Eiskalt gemessen

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informationstechnologie
Eiskalt gemessen
MEDIZINTECHNIK Wie auch kleine Unternehmen
mit herausragenden Ideen in der Medizintechnik
erfolgreich sind.
B
is auf die Unterhose werden Patienten
heute ausgezogen, wenn sie einen
Herzstillstand erleiden. Dann beugen
sich Sanitäter über den Entblößten und
kleben weiße, gummiartige Matten auf seiner Haut fest. So skurril diese temporäre
Körperbedeckung auch aussehen mag –
mit ihr lässt sich die Körpertemperatur
an Ort und Stelle absenken, wodurch die
Überlebenschancen des Erkrankten steigen.
Die Idee dazu stammt von Rudolf Faworka. Dieser arbeitete lange Jahre an der
Medizinischen Universität Wien. Als sich
dort eines Tages ein erfahrenes Ärzteteam
zusammentat, um eine neue Lösung für
die Körpertemperaturkühlung zu entwi-
ckeln, wurde Faworka für die Messungen
herangezogen. Da all die Geräte und Techniken der Mediziner nicht funktionierten,
machte sich Faworka nach Feierabend Gedanken über die Lösung des Problems.
Heraus kamen die weißen Matten, die aus
zusammengesetzten Kühlelementen bestehen. Diese weisen eine spezielle Struktur
auf, so dass die Körpertemperatur schneller gesenkt werden kann als mit herkömmlichen Methoden. Faworka erkannte das
Potenzial seiner Idee und meldete sie zum
Patent an. 2005 gründete er dann zusammen
mit Partnern die Firma Emergency Medical
Cooling Systems AG (EMCools) mit Sitz in
Wien.
Reschreiter, Ronacher, Anagnostics: An der Schnittstelle zwischen Biotechnologie und Medizintechnik
Zehetner, Egle, A.M.I.: „Wir haben in den vergangenen Jahren jährlich drei bis vier neue Produkte
in den Markt eingeführt und wollen dieses Tempo
noch einige Zeit beibehalten.“
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in Österreich, die bisher wenig Beachtung
findet. Die Medizintechnik ist Teil der
übergeordneten Elektro- und Elektronikindustrie, welche durch den gleichnamigen
Fachverband vertreten wird. Im FEEI selbst
sind aber nur rund ein Dutzend Medizintechnik-Unternehmen organisiert. Das
sind die Großen der Branche wie Siemens,
Philips und Toshiba sowie einige mittelgroße Unternehmen. Die Vielzahl an jungen, aufstrebenden Firmen hingegen wirtschaftet außerhalb der etablierten
Verbandsstrukturen. Entsprechend fehlen
verlässliche Zahlen über die Größe und
Entwicklung der Medizintechnik. Was
allerdings erkennbar ist, dass gerade in
den vergangenen Jahren vielversprechende
Firmen entstanden sind. Das sind EMCools
mit seinem Kühlmattensystem, CNSystems
mit Geräten zur Blutdruckmessung, A.M.I.
mit Lösungen zur Behandlung von Volkskrankheiten und Anagnostics mit einem
neuen Laborgerät. Das Industriemagazin stellt die bisherigen Entwicklungen
der Firmen und ihre Pläne für die Zukunft
vor.
BASF
Branche. EMCools gehört zu einer Branche
EMCools, CNSystems. Die Kühlmatten von
EMCools sind mittlerweile in der Rettung
als auch in Spitälern im Einsatz. Auf der
Kundenliste stehen so renommierte Einrichtungen wie die Charité in Berlin. Doch
nun soll der Weltmarkt erobert werden.
„Wir beginnen mit dem Aufbau eines internationalen Händlernetzwerkes“, sagt
Friedrich Vogel, Vorstandschef von EMCools.
Bereits im zweiten Halbjahr soll der Vertrieb
in den USA aufgenommen werden. Das
Geld dafür kommt von einem österreichischen Risikokapitalgeber. „Mitte Mai ist
die Athena AG bei uns eingestiegen und
6/Juni 2008 INDUSTRIEMAGAZIN
Medizintechnik:
Die Vielzahl an jungen, aufstrebenden
Firmen wirtschaftet außerhalb der
etablierten Verbandsstrukturen
hält nun rund 23 Prozent am Unternehmen“,
sagt Vogel.
