Vortrag für die Fortbildung am 06

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Co-Abhängigkeit - Vortrag vom 06.09.2011 - R. Steffen ______________
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Thema: „Co-Abhängigkeit“
Fortbildung im Rahmen der Integrierten Versorgung
Abhängigkeitskranke DAK/AOK/BKK Landesverband
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Vorbemerkungen über das Karussell
Ich beginne meinen Vortrag mit Bemerkungen über das Karussell. Das Karussell oder die
Kirmes üben seit dem 16. Jahrhundert auf eine bestimmte Gruppe von Menschen eine große
Anziehungskraft aus. Michael Balint, der intensiv die Arzt-Patienten-Beziehungen untersucht
hat, hat über die Beschäftigung mit dem Karussell und dem Jahrmarkt zwei Typen von
gestörten, narzisstischen Beziehungen unterschieden. Er bezeichnet als philobatische
Menschen solche, die versuchen auf sich selbst gestellt, frei von anderen sich zu bewegen,
wie ein Flieger um dabei punktuell immer wieder neu andere Menschen zu erobern und zu
unterwerfen. Von ihnen unterscheidet er die oknophilen, die dadurch gekennzeichnet sind,
dass sie sich an andere schutz- und gehaltensein- suchend anklammern in der ständigen
Angst, den wichtigen anderen zu verlieren. Das Karussell bietet die illusionäre regressive
Möglichkeit, beides scheinbar zu vereinigen. Das Kennzeichen des Karussells ist der
Schwindel in seiner doppelten Bedeutung. Einerseits Schwindel als Gefühlssensation und
andererseits Schwindel als Täuschung, Illusion und Lüge. Das Karussell gibt uns die Illusion
der freien, teils rauschhaften Bewegtheit und andererseits sorgt es dafür, dass wir fest
verankert am selben Ort bleiben. In meinen weiteren Ausführungen wird das Karussell als
Bild für die grundlegende süchtige und co-süchtige Beziehung wieder in Erscheinung treten.
Co-Abhängigkeit
Co-Abhängigkeit gehört zu Begriffen, die wir, und damit meine ich vor allem uns
therapeutisch Tätigen, im Alltag ständig gebrauchen, ohne jedoch uns selbst gegenüber oder
in der Kommunikation mit Anderen geklärt zu haben, was wir damit meinen. Im
überwiegenden Sprachgebrauch meinen wir die Haltung oder das Verhalten eines
Menschen, mit dem er auf eine überwiegend verborgene Art und Weise die Sucht eines
Anderen unterstützt und damit unterschwellig dazu beiträgt, dass er nicht mit den Folgen
seines Konsums konfrontiert wird und resultierende Konsequenzen erfährt. Dies verhindert
dann oft eine notwendige und angemessene Behandlung. Andererseits ist mit dem Begriff
manchmal eine Art Miterkrankung gemeint, was ausdrückt, dass der Andere, der CoSüchtige eben, über die Sucht des Betroffenen und seine Entwicklung selbst krank wird. Es
geht dabei um die Vorstellung, dass eine solche belastende Situation wie die Sucht, auf
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Dauer nicht gesund auszuhalten ist. Zum anderen kann jedoch mit Co-Abhängigkeit eine
Form der Beziehungsstörung gemeint sein und findet dann auch konkretere Formulierungen
wie Beziehungssucht oder Liebessucht und drückt aus, dass der von Co-Abhängigkeit
Betroffene selbst süchtig am anderen hängt und seine Entwicklungsmöglichkeit verloren hat.
Dann ist in der Regel damit gemeint, dass der Co-Süchtige selbst an einer eigenständigen
Krankheit leidet, deren Entwicklung in ihm schon begonnen hat, bevor er den aktiv süchtigen
Partner im Leben getroffen hat. Co-Süchtige stammen oft aus gestörten familiären
Situationen, bei denen wir häufig nicht nur süchtige, sondern auch rigide, autoritäre und
unterschwellig verachtende Strukturen finden.
