Therapie des Tumorschmerzes - biomed

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folgen, wobei geruchsarme Speisen aus Kartoffeln, Reis oder Nudeln oft sehr gut vertragen werden. Zusätzlich eignen sich Tofu, Jogurt, Ei und Fisch als Eiweißquellen. Kühle Getränke werden angenehm empfunden und nach dem Essen helfen Pfefferminztee und eine Mundspülung, um den Geschmack des Essens
zu vertreiben und Übelkeit und Erbrechen zu vermindern.
Bei Durchfall kann ein leicht gesüßter Schwarztee die Beschwerden lindern. Auch ohne Schale geriebene Äpfel vermindern diese Symptomatik.
Nicht unerwähnt bleiben soll bei dem Thema Ernährung
bei onkologischen Patientinnen Frau Claudia Petru, die sich
in Österreich mit diesem Thema auseinandersetzt und viele
gute Tipps für unsere Patientinnen ausgearbeitet hat.
Kognitive Funktionen
Viele Patientinnen mit Chemotherapie berichten über vermehrte Vergesslichkeit, verminderte Aufmerksamkeit und
Konzentrationsprobleme. Diese Probleme sind für gewöhnlich nach einigen Monaten reversibel. Wobei die Patientinnen,
falls möglich, ihrer täglichen Routine nachgehen sollten, um
die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten. Zusätzliche Gedächtnisübungen und Spiele, wie z.B. Kreuzworträtsel, verbessern die kognitiven Funktionen.
Sexualität
Bei Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren wird gerne auf das Thema Sexualität vergessen. Doch für viele bedeutet der Verlust der eigenen Sexualität einen Verlust an Lebensqualität. Sowohl emotionale als auch physikalische Veränderungen, die sich durch die Erkrankung und mögliche
Behandlungen ergeben könnten, sollten mit der Patientin und
bei Wunsch auch mit ihrem Partner besprochen werden.
Mangelhaftes Wissen, Ängste und Sorgen sowohl bei der Patientin als auch bei ihrem Partner führen häufig zum Verlust
von Zärtlichkeit und sexuellen Aktivitäten. Oft genügt auch
schon ein aufklärendes Gespräch über die Anwendung von
Hilfsmitteln, wie z.B. Gleitgelen bei vaginaler Trockenheit
oder von Dilatatoren bei Bestrahlung im gynäkologischen
Bereich, um der Patientin die Freude an der Sexualität zurückzugeben oder zu erhalten.
Bewegung
Körperliche Ertüchtigung und Bewegung sind essenziell für
gute Gesundheit sowohl bei der gesunden als auch der kranken Frau. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass Radfahren
und Spazieren an zwei bis drei Tagen pro Woche bei onkologischen Patientinnen mit einer Steigerung der Lebensqualität
einhergeht, wobei insbesondere Übelkeit, Erbrechen und Fatigue vermindert werden konnten. Die physikalische Therapie sollte ein fixer Bestandteil der Betreuung von Patientinnen
mit gynäkologischen Tumoren sein und die Patientin sollte
auch zu körperlicher Aktivität ermuntert werden. Viele Patientinnen empfinden zusätzlich Yoga, Tai Chi und Biofeedback
als sehr angenehm. Sie berichten, dass sie durch diese Aktivitäten in der Gruppe aus ihrer Isolation herausgerissen wurden und die Energie und auch die Freude trotz ihrer Erkrankung wieder zurückgekehrt sind.
All dies kann, wie bereits in der Einleitung erwähnt, nur
ein kleiner Einblick in das Nebenwirkungsmanagement von
gynäkologischen Tumoren sein und soll aufzeigen, dass wir
bereits mit kleinen und auch kostengünstigen Maßnahmen unseren Patientinnen sehr gut helfen und ihre Lebensqualität bedeutend steigern können.
■
Dr. Harald Lass und Vorstand Prof. Dr. Heinrich Salzer
Gynäkologisch-Geburtshilfliche Abteilung
Wilhelminenspital der Stadt Wien
Therapie des Tumorschmerzes
Schmerzdifferenzierung
Nozizeptorschmerz wird durch Erregung der Nozizeptoren in einem lokalen Geschehen ausgelöst.
