biomed_Heft_0703 26 16.11.2007 16:11 Uhr Seite 26 schwerpunkt onkologie folgen, wobei geruchsarme Speisen aus Kartoffeln, Reis oder Nudeln oft sehr gut vertragen werden. Zusätzlich eignen sich Tofu, Jogurt, Ei und Fisch als Eiweißquellen. Kühle Getränke werden angenehm empfunden und nach dem Essen helfen Pfefferminztee und eine Mundspülung, um den Geschmack des Essens zu vertreiben und Übelkeit und Erbrechen zu vermindern. Bei Durchfall kann ein leicht gesüßter Schwarztee die Beschwerden lindern. Auch ohne Schale geriebene Äpfel vermindern diese Symptomatik. Nicht unerwähnt bleiben soll bei dem Thema Ernährung bei onkologischen Patientinnen Frau Claudia Petru, die sich in Österreich mit diesem Thema auseinandersetzt und viele gute Tipps für unsere Patientinnen ausgearbeitet hat. Kognitive Funktionen Viele Patientinnen mit Chemotherapie berichten über vermehrte Vergesslichkeit, verminderte Aufmerksamkeit und Konzentrationsprobleme. Diese Probleme sind für gewöhnlich nach einigen Monaten reversibel. Wobei die Patientinnen, falls möglich, ihrer täglichen Routine nachgehen sollten, um die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten. Zusätzliche Gedächtnisübungen und Spiele, wie z.B. Kreuzworträtsel, verbessern die kognitiven Funktionen. Sexualität Bei Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren wird gerne auf das Thema Sexualität vergessen. Doch für viele bedeutet der Verlust der eigenen Sexualität einen Verlust an Lebensqualität. Sowohl emotionale als auch physikalische Veränderungen, die sich durch die Erkrankung und mögliche Behandlungen ergeben könnten, sollten mit der Patientin und bei Wunsch auch mit ihrem Partner besprochen werden. Mangelhaftes Wissen, Ängste und Sorgen sowohl bei der Patientin als auch bei ihrem Partner führen häufig zum Verlust von Zärtlichkeit und sexuellen Aktivitäten. Oft genügt auch schon ein aufklärendes Gespräch über die Anwendung von Hilfsmitteln, wie z.B. Gleitgelen bei vaginaler Trockenheit oder von Dilatatoren bei Bestrahlung im gynäkologischen Bereich, um der Patientin die Freude an der Sexualität zurückzugeben oder zu erhalten. Bewegung Körperliche Ertüchtigung und Bewegung sind essenziell für gute Gesundheit sowohl bei der gesunden als auch der kranken Frau. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass Radfahren und Spazieren an zwei bis drei Tagen pro Woche bei onkologischen Patientinnen mit einer Steigerung der Lebensqualität einhergeht, wobei insbesondere Übelkeit, Erbrechen und Fatigue vermindert werden konnten. Die physikalische Therapie sollte ein fixer Bestandteil der Betreuung von Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren sein und die Patientin sollte auch zu körperlicher Aktivität ermuntert werden. Viele Patientinnen empfinden zusätzlich Yoga, Tai Chi und Biofeedback als sehr angenehm. Sie berichten, dass sie durch diese Aktivitäten in der Gruppe aus ihrer Isolation herausgerissen wurden und die Energie und auch die Freude trotz ihrer Erkrankung wieder zurückgekehrt sind. All dies kann, wie bereits in der Einleitung erwähnt, nur ein kleiner Einblick in das Nebenwirkungsmanagement von gynäkologischen Tumoren sein und soll aufzeigen, dass wir bereits mit kleinen und auch kostengünstigen Maßnahmen unseren Patientinnen sehr gut helfen und ihre Lebensqualität bedeutend steigern können. ■ Dr. Harald Lass und Vorstand Prof. Dr. Heinrich Salzer Gynäkologisch-Geburtshilfliche Abteilung Wilhelminenspital der Stadt Wien Therapie des Tumorschmerzes Schmerzdifferenzierung Nozizeptorschmerz wird durch Erregung der Nozizeptoren