DEUTSCHE GESELLSCHAFT ZUM STUDIUM DES SCHMERZES e.V. (DGSS) Sektion der International Association for the Study of Pain (IASP) Pressestelle SPERRFRIST: 7. Oktober 2004 Warum der Wattebausch quält und Aspirin ins Rückenmark muss Verleihung der Förderpreise für Schmerzforschung 2004 Schon die Berührung mit einem Wattebausch ist für Patienten mit sog. Komplex-Regionalen Schmerzsyndrom unerträglich: Nach einer leichten Verletzung leiden sie an dauernden Schwellungen, motorischen Störungen und Schmerzen. Den Grund dafür fand Dr. Christian Maihöfner (Universität Erlangen-Nürnberg) im Zentralnervensystem: Die Repräsentation des betroffenen Körperteils im Gehirn ist – überraschenderweise – verkleinert. Dieses Forschungsergebnis prämiert die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e. V. mit einem der Preise für Schmerzforschung 2004. Prof. Dr. Michael Zenz, Präsident der DGSS, verleiht die insgesamt drei Förderpreise in den Kategorien klinische und Grundlagenforschung bei der Eröffnung des Deutschen Schmerzkongresses 2004 (7. Oktober, 8.30 bis 10 Uhr, Neue Messe Leipzig). Die prämierten Grundlagenforscher konnten u.a. den Weg eines Schmerzreizes zum Gehirn verfolgen und ihn bremsen. Stifter der Preise ist die Grünenthal GmbH. Zur Preisverleihung sind die Medien herzlich eingeladen! CRPS: Falsche Größenverhältnisse im Gehirn Die Ursachen für Komplex-Regionale Schmerzsyndrome (CRPS), die früher als Morbus Sudeck oder Kausalgie bezeichnet wurden, sind weitgehend unklar. Man vermutet aber u. a. eine Beteiligung des zentralen Nervensystems (ZNS). In seiner Arbeit „Kortikale Plastizität bei Komplex-Regionalen Schmerzsyndromen“, die mit dem ersten Preis der Kategorie Klinische Forschung ausgezeichnet wurde, untersuchte Dr. Christian Maihöfner Veränderungen im Gehirn von Patienten mit CRPS mit der nicht-invasiven Magnetenzephalographie (MEG). So gelang es ihm, die fehlgeleitete zentrale Verarbeitung von sensorischen Reizen aufzuspüren: Normalerweise ist jeder Körperteil in einer bestimmten Region des Gehirns repräsentiert. Wichtige Körperpartien, z.B. die Hände, nehmen besonders große Hirnbereiche in Anspruch. Bei Patienten mit CRPS an der Hand zeigte sich überraschenderweise, dass die Handrepräsentation auf der betroffenen Seite geschrumpft war. Diese Verkleinerung der Handrepräsentation korrelierte positiv mit der Schmerzhaftigkeit der Erkrankung und der Ausdehnung der Überempfindlichkeit. „Diese zentralen Veränderungen können sehr gut die komplexen sensiblen Symptome an der betroffenen Extremität bei CRPS-Patienten erklären“, so Dr. Maihöfner. Es zeigte sich auch, dass sich die plastischen Veränderungen im Gehirn wieder rückgängig machen lassen: Nach multimodaler Therapie der Patienten war die Handrepräsentation im Gehirn wieder normal groß. Diese Wiederherstellung der Größenverhältnisse im Gehirn stand in direktem Zusammenhang mit der Rückbildung der Nervenschmerzen. Kontakt: Dr. Christian Maihöfner, Neurologische Klinik mit Poliklinik und Institut für Physiologie und experimentelle Pathophysiologie der Universität Erlangen-Nürnberg, E-Mail: [email protected] Warum Aspirin ins Rückenmark muss Den ersten Preis in der Kategorie Grundlagenforschung erhält Ulrike Depner (Erlangen-Nürnberg) für ihre Arbeit: „Der α3 Glycinrezeptor: Ein essentielles Schlüsselelement der PGE2 vermittelten entzündlichen Schmerzsensibilisierung“. Verletzungen und Entzündungen sensibilisieren den Körper gegenüber Schmerzreizen. Eine zentrale Rolle spielen dabei Prostaglandine: Diese Botenstoffe werden sowohl am Ort der Verletzung, als auch im zentralen Nervensystem vor allem im Rückenmark gebildet. Pressestelle der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) c/o Ruhr-Universität Bochum, Raum UV 3/366, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-26952, Fax: 0234/32-14136, E-Mail: [email protected] Internet: http://www.dgss.org Schmerzmittel vom Typ des Aspirins blockieren den Schmerz, indem sie die Bildung von Prostaglandinen hemmen. Lange Zeit