Schmerz ist das häufigste Symptom bei TumorpatientInnen
Knochen- und Periostschmerz ist hell,
lanzinierend und gut lokalisierbar. Er tritt
und oft der erste Hinweis auf eine Tumorerkrankung, einanfänglich nur bei körperlicher Belastung
gedenk dessen mit einer gründlichen Anamnese, einer
und bei bestimmten Bewegungen auf,
umfassenden körperlichen Untersuchung und einer appaspäter auch in Ruhe – in der Folge ist er
rativen Diagnostik zu reagieren ist.
oft von Schlafstörungen begleitet.
Weichteilschmerz zeigt sich häufig als
bewegungsunabhängiger, diffus lokaliBereits im Anfangsstadium einer Tumorerkran- sierter, durch Druck verstärkbarer Dauerschmerz, kann aber
kung leiden 20–50 % der PatientInnen unter auch als brennende, bohrende oder plötzlich einschießende,
Schmerzen, und der Prozentsatz steigt mit dem blitzartige Schmerzattacke auftreten.
Fortschreiten der Erkrankungen auf 75–90 %,
Ischämieschmerz entsteht durch den Sauerstoffmangel
Schwerpunkt
wobei Lokalisation und Pathophysiologie des infolge einer Kompression oder Infiltration der Blutgefäße.
Tumors eine entscheidende Rolle spielen. Zur effizienten Häufig fällt eine bläulich-livide Verfärbung der Haut auf.
Schmerzbekämpfung bei Malignomen muss primär zwischen
Viszeraler Schmerz wird durch die Nozizeptoren des karNozizeptorschmerz und neuropathischem Schmerz differen- diovaskulären Systems, des Gastrointestinal-, Respirationsziert werden, wobei sich im Verlauf der Erkrankung verschiedene und Urogenitaltraktes vermittelt und wird als dumpf, schlecht
Schmerztypen und auch Kombinationen herausbilden.
lokalisierbar, kolikartig beschrieben.
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Neuropathischer Schmerz entsteht durch Infiltration oder
Kompression der peripheren Nerven, des Nervenplexus oder
des ZNS. Er ist brennend, lanzinierend, spitz, hell, attackenweise einschießend oder aber auch ein brennender, schlecht lokalisierbarer Dauerschmerz. Der neuropathische Schmerz ist
durch den Tumor selbst bedingt, kann aber auch durch Chemotherapie, Operationen oder Bestrahlung ausgelöst werden. In der Folge kommt es zu sensiblen Ausfällen (Hypoästhesie, Hyperästhesie, Allodynie, Hyperalgesie), seltener zu motorischen Ausfällen. Objektivierbare neurologische Symptome müssen nicht zwingend auftreten; gelegentlich gibt es Hinweise für eine Beteiligung des sympathischen
Nervensystems (Brennschmerz, gestörte Hauttrophik, Ödembildung, Temperaturunterschiede).
Neben den tumorbedingten Schmerzursachen (Knochen/Weichteilinfiltration, Kompression und Infiltration von Nerven-, Blut- und Lymphgefäßen, Tumornekrose an Schleimhäuten mit Ulzeration und Perforation und Hirnödem) gibt
es auch den tumorassoziierten Schmerz (Paraneoplastisches
Syndrom, Zosterneuralgie, Pilzinfektion, Venenthrombose,
Dekubitus) sowie den oft erst nach Monaten oder Jahren
auftretenden therapiebedingten Schmerz (verursacht durch die
Operation: Nervenläsion, Vernarbung, Ödem, Muskelverspannung, Postthorakotomieschmerz, Stumpf- und Phantomschmerzen; durch die Bestrahlung: Fibrose, Neuropathie, Strahlenosteomyelitis, Mukositis; durch die Chemotherapie: Entzündung, Paravasat, Mukositis, Neuropathien,
aseptische Knochennekrosen, Mukosaentzündungen) und
den unter Umständen schon vorher bestehenden tumorunabhängigen Schmerz (Migräne, Spannungskopfschmerz, Arthritis, Rückenschmerz), der sich in der Krisensituation einer
Tumorerkrankung verstärkt zeigen kann.
