Generation Medienwandel

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TRENDS & MACHER DIE WERTE DER JUGEND
Generation
Medienwandel
Die Jugend von heute wird als Generation des neuen Medienzeitalters deklariert.
Damit einher geht die Frage nach Verhaltensveränderungen. Jede Änderung im
Verhalten kann je nach ihrer Intensität auch die Werthaltungen einer Gesellschaft
prägen. Damit zukünftige Werthaltungstendenzen verstanden werden können,
lohnt sich ein Blick auf die bisherigen Entwicklungen.
Der modernen Gesellschaft liegen drei Revolutionen zugrunde: die ökonomische Revolution mit der Entstehung des Kapitalismus, die politische Revolution mit der Bildung der Demokratie sowie die kulturelle Revolution mit der Durchsetzung
des Individualismus. Diese drei Merkmale kennzeichnen die
moderne westliche Gesellschaft.
Auf den Entwicklungen in Wirtschaft, Politik und Kultur basiert
der Wertewandel auch in der Schweizer Bevölkerung. Die konforme, formale und verwurzelte Schweiz entwickelte sich in
den 70er-Jahren dank dem Kampf der 68er-Generation zu einer
Nation, deren Bevölkerung Wert auf Nonkonformismus, Antiautoritarismus und Eskapismus legt.
In der anschliessenden Yuppie-Epoche nehmen durch den
wirtschaftlichen Boom Erfolgs- und Prestigestreben massiv
zu. Ein erfülltes, lustbetontes und aktives Leben hat Vorbildfunktion. Erst eine Zwischenphase, in welcher Unsicherheit
durch Vorfälle in der Politik und Wirtschaft, aber auch durch
Ereignisse wie etwa Tschernobyl ausgelöst wird, lässt den An-
stieg progressiver und materialistischer Werthaltungen in der
Bevölkerung vorübergehend stagnieren.
Nach einigen Jahren der Unsicherheit nehmen bis Beginn des
neuen Jahrhunderts Erfolgsstreben sowie auch Materialismus
weiter zu. Nach dem Millennium folgt der wirtschaftliche Einbruch, dessen Auswirkungen sich erstmals mit dem Swissair
Grounding in der Öffentlichkeit zeigte. Neben dem ökonomi­
schen Kollaps nehmen auch stetig neue weltpolitische Brandherde die Titelseiten der Medien in Beschlag. Dies führt dazu,
dass sich die Schweizer in ihren Werten zurück in Richtung
konservativ und introvertiert besinnen.
DemoSCOPE ermittelt seit 1974 das Psychologische Klima der
Schweiz (PKS) mit einer grossen Zahl von Aussagen, welche
die Handlungsgewohnheiten der Probanden messen und diese in Wertepositionierungen umschreiben. Dadurch werden
Veränderungen in den Werthaltungen der Schweizer Bevölkerung über die Jahre ersichtlich. Auch einzelne Bevölkerungsgruppen können im Zeitraffer nachverfolgt beziehungsweise in
den Entwicklungen untereinander verglichen werden. Die Jugend ist eine dieser Bevölkerungsgruppen, die mit PKS analysiert werden kann.
Lilian Demarmels
Lilian Demarmels ist Medienwissenschaftlerin
und seit 2011 als Projektleiterin beim
Markt- und Meinungsforschungsunternehmen
DemoSCOPE AG für den Markt der Medien
zuständig.
www.demoscope.ch
Die Jugend gilt als Phase der Wertegenese. Hier besteht die
Chance, einen eigenen Lebensstil aufzubauen, für das erste
Mal wirklich selbstständig zu agieren und einen ganz persönlichen Weg zu finden. Der Weg soll dabei nicht nur persönlich,
sondern – was oft eine grosse Herausforderung darstellt –
auch einmalig sein. Mit diesem Originalitätsanspruch ist es
klar, dass es bei der heutigen Jugend eine Pluralität von
Lebens­welten gibt. Trotzdem zeichnen sich für die aktuelle
TRENDS & MACHER DIE WERTE DER JUGEND
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Rückbesinnung auf die
Wurzeln: Die Beziehung zur
eigenen Herkunft und der
sozialen wie auch geografischen Umgebung wird
den Schweizerinnen und
Schweizern stets wichtiger.
Jugendgeneration idealtypische Trends ab, die
als seismo­grafische Nadel für die gesellschaftliche Entwicklung gesehen werden.
So sehnt sich die Jugend von heute mehr denn
in den vergangenen Jahren nach Realismus und
Ruhe im Leben. In der heutigen, vernetzten und
digital beeinflussten Weltgesellschaft versucht
die Schweizer Jugend die Verbindung zum realen Leben und ihren Mitmenschen beizubehalten. Dieser Trend zeigt sich noch stärker bei den
Schweizerinnen und Schweizern über 18 Jahren.
Er verknüpft sich mit einem gesamtschweizerischen Drang zu mehr Sicherheit.