in einem lokalen Geschehen ausgelöst. Schmerz ist das häufigste Symptom bei TumorpatientInnen Knochen- und Periostschmerz ist hell, lanzinierend und gut lokalisierbar. Er tritt und oft der erste Hinweis auf eine Tumorerkrankung, einanfänglich nur bei körperlicher Belastung gedenk dessen mit einer gründlichen Anamnese, einer und bei bestimmten Bewegungen auf, umfassenden körperlichen Untersuchung und einer appaspäter auch in Ruhe – in der Folge ist er rativen Diagnostik zu reagieren ist. oft von Schlafstörungen begleitet. Weichteilschmerz zeigt sich häufig als bewegungsunabhängiger, diffus lokaliBereits im Anfangsstadium einer Tumorerkran- sierter, durch Druck verstärkbarer Dauerschmerz, kann aber kung leiden 20–50 % der PatientInnen unter auch als brennende, bohrende oder plötzlich einschießende, Schmerzen, und der Prozentsatz steigt mit dem blitzartige Schmerzattacke auftreten. Fortschreiten der Erkrankungen auf 75–90 %, Ischämieschmerz entsteht durch den Sauerstoffmangel Schwerpunkt wobei Lokalisation und Pathophysiologie des infolge einer Kompression oder Infiltration der Blutgefäße. Tumors eine entscheidende Rolle spielen. Zur effizienten Häufig fällt eine bläulich-livide Verfärbung der Haut auf. Schmerzbekämpfung bei Malignomen muss primär zwischen Viszeraler Schmerz wird durch die Nozizeptoren des karNozizeptorschmerz und neuropathischem Schmerz differen- diovaskulären Systems, des Gastrointestinal-, Respirationsziert werden, wobei sich im Verlauf der Erkrankung verschiedene und Urogenitaltraktes vermittelt und wird als dumpf, schlecht Schmerztypen und auch Kombinationen herausbilden. lokalisierbar, kolikartig beschrieben. biomed_Heft_0703 16.11.2007 16:11 Uhr Seite 27 schwerpunkt onkologie Neuropathischer Schmerz entsteht durch Infiltration oder Kompression der peripheren Nerven, des Nervenplexus oder des ZNS. Er ist brennend, lanzinierend, spitz, hell, attackenweise einschießend oder aber auch ein brennender, schlecht lokalisierbarer Dauerschmerz. Der neuropathische Schmerz ist durch den Tumor selbst bedingt, kann aber auch durch Chemotherapie, Operationen oder Bestrahlung ausgelöst werden. In der Folge kommt es zu sensiblen Ausfällen (Hypoästhesie, Hyperästhesie, Allodynie, Hyperalgesie), seltener zu motorischen Ausfällen. Objektivierbare neurologische Symptome müssen nicht zwingend auftreten; gelegentlich gibt es Hinweise für eine Beteiligung des sympathischen Nervensystems (Brennschmerz, gestörte Hauttrophik, Ödembildung, Temperaturunterschiede). Neben den tumorbedingten Schmerzursachen (Knochen/Weichteilinfiltration, Kompression und Infiltration von Nerven-, Blut- und Lymphgefäßen, Tumornekrose an Schleimhäuten mit Ulzeration und Perforation und Hirnödem) gibt es auch den tumorassoziierten Schmerz (Paraneoplastisches Syndrom, Zosterneuralgie, Pilzinfektion, Venenthrombose, Dekubitus) sowie den oft erst nach Monaten oder Jahren auftretenden therapiebedingten Schmerz (verursacht durch die Operation: Nervenläsion, Vernarbung, Ödem, Muskelverspannung, Postthorakotomieschmerz, Stumpf- und Phantomschmerzen; durch die Bestrahlung: Fibrose, Neuropathie, Strahlenosteomyelitis, Mukositis; durch die Chemotherapie: Entzündung, Paravasat, Mukositis, Neuropathien, aseptische Knochennekrosen, Mukosaentzündungen) und den unter Umständen schon vorher bestehenden tumorunabhängigen Schmerz (Migräne, Spannungskopfschmerz, Arthritis, Rückenschmerz), der sich in der Krisensituation einer Tumorerkrankung verstärkt zeigen kann. Kausale Schmerztherapie Bei einer bekannten Tumordiagnose stehen alle kausalen