Architektur Salewa Headquarter, Bozen (I) INDUSTRIE IM DIALOG MIT STADT UND LAND Inmitten und umgeben von Bergen steht in Bozen (I) der wahrsten Sinne des Wortes wider. Geplant wurde der Gebäu- Hauptsitz des Bergsport-Spezialisten SALEWA. Das Bauwerk dekomplex von Cino Zucchi Architetti und Park Associati. spiegelt die Affinität des Unternehmens zur Bergwelt im REDAKTION Uwe Guntern FOTOS Michelangelo de Battisti für die Entwicklung der Produkte, die Berg- ten Europas aufgestiegen. Er war als einzi- steiger sicher und effektiv an ihr Ziel führ- ger Architekt Italiens zweimal auf der Archi- ten. Im Jahr 2006 wurde ein internationaler tektur-Biennale in Venedig vertreten (u.a. Wettbewerb ausgeschrieben, zu dem die auch mit dem Projekt des SALEWA Headquar- renommiertesten Architekten entlang des ters). Insgesamt sind von der Ausschreibung Alpenraums geladen wurden. Es war ein bis zur Einweihung fünf Jahre vergangen, die zweistufiger Wettbewerb, das heisst, die reine Bauzeit lag bei rund eineinhalb Jahren. Architekten konnten die jeweiligen Mitbewerberprojekte begutachten und ihre Pro- Preise und Auszeichnungen jekte daraufhin überarbeiten. Aus verschie- In der Zwischenzeit sind über 350 Artikel denen Ländern wurden Architekten publiziert worden, die Bozen als moderne, eingeladen. Darunter auch bekannte Namen nachhaltige Industriestadt ins Rampenlicht Seit der Gründung im Jahr 1935 war die Marke wie Herzog & De Meuron oder Dominique stellen. Wesentlich dazu beigetragen haben SALEWA eng verwoben mit dem Alpinismus, Perrault. Den Wettbewerb gewonnen haben die Nominierung des Projekts für die Archi- seiner Entwicklung und seiner Geschichte. Park Associati (Filippo Pagliani, Michele tektur-Biennale in Venedig sowie die Zerti- Von Anfang an war diese Leidenschaft für Rossi) und Cino Zucchi Architetti. Cino Zucchi fizierung «Work & Life » durch die Klima- den Bergsport Antriebsfeder und Inspiration ist in der Zwischenzeit zu den Star-Architek- Haus-Agentur (als erstes Gebäude in Italien). In der Silhouette des Headquarters findet sich die alpine Umgebung wieder. So verschmilzt das Bauwerk mit der Landschaft. 28 architektur + technik 5 | 2015 5 | 2015 architektur + technik 29 Architektur Salewa Headquarter, Bozen (I) Nordansicht Dabei wurden soziale Aspekte sowie Ökonomie und Ökologie bewertet. Weitere Auszeichnungen: ■ Investment Award Südtirol ■ 2. US Award 2011, 2. Preis, Kategorie Architektur ■ 1. Preis, Premio Ala, Dedalo-Minosse-Bau- ■ Zertifizierung Audit Familie und Beruf (als herrenpreis familienfreundliches Unternehmen) Bis heute haben mehr als 4000 Architekten, Ingenieure, Studenten und unzählige weitere Besucher das Gebäude besichtigt. Aufsehen erregt haben nicht nur die Architektur und Klimatechnologie, sondern auch die ambivalente Funktion, wodurch ein Dialog der Industrie mit Stadt und Land entstand. Der Gebäudekomplex beherbergt Büros, Lagerflächen, einen Showroom, ein Fitness-Zentrum, einen Kinderhort für die Mitarbeiter sowie ein Kletterzentrum, das auch für die Besucher des Die verschiedenfarbigen Platten der Aluminium-Verkleidung nehmen die Farben der Berge auf. Headquarters zugänglich ist. Im Park befindet sich zudem ein Bistro. Bewusst wurden tem setzt daher auf die Betonkernaktivierung. Temperaturverlauf. Die Wärmeversorgung wenige einfache Materialien ressourcenscho- Die gesamte Betonstruktur mit den massiven des Gebäudes erfolgt über die Fernwärme, nend eingesetzt — zum Beispiel Zement, Holz, Decken wird im Winter durch Rohre im Beton die in Bozen von der Restmüllverwertungs- Glas und Stahl —, um die Sensibilität zur Natur leicht aufgeheizt und im Sommer leicht abge- anlage und von Kraft-Wärme-Koppelungsan- und Umwelt aufzuzeigen. kühlt. Deshalb gibt es auch keine Heizkörper. lagen gespeist wird. Diese «Aktivierung » der Decken führt zu Beim Einsatz der Technik werden immer Aktivieren des Betonkerns einem sehr grossen Wärme- und Kältespei- wieder Details ausgearbeitet, die den ganz- In Bozen ist der Energieverbrauch fürs Küh- cher, der die Überhitzung im Sommer und die heitlichen Ansatz zeigen. Beispielsweise len und Heizen dreimal so hoch wie der süd- schnelle Auskühlung im Winter vermeidet. wurden die Roboter für das automatische tiroler Durchschnitt. Das Heiz- und Kühlsys- Über den Tag ergibt sich ein angenehmer Magazin mit einer Energierückgewinnung 30 architektur + technik 5 | 2015 Westansicht ausgestattet. Die beim Bremsen der Roboter erzeugte elektrische Energie wird für den Eigenverbrauch genutzt. Die Glasfasern sind gegen Norden ausgerichtet. Die Aluminium-Verkleidung der hinterlüfteten Fassade sorgt für die Beschattung und absorbiert zum Teil den Schall der Autobahn. Herzstück des Energiekonzeptes ist die Fotovoltaikanlage auf den Dächern der Magazine. Die Anlage erzeugt jährlich 520 000 kWh elek trische Energie, womit mehr Strom produziert als verbraucht wird. 325 Tonnen Emissionen des Klimakillers Kohlenstoffdioxid (CO₂) werden dadurch pro Jahr vermieden. Es wird so viel Energie produziert, dass der Jahresverbrauch von etwa 900 durchschnittlichen Südtiroler Haushalten gedeckt werden könnte. Würde die gleiche Menge Energie durch herkömmliche Kraftwerke gewonnen, würden jährlich über 2000 Tonnen CO₂ in die Luft geblasen. ■ Bautafel Bauherr OberAlp Firmengruppe, Bozen Architektur Cino Zucchi Architetti und Park Associati (Filippo Pagliani, Michele Rossi), Mailand Tragwerkplanung Kauer & Kauer Ingenieure, Bozen Fassadensysteme Stahlbau Pichler, Bozen Die Aluminiumfassade befindet sich an der südlichen Gebäudeseite und schützt die Innenräume vor der Sonneneinstrahlung. 5 | 2015 architektur + technik 31