Das Klima als Entwurfs- faktor im Bürobau

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Haustech Dezember 2013, Nr. 12
Das Klima als Entwurfsfaktor im Bürobau
Entscheidungen in der frühen Phase des konzeptionellen Entwurfs haben die
grössten energetischen Auswirkungen. Eine Studie der Hochschule
Luzern zeigt deren Einfluss auf die Energiebilanz von Bürogebäuden auf.
Text Gianrico Settembrini, David Leuzinger, Dieter Lüthi und Urs-Peter Menti
 Gebäude verbrauchen Ressourcen und
produzieren beträchtliche Mengen Schadstoffe. Energieeffizientes Bauen muss
deshalb ein Anliegen der Architektur sein.
Das Buch «Das Klima als Entwurfsfaktor»[1a] zeigte den Einfluss frühkonzeptioneller Überlegungen auf Energiebilanzen von Wohnbauten auf. Mit der
zweiten, soeben erschienenen Auflage
des Buches[1b] wurden die Berechnungen
aktualisiert und ergänzt. Im vorliegenden
Bericht werden diese Erkenntnisse auf
Bürobauten erweitert.
Methodik
In der Studie werden wichtige Parameter
eines Entwurfes wie Orientierung,Volumetrie, Materialisierung, Öffnungsverhalten
usw. an einem fiktiven Gebäude untersucht. Ausgangslage bildet ein viergeschossiges Bürogebäude mit einer Energiebezugsfläche von 2400 m2 (LxBxH =
15x40x14 Meter). Die Basisvariante geht
von einem südorientierten Massivbau mit
Kompaktfassade aus. Das Gebäude steht
im Mittelland und verfügt über einen
Fensteranteil von 75 Prozent, welcher
gleichmässig auf die Fassaden verteilt ist.
Es werden 3-fach-Isolierverglasungen,
automatisch gesteuerte Sonnenschutzelemente und opake Bauteile mit einem
U-Wert von 0.2 W/m2K angenommen.
Ausgehend von diesem Baukörper (in
der Abbildung 2 als Variante 0 «Basis» gekennzeichnet) werden einzelne Parameter
verändert und in Relation zur Basisvariante
gesetzt, wobei die Energiebezugsfläche
beibehalten wird.
Gesucht sind Strategien, die den Gesamtenergiebedarf über den ganzen Lebenszyklus des Gebäudes optimieren. Es
werden die Nutzenergie für die Raumwärme, Raumkühlung und Beleuchtung sowie
die Graue Energie für die Erstellung,
Unterhalt und den Rückbau des Gebäudes
ausgewiesen. Auf den Energiebedarf für
Warmwasser, Lüftung oder Betriebseinrichtungen wird nicht eingegangen, da er
bei den vorgenommenen Variationen als
nahezu konstant angenommen werden
Nutzenergie in Abhängigkeit des Standorts
(Werte in kWh/m2a)
Zur Ermittlung der
Lugano
Basel
Zürich Engelberg Davos
25
(Basis)
PEne und der TGHEmissionen werden
20
anschliessend diese
Werte mit den ent15
sprechenden Faktoren
und Koeffizienten
10
für den CH-Strommix
multipliziert. In der
Studie wird die
5
Wärme-/Kälteerzeugung
mit Sole-Wasser-WP
0
(JAZ 3.9/3.8)
Beleuchtung
Kühlung
Heizung
angenommen.
Abbildung 1
In unseren Breitengraden wird nicht immer von einem Kühlsystem ausgegangen.
In solchen Fällen entspricht ein hoher Kühlbedarf in Realität
einem Raum mit zeitweise erhöhten Raumlufttemperaturen und
entsprechend vermindertem thermischem Komfort.
kWh/m2a
46
kann. Als Kennwerte dienen die nicht erneuerbare Primärenergie (PEne) und die
Treibhausgasemissionen (THG).
Der Betriebsenergiebedarf wird mit
«IDA ICE 4.51»[2] errechnet, einer Software
für thermische Raumsimulationen. Die
Ermittlung der Grauen Energie und
THG-Emissionen erfolgt anhand der Rechenhilfe zum MB SIA 2040 «Effizienzpfad
Energie»[3]. Ergänzend werden Werte
aus dem Online-«Bauteilkatalog»[4] sowie
den KBOB-Ökobilanzdaten[5] eingesetzt.
