21.05.2013 21. Quantenmechanik von freien Atomen 21.1 Ein-Elektron Atome Wasserstoffatom oder ionisiertes He+, Li++ etc. Keine Beeinflussung des Kernpotentials durch weitere Elektronen des Atoms. Nur damit ist eine exakte analytische Lösung möglich. 21.1.1 SG und Quantenzahlen Potentielle Energie des Elektrons im Feld des Protons (Kern): W pot ( r ) 1 4 0 Z e2 f (r) r W pot 0 für r Coulombpotential H: Z = 1; He+: Z = 2 freies Elektron Äquipotentialflächen sind Kugeloberflächen Dreidimensionaler Trichter (kugelsymmetrisch) Polarkoordinaten Lösung der zeitunabhängigen 3D-SG in Polarkoordinaten für Trichterpotential Wpot (r): Randbedingungen: (r , , ) stetig und normierbar 3 Dimensionen 3 Sätze von Quantenzahlen a) Quantelung der Energie Wn: Hauptquantenzahl n (Zuordnung r) me 4 1 Z2 Wn 2 2 2 13,6 eV 2 8 0 h n n n = 1, 2, 3… Identisch mit Bohrschen Atommodell (siehe 19.3) b) Quantelung des Betrages des Drehimpulses L: Bahndrehimpulsquantenzahl l Zuordnung (Drehimpulsquantenzahl, Nebenquantenzahl) 21-1 21.05.2013 L l (l 1) l = 0, 1, 2,…n-1 vgl. N. Bohr: L n für Kreisbahn Für H-Atom nur sehr kleiner Einfluß auf die Energieniveaus (Feinstruktur). klassische Interpretation von l : Modell von A. Sommerfeld: elliptische Bahnen in r-2-Kraftfeld (Modell Kepplersche Planetenbahnen) Beispiel: n = 1 (Grundzustand), l = n - 1 = 0 L = 0 in Worten: kein Drehimpuls! Stimmt das Bild von der diskreten Kreisbahn noch? Nein! Das Bohrsche Planetenmodell ist falsch (n 1) . Keine Abstrahlung der Energie (Lösung Kap. 21.1.4) c) Quantelung der Richtung des Drehimpulses L: magnetische Quantenzahl ml (Zuordnung ) Komponente des Drehimpulses bezogen auf eine bestimmten Richtung: üblicherweise ZRichtung: Für isoliertes H-Atom ohne externe Felder sind sämtliche Raumrichtungen gleichwertig: Wo ist beim Atom oben (z-Richtung)? Lz ist erst messbar durch äußeres Magnetfeld. Aufspaltung der Energieniveaus = Zeemann Effekt (siehe 21.1.4). Lz ml ml = -l, (-l+1),...-1, 0, 1,...(l+1), l Beispiel: n = 3 l = 0, 1, 2; für l = 0: ml = 0; für l = 1: ml = -1, 0, 1; für l = 2: ml = -2, -1, 0, 1, 2 cos Lz L für l = 2: L 6 erlaubte Übergänge Auswahl, nicht alle Niveaus sind dargestellt Energieniveaus und –übergänge Quelle: G.C. Giancoli Physik 21-2 21.05.2013 Beispiel: l 2 ml 2, 1, 0, 1, 2 oder Lz 2, , 0, , 2 L 2( 2 1) 6 2,45 Lz Länge des Vektors cos L z ml m l L 6 6 -2 ml -1 0 1 2 -35,3 -65,9 90 65,9 35,3 Fazit: gilt nur für 1-Elektron-Systeme und Systeme mit F ~ r 2 bzw. W pot ~ r 1 Für jedes n gibt es n mögliche l: z.B. n = 1: l = 0; für jedes l gibt es 2l + 1 mögliche ml: l = 1: ml = -1, 0, 1; W hängt nur von n ab mit externem Magnetfeld: W f (ml ) Energieaufspaltung in die Feinstruktur für Mehr-Elektronen-Systeme (siehe Kap. 21.2): W f (n, l ) n = 2: l = 0, 1; n = 3: l = 0, 1 ,2 l = 2: ml = -2, -1, 0, 1, 2 erlaubte Energieübergänge für Wasserstoff: Nach N. Bohr: nur 1 Quantenzahl n quantenmechanisch: 3 Quantenzahlen Lyman-Serie nur Hauptquantenzahl n 21-3 21.05.2013 Auswahlregeln für Energieübergänge: hc 1. n beliebig mit abgestrahlte Energie des Photons: Wn