Behandlungsmöglichkeiten zur Beseitigung oder Verkleinerung des Tumors und die kurative Beseitigung des Schmerzes im Vordergrund. Symptomatische Schmerztherapie Eine symptomatische Schmerztherapie setzt immer die Kenntnis der exakten Diagnose, der umfassenden Anamnese sowie eine gründliche körperliche Untersuchung mit neurologischem Status voraus. Jene psychischen Faktoren, die das Schmerzempfinden mitbestimmen, werden in den Therapieplan miteinbezogen, ebenso der Schmerzverlauf, da bei einer Schmerzverstärkung immer an ein Tumorrezidiv oder Metastasen gedacht werden muss. Die Orientierung der symptomatischen Schmerztherapie erfolgt am WHO-Stufenschema zur Krebsschmerztherapie. In Anlehnung an das WHO-Stufenschema zur Krebsschmerztherapie wurde 1986 von der WHO eine Empfehlung zur Tumorschmerztherapie herausgegeben, die bei 80 % der PatientInnen eine zufrieden stellende Schmerzreduktion zeigt und deren Effektivität in großen Fallserien nachgewiesen wurde. Demnach werden bei leichteren Schmerzen Nicht-Opioidanalgetika eingesetzt (Stufe 1), bei einer nicht ausreichenden analgetischen Wirkung wird das NichtOpioidanalgetikum mit einem schwachen Opioid kombiniert (Stufe 2). Bei weiterhin unzureichender Analgesie wird das Nicht-Opioidanalgetikum mit einem stark wirksamen Opioid kombiniert (Stufe 3). Grundregeln bei der medikamentösen Therapie chronischer Schmerzen Die Wirkung und Nebenwirkungen einer medikamentösen Schmerztherapie müssen regelmäßig kontrolliert und dokumentiert werden. Retardierte Opioide oder Präparate mit einer langen Wirkungsdauer sind zu bevorzugen. Treten die Schmerzen immer vor Fälligkeit der nächsten Dosis ein („end of dose failure“), sollte nicht das Zeitintervall verkürzt, sondern die Dosis erhöht werden. Die Einnahmezeiten können dem individuellen Lebensrhythmus der PatientInnen angepasst werden. Trotz vorgegebener Standarddosierungen sollte immer eine individuelle Titration des einzelnen Opioids erfolgen, die sich an Wirkung und Nebenwirkung des verwendeten Präparates orientiert. Daher werden für fast alle Opioide keine Höchstdosierungen angegeben (mit Ausnahme des limitierenden Ceiling-Effekts). Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Obstipation müssen behandelt werden (Antiemetika, Laxantien). Opioidwechsel Ein Fortschreiten der Erkrankung und zunehmende Schmerzen bedürfen einer Dosissteigerung der verwendeten Opioide, wobei es unter Umständen zu nicht tolerablen Nebenwirkungen kommen kann. Durch das Umsteigen auf ein anderes Opioid kann möglicherweise eine verbesserte Schmerzlinderung mit reduzierten Nebenwirkungen erzielt werden, wobei zuvor zu überprüfen ist, ob die Nebenwirkungen nicht auf andere Ursachen zurückzuführen sind. Ebenso kann durch eine andere Applikationsform eine Verringerung der Nebenwirkungen erreicht werden. Nebenwirkungen Die häufigste Nebenwirkung ist die Obstipation. Weitere häufige Nebenwirkungen sind Erbrechen (prophylaktische Gabe von Antiemetika), Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Übelkeit, Verwirrtheit. Seltener kommt es zu neurotoxischen Nebenwirkungen wie Alpträumen, Halluzinationen, Hyperalgesien und Myoklonien. Im Therapieverlauf kommt es häufig zur Reduzierung einiger Nebenwirkungen (= selektive Toleranz), wohingegen die Obstipation zunimmt und eine forcierte Behandlung derselben erforderlich ist. ■ Dr. Peter Traxler Prof. Helene Breitschopf Arzt für Allgemeinmedizin Betriebsarzt im Hanuschkrankenhaus [email protected] www.tropenmedizin.at Medizinische Universität Wien Zentrum für Hirnforschung [email protected] 27