6 April 2003/1 V e r e i n Kinderwunsch Probleme lösen statt Embryonen vernichten: Fortpflanzungsmedizingesetz anpassen Verstoss gegen die Menschenrechte und als untragbaren Widerspruch zu den Zielen des Embryonenschutzes. Um die Vernichtung Hunderter tiefgefrorener Embryonen zu verhin- Der Verein Kinderwunsch unterstützt dern, fordert der Verein Kinderwunsch den Bundesrat und das Par- deshalb die Schaffung eines Bundesge- lament auf, mit einem dringlichen Bundesbeschluss den Übergangs- setzes über die Stammzellenforschung, artikel im Fortpflanzungsmedizingesetz zu ändern und die Frist so fordert Bundesrat und Parlament jedoch lange zu verlängern, bis das neue Stammzellenforschungsgesetz in auf, mit einem dringlichen Bundesbe- Kraft treten kann. schluss die Vernichtung Hunderter tiefgefrorener Embryonen zu verhindern. Der Übergangsartikel im in einer Eingabe an Bundespräsident Fortpflanzungsmedizin- Pascal Couchepin und an die zuständi- gesetz soll mit einem ge Nationalratskommission gegen die dringlichen Bundesbe- Vernichtung tiefgefrorener Embryonen. schluss geändert und die Nach Ansicht des Vereins Kinderwunsch Frist für die Vernichtung darf eine Vernichtung tiefgefrorener tiefgefrorener Embryonen Embryonen nur mit ausdrücklicher Zu- um fünf Jahre bis Ende stimmung des Paares erfolgen nach ei- 2008 verlängert werden. ner vorgängigen Information und Bera- Eine solche Regelung tung durch Fachleute. Die Eltern sollen ermöglicht es dem NatiFOTO: MARKUS SENN Der Verein Kinderwunsch wendet sich auch über die verschiedenen Arten der Vernichtung informiert werden und selber darüber entscheiden können. Für betroffene Paare soll es auch möglich onal- und Ständerat, das Stammzellenforschungsgesetz mit der Differenzbereinigung fundiert Fortpflanzungsmedizin mit künstlicher Befruchtung: Tief- sein, den Embryo weiter tiefgefroren gefrorene Embryonen nicht vernichten ohne Einwilligung durchzuberaten, ohne aufbewahren zu lassen, wenn der Kin- der Eltern. durch die ablaufende derwunsch weiterhin besteht und eine Zeitlimite im Fortpflan- Eileiterpunktion vermieden werden nichten und der Frau bei einem späte- zungsmedizingesetz für die Vernich- kann. Es ist nach Ansicht der Vereins ren Kinderwunsch nochmals einen Ein- tung tiefgefrorener Embryonen verant- Kinderwunsch unethisch und unzumut- griff mit einer Eileiterpunktion zuzumu- wortlich zu sein. bar, einen tiefgefrorenen Embryo zu ver- ten. Die jetzige Bestimmung im Fort- IMPRESSUM Verein Kinderwunsch Postfach 251 CH-8027 Zürich Infoline 0848 86 86 80 www.kinderwunsch.ch [email protected] pflanzungsmedizingesetz mit der Über- Zeit für eine ethisch gangsfrist bis 31. Dezember 2003 wür- akzeptable Lösung de de facto bedeuten, dass der Staat Es wäre auch politisch falsch und nach Ablauf dieser Frist ohne Einwilli- ethisch unverantwortbar, mit einem gung der genetischen Eltern Embryo- neuen Gesetz den Embryo schützen zu nen vernichten könnte. Dies erachtet wollen und durch das Gesetzgebungs- der Verein Kinderwunsch als krassen verfahren parallel dazu Embryonen zu V e r e i n Kinderwunsch vernichten. Im Rahmen des Selbstbe- (27. März 2003), das Volk sei über den stimmungsrechtes der Eltern und im Tisch gezogen worden und habe falsch Einklang mit den Verfassungs- und Ge- entschieden. Das Gegenteil ist der Fall: setzesbestimmungen sollen Eltern auch In diesen drei Jahren sind in der Schweiz die Möglichkeit erhalten, die tiefgefro- rund 1000 unfruchtbare Paare dank E renen Embryonen, respektive die der modernen Fortpflanzungsmedizin zeit entschlossen wir uns, eine Familie Stammzellen daraus für Forschungs- Eltern geworden. Dank der Ablehnung zu gründen. Ich war damals 25 Jahre zwecke zur Verfügung zu stellen, wenn des fundamentalen IVF-Verbots kann alt, und das Thema Kinderlosigkeit war das Vorhaben von der zuständigen kinderlosen Paaren auch weiterhin ge- in den Medien sehr präsent. Ich hörte