Wenn wir uns fragen, wer von Co-Abhängigkeit betroffen ist, so denken wir zunächst an die
nahen Angehörigen eines Suchtkranken. Wir denken insbesondere an die Partnerinnen und
wissen, dass Frauen deutlich häufiger von dem Problem betroffen sind als Männer. Vor
allem denken wir dabei auch an die Kinder und wissen, dass langfristig 3 von 4 Kindern aus
einer süchtigen Familie selbst in irgendeiner Form psychisch krank werden. Bei Co-Sucht
fallen uns aber auch die Arbeitskollegen ein, natürlich auch Ärzte und Therapeuten in ihren
Beziehungen zu den Patienten aber auch Organisationen, Einrichtungen und Firmen, die in
der Art und Weise des „Co“ mit der Sucht zu tun haben. Ganze Gesellschaften können sich
zu co-süchtigen Strukturen entwickeln, die letztendlich die Entwicklung und den Erhalt von
Suchterkrankungen begünstigen.
Wir sehen, es handelt sich um ein vielschichtiges Problem, das ich in einer ersten
Annäherung als „Verstrickung“ bezeichnen möchte. Mit Verstrickung meinen wir, dass etwas
mit Stricken umschnürt und verflochten ist. Wenn dies geschieht, kommt es zu einer
eingeschränkten Bewegungsfreiheit, zu einer Eingrenzung und Fesselung. Verstrickt sein
heißt aber auch, verflochten zu sein, mit der Vorstellung, in diesem Ineinander
übergehenden Umschlungensein nur schwer einen Ausweg zu finden.
Die Kollusion
Der schweizer Psychiater und Paartherapeut Jürg Willi hat für diese Verstrickung den Begriff
der „Kollusion“ gewählt.
Kollusion leitet sich zunächst vom lateinischen „colludere“ ab mit der Wortbedeutung: Mit
jemandem spielen, aber auch mit der Bedeutung, mit jemandem unter einer Decke stecken.
Demnach wird das lateinische Substantiv „collusio“ mit „geheimem Einverständnis“
übersetzt.
Willi beschreibt mit Kollusion die Situation eines Paares, die sich in seinem Verständnis
dadurch entwickelt hat, dass die beiden, die das Paar bilden, ähnliche und sich ergänzende
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Reaktions-
und
Beziehungsbereitschaften
aufweisen,
die
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miteinander
in
eine
Wechselwirkung geraten. In der Kollusion entsteht dadurch eine Situation, in der jeder von
beiden jeweils im anderen die Bestätigung für die eigenen falschen Vorstellungen über sich
selbst gefunden hat, in dieser Fehleinschätzung bekräftigt wird und dieser Täuschung,
diesem Schein über sich selbst der Eindruck von Wirklichkeit verliehen wird. Willi betont in
seinem Konzept, dass dieser Prozess der kollusiven Paarbildung durch sehr starke
emotionale Kräfte gekennzeichnet ist und dem Paar selbst eine sehr hohe aber unreife
Kohäsion verleiht. Dabei bleibt im wesentlichen dieser starke Zusammenhalt, eine Art
Zusammenkleben der beiden für die Beteiligten „geheim“ oder unbewusst. Für Willi ist der
Ausgangspunkt dieser Entwicklung eine jeweils persönliche Störung des Selbstgefühls in der
Entwicklung, eine erhöhte Anfälligkeit für narzisstische Kränkungen und Krisen, die in der
intersubjektiven Verschränkung mit dem anderen ausgeglichen wird. In der Kollusion finden
wir also eine verstrickte intersubjektive Beziehungssituation, ein Paar, mit einem
bemerkenswert hohen Zusammenhalt, welches im Grunde aber krank ist und sehr störbar.
