Sensoren usw.. Gegenüber dem Mixed-Oxide-Weg (siehe Kapitel 6.2.2) besitzt das
Hydrothermalverfahren den Vorteil einer besseren Kontrolle der Homogenität, Stöchiometrie,
Korngröße und Kornform der Produkte, da die Diffusion und Vermischung der Spezies über
die Lösung stattfindet. Die in der Regel geringere Korngröße und die manchmal amorphe
oder schlecht kristallisierte Struktur der Hydrothermalpulver machen diese auch reaktiver im
Sinterprozeß. Beispiele sind neben reinem BaTiO3 auch Dotierungsvarianten mit SrO, CaO,
ZrO2, PbO oder Seltenen Erden, auch Niobate des Bleis, Zinks, Magnesiums und Bariums.
Ferner werden Ionenleiter wie Na-β-Aluminat und ZrO2 aller Dotierungen gefällt, für optische
Anwendungen Al2O3, Blei-Lanthan-Titanat-Zirkonat, für mechanische Anwendungen ebenfalls ZrO2 (Y-TZP), Cordierit, Aluminiumtitanat, Mullit und vieles mehr.
Im Bereich der Pigmente werden mittels Hydrothermalverfahren feinstes Fe2O3 (rot), Fe3O4
(schwarz), Cr2O3 (grün), CrOOH (blaugrün), ZnFe2O4 (rotbraun), FeOOH (gelb), CoAl2O4
(blau) usw. synthetisiert.
Insofern die thermodynamischen Daten für die Stabilitätsbereiche der einzelnen Oxide und
Hydroxide unter den gegebenen Bedingungen bekannt sind, lassen sich die Hydrothermalre-
aktionen mit rechnergestützten Methoden vorhersagen. Dies ist insbesondere für die Wahl
geeigneter pH-Werte von Bedeutung. Nach dem Prinzip der heterogenen Gleichgewichte und
dem Hebelgesetz (Kapitel 3.2) lassen sich die erzielbaren Ausbeuten berechnen.
6.2.7 Sol-Gel-Methode
Bei der Sol-Gel-Methode, englisch auch Colloidal Processing genannt, wird eine hydrolytische Polykondensation durchgeführt. Ausgangsstoffe sind lösliche Salze wie Halogenide,
Sulfide, Nitride, Alkoxide oder metallorganische Verbindungen, sog. Vorstufen (lateinisch:
Praecursores, engl.: Precursors) deren anionische Gruppen durch den Angriff von Wasser
durch OH--Gruppen ersetzt werden. Dabei entstehen zunächst Metallhydroxide, die über Homo- oder Heterokondensation unter Wasserabspaltung zu Metalloxidverbindungen vernetzen.
Hydrolyse:
H2O + RnMR → RnM-OH + RH
Homokondensation: RnMOH + RnMOH → RnM-O-MRn + H2O
Heterokondensation:
RnMOH + RnMR → RnM-O-MRn + RH
Der Buchstabe R bezeichnet dabei die anionischen bzw. organischen Restgruppen und M das
Metall. Unter einer Homokondensation versteht man die Reaktion zwischen artgleichen Molekülen, bei einer Heterokondensation gehen verschiedene Partner eine Verbindung ein, hier
die Ausgangssubstanz und ein bereits durch Hydrolyse entstandenes Hydroxid. Solche Reaktionen sind für Siliciumverbindungen gut untersucht und laufen selbst bei der einfachen SiO2Bildung über sehr komplizierte Zwischenstufen ab, die teilweise in Konkurrenz zueinander
stehen. Bild 2 zeigt nach [] am Silicium-Alkoxid Si(RO)4 die Mechanismen der Hydroxidbildung an einer, zwei und drei Restgruppen, der Homokondensation zu Dimeren oder polymeren Ketten und Ringen. Ketten können sich weiterhin verzweigen, zwei- oder dreidimensional
anlagern, Ringe können sich öffnen und Netzwerke ausbilden.
Bild 2. Polykondensation von Si-Alkoxiden []
Werden die Moleküle größer, so bilden sich Kolloide (griechisch: leimähnlich), also Aggregate oder Moleküle aus 1000 bis 109 Atomen und Durchmessern von 1-1000 nm. Die kolloidale
Suspension wird Sol genannt. Durch Koagulation, d.h. weitere Vernetzung und Zusammenlagerung der Kolloide tritt unter weiterer Wasser- bzw. Restgruppenabspaltung eine Gelierung
ein, es entstehen Gele und schließlich nach Entwässerung Xerogele (griechisch: xeros = trocken). Man erhält so feste, hochporöse amorphe oder teilkristalline Hydroxide, die durch Calcination in die entsprechenden Oxide überführt werden müssen, oder direkt die Metalloxide.
Die Eigenschaften der Stoffe sind schwer vorhersagbar, da Reaktionsweg, Vernetzungsgrad
usw. noch kaum zu kontrollieren sind. Auch ist es schwierig, die in der Literatur beschriebenen Experimente zu vergleichen, da die meisten Autoren den pH-Wert als Kriterium für die
Säure- bzw. Basecharakter der Lösungsmedien verwenden, obwohl bekannt ist, daß in wässrig-organischen Medien nur die Ho-Funktionen von Bedeutung sind.