Ethikkommission bewilligt wurde und holfen werden. Täglich kommen in der von Frauen, die seit zehn oder mehr der Erforschung von Krankheiten und Schweiz zwei IVF-Kinder zur Welt. Nun Jahren vergeblich versuchten, ein Kind deren Behandlung dient. Statt der tota- gilt es zu entscheiden, was mit den von zu bekommen, dachte mir aber nichts len Vernichtung des tiefgefrorenen Em- Guido Appius abwertend als «Neben- weiter dabei. bryos käme es zu einem neuen Verwen- produkt» bezeichneten überzähligen Rund ein Jahr später war ich immer dungszweck, in dem zwar der Embryo Embryonen geschehen soll, da die Über- noch nicht schwanger, und dieser nicht nicht überlebt, aber Stammzellen zur gangsbestimmung des Fortpflanzungs- gewollte Zustand beherrschte mein Erforschung unheilbarer Krankheiten medizingesetzes verlangt, dass über- tägliches Leben immer mehr. Ich be- verwendet werden können. zählige Embryonen vernichtet werden schloss, nicht nur abzuwarten, sondern müssen nach Ablauf einer dreijährigen alles, was in meiner Macht lag zu unter- Übergangsfrist. nehmen. 2 Einwilligung der Eltern Erfahrungsbericht Was lange in knappes Jahr nach unserer Hoch- Nach ersten Untersuchungen beim Der Verein Kinderwunsch erachtet einen neuen Verwendungszweck des tief- Im Widerspruch zu höheren Frauenarzt war eigentlich alles in Ord- gefrorenen Embryos für die Stammzel- Grundrechten nung. Trotz eines nicht ganz regelmäs- lenforschung als prüfenswert und Angesichts der vielen Unklarheiten wä- sigen Eisprungs und nicht ganz super- ethisch verantwortbar. Entscheidend ist re es jetzt völlig verfehlt, vorsorglich schnellen Spermien stand einer spon- dabei als Menschenrecht die Einwilli- Hunderte von Embryonen zu töten statt tanen Schwangerschaft nichts entge- gung der genetischen Eltern des tiefge- die anerkannten Probleme wirklich an- gen – ausser dem Wunsch und dem frorenen Embryos sowie ethische Krite- zugehen. Denn die staatliche Vernich- selbst auferlegten Erfolgsdruck, unbe- rien für die Verwendung in der Stamm- tung der Embryonen steht im Wider- dingt schwanger zu werden. Mein zellenforschung sowie die Zustimmung spruch zu höheren Grundrechten, wie Frauenarzt meinte, es brauche einfach einer Ethikkommission analog den Be- sie in der Europäischen Menschenrechts- etwas mehr Zeit. stimmungen für die klinische Forschung. konvention (EMRK) und dem UNO-Pakt Diese Geduld hatte ich aber nicht! Also über bürgerliche und politische Rechte versuchten wir dem Eisprung mit Clomi- Die Verlierer von damals und dem Biomedizin-Übereinkommen fen auf die Sprünge zu helfen. Mit drei melden sich wieder des Europarates verankert sind. erfolglosen Versuchen, einer Bauchspie- Drei Jahre nach der klaren Ablehnung Das Parlament hat nun die Gelegenheit, gelung zur Kontrolle der Durchgängig- der Volksinitiative für ein Verbot der all dies zu berücksichtigen und mit keit der Eileiter und einer Entfernung modernen Fortpflanzungsmedizin mit dem Stammzellenforschungsgesetz der Krampfadern im Hoden meines der Zeugung im Glas (In-vitro-Fertili- und einer Änderung des Fortpflan- Mannes ging ein weiteres Jahr vorbei. sation) meldet sich der damals unterle- zungsmedizingesetzes den vom Bun- Mein Leben wurde sehr stark durch die gene Hauptinitiant Guido Appius zor- desrat vorgezeigten Weg zu beschrei- Situation in Mitleidenschaft gezogen. nig zurück und behauptet in einem ten und die Probleme zu lösen statt Das ständige Hoch und Tief zerrte an Forum-Artikel der «Basler Zeitung» Embryonen zu vernichten. ■ meinen Nerven. Jede Menstruation V e r e i n Kinderwunsch stürzte mich in tiefe Verzweiflung. Was Um es kurz zu machen: 9 Monate spä- würde ich tun, falls es nie klappen wür- ter brachte ich ein gesundes Zwillings- «publifocus»: Kassenpflicht erwünscht? de? Langjährige Freundschaften mit pärchen auf die Welt. Gute drei Jahre Das Zentrum für Technologie- Paaren, die in dieser Zeit ein Kind