war unbekannt, wie Prostaglandine das Schmerzempfinden steigern und welche Rolle das Rückenmark dabei spielt. Vor wenigen Jahren wurde entdeckt, dass ein bestimmtes Prostaglandin (E2) die Hemmung von schmerzverarbeitenden Neuronen im Rückenmark durch den Botenstoff Glycin vermindert. Der direkte Nachweis der Bedeutung dieser Hemmung für die Schmerzverarbeitung konnte damals jedoch nicht erbracht werden. Er gelang jetzt in der prämierten Arbeit: Die Forscher identifizierten die Glycinrezeptoren, die durch Prostaglandin E2 gehemmt werden. Dieser als alpha3 bezeichnete Subtyp findet sich nur in den „Schmerz“-verarbeitenden Neuronen des Rückenmarks. Genveränderte Mäuse, denen diese Glycinrezeptoren, sind gegenüber der Schmerzsensibilisierenden Wirkung von im Rückenmark gebildeten Prostaglandinen geschützt. Während entzündungsbedingte Schmerzen bei genetisch unveränderten Tieren über eine Woche lang anhielten, erholten sich ihre genetisch veränderten Geschwister signifikant schneller. Schon nach weniger als 24 Stunden übernimmt das Rückenmark eine dominante Rolle bei der entzündungsbedingten Schmerzsensibilisierung. Dieses Ergebnis erklärt auch, wie analgetische Arzneistoffe von Typ des Aspirins molekularpharmakologisch wirken. Kontakt: Ulrike Depner, Institut für Toxikologie und Pharmakologie, Universität Erlangen-Nürnberg, E-Mail: [email protected] Schmerzlinderung über Rezeptortyp P2Y Mit dem zweiten Preis in der Kategorie Grundlagenforschung wurde die Gruppe um Dr. Zoltan Gerevich, Dr. Wolfgang Schröder und Dr. Sebastian J. Borvendeg von der Universität Leipzig ausgezeichnet. Im Zentrum ihrer Untersuchungen steht das Adenosin-5’-triphosphat (ATP), ein Molekül, ein wichtiger chemischer Energieträger in lebenden Zellen. Vor einigen Jahren wurde entdeckt, dass ATP über verschiedene Rezeptoren außerdem biologische Signale vermitteln kann. Eine wichtige Funktion von ATP ist die Stimulation sog. P2X-Rezeptortypen an den Endigungen und Zellkörpern der sensorischen Nervenzellen des peripheren Nervensystems. Dies löst einen schmerzhaften Reiz aus. Die Leipziger Forscher haben nun entdeckt, dass ATP an diesen sensorischen Nervenzellen darüber hinaus einen zweiten, sog. P2Y-Rezeptortyp aktiviert, der im Gegensatz dazu Schmerzreize vermindern kann. Sie wiesen nach, dass bestimmte ATP-ähnliche Verbindungen, wenn man sie in die Nähe des Rückenmarks spritzt, schmerzlindernd wirken können. Sie klärten auch, wie das funktioniert: Offenbar vermindert die Substanz die Freisetzung des erregenden Botenstoffs Glutamat im Rückenmark und damit die Weiterleitung der Schmerzreize in Richtung Gehirn, wo schließlich die bewusste Wahrnehmung des Schmerzes erfolgt. Kontakt: Dr. Zoltan Gerevich, Rudolph-Boehm-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Leipzig, Härtelstraße 16-18, 04107 Leipzig, E-mail: [email protected] Weitere Termine beim Deutschen Schmerzkongress Mittwoch, 6. Oktober 2004 11 Uhr Auftaktpressekonferenz Stichwörter: Qualitätsoffensive Rückenschmerz, aktuelle Versorgungssituation Schmerztherapie, Kopfschmerztherapie, Palliativmedizin Donnerstag, 7. Oktober 2004 11.00 Uhr Themenpressekonferenz „Neue Methoden in der Schmerztherapie“ Stichwörter: Schmerzfreies Krankenhaus, Schmerzgedächtnis überschreiben, Schmerzlinderung durch Stimulation des Nervensystems Freitag, 8. Oktober 2004 12.00 Uhr Themenpressekonferenz Aktuelles aus der Forschung Stichwörter: Erste Ergebnisse der BMBF-geförderten Forschungsverbünde Rückenschmerz und Neuropathischer Schmerz 14.00 Uhr Jubiläumspressekonferenz 25 Jahre Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft Das vollständige Programm des Kongresses, ein Anmeldeformular und weitere Informationen finden Sie auch im Internet unter http://www.schmerzkongress.de. Pressestelle der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) c/o Ruhr-Universität Bochum, Raum UV 3/366, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-26952, Fax: 0234/32-14136, E-Mail: [email protected] Internet: http://www.dgss.org