In der Praxis werden die Sole z. B. durch Dispergieren frisch gefällter Hydroxide von Al, Mg,
Fe, Si, Ti usw. hergestellt. Man kann das Sol auch direkt durch Hydrolyse der Chloride, z.B.
von AlCl3 oder SiCl4, erhalten. Dieses Sol wird in ein festes Gel überführt, indem man es in
eine Flüssigkeit tropft, die mit ihm wenig oder nicht mischbar ist. Nach dem anschließenden
Trocknen erhält man das Produkt durch Calcinieren. Diese Methode ist vielseitig anwendbar.
So kann ein sehr reines und feinkörniges Si3N4 hergestellt werden, indem in ein SiO2-Sol
feinkörniger Kohlenstoff zu einem homogenen Gel eingerührt wird, das dann sprühgetrocknet
und im N2-Strom bei 1500°C zu Si3N4 umgesetzt wird.
Für die eben geschilderte Methode finden in zunehmendem Maße organische Verbindungen
der betreffenden Elemente Einsatz, meist die in Alkoholen leicht löslichen Ester, z. B. SiTetramethyl- oder -ethylester, Si(OCH3)4, oder Tetraethoxysilan (TEOS), Si(OC2H5)4, oder
Al-Triisopropylester Al(OC3H7)3. Weitere oft verwendete Vorstufenverbindungen des Siliciums sind in ihrer Struktur in Bild 3 gezeigt. Alkalien oder Erdalkalien sind als Alkoholate,
Acrylate oder im betreffenden Lösungsmittel lösliche Salze wie Nitrate einsetzbar. Die erhaltenen Xerogele sind so aktiv, daß ausgehend von obigem Al-Ester transparentes Al2O3 hergestellt werden kann [61]. Dabei ist die Prozeßführung sehr wichtig, um das notwendige feinkörnige Zwischenprodukt in Form von AlO(OH)-Partikeln mit Durchmessern von 20 bis 40
nm zu erhalten. Aus MgO- und Al2O3-Vorstufen bildet sich beim Sintern bereits ab 620°C
Spinell.
Bild 3. Beispiele für Vorstufenverbindungen auf der Basis von Silan-Derivaten []
Die Variationsbreite der naßchemischen Verfahren ist sehr groß. Trotz der oft kostspieligen
Verfahrensschritte zeigen diese synthetischen Rohstoffe wesentliche Vorteile und erlauben
damit Fortschritte in der Herstellung von keramischen Werkstoffen mit besonderen Eigenschaften. Von Vorteil ist z.B. die Verfahrenstechnik nach konventionellen chemischen Methoden bei Raumtemperatur. Ferner sind Beschichtungen oder die Herstellung von Fasern, die
aus den Gelen unter Trocknung gezogen und gesponnen werden, möglich. Letztendlich stellt
der Sol-Gel-Prozeß einen der wesentlichen und industriell sinnvoll beschreitbaren Wege zur
Herstellung nanokristalliner Werkstoffe dar. Der chemische Weg zur Pulversynthese wird
wegen seiner Umweltfreundlichkeit auch als „sanfte Chemie“ oder englisch soft solution processing bezeichnet.
Läßt man den Gelierungsprozeß weiter in einer Hohlform fortschreiten, so erhält man einen
formstabilen Körper, der nach dem langsamen Trocknen als Grünkörper gesintert werden
kann. Problem dieses Gel-Casting-Prozesses ist allerdings die hohe Schwindung, die Entstehung von Schwindungsrissen und die möglicherweise inhomogene Materialverteilung im
Grünkörper, die wiederum zu Schwindungsrissen beim Sintern führt.
6.2.8 Synthese aus reaktiven Lösungen
In den letzten Jahren wurde die Verbrennungssynthese (engl.: combustion synthesis) zu einem
Herstellungsprozess sehr feiner, homogener, kristalliner und unagglomerierter keramischer
Pulver aus multlikomponentigen Oxiden ohne die Zwischenaufspaltung und/oder das Calcinieren entwickelt. Die Methode stammt aus der Treibstoff- und Explosivmitteltechnik und
nutzt eine exotherme, normalerweise sehr schnelle und sich selbst aufrechterhaltende chemische Reaktion. Die Erwärmung, die zum Start der Reaktion benötigt wird, erfolgt dabei über
eine externe Heizung.