h f 2. l 1 wegen Drehimpulserhaltung: auch das abgestrahlte Photon hat einen Drehimpuls ; l 0 ist nicht erlaubt, d.h. alle senkrechten Übergänge 3. ml 0 oder 1 Franck-Hertz-Versuch # 43 Anregung von Atomen durch Zufuhr von Energie, hier Stoß mit Elektronen mit Wkin. Aufbau: Röhre gefüllt mit etwas Gas Kathode K: Emission der Elektronen Extraktionsspannung U1 Gitter G: Beschleunigung durch U2: Wkin = eU2 Anode A: Sammeln der Elekronen, die die Gegenspannung U3 = 7,15 V überwinden können Strommessung Ergebnis: 7,15 V < U2: I = 0 s.o. Für 7,15 V < U2 < ca. 17,1 V: I steigt mit steigender Spannung. Trotz Stöße mit Atomen wird keine Energie übertragen (elastischer Stoß) 22 Für 17,1 V < U2 < ca. 22 V: I sinkt stark ab. Wkin wird an Atome abgegeben (inelastischer Stoß). Für 22 V < U2 < ca. 34,2 V: Eine weitere Steigerung der Beschleunigungsspannung verlagert die Zone der inelastischen Stöße in Richtung Kathode, weil im elektrischen Feld zwischen K und G die Potentialdifferenz von 17,1 V jetzt auf einer kürzeren Strecke erreicht wird. Die 21-4 21.05.2013 Elektronen, die bereits einmal ihre Energie abgegeben haben, können jetzt noch einmal genug Energie aufnehmen für einen 2. Stoß. usw. Rückfall auf niedrigeres Niveau: f 17,1 eV W 4,1 1015 Hz 15 h 4,137 10 eV s c 3 108 72 nm f 4,1 1015 DUV 21.1.2 Wellenfunktion und Wahrscheinlichkeitsdichten Lösung der Schrödingergleichung mit den speziellen Randbedingungen der 1-Elektron Atome bzw. für r-2-Kraftfelder und ohne äußere Magnetfelder. r , , n, l , ml nlm l für jedes n gibt es nur 1 Energie (ohne externes Magnetfeld), jedoch mit mehreren Wellenfunktionen ψnlm, sogenannte entartete Energieniveaus: 2 Entartungsgrad z n , d.h. das Energieniveau Wn ist z-fach entartet. Ausnahme n = 1 a) Grundzustand: n = 1; l = 0; ml = 0 3 100 r 1 Z 2 Z r1 e (r ) r1 r1 0h2 m e2 0,529 10 10 m Bohrscher Radius Wahrscheinlichkeitsdichte r 100 2 2 Z Z3 r1 e 3 r1 Wahrscheinlichkeitsdichte [cm-3] gemittelt über viele Atome 2 kugelsysmmetrisch mit 100 0 für r → ∞ r1 Quelle: D.C. Giancoli: Physik P.A. Tipler: Moderne Physik 21-5 21.05.2013 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit P(r), Elektronen innerhalb einer Kugel um den Atomkern mit dem Volumens V anzutreffen? Kugelschale mit Dicke dr: dV 4r 2 dr P (r ) dV 4r 2 dr Pr (r ) dr 2 V 2 r r Pr (r ) [cm-1] radiale Wahrscheinlichkeitsdichte Pr(r): r 3 für Grundzustand: 2 Z Z Pr ( r ) 4 r 2 e r1 r1 Quelle: D.C. Grancoli: Physik Pr (r ) ist die Wahrscheinlichkeit ein Elektron im Abstand r in einer Kugelschale zwischen r und r + dr zu finden, d.h. innerhalb dV: Für r = 0 ist dV = 0. Mit steigenden r steigt dV. 2 überproportional ab. Ab r1 nimmt 100 Quelle: P.A. Tippler: Physik Wahrscheinlichste Entfernung ist r1 entspricht dem Bohrschen Radius. Aber nur der wahrscheinlichste Radius nicht der ausschließliche wie im Bohrschen Modell! Kein Kreisen der Elektronen kein Drehimpuls (l = 0) keine Abstrahlung von Energie. 