Resultate
Die Wichtigkeit von Klimafaktoren wie
Aussentemperatur oder solare Einstrahlung lässt sich an der Standortvariation
darstellen (Abbildung 1). Das selbe Gebäude benötigt in Basel etwa gleich viel Betriebsenergie wie in Engelberg, wendet jedoch in Basel lediglich die Hälfte für die
Heizung und entsprechend mehr für die
Kühlung auf als in Engelberg. Solchen
Umständen ist im konzeptionellen Entwurf bereits Rechnung zu tragen.
In den Abbildungen 2 bis 4 ist eine
Auswahl der insgesamt 65 untersuchten
Varianten dargestellt. Die wichtigsten
Erkenntnisse sind hier zusammengefasst.
Mit einer quadratischen Grundrissform
lassen sich gegenüber einem langgezogenen Rechteck rund 10 Prozent der gesamten
Energie (PEne), bzw. THG-Emissionen einsparen. Mit einem zwölfeckigen Grundriss,
der einer maximal kompakten Form nahe
kommt, sind noch weitere geringfügige
Einsparungen möglich.
Ein zu hoher Öffnungsanteil wirkt sich
negativ auf die Gesamtbilanz aus. Fenster
sind bei der Erstellung die energieintensivsten Bauteile der Gebäudehülle, insbesondere bezüglich der THG-Emissionen.
Die Simulationen zeigen einen idealen
Öffnungsanteil um die 50 Prozent (über
10 Prozent Einsparung gegenüber einer
vollverglasten Fassade). Bei einem kleineren Fensteranteil überwiegt der Strombedarf für die Beleuchtung gegenüber dem
geringeren Aufwand bei der Grauen Ener-
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Körperstudien zur Volumetrie und Ausrichtung
Abbildung 2
87%
90%
87%
10a 16 Einheiten
91%
145% 106%
10b 32 Einheiten
88%
156% 107%
10c 64 Einheiten
128%
123% 128%
4a 16 eingeschossig
107%
103% 106%
4b 16 zweigeschossig
106%
111% 107%
5a Sonderformen Süd
106%
111% 107%
5b Sonderformen Süd
99%
99%
98%
3a Winkel Nord
99%
99%
99%
3b Winkel Süd
101%
102% 101%
3c Dreieckig
94%
92%
93%
3d Zwölfeckig
100%
100% 100%
0 Basis
100%
101% 100%
1a Ost-West-orientiert
104%
108% 105%
2a langgezogen
94%
94%
93%
2b quadratisch
Die Basisvariante (rot)
ist mit 100 Prozent
angegeben. Die
schwarze Prozentangabe bezieht sich
auf die Betriebsenergie
(PEne), die farbigen
Zahlen auf die Summe
des Aufwands für
Betrieb sowie
Erstellung, Instandhaltung und Rückbau
(PEne in blau,
THG in grün).
Körperstudien zur Gebäudegestaltung
Abbildung 3
103%
104% 102%
9a Balkon 1m
100%
100% 100%
8a Massivbau
105%
106% 104%
9b Balkon 2m
92%
102% 100%
8b massiv/Leichtbau
107%
105% 105%
9c Balkon 3m
99%
100% 100%
8c Leicht/Massivbau
91%
102% 100%
8d Leichtbau
100%
96%
99%
7a Südöffnung
100%
104% 101%
7b Nordöffnung
100%
100% 100%
7c Ostöffnung
100%
100% 100%
7d Westöffnung
95%
132% 105%
6a Fenster 25%
95%
96%
95%
6b Fenster 50%
100%
100% 100%
6c Fenster 75%
106%
96%
108%
6d Fenster 100%
gie. Bei der Fensterverteilung sind relativ
geringe Unterschiede feststellbar. Aufgrund der internen Wärmelasten, respektive dem erhöhten Kühlbedarf ist die Bestimmung der optimalen Fensterverteilung
bei Bürogebäuden schwieriger als bei
Wohnbauten. Eine Reduktion nordseitiger
Öffnungen und die Erhöhung des Öffnungsanteils nach Süden erweisen sich
jedoch auch hier als vorteilhaft.