Die Verbrennungssynthese wird mit einer gesättigten wässrigen Lösung durchgeführt, die die
gewünschten Metallionen in Form von beispielsweise wasserlöslichen Nitraten sowie einen
passenden organischen Kraftstoff, wie Harnstoff, (CO(NH2)2), enthält. Die richtige Stöchiometrie der Mischung kann aus den Wertigkeiten der Ionen nach bestimmten Regeln ermittelt
werden. Die Lösung wird unter Gelierung zum Kochen gebracht, bis sich die Mischung selbst
entzündet und eine fortdauernde Verbrennungsreaktion stattfindet. Produkt ist ein trockenes
und normalerweise kristallenes, feines Oxidpulver, manchmal in Form eines Schwammes. Die
großen Mengen der bei der Reaktion gebildeten Gase aus CO2, H2O und N2 können zu einer
Flamme führen, die Temperaturen im Bereich von 1000°C erreichen kann.
Der Vorteil dieses Verfahrens liegt einmal in der molekularen Mischung der Ausgangssubstanzen, was z. B. das Einbringen einer genau definierten Menge von Magnesium- bzw. Calciumionen und deren homogene Verteilung im ZrO2-Pulver sicherstellt, sowie in seiner hohen
spezifischen Oberfläche bzw. Korngrenzendichte, was für eine hohe Sinteraktivität und für
eine schnelle heterogene Keimbildung bei Phasenumwandlungen sorgt.
Beispiele für wasserlösliche Salze sind Ca(NO3)2·4H2O, Al(NO3)3·9H2O oder Zr(NO3)4·5H2O.
Neben den Nitraten werden auch Metall-Carboxylate eingesetzt, SiO2 kann entweder in Form
von Metakieselsäuren, Tetraethoxysilan oder Mikrosilica mit hoher spezifischer Oberfläche
eingebracht werden, was aber die Reaktionskinetik stark beeinflußt, da sich letzteres erst lö-
sen muß. Als Brennstoffe kommen neben dem Harnstoff auch Carbohydrazin (H3N2CON2H3),
Tetraformtriazin, Maleinsäure oder Zitronensäure in Frage.
So läßt sich beispielsweise Yttriumoxid-Pulver aus einer in Wasser aufgelösten Mischung aus
Yttriumnitrat und Zitronensäure herstellen, indem man sie unter Rühren bei 85oC geliert und
zur Reaktion bringt. Das entstandene Pulver besitzt eine Korngröße von etwa 20 nm und eine
spezifische Oberfläche von etwa 55 m2/g. Ein anderes Beispiel ist die Synthese von Bleimagnesiumniobat-Pulver aus Blei- und Niob-Carboxylat-Gelen. Die entstehenden Temperaturen müssen im Bereich von 700-750oC eingestellt werden, so daß sich der NiobatMischkristall direkt bildet, ohne daß Pyrochlor entsteht (Bildungstemperatur < 650oC) oder
PbO verdampft (T > 800oC). Eine ausführliche kinetische Diskussion dieser Reaktion findet
sich bei.
6.2.9 Lösungs- und Fällungsprozesse aus Schmelzen
Lösungs- und Fällungsprozesse aus Schmelzen gehorchen denselben physikalisch
-chemischen Gesetzen wie diejenigen aus Lösungen, da Wasser ebenfalls eine Schmelze darstellt. Technisch gesehen laufen Schmelzreaktionen bei sehr viel höheren Temperaturen ab, so
daß die Schmelzen nach dem Abkühlen erstarrt vorliegen. Beispiele für eine Werkstoffsynthese nach dem sog. Hilfsbadverfahren (engl.: auxiliary bath method) sind daher selten. So
werden bestimmte Übergangsmetallcarbide und -boride in Pulverform synthetisiert, indem die
meist metallischen Ausgangsstoffe in einer Metallschmelze auf der Basis von Aluminium-,
Silicium-, Kupfer- , Zinn-, Blei- oder Eisenlegierungen aufgelöst werden und die neuen Substanzen entweder aufgrund der höheren thermodynamischen Stabilität spontan kristallisieren
oder erst während der Verdampfung oder Abkühlung des Hilfsbades. Nach diesem Verfahren
lassen sich komplexe Mischkristalle von (W,Ti,Ta,Nb...)-Carbiden oder (Ti,Zr,Cr,Ta...)Boriden herstellen. Der Vorgang ist ferner gut für die Aufbereitung von Recycling-Material
geeignet, das kaum separierbare Refraktärmetall-Zusammensetzungen aufweist. So werden z.
B. Ferrotitan, Wolframschrott u. a. Übergangsmetalle in einer Fe-Ni-Schmelze unter Zugabe
von Ruß gelöst, der Reaktor langsam abgekühlt und die Metallmatrix mit Säuren herausgelöst. Nach dem Prinzip der Ostwald-Reifung (Kapitel 4.4.4) wachsen die Körner als Funktion
der Ausgangsgrößenverteilung, natürlich auch der Übersättigung und der Zeit, weshalb man
die erwünschte Korngröße und Kornform gut einstellen kann. Durch entsprechende Dotierung
ist es beispielsweise möglich, äquiaxiale oder plattenförmige TiB2-Partikel zu züchten. Die
Gewinnung der Pulver erfolgt durch Auflösen der erstarrten Schmelze auf chemischem Wege.
Die freigelegten Partikel werden konventionell weiterverarbeitet.
Herunterladen