Tutorium zur „Einführung in die Politikwissenschaft“

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Jan Stuckatz
Sommersemester 2011
BA KuWi
Tutorium zur „Einführung in die
Politikwissenschaft“
6. Sitzung – „Das politische System der EU“
Struktur
1.
2.
3.
4.
5.
Organisatorisches
Vorbereitungsfragen
Fazit
Abkürzungen
Literaturhinweise
Organisatorisches
Nachschreibeklausur
16. 08. 2011, 9 – 11
Standort: IBZ, Sophienstraße
Vorbereitungsfragen
1.Was unterscheidet die EU vom Nationalstaat aus
Sicht der vergleichenden Regierungslehre?
2. Warum ist es gerechtfertigt, von der EU als
einem politischen System „sui generis“ zu
sprechen?
3.Was versteht man unter Europäisierung? Wie
wirkt sich diese am Bsp. Deutschlands aus?
4. Welche Theorieangeboten machen die IB zur
Erklärung der EU? Wie sind diese zu bewerten?
EU vs. Nationalstaat
Ähnlichkeiten zum Nationalstaat:
(Systemtheorie: David Easton)
• Input-Funktion: europäische Parteien, Interessengruppen,
europäische Öffentlichkeit/Diskurs, EU-Wahlen erfüllt
• Output-Funktion: Exekutive (MR, ER), Legislative (EP, MR,
KOM), EU-Recht gilt unmittelbar + verbindlich,
soziale/wirtschaftliche Leistungen erfüllt
• Responsivität: Öffentlicher Diskurs, nat. Entscheidungen,
Klagen vor EUG + EUGH, etc. erfüllt
EU vs. Nationalstaat
Als Nationalstaat:
(Juristische Staatsdefinition)
Staatsgebiet: FRONTEX, Schengen-Abkommen nicht
erfüllt
Staatsvolk: EU-Nationalität
• keine gemeinsame Politische Kultur oder europäische
Identität, Zivilgesellschaft, Sprache, etc. nicht erfüllt
Staatsgewalt:
• Vorrang von EU-Recht, aber: nur im supranationalen
Bereich, große Teile noch intergouvernemental nicht
erfüllt
EU vs. Nationalstaat
Fazit:
• EU besitzt staatsähnliche Eigenschaften
• Kompetenzen gehen weit über die traditioneller
IOs hinaus
• Aber: EU ist kein Staat
Problem der Einordung/Kategorisierung
• Herausforderung für Theoriebildung/Analyse:
– Komplexität/Partikularität der EU
– Keine Vergleichsmöglichkeit
– Verhaftung am Nationalstaat
EU als Phänomen
„sui generis“?
Ausweg aus der den Schwierigkeiten der
Beschreibung und Erklärung der EU?
EU = eigenes, einzigartiges
Phänomen
Mit den Methoden/Theorien der
vergleichenden Regierungslehre nicht zu
erfassen Lösung vom Staat
Besonderheiten in der institutionellen
Struktur und besondere Charakteristika
EU als Phänomen
„sui generis“?
Institutionelle Struktur:
• Überschneidungen in den Kompetenzen:
– Exekutive: KOM
– Legislative: Europäisches Parlament, Rat
– Judikative: EUGH (+EUG)
•
•
•
•
•
Vergleichsweise schwaches Parlament
Dichte Struktur von Agenturen/Netzwerken
Policy-Sonderbereiche
Multiple Repräsentation nach Außen
EU hat 27 + 1 Politiken
EU nach Lissabon
(ab 1. Dezember 2009)
EU
supranational
EG +
Euratom
PJZS
GASP
Incl.
GSVP
intergouvernemental
EU als Phänomen
„sui generis“?
Aufbau nach dem Vertrag von Lissabon
Wichtigste Änderungen
• EU Rechtspersönlichkeit
(Art. 47 EUV)
• Präsident des Europäischen Rates
(Art. 15 (5), (6) EUV)
• Hoher Vertreter für die GASP + EAD
(Art. 27, 27 (3), 33 EUV)
EU als Phänomen
„sui generis“?
Herman van
Rompuy
Catherine Ashton
EU nach Lissabon
• Abschaffung des Gemeinschaftsbegriffs
• Abgrenzung:
– intergouvernementale Säule (GASP+GSVP)
– Supranationale Politikfelder (EU= EG +
Euratom)
Kein 3-Säulen-Modell mehr
Europäisierung
Definition:
Europäisierung
= Veränderung/Durchdringung der
nationalen Polity, Policy + Polititcs durch
den Prozess der Europäischen Integration
Europäisierung in
Deutschland
Starker Einfluss
• Umwelt- und
Sozialpolitik
• Wirtschaftspolitik
(Währung, Handel,
Zoll)
• Landwirtschaft +
Fischerei
• Verkehr
• Justiz + Inneres
Schwacher Einfluss
• Sicherheit +
Verteidigung
• Energiepolitik
• Außenpolitik
Policy (Fast) alle Politikfelder betroffen!!!