Durch die Verstrickung des kollusiven Paarprozesses werden beide in der Beweglichkeit
ihres Entwicklungsprozesses gehindert und zahlen als Preis für die vordergründige
gegenseitige Entlastung fortschreitende Symptombildungen und Krisenanfälligkeit. Die
Kollusion ist also eine Paarpathologie, die sich jedoch nicht nur bei den Ehepaaren findet,
sondern in hohem und relevantem Maße ebenso bei den therapeutischen Paaren der ArztPatient-Beziehung. Genauso finden wir jedoch auch, wie ich bereits eingangs erwähnt habe,
diese pathogene Verstrickung in Organisationen und Einrichtungen, wie Betrieben und
Kliniken, wobei insbesondere die suchttherapeutischen Einrichtungen in besonderem Maße
und mit einer besonderen Anfälligkeit davon betroffen sind.
Die co-süchtige Persönlichkeitsstörung
Bei der co-süchtigen Persönlichkeitsstörung handelt es sich um eine sogenannte SelbstPathologie, die wir auch als narzisstische Persönlichkeitsstörung bezeichnen. Wir finden den
Ausgangspunkt oft in erheblich gestörten familiären Systemen, in denen häufig
Abhängigkeitserkrankungen der Eltern vorkommen. Vor diesem Hintergrund haben die
Kinder
erhebliche
Schwierigkeiten
mit
der
Entwicklung
stabiler,
haltgebender
Persönlichkeitsstrukturen als Niederschlag eines fundamentalen, intersubjektiven Prozesses
mit den Eltern. Dies führt zu einer gestörten Persönlichkeit, bei der das Selbstwertgefühl nur
gering ausgeprägt ist, Kränkungen nur schwer ertragen werden und drohende oder
tatsächlich stattfindende Verlusterlebnisse zu großer Angst oder Gefühlen der inneren Leere
mit Depressivität führen können. Die Menschen sind im Folgenden in ihrer Vertrauensbildung
und in ihrer Fähigkeit, sich auf entwicklungsfördernde, liebevolle Beziehungen einzulassen,
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deutlich gestört. Als Folge davon findet sich in Beziehungen eine übertriebene Fürsorge, die
jedoch aus dem Angewiesensein auf ständige Bestätigung durch den Anderen entsteht. Dem
Anderen zu helfen hat dabei vor allem die Funktion, sich seiner zu bemächtigen und dabei
Kontrolle über ihn zu gewinnen. Der Helfende ist angewiesen auf das Gefühl, gebraucht zu
werden. Hinter der Hilfe steht also eine subtile Selbstbezogenheit, bei der der Andere mit
seinen eigentlichen Bedürfnissen nicht richtig wahrgenommen wird. Es entsteht ein
Gespinst, eine diffuse Verstrickung von Idealisierung und Abwertung, von Hassliebe, von
Lügen und Täuschungsmanövern, von Leichtgläubigkeit und eifersüchtiger Kontrolle. In
dieser Entwicklung kommt es zu einem Verlust der eigenen stabilen moralischen Werte und
zu einer schleichenden Störung der Selbstfürsorge. Über all dieser Entwicklung schwebt
jedoch eine ständige diffuse Angst, eine drohende Depressivität oder Verlust des
psychosomatischen Zusammenhaltes.