er- nach Beginn unserer Familienplanung folgen-Abschätzung TA-SWISS warteten, zerbrachen an unserem war ich endlich Mutter geworden und und das Bundesamt für Sozial- Problem – wobei ich mehr damit zu ich war noch nicht einmal 30 Jahre alt. versicherugen (BSV) führen die- kämpfen hatte als mein Mann. Mein Traum war in Erfüllung gegangen. sen Frühling ein «publifocus» So konnte es nicht weitergehen! Ich Als die Zwillinge 18 Monate alt waren, zur In-vitro-Fertilisation durch. setzte mir ein Ziel: Entweder bin ich bis beschlossen mein Mann und ich noch zu meinem 30. Geburtstag schwanger, einen Versuch zu wagen. Wir hatten D oder ich muss mich damit abfinden, noch einige konservierte Eizellen Jahr 2002 einen Brief an die damalige keine Kinder zu haben. In jenem Falle «übrig» – entschieden aber, nur eines Bundesrätin und Innenministerin Ruth werde ich mir mein Leben neu ausrich- einzusetzen. Unser Besuch beim Arzt Dreifuss und forderte die Kassenpflicht ten müssen. Dieses ständige Hoffen fiel mitten in meine Menstruation, so für die In-vitro-Fertilisation. Die oberste und Bangen würde ich nie und nimmer dass wir den Transfer um mindestens Hüterin der Sozialversicherungen und so lange mitmachen, geschweige denn einen weiteren Monat verschieben der Krankenkassen vertröstete den Ver- ertragen. mussten. Ich sollte mich bei Beginn der ein zwar in ihrer höflichen Antwort auf So entschieden wir uns im Sommer1998 nächsten Menstruation bei ihm melden. spätere Entscheide, handelte aber den- für eine In-vitro-Fertilisation. Die Medi- Diese bekam ich aber nie. In diesem noch rasch: Das Bundesamt für Sozial- kamente zur Eizellstimulation und auch Monat wurde ich spontan schwanger. versicherung wurde beauftragt, mit das Spritzensetzen machten mir gar Mein Frauenarzt hatte also doch Recht. einem sogenannten partizipativen Ver- nichts aus, und ich hatte auch keine Es brauchte einfach etwas mehr Zeit fahren herauszufinden, was die breite nennenswerten Nebenwirkungen. Die als bei anderen Paaren. Öffentlichkeit und die Betroffenen über zwei Wochen zwischen Embryo-Transfer Heute weiss ich, dass ich beim dritten die Kassenpflicht denken. Daraufhin und Schwangerschaftstest hingegen Kind nicht im Traum daran gedacht ha- organisierte das auf solche Verfahren waren die Hölle. Ich versuchte, die Hoff- be, schwanger zu werden. Der Transfer spezialisierte Zentrum für Technologie- nung möglichst klein zu halten, um bei sollte ja erst in ein bis zwei Monaten folgen-Abschätzung TA-SWISS zusam- einem negativen Bescheid nicht allzu erfolgen. Mein Kopf war also völlig frei, men mit dem Bundesamt für Sozialver- tief zu fallen. Ich redete mir ein, dass und es war kein Druck und kein Erfolgs- sicherungen ein «publifocus». Der Ver- es sowieso nicht geklappt hatte, und zwang vorhanden. ein Kinderwunsch wurde eingeladen, in ging dabei meiner Familie ganz schön Trotzdem bin ich froh, dass ich mich der Begleitgruppe mitzuwirken und auf die Nerven. Einen Tag vor der Blut- damals für eine IVF entschieden habe, nahm diese Anfrage gerne an. untersuchung beim Frauenarzt kaufte obwohl ich erst 27 Jahre alt war und Vor rund 25 Jahren ist das erste Retor- ich mir in der Apotheke einen Schwan- eigentlich noch jede Menge Zeit tenbaby zur Welt gekommen, dank der gerschaftstest. Ich wollte es selber wis- gehabt hätte. Jetzt habe ich drei Technik der In-vitro-Fertilisation (IVF). sen und vorbereitet sein. Der Test war gesunde Kinder, die mir jeden Tag Seither hat sie den Kinderwunsch vieler positiv. Ich hatte es also beim ersten Freude und Sorgen bereiten, wie alle Paare erfüllt. Aber die IVF ist nicht oh- Mal gepackt. Dies bestätigte mir einen anderen Kinder ihren Eltern auch. ne Probleme. So stellt sich laut TA-SWISS Tag später auch mein Frauenarzt. Daniela währt, wird endlich gut er Verein Kinderwunsch schrieb im ■ etwa die Frage, wer die Kosten für die- 3 V e r e i n Kinderwunsch