– Abhängigkeit vom Politikfeld (Beispiele)
Europäisierung in
Deutschland
Polity + Politics
Exekutive: Bundesregierung
– Ausrichtung an EU-Organen
– Bundeskanzler im Europäischen Rat
– Abteilungen + Koordinationsgruppen in den
Ministerien
– COREPER:
• Aufgabe: Vorbereitung der Ministerrat-Sitzungen
• Vertreter der Mitgliedsstaaten zusammen mit
Vertretern der Kommission und des Europäischen
Parlaments
Europäisierung in
Deutschland
Legislative:
1. Bundestag:
– Ausschuss für Europa-Angelegenheiten
– Stellungnahmen
– Aber: Kaum Einbindung in tägliche Arbeit der
EU (MR, KOM, EP, ER)
– Lediglich: Indirekter Einfluss durch Kontrolle
der Regierungsarbeit
– Wichtige Rolle bei ‚großen‘ Veränderungen
• Bsp. Vertragsänderungen
Europäisierung
Weiter Kompetenzen nach dem EUV
• Informationsrechte der nat. Parlamente und
Informationspflicht der EU-Organe
• Besondere Kontrollrechte im Bereich Inneres +
Justiz
• Kontrollmöglichkeit der Einhaltung des
Subsidiaritätsprinzips
Insgesamt:
Bedeutungsverlust der nat. Parlamente
Europäisierung
2. Bundesrat
• Kontrolle der Regierungsarbeit
• Informationsrechte + Stellungnahmen
• Ausschuss der Regionen (Art. 13 (4)EUV):
– Lobbying über Ländervertretungen
– Beratende Funktion gegenüber EP, MR, KOM
– Klagerecht wegen Verstoßes gegen
Subsidiaritätsprinzip
• Bedeutungsverlust der Länder/Regionen
Europäisierung in
Deutschland
Judikative
Bundesverfassungsgericht
• Teilweise Auslegung des EU-Rechts
inklusive EUGH-Entscheidungen
• Spannungen zwischen EUGH + BVerfG:
– Lissabon-Urteil (Juni 2009):
– Unzureichende Beteiligungsrechte des
Bundestags und des Bundesrats
• Verhältnis zwischen EUGH + BVerfG noch
nicht endgültig geklärt
Europäisierung in
Deutschland
Parteien- und Interessengruppen
Wenig Europäisierung der Parteien + der
Zivilgesellschaft
•
•
•
•
Abgeordnete im Europäischen Parlament
Programme der Parteien
geringe Beteiligung an Europawahlen
Keine europaweiten Initiative
Wahlbeteiligung
Europawahlen
Jahr + EUMitgliedsstaaten
Wahlbeteiligung
(in Prozent)
1979 (EU-9)
61,99
1984 (EU-10)
58,98
1989 (EU-12)
58,41
1994 (EU-12)
56,67
1999 (EU-15)
49,51
2004 (EU-25)
45,47
2009 (EU-27)
43
Europäisierung in
Deutschland
• Lobbyarbeit in der Kommission + Parlament
–
–
–
–
Agrarverbände
Industrie- und Wirtschaftsverbände
Energiekonzerne
……..
