Praxis der transkutanen elektrischen Nervenstimulation = TENS Dieter Märkert, Schmerzambulanz Anästhesiologische Klinik Illustration: Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Schwa-medico Schmerzambulanz Erlangen Historische Entwicklung 2 47 n. Chr. Scribonius Largus 1700 Benjamin Franklin 1825 Salandière 1901 Bayliss 1965 Melzack / Wall 1967 Erster TENS - Einsatz in USA 1974 Wall / Gutnick 1978 Dickhaus, Pauser, Zimmermann 1987 TENS als Kassenleistung TENS – Theorie Physikalische Grundlagen • Stimulation von nervalen Strukturen durch • Applikation elektrischer Ladung und • Auslösung eines Aktionspotentials 3 TENS – Theorie Physikalische Grundlagen Mono- bzw. biphasische Rechteckimpulse Stromstärke (Intensität) 70 bis 100 mA Impulsdauer 50 µs – 200 µs Stimulationsfrequenzen bis 100 Hz Widerstand 4 Ausgangskurzschlussschaltung (AKS) Monophasischer Impuls mit tiefem negativen Anteil Nach jedem Impuls vollständige Entladung der Haut Langzeitstimulation Einschaltflankenkorrekturschaltung (EKS) 5 Physiologie der TENS - Wirkung Segmentale Hemmung (Gate - Control - Theorie) Supraspinale Hemmung Ausschüttung körpereigener Schmerzhemmstoffe 6 TENS-Geräte analoge und digitale 7 Die Elektroden Silikongummielektrode Aluminiumelektrode Socken- oder Handschuhelektrode Selbstklebeelektrode Hohe Frequenzen = große Elektroden Niedrige Frequenzen = kleine Elektroden 8 Die Elektroden - Tipps für die Praxis • Verwendung von selbstklebenden Elektroden • Einfache Handhabung gute Compliance nachlassende Klebefähigkeit wird durch Befeuchtung • der Klebeseite wieder verbessert auf vollständigen Hautkontakt ist zu achten vor Elektrodenanlage muss die Haut bei Verwendung • von Creme entfettet werden 9 Die hochfrequente Stimulation 50 - 120 Hz • Stimulation von Aβ-Fasern - sensible Nerven Niedrige Reizintensität • Indikation: Akute und chronische Schmerzen • Intensität: Bis zum Auftreten nicht schmerzhafter Kribbelparästhesien • Wirkcharakteristika: Rascher Wirkeintritt Rascher Wirkverlust Gewöhnung möglich 10 Die niederfrequente Stimulation 1 - 10 Hz Stimulation von Aδ und C-Fasern - sensible und motorische Nerven Auslösen einer motorischen Antwort Hohe Reizintensität • Indikation: V. a. bei chronischen Schmerzen • Intensität: bis zum Auftreten von Muskelzuckungen • • Wirkcharakteristika: langsamer Wirkeintritt Anhaltende Wirkung Gewöhnung selten 11 Frequenzmodulation - Burst Impulsblöcke mit 50 - 100 Hz Grundfrequenz von 1 - 4 Hz Impuls-Pausenverhältnis 1:1 Subjektiv angenehmer 12 Nichtsegmentale Elektrodenanlage (2 Hz) (Kaada - Stimulation) Akupunkturpunkte: Dickdarm 4 / Dünndarm 3 Erhöhung der allgemeinen Schmerzschwelle Durchblutungsverbesserung 13 TENS - Praxis Stimulationsformen Die Han- Stimulation – effektive Frequenzkombination – 2/100 Hz ist effektiver als monofrequente Stimulation Ideales Zeitintervall beträgt 14 3 Sekunden pro Frequenz X. Chen, S. Guo, J.S. Han:Am Journal Acupuncture 22, 1994 Anwendungsgebiete „Jeder gut lokalisierbare Schmerz“ - Stimulation am inervierbaren Nerv Muskuloskelettale Schmerzen Traumatische Schmerzen Nervenschmerzen Stumpf- und Phantomschmerzen Ischämieschmerzen 15 Elektrodenanlage Direkt über oder in unmittelbarer Nähe des Schmerzgebietes („DAWOS-Methode“) Über dem betreffenden peripheren Nerv Im zugehörigen Segment Akupunkturpunkte Triggerpunkte Kontralaterale Anlage 16 Kopfschmerz Migräne Eine Elektrode auf den Hauptschmerzpunkt, z. B. die Stirn; die andere Elektrode in die Schmerzausstrahlung, z. B. die Schläfe Alternative: Stimulation nach Kaada Spannungskopfschmerz Eine Elektrode auf den Hauptschmerzpunkt, z. B. die Schläfe; die andere Elektrode in den Nacken. Alternative: Stimulation nach Kaada Literatur Pothmann R, v. Frankenberg S (1995) Transcutaneous electrical Nerve stimulation (Tens) in Tension-type Headache. Cephalalgia Suppl 16 Allais G, De Lorenzo C, et al. (2003) Nonpharmacological approaches to chronic headaches: transcutaneous electrical nerve stimulation, laserthera-py and acupuncture in transformed migraine treatment. Neurol Sci 24,2:138-42 17 Neuralgien Trigeminusneuralgie, Zosterneuralgie im Körperstammbereich Ist die Stimulation auf der betroffenen Seite zu schmerzhaft, empfiehlt sich die Stimulation auf der kontralateralen Seite. . 