3. Bohrsches Postulat erfüllt 21-6 21.05.2013 Beispiel: Wahrscheinlichkeit P für ein Elektron im Volumen von 0 bis r1 (Z = 1) r1 a) P(r1 ) Pr (r ) dr 0,32 oder 32% 0 b) Bei r1 in einer Schale mit der Dicke r = 0,01·r1 5·10-13 m (rElektron 5·10-15 m): Pr r1 4 2 0,54 0,54 e const innerhalb r P(r1 ) 0,01 r1 0,0054 oder 0,54% r1 r1 r1 Nur ca. 1/3 der Elektronen im Grundzustand befinden sich innerhalb von r1 (d.h. innerhalb einer Kugel mit dem Bohrschen Radius) gemittelt über sehr viele Atome, und nur ca. 0,5% befinden sich nahe des Bohrschen Radius. P r 100 dV 1 2 2 100 ( r ) 0 oder Normierungsbedingung 0 erst für r ist Pr (r ) 0 d.h. das Elektron im Grundzustand befindet sich „irgendwo“, aber sehr unwahrscheinlich: P(r > 100r1 5nm) 10-83. Im Universum: ca. 1078 Atome, d.h. für irgendein Atom im Universum liegt sie bei 10-5. Ionisation ist wahrscheinlicher. b) Erster angeregter Zustand: n = 2; l = 0; ml = 0 l = 1; ml = -1, 0, +1 l = 0: 200 2 C200 4-fach entartet r 2 2 z = n2 Z Z r e 2 r1 f ( r ) 2 r1 C200 Normierungskonstante radiale Wahrscheinlichkeitsdichte Pr(r): Quelle: „D.C. Giancoli: Physik“ 2 200 f (r ) kugelsymmetrisch kein Drehimpuls l = 0 21-7 21.05.2013 r 2 l = 1: 2 210 2 C210 Z Zr e r1 cos 2 f ( r, ) r1 r 2 2 211 2 C21 1 C210 und C211 r für ml = 0 Z Zr e r1 sin 2 f ( r, ) r1 identisch für ml = 1 Normierungskonstanten Quelle: D.C. Giancoli: Physik Keine Kugelsymmetrie; rotationssymmetrisch zur z-Richtung. Woher kommt diese eigenartige Symmetrie, da doch Wpot nur von r abhängt? Da Wpot (n = 2) für alle l, ml identisch (entartete Zustände) sind alle 3 Zustände gleichwahrscheinlich. In welchem der drei Zustände hält sich dann das Elektron auf? Ohne Messung nicht unterscheidbar. Durch Messung (Anlagen eines äußeren Magnetfeldes) kommt es zur energetischen Aufspaltung der 3 Niveaus. Es gilt: 2 2 2 2 21ges (r ) 210 211 211 f (r ) f ( ) wegen sin 2 cos 2 1 Kugelsymmetrie Maximum bei 4r1 n 2 r1 2. Bohrsche Radius 21-8 21.05.2013 21.1.3 Elektronenspin Weitere Quantenzahl, die sich nicht aus der SG ergibt. Intrinsische fundamentale Eigenschaft des Elektrons wie die Masse. Theorie Paul Dirac 1929: Relativistische SG. Häufig als „Eigendrehimpuls“ gedeutet, d.h. Drehung um die eigene Achse: Quelle: D.C. Giancoli: Physik Betrag von S: S s ( s 1) S z-Richtung: mit s 1 2 nur 1 Wert für alle Elektronen 3 2 ms 1 2 Spin-up 1 Sz 2 ms 1 2 Spin-down 1 Sz 2 Insgesamt noch zwei weitere Quantisierungsmöglichkeiten. Zustand ms = -1/2 hat eine etwas niedrigere Energie 21-9 21.05.2013 21.1.4 Magnetische Dipolmomente μ Ladung auf Kreisbahn erzeugt ein magnetisches Feld, das in einem B-Feld ein Drehmoment erzeugt. M B IA für negative Ladung: I e T T Umlaufzeit 2r v 1 2 evr Quelle: Halliday: Physik a) Bahndrehimpuls: 1 e L 2m L mvr klassisch L mr v Richtung entgegen L für negative Einzelladung L l (l 1) quantenmechanisch Betrag l B e L l (l 1) l (l 1) B B 2m Betrag e 9,27 10 24 J/T 5,79 10 5 eV/T 2m z-Komponente: l ,z B Bohrsche Magneton Lz B ml siehe 21.1.b: Lz ml Wechselwirkung mit externem B – Feld (Zeemann – Effekt). Aufspaltung der Energieniveaus b) Spindrehimpuls S: z-Komponente: S 2 B S ,z S 3 B S 2 B Z Aufspaltung des Niveaus im äußeren Magnetfeld. 