Sorgen um die Finanzierung des weiteren
Wachstums muss sich auch der Grazer
Medizintechnik-Hersteller CNSystems derzeit nicht machen. Über eine Kapitalaufstockung um drei Millionen Euro erwarb
die Raiffeisen Landesbank Steiermark kürzlich 20 Prozent an dem Hightech-Unternehmen. Mit dem Geld soll der weltweite
Vertrieb eines neu entwickelten Gerätes
zur Blutdruckmessung finanziert werden.
„Wir stiften einen medizinischen Nutzen
in einer Lücke, in der es noch keine Lösung
INDUSTRIEMAGAZIN 6/Juni 2008
gibt“, sagt Jürgen Fortin, Vorstand von
CNSystems. Denn das neue Gerät ermöglicht es, den Blutdruck kontinuierlich und
unblutig zu messen. Das ist vor allem
während Operationen hilfreich. „Was den
Vertrieb angeht, konzentrieren wir uns voll
auf die Kernmärkte Deutschland und Österreich, aber auch auf andere europäische
Länder sowie die USA“, sagt Fortin.
Hergestellt wird das nichtinvasive Blutdruckmessgerät von Seidel Elektronik im
steirischen Deutschlandsberg. Bisher machte
CNSystems einen Umsatz von rund 3,5
Millionen Euro vor allem mit einem Pati-
entenmonitoring-System. „Ich erwarte, dass
wir heuer an die sechs Millionen Euro
umsetzen werden“, sagt Fortin. Denn neben
dem Verkauf fertiger Geräte bietet das Unternehmen Module für kundenspezifische
Lösungen an. „Wir verhandeln gerade mit
einem großen internationalen Konzern über
eine OEM-Partnerschaft“, sagt der CNS-Chef.
Entstanden ist das Unternehmen 1998 als
Spin-off der Technischen Universität und
des Krankenhauses Barmherzige Brüder
in Graz. Zu den Kunden zählen neben
renommierten Kliniken wie der Universitätsklinik Charité in Berlin, dem AKH Wien
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SPECial lifE SCiENCE
Standardisiert
ermittelt
oder der Mayo-Klinik in Phoenix/Arizona
auch Forschungseinrichtungen der Raumfahrt wie die NASA.
die Anteile zurück. „Der Börsengang ist
nach wie ein Thema für uns“, sagt Egle.
„Wir glauben, dass sich die Märkte bis 2010
wieder beruhigt haben werden – und bis
dahin wollen wir börsenfit sein.“ Bekannt
wurde A.M.I. mit einem Gerät zur Entfernung von Hämorrhoiden. Dafür hatte das
Unternehmen die Idee eines Mediziners
aufgegriffen, der eine sanftere Anwendung
erstmals 1995 beschrieben hatte.
a.M.i. „Wir haben in den vergangenen Jahren jährlich drei bis vier neue Produkte in
den Markt eingeführt und wollen dieses
Tempo noch einige Zeit beibehalten“, sagt
Walter Egle, Geschäftsführer der Agency
for Medical Innovations (A.M.I.). Das Unternehmen mit Sitz in Feldkirch ist auf die
Entwicklung und Fertigung von chirurgischen Produkten für Volksleiden spezialisiert. Dazu gehören Fettleibigkeit,
Stuhlinkontinenz, Kreuzbandrisse und
Hämorrhoiden. Zudem bietet das Unternehmen sein Medizinprodukte-Know-how
als Dienstleistung in den Bereichen Konstruktion, Design und als Patentbroker an.
„Wir verdoppeln gerade unsere Kapazität
bei der Produktion und wollen den Neubau
im Oktober dieses Jahres beziehen“, sagt
EMCOOLS
anagnostics. An der Schnittstelle zwischen
Österreichische Erfindung: Die weißen Kühlmatten
von EMCools kommen mittlerweile bei der rettung
und im Krankenhaus zum Einsatz
Egle. Dabei findet in Feldkirch lediglich
das Assembling statt, die Teile werden von
Herstellern in Österreich, Deutschland und
der Schweiz zugekauft. Der Umsatz des
Unternehmens beläuft sich mittlerweile
auf rund 13 Millionen Euro. Um weiteres
Wachstum zu erzielen, wurde jetzt eine
Tochtergesellschaft in den USA gegründet.