Der Verlauf
Wir haben es in der Regel mit einem jahrelang schleichenden Verlauf zu tun, bis sich erste
Zeichen einer gestörten Entwicklung bemerkbar machen. Als äußeres Kennzeichen findet
sich vor allem eine jahrelange Stabilität, in der sich das co-süchtige Paar vordergründig
entlastet, sich zusammenschließt und die schleichende Verleugnung der Wirklichkeit
rechthaberisch gegenüber Dritten nach außen verteidigt. Wenn nach Jahren die Sucht
zunehmend in Erscheinung tritt, geht es in einer ersten sogenannten Entschuldigungs- und
Beschützerphase zunächst darum, die Sucht weiter zu verleugnen, Verständnis zu zeigen,
den Betroffenen zu entlasten und zu helfen. Für die Sucht finden sich vielfältige
beschwichtigende und verharmlosende Erklärungen, durch die das auffällige Verhalten zum
alltäglichen und unauffälligen gemacht wird. Dies alles dient dem Co-abhängigen dazu, sein
gefährdetes und brüchiges Selbstwertgefühl nach außen aufrechtzuerhalten. Das weitere
Fortschreiben der Sucht bringt jedoch diese brüchige Selbstwertregulierung aus dem
Gleichgewicht und der Co-Süchtige versucht in der Kontrollphase, das Problem „in den Griff
zu kriegen. Der Gebrauch des Suchtmittels wird kontrolliert und überwacht, die Getränke
werden gezählt, der Alkoholeinkauf wird reglementiert, die Laborwerte, die pathologisch sind,
werden ständig überprüft, Regeln, die nicht einzuhalten sind, werden aufgestellt und es wird
umso heftiger versucht, das süchtige Verhalten und die Folgen nach außen hin zu
vertuschen. Es kommt zu einem ständigen Wechsel zwischen Versprechungen und
Enttäuschungen, von neuen Hoffnungen und neuen Verzweiflungen, wobei jedoch beide, der
Süchtige selbst wie der Co-abhängige in diesen Versuchen scheitern. In der Anklagephase
schließlich schlägt vor dem Hintergrund des drohenden endgültigen Scheiterns des CoSüchtigen die Haltung in heftige Anklagen und aggressive Beschuldigungen um. In
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wütenden Attacken wird der Süchtige maßlos beschuldigt und verachtet, er soll Schuld und
Verantwortung übernehmen für all das, was letztendlich in der Familie oder seinem
Beziehungssystem nicht funktioniert. In dieser Phase kommt es zu heftigen aggressiven
Zurückweisungen des Süchtigen, zum zum Teil gefährlichem Entzug von Hilfe und
notwendiger Unterstützung. Diese geschilderten Phasen kommen nebeneinander und
kombiniert vor, wir begegnen ihnen in Familie, zwischen therapeutischen Paaren, in
Einrichtungen und Betrieben. So kann gleichzeitig eine Ehefrau ihren süchtigen Mann
verachtend und voller Vorwürfe anklagen, während seine mitleidenden Kollegen noch
versuchen, sein auffälliges Verhalten zu kontrollieren und Störungen zu vertuschen und der
behandelnde Hausarzt voller Verständnis für das Ganze Erklärungen findet und nach
helfender Entlastung sucht. Es handelt sich um Kreis- und Schleifenprozesse, die jedoch
stets dadurch gekennzeichnet sind, dass es zu einer Verleugnung der Wirklichkeit kommt
ohne Konsequenzen und verändernde Handlungen stets ausbleiben. Es ist ein ständiger,
sich selbsterhaltender Kreisprozess. Die co-süchtige Aktivität und Bewegung ist eine
Scheinbewegung, wie das Karussellfahren. Man dreht sich um einen Punkt, unternimmt eine
neue Fahrt, bleibt am selben Punkt stehen, löst ein neues Ticket und macht sich auf die
neue Runde. Im chronifizierten Verlauf der Suchtkirmes kommt es schließlich für den
betroffenen
Suchtkranken
selbst
zum
körperlichen,
psychischen
und
sozialen
Zusammenbruch, vielleicht aber auch zuerst zum Zusammenbruch des co-süchtigen
Partners
mit
der
Ausprägung
von
Angst,
Depression
und
psychosomatischer
Symptombildung, oft jedoch zu einem Zusammenbruch der Kinder mit erheblichen
Entwicklungsstörungen und Beeinträchtigungen. Auf der institutionellen und betrieblichen
Ebene kommt es zu massiven Störungen der Arbeitssituation, der kommunikativen Abläufen,
zu Fehlzeiten, zur Häufung von Unfällen und letztendlich zu einer Verschlechterung des
betriebswirtschaftlichen Ergebnisses und zu kaum zu bewältigenden Gesundheitskosten.
Was ist zu tun?