Infos Magazin Tipps se Behandlung übernehmen soll: die betroffenen Paare oder, über die Krankenkassen, die Gesellschaft? Und was soll man davon halten, wenn die IVF verwendet wird, um mittels der Präimplantationsdiagnose Erbkrankheiten beim Embryo aufzudecken, bevor dieser in die Gebärmutter eingepflanzt wird? In der Schweiz wurden im Frühling 2003 Informationsveranstaltung: Der Verein Kinderwunsch organisiert in Zusammenarbeit mit der insgesamt fünf «publifocus» organisiert, Frauenklinik in Luzern eine Informationsveranstaltung die sich je aus rund zehn Teilnehmenden Datum: 10. Mai 2003, 10.30 Uhr zusammensetzten. Ein Moderator leite- Ort: Alte Frauenklinik Kantonsspital Luzern, Hörsaal, 6000 Luzern te die Diskussionen unter den Teilneh- Anfahrt: menden und stützte sich dabei auf ein Öffentliche Verkehrsmittel: Raster vorab festgesetzter Fragen ab. Es wurden insgesamt 5 Diskussionsabende 4 Veranstaltungskalender Vom Bahnhof Luzern zum Kantonsspital Luzern: Buslinien 18 und 19 bis Haltestelle Kantonsspital Mit dem Auto: durchgeführt, die je ein unterschiedli- Aus der City (Bahnhof, See, Altstadt), via Seebrücke, Zürichstrasse, Schlossberg, ches Zielpublikum anvisieren: Personen Spitalstrasse oder via Pilatusstrasse, Baselstrasse, Kreuzstutz, Spitalstrasse aus der deutschen, aus der französi- Von der Autobahn via Ausfahrt «Emmen Süd» oder «Luzern Zentrum» schen und aus der italienischen Schweiz, und der Signalisation «Spital» folgen Patienten, welche die In-vitro-Fertilisa- Anreise und Lageplan des Kantonsspitals Luzern: tion in Anspruch genommen haben sowie Personen, welche sich zur Alternative Adoption entschlossen haben. Wir werden Sie im nächsten Newsletter über die Resultate und Erfahrungen mit siehe www.ksl.ch Die Themen und Referenten: ■ Künstliche Befruchtung – Vorgehen und Erfolgschancen Dr. Anne-Catherine Girard, Leitende Ärztin, Frauenklinik Luzern Yvonne Tellini, Cheflaborantin IVF-Labor, Frauenklinik Luzern ■ Erfahrungsbericht einer betroffenen Frau diesen Publifocus-Diskussionsrunden Externe Beratung – Zusammenarbeit mit dem Spitalteam informieren. Maritta Steiner ■ Die Rolle des Urologen in der Fertilitätsabklärung und -behandlung Dr. Markus Zurkirchen, Urologe Infos über Mitgliedschaft: Werden Sie Mitglied oder Gönner des Vereins Kinderwunsch. Sie können sich schriftlich oder per E-Mail anmelden: Verein Kinderwunsch, Postfach 251, 8027 Zürich oder [email protected]. Der Mitgliederbeitrag beträgt 30.– Franken für Einzelmitglieder und 50.– für Paare. Gönnerbeiträge und Spenden werden dankbar entgegengenommen (PC Verein Kinderwunsch: 87- 82362-8). ■ Vorstellung der Selbsthilfegruppe Frau Marchi Anschliessend Diskussion und Fragen Nach der Veranstaltung wird ein Apéro mit kleinen Snacks offeriert. Vernichtung tiefgefrorener Embryonen: Verein Kinderwunsch berät und unterstützt betroffene Paare Der Verein Kinderwunsch hat ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben über die Zerstörung tiefgefrorener Embryonen. Anfang Mai 2003 sollte das Gutachten vorliegen und vom Verein veröffentlicht werden. Der Vorstand des Vereins Kinderwunsch hat zudem beschlossen, betroffene Paare, die sich gegen die Vernichtung der tiefgefrorenen Embryonen wehren, zu unterstützen. Nach Ansicht des Vereins Kinderwunsch steht die Zerstörung von Embryonen gegen den Willen der betroffenen Paare im Widerspruch zu den Menschenrechten und internationaler Übereinkommen (vgl. Bericht auf Seite 1). Betroffene Paare können sich an die Infoline Kinderwunsch am Beratungstelefon (0848 86 86 80) oder per E-Mail ([email protected]) wenden. Vorgängig sollten sich betroffene Paare beim IVF-Zentrum melden, um abzuklären, ob es sich um tiefgefrorene Embryonen oder um Eizellen im sogenannten Vorkernstadium handelt. Von der Vernichtung betroffen sind gemäss Übergansfrist des Fortpflanzungsmedizingesetzes per Ende 2003 nur die tiefgefrorenen Embryonen. ■