17 Spezielle Notfälle und Blutungen 17.1 Ophthalmologische Notfälle – 366 17.1.1 Glaukomanfall – 366 17.1.2 Augenverletzungen – 367 17.2 Nasenbluten – 367 17.3 Gynäkologische Blutungen – 368 17.4 Urologische Notfälle – 369 366 Kapitel 17 · Spezielle Notfälle und Blutungen > > Lerninhalte Ophthalmologische Notfälle: Ein Glaukomanfall wird mit pupillenverengenden Medikamenten topisch behandelt: Parasympathomimetika evtl. plus β-Blocker. Bei Verletzungen der Augen sollen präklinisch keine Manipulationen erfolgen. Verätzungen sollen dagegen großzügig gespült werden. HNO-Notfälle: Nasenbluten kann in schweren Fällen zum hämorrhagischen Schock führen. Wenn die Kompression der Nasenflügel zur Blutstillung nicht ausreicht, muss eine Bellocq-Tamponade (zur Not mit einem zweckentfremdeten Blasenkatheter) vorgenommen werden. Gynäkologische Notfälle: Die präklinische Therapie gynäkologischer Notfälle gleicht im Wesentlichen dem Vorgehen bei anderen Blutungen und Schmerzzuständen bzw. beim akuten Abdomen: Vitalfunktionssicherung, Infusionstherapie, Analgesie. Urologische Notfälle: Diese sind selten akut lebensbedrohlich; die Schmerztherapie steht in diesen Fällen im Vordergrund. 17.1 Ophthalmologische Notfälle 17.1.1 Glaukomanfall Ursachen. Einem Glaukomanfall liegt eine akute Erhöhung des Augeninnendrucks durch eine Abflussstörung des Kammerwassers zugrunde. Symptome. Der Augapfel wird steinhart. Es treten erhebliche Schmerzen im Auge auf und es kommt zu Sehstörungen. Außerdem können zusätzlich Allgemeinsymptome wie Übelkeit, Erbrechen und Blutdruckanstieg vorhanden sein, die so dominieren können, dass es durchaus zu Verwechslungen mit einem Myokardinfarkt oder einem akutem Abdomen kommen kann. Therapie. Der Kammerwasserabfluss wird behindert durch eine Weitstellung der 17 Pupillen (Mydriasis) und verbessert durch eine Engstellung (Miosis). Ziel der notfallmäßigen Behandlung ist daher eine Miosis durch parasympathomimetische (Pilocarpin) und evtl. zusätzlich sympatholytische Augentropfen (β-Blocker, z. B. Timolol), die die Patienten meist selbst haben. Zusätzlich kann Azetolamid (500 mg) injiziert werden, das die Kammerwasserproduktion hemmt. Atropin ist kontraindiziert, da es zur Mydriasis führen kann. Eine sofortige Einweisung in eine Augenklinik zur meist notwendigen unverzüglichen operativen Entlastung des Auges ist immer indiziert. s Praktisches Vorgehen Präklinische Therapie des Glaukomanfalls: 5 Pilocarpin 1 % alle 10 min 1 Tropfen in das erkrankte Auge 5 Analgesie durch Opioide, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. (verstärkt auch die Miosis!). 367 17.2 · Nasenbluten 17 17.1.2 Augenverletzungen Bei Verletzungen der Augen sollten normalerweise präklinisch keine Manipulationen am Auge erfolgen. Beide Augen werden steril und locker mit Mullkompressen abgedeckt, und der Patient wird ggf. symptomatisch mit systemischen Analgetika und Sedativa versorgt. Bei Verätzungen des Auges ist hingegen ausgiebiges Spülen erforderlich (7 Kap. 19.5). 