Ich habe ihnen deutlich gemacht, das Sucht Verstrickung bedeutet. Es handelt sich um eine
systemische Erkrankung, die nie auf den einzelnen Betroffenen beschränkt bleibt, sondern
über die intersubjektiven Kanäle zu Störungen und Erkrankungen der mitbetroffenen
Angehörigen, der Helfer und der Kollegen führt. In der Suchttherapie gilt der Grundsatz, dass
zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Angehörige in die Behandlungsplanung und
Behandlungsdurchführung
einzubeziehen
sind.
Dabei
geht
es
einerseits
um
die
Notwendigkeit mit Blick auf den Betroffenen Dynamiken und Widerstände zu erkennen, die
einer erfolgreichen Behandlung entgegenstehen. Andererseits soll es für Angehörige zu
einem möglichst frühen Zeitpunkt die Gelegenheit geben, sich mit der eigenen
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Mitbetroffenheit auseinander zu setzen und für sich selbst eine eigenständige Behandlung zu
finden. Dies kann dazu führen, dass der co-süchtige Angehörige seine oft bestehende
eigene Krankheitssituation neu überdenkt und sich zu einer eigenen psychotherapeutischen
Behandlung entschließt. Auf der Ebene der Betriebe und Organisationen ist es notwendig,
die Gefahr der co-süchtigen Verstrickung anzuerkennen und zur Etablierung betrieblicher
Lösungsansätze, beispielsweise in Form von Betriebsvereinbarungen, zu kommen. In
Betrieben müssen klare Handlungsabläufe entstehen, die über tatsächliche Konsequenzen
zu einem Ausstieg aus dem süchtigen Kreisprozess führen. Die Gefahr der co-süchtigen
kollusiven Verstrickung ist überall dort besonders groß, wo wir uns als professionelle Helfer,
als Ärzte, Therapeuten und Rehabilitationseinrichtungen auf einen zumindest partiellen
intersubjektiven Beziehungsprozess mit den Abhängigkeitskranken einlassen müssen. Oft
geschieht dies, weil es eben besonders verführerisch ist, ein kollusives Paar zu bilden in
dem Versuch, eine ausschließende Zweierbeziehung aufzubauen. Balint und seine
Arbeitsgruppe hat in den 1950er Jahren eine spezifische, hochgestörte, süchtige ArztPatient-Beziehung
beschrieben.
Diese
bildet
die
Grundlage für
chronifizierende
Abhängigkeitsentwicklungen in ärztlichen Behandlungen und insbesondere für die
Etablierung und Aufrechterhaltung einer Medikamentenabhängigkeit. Hier stehen wir vor
dem immensen Problem der iatrogenen Sucht; wir gehen von gut 2 Millionen
medikamentenabhängigen
Patienten
in
Deutschland
aus,
die
in
unserem
Versorgungssystem, eben weil sie in diesem System gestützt werden, nur eine minimale
Chance haben, in eine angemessene Behandlung zu kommen.
Die co-süchtige Verstrickung droht vor allem in therapeutischen Zweierbeziehungen. Unter
anderem dies ist der Grund dafür, dass die Suchtbehandlung immer die Öffnung hin zu
einem Dritten erfordert und letztendlich in der Regel auf der Grundlage einer
Gruppentherapie erfolgt. Die Behandlung erfordert einen ständigen supervidierenden
Prozess,
insbesondere im
Rahmen der Arbeit
Suchtrehabilitationseinrichtungen.
Ohne
diesen
von ambulanten und stationären
ständigen
Prozess
der
kollegialen
Intervention und Supervision sind solche Einrichtungen letztendlich erfolgversprechend kaum
arbeitsfähig. Wir Therapeuten müssen in der Lage sein, Kränkungen und Misserfolge
auszuhalten, Rückschläge zu akzeptieren und darauf verzichten, durch suchtausweitende
und entlastende Medikation Macht über den Patienten zu sichern. Nur wenn uns dies gelingt,
sind unsere Arztpraxen und Ambulanzen, Kliniken und Rehaeinrichtungen etwas anderes als
weitere Karussells aus dem Kirmesplatz der Sucht.
Rainer Steffen
Verantwortender Arzt der Einrichtung
FA Psychiatrie und Psychotherapie
FA Psychosomatische Medizin
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