• Aktuell: März 2011
„Cash-for-laws-Affäre“
Korruptionsskandal im EP
„Cash-for-Laws-Affäre“
Ernst Strasser
Zoran Thaler
Adrian Severin
Ehemaliger
österreichischer
Innenminister
Ehemaliger
slowenischer
Außenminister
Rumänischer
Politiker
Europäisierung in
Deutschland
• EU = präsent in immer mehr Institutionen,
Politikfeldern, Prozessen
• Problematisch:
– (nicht)Einbindung von Bundestag und Bundesrat
– Fehlen einer europäischen Zivilgesellschaft +
europäischer Identität
– EU als Ziel zweifelhafter Lobbyarbeit
– Geringe Wahlbeteiligung trotz gestiegener Bedeutung
der EU
– Spannungen zwischen BVerfG + EUGH
Die IB und die
europäische Integration
Theorie-Angebote
• Neo-Institutionalismus (NI)
– Kooperationstheorie: EU = IO mit dem Ziel der
Friedens- und Wohlstandssicherung
• Internationale Regime (IR)
– EU = Struktur mit geteilten Prinzipien, Normen,
Regeln und Verfahren
– Aufgabe: Bearbeitung von Konflikten, Reduzierung
der Transaktionskosten politischen Handelns
– Reduzierung der Unsicherheit im Staatensystem
Die IB und die
europäische Integration
• Neofunktionalismus (NF)
– Spill-over-Effekt: einmal angefangene Integration in
technischen Feldern führt zu zwangsläufigen
Integration in anderen Feldern
• Intergouvernementalismus (IG)
– Integration = Resultat von Verhandlungen zwischen
mächtigen Staaten
– Geringe Rolle großer Persönlichkeiten und
supranationaler Organe
– Dominanz intergouvernementaler Organe/Prozesse
Die IB und die
europäische Integration
Kritik:
• Kooperation auf EU-Ebene geht weit über
normale Regime + IOs hinaus (NI, IR, IG)
– Einschränkung staatlicher Souveränität
– Anpassungsdruck
• Keine Erklärung der Integrationsdynamik
(NI, IR, IG)
– Eigendynamik von Organen/Politikfeldern
– Relativ kontinuierliches Fortschreiten
Die IB und die
europäische Integration
Neofunktionalismus
– Erklärt nicht die Brüche im Integrationsprozess
– Zu normativ auf Integrationszuwachs ausgerichtet
– Keine Erklärung für klass. Nationalstaatliches
Handeln
Intergouvernementalismus
– Bedeutung von Netzwerken verkannt
– Keine Berücksichtigung der Eigendynamiken +
Sozialisierungen in EU-Organen
– Verkennung des Grades an Kooperation und
Interdependenz
Fazit
• EU ist keine IO, aber auch keine neue
Form eines Nationalstaates
• Besser: Phänomen sui generis
– Partikularität
– Lösung vom Staat als Ausgangsmodell
– Offenheit der Analyse
– Entwicklung neuer Ansätze oder fruchtbare
Kombination bereits bewährter Theorien
Fazit
• Europäisierung:
– Evidenter + fortschreitender Prozess
– Unterschiede in der Auswirkung nach
Politikfeldern + Organen
– Problem: Bedeutungsverlust der nationalen
Parlamente und der Länder/Regionen
– Problem: keine europäische
Parteienlandschaft o. Zivilgesellschaft
Diskussionswürdig: Demokratiedefizit der EU
Fazit
Theorien der Internationalen
Beziehungen:
• IB-Theorien: keine allein ausreichend
• Aber: einzelne Ansätze zu beschränkt auf
bestimmte Aspekte
• Notwendigkeit komplexerer Theorien oder
mehrerer einzelner Theorien
• Kapitulation vor der Herausforderung EU?
– Nein!!!
Abkürzungen
Die EU besteht aus einer Vielzahl von
Organen, Netzwerken und Agenturen.
Gleichsam gibt es auch eine Unmenge von
Abkürzungen. Diese zu (er)kennen
erleichtert einem die Arbeit mit
wissenschaftlichen und EU-eigenen Artikeln
ungemein.
Hier die wichtigsten, in der PPT
genannten Abkürzungen
Abkürzungen
COREPER – Council de représentantes permanentes
EAD – Europäischer Auswärtiger Dienst
EG – Europäische Gemeinschaft
EP – Europäisches Parlament
ER – Europäischer Rat
EU – Europäische Union☺
EUG – Europäisches Gericht (Verwaltungsangelegenheiten)
EUGH – Europäischer Gerichtshof (Verträge/Grundrechte)
Europol – Eigenname, europäische Agentur zur Zusammenarbeit und
Koordination der nationalen Polizeikräfte
Eurojus – Eigenname, europäische Agentur zur Zusammenarbeit und
Koordination der nationalen Justizen
Abkürzungen
EWG – Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
FRONTEX – Eigenname, bezeichnet die europäische
Grenzschutzagentur
GASP – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
GSVP – Gemeinsame Sicherheits – und Vertedigungspolitik
KOM/EK – Kommission = Europäische Kommission
MR – Ministerrat = Rat der Europäischen Union = „Rat“
PZJS – Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen
Literaturhinweise
+ Links
Nugent, Neill (2010): The Government and Politics of the
European Union, 7. Auflage, Palgrave Macmillan.
Schmidt, Sigmar/Schünemann, Wolf J. (2009): Die
Europäische Union: Eine Einführung, Nomos Verlag,
Baden-Baden.
Wallace, Helen/Pollack, Mark A./Young, Alasdair R. (2010):
Policy-Making in the European Union, 6. Auflage, Oxford
University Press.
Weidenfeldt, Werner (2010): Die Europäische Union, UTB,
Stuttgart.
http://europa.eu/lisbon_treaty/glance/index_de.htm
Lissabon-Vertrag mit Kommentaren + zum Download
http://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/arbeitspapiere/Vertra
g_Lissabon_Kurzkommentar_3rd_edition_090421_KS.pdf
(Kurz)kommentar zum Lissabon-Vertrag von der Stiftung
Wissenschaft und Politik (SWP)
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Danke für eure Aufmerksamkeit
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