Kausale Schmerztherapie
Bei einer bekannten Tumordiagnose stehen alle kausalen
Behandlungsmöglichkeiten zur Beseitigung oder Verkleinerung des Tumors und die kurative Beseitigung des Schmerzes
im Vordergrund.
Symptomatische Schmerztherapie
Eine symptomatische Schmerztherapie setzt immer die
Kenntnis der exakten Diagnose, der umfassenden Anamnese
sowie eine gründliche körperliche Untersuchung mit neurologischem Status voraus. Jene psychischen Faktoren, die das
Schmerzempfinden mitbestimmen, werden in den Therapieplan miteinbezogen, ebenso der Schmerzverlauf, da bei einer Schmerzverstärkung immer an ein Tumorrezidiv oder
Metastasen gedacht werden muss.
Die Orientierung der symptomatischen Schmerztherapie
erfolgt am WHO-Stufenschema zur Krebsschmerztherapie.
In Anlehnung an das WHO-Stufenschema zur Krebsschmerztherapie wurde 1986 von der
WHO eine Empfehlung zur Tumorschmerztherapie herausgegeben, die bei
80 % der PatientInnen eine zufrieden stellende Schmerzreduktion zeigt und deren Effektivität in großen Fallserien
nachgewiesen wurde. Demnach werden bei leichteren Schmerzen Nicht-Opioidanalgetika eingesetzt (Stufe 1), bei einer
nicht ausreichenden analgetischen Wirkung wird das NichtOpioidanalgetikum mit einem schwachen Opioid kombiniert (Stufe 2). Bei weiterhin unzureichender Analgesie wird
das Nicht-Opioidanalgetikum mit einem stark wirksamen
Opioid kombiniert (Stufe 3).
Grundregeln bei der medikamentösen
Therapie chronischer Schmerzen
Die Wirkung und Nebenwirkungen einer medikamentösen Schmerztherapie müssen regelmäßig kontrolliert und dokumentiert werden. Retardierte Opioide oder Präparate mit
einer langen Wirkungsdauer sind zu bevorzugen. Treten die
Schmerzen immer vor Fälligkeit der nächsten Dosis ein („end
of dose failure“), sollte nicht das Zeitintervall verkürzt, sondern die Dosis erhöht werden. Die Einnahmezeiten können
dem individuellen Lebensrhythmus der PatientInnen angepasst werden. Trotz vorgegebener Standarddosierungen sollte immer eine individuelle Titration des einzelnen Opioids
erfolgen, die sich an Wirkung und Nebenwirkung des verwendeten Präparates orientiert. Daher werden für fast alle
Opioide keine Höchstdosierungen angegeben (mit Ausnahme
des limitierenden Ceiling-Effekts). Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Obstipation müssen behandelt werden
(Antiemetika, Laxantien).
Opioidwechsel
Ein Fortschreiten der Erkrankung und zunehmende
Schmerzen bedürfen einer Dosissteigerung der verwendeten
Opioide, wobei es unter Umständen zu nicht tolerablen Nebenwirkungen kommen kann. Durch das Umsteigen auf ein
anderes Opioid kann möglicherweise eine verbesserte
Schmerzlinderung mit reduzierten Nebenwirkungen erzielt
werden, wobei zuvor zu überprüfen ist, ob die Nebenwirkungen nicht auf andere Ursachen zurückzuführen sind.
Ebenso kann durch eine andere Applikationsform eine Verringerung der Nebenwirkungen erreicht werden.
Nebenwirkungen
Die häufigste Nebenwirkung ist die Obstipation. Weitere häufige Nebenwirkungen sind Erbrechen (prophylaktische Gabe von Antiemetika), Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Übelkeit, Verwirrtheit. Seltener kommt es zu neurotoxischen Nebenwirkungen wie Alpträumen, Halluzinationen, Hyperalgesien und Myoklonien. Im Therapieverlauf
kommt es häufig zur Reduzierung einiger Nebenwirkungen
(= selektive Toleranz), wohingegen die Obstipation zunimmt
und eine forcierte Behandlung derselben erforderlich ist. ■
Dr. Peter Traxler
Prof. Helene Breitschopf
Arzt für Allgemeinmedizin
Betriebsarzt im Hanuschkrankenhaus
[email protected]
www.tropenmedizin.at
Medizinische Universität Wien
Zentrum für Hirnforschung
[email protected]
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