18 Schultergelenkschmerz 19 Angina pectoris Eine Elektrode pectoral in die Herzregion, die andere in den Ausstrahlungsbereich des Schmerzes, z. B. linker Arm. ! Praxistipp: primär mit 100 Hz bzw. alternativ mit der HAN-Stimulation behandeln, bis zu mehreren Sitzungen von jeweils 30 min täglich. Im Anfall zusätzlich über mindestens 10 Minuten stimulieren. Literatur Mannheimer, Camici P, Chester M et al. (2002) The problem of chronic refractory angina. Report of the ESC joint study group on the treatment of Literatur Kawamura H, Kenichi I, Yamamoto, M et al. (1997) The transcutaneous electrical nerve stimulation applied to contralateral limbs for the phantom limb pain. J Phys Ther Sci 9:71-76 Gneger A, Eder T et al. (2000) Pain relief due to TENS and acupuncture in amputees. Abstracts of ICMART, Vienna Welche 20 Rückenschmerz HWS-BWS-LWS 21 Ischiasschmerz: Anlagemöglichkeiten 2 Kanal oder 1 Kanal Eine Elektrode paravertebral auf den Hauptschmerzpunkt, die andere in den Ausstrahlungsbereich des Schmerzes. Ggf. das 2. Elektrodenpaar an Schmerzpunkten in der Schmerzstraße platzieren 22 Gonarthrose 23 Wasserbad - TENS z. B. bei Polyneuropathie 24 Wundheilung/Durchblutung Die TENS kann in allen Phasen der Wundheilung und bei unterschiedlichen Wunden hilfreich sein. Bei Wunden und Ulzera werden die Elektroden möglichst kranial und kaudal der Wunde im gesunden Bereich angelegt. Die Behandlung sollte zumindest anfangs täglich erfolgen, zusätzlich zur üblichen Wundversorgung. ! Alternativ Stimulation nach Kaada! 25 Amputationsschmerz Stumpfschmerz 26 Eine Elektrode auf den Hauptschmerzpunkt oder direkt oberhalb des Stumpfes, die andere in den Ausstrahlungsbereich des Schmerzes Phantomschmerz Paravertebrale Anlage Die mittelfrequente - Stimulation (Stellatum-blockade nach Jenkner 30 - 40 Hz) Elektrische Nerven- und Ganglienblockade Reduktion des Erregungspotentials eines Nerven (Hyperpolarisation unter der differenten Elektrode) Reduzierung des Aktionspotentials unter der Kathode Monophasische Impulse 27 Nebenwirkungen Schmerzverstärkung Hautirritationen strombedingt oder allergisch Karotissinus- oder Larynxreaktionen 28 Kontraindikation Demand – Herzschrittmacher, Defibrillatoren Hautwunden Schwere Herzrhythmusstörungen Aversion gegen Elektrizität Mangelnde Kooperation Schwere Psychosen Schwangere Epileptiker Handybetrieb bei gleichzeitiger Stimulation im Halsbereich Metallimplantate kein monophasisches TENS 29 Patientenbetreuung Ausreichend Zeit einplanen Einführung in das Gerät und die Elektroden Beginn mit hochfrequenter Stimulation Behandlungszeit 30 min. Therapiekontrolle nach 15 min. Eventuell Veränderung der Parameter Patientengespräch 30 Behandlungstage 30 - 50 Minuten 3 - 5 mal pro Tag Gesamtbehandlungsdauer Tage - Jahre 31 Langzeiteffekte werden durch gute Patientenführung signifikant verbessert Kurze Austestung 24 % gute und sehr gute Effekte nach 12 bis 60 Monaten Lange Austestung + regelmäßiger Kontakt 40 % gute und sehr gute Effekte Studie: Kreczl und Klinger 1985 32 Rezeptierung 33 Multimodales Konzept der Schmerztherapie Psychologische Stimulative Ko- Parenterale Verfahren anal- Opioidgabe getika Physikalische TENS Akupunktur Maßnahmen „Die zusätzliche Anwendung einer TENS-Stimulation wird nach einigen chirurgischen Eingriffen empfohlen.“ 34 Nicht-Opioide Schwache Opioide Physiotherapeutische Starke Opioide (und) (und) Nicht-Opioide Nicht-Opioide Vorteile Einfache Anwendung Geringe Nebenwirkungen Ständige Verfügbarkeit Aktive Mitarbeit des Patienten (=PCA) Medikamenteneinsparung möglich 35