Der US-Medizintechnikmarkt repräsentiert
rund 40 Prozent des Weltmarktes. „Dort
muss man einfach präsent sein“, sagt der
A.M.I.-Chef. Für den Aufbau neuer Vertriebsstrukturen ist das Unternehmen nicht
auf Risikokapital angewiesen. Bis zum Jahr
2005 war der Athena Fonds bei A.M.I.
investiert, dann kauften die Gesellschafter
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Biotechnologie und Medizintechnik ist die
Anagnostics aus Linz angesiedelt. Ein
junges Team um den Molekulargenetiker
und Biochemiker Bernhard Ronacher entwickelte dort ein neues Laborgerät für die
Infektions- und Krankheitsdiagnostik. „Die
in Krankenhäusern und Labors etablierte
klassische Mikrobiologie liefert frühestens
in 48 Stunden ein Ergebnis, zu spät für
einen erfolgreichen Therapieansatz“, sagt
Christoph Reschreiter, Mitbegründer des
Unternehmens. Das Laborgerät von Anagnostics hingegen testet synchron bis zu
1.000 Merkmale durch voll automatisierte
Tests mit hoher Präzision, schnell und
kostengünstig. Der Hybcell-Technologie
wird ein großes Marktpotenzial bescheinigt. Das Anwendungsgebiet reicht von
der Krankenhaus- über die Nahrungsmittel- bis hin zur Umweltdiagnostik. Derzeit
testen verschiedene Forschungseinrichtungen das Gerät. Im September rechnet
das Unternehmen mit den ersten Rückmeldungen. Parallel dazu entwickelt Anagnostics ein Gerät für die klinische Diagnostik. Hier ist der Nutzer der Laborarzt,
der einen klinischen Verdacht befunden
will. Dieser kann das bis dato von Anagnostics entwickelte Laborgerät ebenfalls
verwenden, benötigt aber standardisierte
Verbrauchsmaterialien. Diese so genannten
High Cells werden derzeit entwickelt und
sollen ab Herbst in eine sechs- bis neunmonatige Testphase gehen. „Nächstes Jahr
um diese Zeit wollen wir die ersten medizinischen Kunden beliefern“, sagt Reschreiter. Doch das wird nur mit frischem Geld
möglich sein. „Wir benötigen Kapital für
die Markteinführung und -expansion.“
Halten die High Cells, was sie derzeit
versprechen, dürfte dies wohl kein Problem
sein.
Vanessa Voss
NaNotEChNologiE Das Präfix „Nano“ ist heute bei Unternehmen und Wissenschaftlern gleichermaßen
beliebt. Aber wie bei jeder
neuen technologischen Errungenschaft können damit
auch Gefahren für den Menschen einhergehen.
D
ie Untersuchung der Giftigkeit
von nanostrukturierten Materialien gilt als wichtige Voraussetzung für den Einsatz der neuen
Technologie. Mit der EURO-NanoTox ist kürzlich ein virtuelles Zentrum entstanden, das alle relevanten in Österreich vorhandenen
standardisierten Messmethoden zur
humanen Nanotoxikologie zusammenfassen will. Forschergruppen
aus dem industriellen als auch dem
akademischen Bereich sind daher
aufgerufen, eine Beschreibung ihrer
standardisierten Messverfahren bis
zum Sommer einzuschicken. Nach
deren eingehenden Prüfung will die
EURO-Nano-Tox alle erhaltenen
relevanten Untersuchungsmethoden
(in-vitro wie in-vivo) zusammenfassen und als Portfolio ihrer
Homepage veröffentlichen. Künftig
können dann Industrieunternehmen ihre Nano-Materialien bei dem
neu etablierten Zentrum auf ihre
Giftigkeit untersuchen lassen.
autolack bis Medikation. „Durch Einbeziehung dieser Erkenntnisse können die Materialien gezielt verbessert und ihre potenziellen Gefahren
für die Umwelt verringert werden“,
sagt Frank Sinner, Geschäftsführer
der BioNanoNet Forschungsgesellschaft, welche die neue Anlaufstelle
in Sachen Toxizität koordiniert. Das
weltweite Marktpotenzial der Nanotechnologie wird derzeit auf rund
100 Milliarden Dollar geschätzt. Die
Anwendungsgebiete sind vielfältig,
sie reichen von Autolacken und
selbstreinigenden Fenstern bis hin
zu Medikamenten.
6/Juni 2008 INDUSTRIEMAGAZIN
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