Bei der Gebäudehülle schliessen auch
in der hier durchgeführten Gesamtbetrachtung 3-fach-Isolierverglasungen besser als 2-fach-Isolierverglasungen ab. Die
Verbesserung der opaken Bauteile auf einen U-Wert von 0.1 W/m2K bewirkt eine
deutliche Senkung des Betriebsenergiebedarfs. Dem steht ein höherer Wert der
1. Reihe (von oben nach unten):
Balkontiefe von 1m bis 3m
2. Reihe: Variationen der Bauteile
in Massiv- (schwarz) und Leichtbauweise (grau)
3. Reihe: Fensteranteilvergrösserung
nach Süden, Norden, Osten, Westen
4. Reihe: Fensteranteil von 25% bis 100%
Die Basisvariante (rot) ist jeweils mit
100 Prozent angegeben. Die schwarze
Prozentangabe bezieht sich auf die
Betriebsenergie (PEne), die
farbigen Zahlen auf die Summe des
Aufwands für Betrieb sowie Erstellung,
Instandhaltung und Rückbau
(PEne in blau, THG in grün).
Grafiken zvg
Grauen Energie gegenüber, welcher – in
Abhängigkeit der Materialwahl – den Gewinn wiederum stark mindern kann.
Balkone an der Südfassade sowie Verformungen der Gebäudehülle mit dem Ziel
die Südflächen, bzw. Ost- und Westflächen
zu Lasten anderer Fassadenflächen zu vergrössern, führen im Vergleich mit der rechteckigen Basisvariante zu schlechteren Gesamtbilanzen. Die Balkone reduzieren die
passiv-solaren Gewinne gesamthaft stärker als den Kühlbedarf. Zudem haben sie
einen negativen Einfluss auf die Beleuchtung. Bei den Verformungen ist die Vergrösserung der Gebäudehüllfläche massgebend für den Mehrbedarf an Energie.
Sämtliche Hoflösungen erweisen sich
als vorteilhaft aus der Sicht der Tageslicht-
nutzung. Berücksichtigt man jedoch den
erhöhten Erstellungsaufwand aufgrund
der höheren Gebäudehüllzahl, sind solche
Konzepte – selbst bei einer Hofüberdachung mit Öffnungsregelung – aus rein
energetischer Sicht nicht vorteilhaft.
Eine Konstruktion in Massivbauweise
wirkt sich aufgrund der grösseren Speichermasse für den Betrieb positiv aus. Aufgrund
der Gesamtbilanz bei den THG-Emissionen
ist der Einsatz von Leichtbaukonstruktionen
gleichwohl zu befürworten (Einsparungen
rund 10 Prozent).
Fazit
Die Simulationsergebnisse der Körperstudien zeigen, dass der Energiebedarf für
Heizung, Kühlung und Beleuchtung durch
47
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Körperstudien zu verschiedenen Hofformen
Abbildung 4
109%
105% 109%
13a seitlicher Hof West
110%
108% 110%
13b seitlicher Hof Süd
109%
111% 110%
14a Kammlösung Süd
107%
107% 108%
12a Hof offen
109%
103% 108%
12b Hof geschlossen
109%
99%
106%
12c Hof mit Regelung
100%
100% 100%
10a 16 Einheiten
110%
129% 116%
11a Hof längs
106%
97%
104%
11b Hof kompakt
Prozentuale Abweichungen in Abhängigkeit des Formfaktors
Abbildung 5
die vorgenommenen Variationen deutlich
beeinflusst wird. Aufgrund der höheren
spezifischen internen Lasten ist der Kühlbedarf wichtiger als bei Wohnbauten. Auf
Stufe Nutzenergie behält der Heizwärmebedarf die dominierende Rolle. Werden die
Koeffizienten für die PEne und die THGEmissionen berücksichtigt, nimmt jedoch
der Energiebedarf für die Beleuchtung eine
bedeutende Rolle ein.
Den Stellenwert der Grauen Energie
und der Grauen THG-Emissionen gilt es
richtig einzuordnen. Die Menge der
Grauen Energie für das Gebäude ist in einer Gesamtbilanz leicht höher als der Aufwand für Wärme, Kälte und Licht. Die
Grauen THG-Emissionen sind gar mehr als
fünf Mal höher als die Emissionen für den
untersuchten Teilbereich des Betriebes.