21-10 B für B für 1 2 1 mS 2 mS 21.05.2013 21.2 Komplexe Atome Atome mit mehreren Elektronen. Berücksichtigung der Wechselwirkung der Elektronen untereinander. Exakte Lösung der SG nicht mehr möglich Näherungsverfahren. Wn.l f ( n, l ) d.h. Aufhebung der Entartung Wn f ( n ) f (l ) vgl. für 1- Elektron Atom im Termschema: zusätzliche Energieaufspaltung in l - Unterschalen 21.2.1 Pauli-Prinzip oder Ausschlussprinzip In einem Atom können zwei Elektronen nicht gleichzeitig denselben Quantenzustand besetzen. Mögliche Quantenzustände: Quantenzahl Symbol erlaubte Werte Haupt- n 1, 2, 3… Bahndrehimpuls- l 0, 1, 2…n-1 magnetische ml 0, 1, 2,... l Spin- ms 1 2 Bezeichnung Schalen K, L, M, N… -Schale 1 2 3 4 s, p, d, f, g, h… -Unterschale 0, 1, 2, 3,4, 5 , , , , 0, 1, 2, 3, 4 ml Zu jeder Hauptschale gibt es 2·n² mögliche Zustände. Zu jeder Unterschale gibt es 2·(2l + 1) mögliche Zustände Beispiel: n 1 K 2 L l 0 0 1 ml s s p 0 0 -1 0 +1 ms +½ -½ ½ ½ ½ ½ 2·(2l+1) Gesamt = 2·n² Bezeichnung 2 2 2 2 1s2 2s2 6 2+6 = 8 8 2p6 21-11 21.05.2013 Nicht alle möglichen Zustände müssen besetzt sein. z.B. H hat nur 1 von 2 möglichen Elektronen. He hat 2, d.h. eine abgeschlossene Schale. Regeln: Bezeichnung: n l 2(2l+1) Auffüllen der Schalen mit steigender Energie Auffüllen einer Unterschale: Erst alle Elektronen mit gleichem Spin (Hundsche Regel). Größtmöglicher mit dem Pauliprinzip vereinbarer Wert des Gesamtspins. Beispiel: p-Unterschale: erst alle Spin-down mit ml 1, 0, 1 dann die Spin-up M n = 3; l = 0, 1, 2 (s, p, d) 18 Zustände (2·n2) 6-fach entartet L n = 2; l = 0, 1 (s, p) 8 Zustände (2·n2) 4-fach entartet K n = 1; l = 0 (s) ms = ½ 2 Zustände (2·n2) 2-fach entartet Quelle: P.A. Tippler: Moderne Physik 21-12 21.05.2013 21.2.2 Periodensystem der Elemente Elektronenkonfiguration Beispiele: Argon Z = 18: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 n Anzahl der aufgefüllten Elektronen: Z (2+2+6+2+6 = 18) Alle möglichen Zustände (2·n2) komplett besetzt (Edelgaskonfiguration) Kalium Z = 19: 3d-Schale hat höhere Energie als 4s 3d bleibt leer bis 4s aufgefüllt: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d0 4s1 4 s1 : m S 1 2 Calzium Z = 20: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d0 4s2 1 1 4s komplett, 4s 2 : mS ; 2 2 ab Z = 21 Auffüllen der 3d 21-13 21.05.2013 Quelle: http://www.seilnacht.com/Lexikon/psframe.htm Quelle: http://www.periodensystem.info/periodensystem/ 21-14 21.05.2013 Aufgabe: Betrachten Sie das Elektron als eine Kugel mit dem Radius re = 1,4 ·10-15 m, der 2 Masse me = 9,1·10-31 kg und dem mechanischen Trägheitsmoment einer Kugel I me re2 5 (siehe Kap. 8.2.2). Berechnen Sie die Geschwindigkeit v des Elektrons an seinem Äquator. Eigendrehimpuls des Elektrons: L I v m m 5 3 9 1010 c 3 108 s s 4me re 2 3 v me re2 S 5 2 re kann offensichtlich nicht stimmen. Die Interpretation des Elektronenspins als mechanischer Eigendrehimpuls des Elektron ist falsch. Es gibt jedoch noch kein überzeugendes und in sich konsistentes anschauliches Modell des Elektrons. Bisher beste Beschreibung durch die Quantenelektrodynamik. 21-15