17.2 Nasenbluten Nasenbluten (Epistaxis) kann lokale oder systemische Ursachen haben, z. B. Trauma, Hypertension (hypertensive Krise!) und Gerinnungsstörungen. In schweren Fällen führt das Nasenbluten zum hämorrhagischen Schock. In etwa 90 % der Fälle liegt der Blutung eine Verletzung des Locus Kiesselbachii zugrunde, die meist einfach durch digitale Kompression beider Nasenflügel zu therapieren ist. Weitaus gefährlicher sind Blutungen aus den hinteren Nasenabschnitten, die oft eine Nasentamponade erfordern (. Abb. 17.1). s Praktisches Vorgehen Therapie der schweren Epistaxis: 5 sitzende, vornüber gebeugte Lagerung (senkt den hydrostatischen Druck in der Nase und lässt das Blut nach vorn abfließen) 5 bei Hypertension: Blutdrucksenkung, z. B. mit Urapidil 25–50 mg i. v. 6 . Abb. 17.1 a, b. Nasentamponaden. a Vordere Nasentamponade mit Mullstreifen; b hintere Nasentamponade mit Ballon-Katheter 368 Kapitel 17 · Spezielle Notfälle und Blutungen 5 digitale Kompression der Nase über 5 min, wenn ohne Erfolg: 5 vordere Nasentamponade mit in Salbe getränkten Tamponadestreifen, wenn ohne Erfolg: 5 hintere Nasentamponade mit einem Ballonkatheter, z. B. mit einem Blasenkatheter (Bellocq-Tamponade, ggf. beidseits): durch das blutende Nasenloch wird der Blasenkatheter in den Rachen vorgeschoben, mit 10–20 ml Wasser aufgefüllt, zurückgezogen und unter Zug fixiert (. Abb. 17.1 b), wenn ohne Erfolg: 5 zügiger Transport in eine Klinik mit HNO-Abteilung; dort ggf. operative Gefäßunterbindung, in schweren Fällen der A. carotis externa. 17.3 Gynäkologische Blutungen Ursachen. Die möglichen Ursachen für eine akute Blutung aus der Scheide oder in den Bauchraum sind vielfältig und können auf Schwangerschaftskomplikationen, gynäkologischen Erkrankungen oder Verletzungen beruhen (. Tabelle 17.1). Symptome. Bei einer vaginalen Blutung steht der sichtbare Blutverlust im Vordergrund, meist verbunden mit Schmerzen und in schweren Fällen mit den Symptomen des hämorrhagischen Schocks (7 Kap. 9.3). Bei Blutungen nach innen im- . Tabelle 17.1. Gynäkologische Ursachen schwerer Blutverluste Blutungen nach außen (vaginale Blutungen) im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft 5 5 5 5 5 5 5 Abort Extrauteringravidität Plazenta praevia vorzeitige Plazentalösung Uterusruptur postpartale Blutung bei Uterusatonie postpartale Blutungen durch Einrisse im Bereich der äußeren Geschlechtsteile ohne Schwangerschaft Verletzungen 5 5 5 5 Karzinomblutung dysfunktionelle Blutungen Kohabitationsverletzungen Pfählungsverletzungen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft 5 Tubargravidität 5 Uterusruptur oder 5 Uterusperforation bei unfachmännischer Abtreibung ohne Schwangerschaft 5 Ovarialzystenruptur 5 Tumore 17 Blutungen nach innen 369 17.4 · Urologische Notfälle 17 poniert neben einer eventuellen Schocksymptomatik oft das Bild eines akuten Abdomens (7 Kap. 12.2). Therapie. Die präklinische Therapie gleicht grundsätzlich dem Vorgehen bei anderen Blutungen und Schmerzzuständen bzw. beim akuten Abdomen: Vitalfunktionssicherung, Infusionstherapie und Analgesie. Eine prähospitale vaginale Untersuchung ist nicht indiziert. Ein Austamponieren der Scheide ist ebenfalls nicht angezeigt, da bei Scheiden- und Uterusverletzungen dann lediglich eine Blutungsverstärkung nach intraabdominal erfolgt. 17.4 Urologische Notfälle Ursachen. Urologische Notfälle können durch eine Verletzung, Entzündung oder Obstruktion der Urogenitalorgane entstehen. Symptome. Die Symptome sind meist akute oder subakute, oft kolikartige Schmer- zen. Außerdem können im männlichen Glied eine Paraphimose (ödematöse Schwellung der Glans penis durch die zurückgestreifte Vorhaut) oder Priapismus (pathologische Dauererktion aufgrund einer Abflussstörung der Corpora-cavernosa-Venen) zu erheblichen Schmerzen führen. Therapie. Akute Lebensbedrohung liegt meist nicht vor. Die notfallmedizinische Intervention beschränkt sich in der Regel auf supportive Maßnahmen, insbesondere Schmerztherapie und dem zügigen Transport in die nächste urologische Fachklinik.