Es erstaunt deshalb nicht, dass die
besten Resultate auf einer kompakten Bauweise basieren. Diese hat sowohl auf den
Energiebedarf für die Raumwärme als auch
Die Basisvariante (rot) ist
mit 100 Prozent angegeben. Die
schwarze Prozentangabe bezieht
sich auf die Betriebsenergie
(PEne), die farbigen Zahlen auf
die Summe des Aufwands für
Betrieb sowie Erstellung,
Instandhaltung und Rückbau
(PEne in blau, THG in grün).
(Basis = 100%)
% 160
140
120
100
80
60
Betriebsenergie (PEne)
40
Betrieb+Erstellung (PEne)
20
Betrieb+Erstellung (THG)
2a
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ge
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1
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0
n»
:0
.1
89
0
4a
Prozentuale Abweichungen in Abhängigkeit
des Formfaktors (Basis = 100%). Der schwarze
Balken bezieht sich auf die Betriebsenergie
(PEne), die farbigen Balken auf die Summe des
Aufwands für Betrieb sowie Erstellung,
Instandhaltung und Rückbau (PEne in blau,
THG in grün). Abgesehen von den 4 letzten
Varianten beinhalten die Baukörper 4 Büroeinheiten und weisen dieselbe Energiebezugsfläche auf. Kompaktere Bauten (kleinerer
Formfaktor) wirken sich positiv auf die
Gesamtbilanzen aus. Werden die Gebäudetiefen zu gross (z.B. Volumen mit 32 Büroeinheiten), steigt der Aufwand für die Beleuchtung (Betriebsenergie) überproportional an.
4b
48
auf den Aufwand für die Erstellung einen
positiven Effekt. Mit einer Optimierung des
Formfaktors (Gebäudehüllfläche/Gebäudevolumen) und mit der Erhöhung der Büroeinheiten pro Gebäude lässt sich die Gesamtbilanz um bis zu 15 Prozent reduzieren.
Mit der Vergrösserung der Raumtiefen steigt
allerdings der Strombedarf für die Beleuchtung. Bei Gebäudetiefen über 30 Meter wird
der Aufwand für die Beleuchtung überproportional hoch (Abbildung 5).
Die Studie zeigt, dass der Einfluss früher Entwurfsentscheide von grosser Bedeutung ist. Wichtig ist eine ganzheitliche
Beurteilung sowohl der Komponenten der
Betriebsenergie (Heizung, Kühlung, Beleuchtung) als auch des Aufwands für die
Erstellung der Gebäude. Dabei müssen die
PEne und die THG-Emissionen berücksichtigt werden. Die Architektur sollte die
Grundsätze des kompakten Bauens einhalten und aus der Analyse des Standorts
resultieren. Dabei ist die Berücksichtigung
gewisser Grundregeln der Energieeffizienz
genauso wichtig wie das Eingehen auf
städtebauliche Gegebenheiten oder ortspezifische Bauformen.
Kontakt
Gianrico Settembrini,
[email protected];
Dieter Lüthi, [email protected];
Urs-Peter Menti, [email protected];
Hochschule Luzern – Technik & Architektur,
Zentrum für Integrale Gebäudetechnik,
Technikumstrasse 21, 6048 Horw
Literaturhinweise
[1]
Christian Hönger, Roman Brunner,
Urs-Peter Menti, Christoph Wieser u.a.;
Das Klima als Entwurfsfaktor, Quart Verlag
GmbH, Luzern, 2009 (1. Auflage),2013,
(2. überarbeitete und ergänzte Neuauflage)
[2]
IDA Indoor Climate and Energy, Version
4.51; Equa Simulation AB, Stockholm
[3]
SIA Merkblatt 2040, SIA-Effizienzpfad
Energie (2011)
[4]
www.bauteilkatalog.ch
[5]
KBOB; Ökobilanzdaten im Baubereich
2009/1 (Stand Juli 2012), BBL, Bern, 2012
Asbest ist lebensgefährlich. Prüfen Sie
vor 1990 erstellte Objekte auf Asbest.
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