Das Sicherheitsstreben wächst gerade auch bei
den Jugendlichen stetig an. Damit einher geht
eine höhere Wertschätzung von Ordnung. Nach
wie vor findet auch eine Rückbesinnung auf die
eigenen Wurzeln statt. Die Beziehung zur eigenen Herkunft und der sozialen wie auch geografischen Umgebung wird den Schweizerinnen
und Schweizern stets wichtiger, was sich in einer Vielzahl von
Schweizer Dokumentarfilmen oder auch den Besucherzahlen
von Anlässen wie Schwing- und Jodlerfesten zeigt. Die Werte
von Jung und Alt sind auch vom Wohlstandsdenken stark dominiert. Materialismus ist für die Schweizer Jugend kein
Fremdwort.
Einfluss medialer Veränderungen
Werthaltungen bestimmen das menschliche Verhalten. Sie
werden deshalb im Marketing gerne und zu Recht für Zielgruppendefinitionen beigezogen. Umgekehrt üben Verhaltensänderungen über die Zeit ihrerseits Einfluss auf gesellschaftliche
Werte aus. Als Motor für Verhaltensveränderungen werden
dabei auch kulturelle Entwicklungen gesehen.
Technologische Errungenschaften haben Einfluss auf diese
Entwicklungen. Die Vermutung liegt nahe, dass die digitale
Medienentwicklung das Verhalten und die Werthaltungen der
Schweizerinnen und Schweizer nachhaltig beeinflussen wird.
Es ist keine neue Erkenntnis, dass dank der Digitalisierung die
Bild: Photononstop
« Die Jugend von heute sehnt sich
nach Ruhe im Leben.»
Welt mehr als je zuvor verbunden ist. Uns stehen unendliche
Informationen zur Verfügung und – was es besonders spannend macht: Wir können auf diese jederzeit und überall zugreifen. Damit ist theoretisch die Basis für enorme Fortschritte in
der Wissensgenerierung gegeben. Auch ein globales Vergleichen wird durch die digitale Medienentwicklung möglich. Man
spricht vom globalen Dorf und zeigt damit die Ambivalenz zwischen einer gesellschaftlichen Kleinstgruppe und der gesam­
ten Weltbevölkerung auf. Wir leben in einem Zeitalter, in dem
wir ohne Standortwechsel mit der ganzen Welt verbunden
sind. Während der Kommunikationstheoretiker McLuhan warnend vermerkte, dass im globalen Dorf die Individualität
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TRENDS & MACHER DIE WERTE DER JUGEND
« Das Sicherheitsstreben wächst gerade auch bei den
Jugendlichen stetig an. Damit einher geht eine höhere
Wertschätzung von Ordnung.»
durch eine kollektive Identität aufgegeben wird, scheint
sich gerade die Jugend in ihrer Individualität global zu messen.
Über Social Media präsentiert man sich und über verschiedenste Apps misst man sich. Die Grenzenlosigkeit bietet auch
unendliche Möglichkeiten, mit denen wir erst zurechtkommen
müssen.
Der Alltag der Jugend ist ohne die neuen Medien nicht mehr
denkbar. Begriffe wie Digital Natives, Head down Generation
oder auch Generation Maybe versuchen daher die Veränderungen durch den Medienwandel zu umschreiben und der Jugend anzulasten.
Fakt ist, dass sich die heutige Jugend zwischen 14 und 19 Jahren signifikant mehr als andere Altersgruppen für Unter­hal­
tungs- und Kommunikationsgeräte sowie für Computer und
Informatik interessiert. Dies zeigt sich anhand der MACH-­
Studien der WEMF AG. Bei Downloads von Musik, Film und
Spielen sind Jugendliche doppelt so aktiv wie der Rest der
Bevölkerung. Zwei Drittel der Jugendlichen nutzen ausserdem
mobiles Internet täglich oder fast täglich. Darüber, ob und welchen Einfluss dieses Verhaltensmuster auf die Werthaltungen
der Schweizer in Zukunft hat, lässt sich allerdings nur mutmassen. Der mediale Umbruch dürfte so weitreichend sein wie
der, den Gutenberg mit seiner Erfindung des Buchdrucks im
15. Jahrhundert einleitete.
Medienwandel in der Werbebranche
Auf den Medienwandel müssen sich seit einiger Zeit verschiedene Branchen, wie die Werbebranche, einstellen. Das Nutzungsverhalten der Jugend lässt auf zukünftige Trends schliessen. Laut den Daten der MACH-Studien beachten bereits zwei
Drittel der Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren Werbung in so­
zialen Netzwerken. Auch bei Werbung im Internet allgemein
ist der Beachtungskreis im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
der Schweiz bei den Jugendlichen höher. Dagegen beachten
weniger Jugendliche Werbung in Printmedien wie Zeitungen,
Zeitschriften oder auch Katalogen und Prospekten. Dies zeigt,
dass die Werbung den Schritt Richtung digitale Medien mitmachen muss, wenn sie die neue Generation und die zukünftige
Käuferschaft ansprechen möchte.
Wenn es um das Empfinden von Werbung in den verschiedenen Medien geht, liegen die Meinungen der Jugendlichen
und der Gesamtbevölkerungen allerdings noch sehr nahe.
Weiterhin gelten klassische Medien wie Zeitungen und Zeitschriften als informativ und glaubwürdig. TV und grossflächige
Plakate bieten, laut der Schweizer Bevölkerung, nach wie vor
sehr attraktive Werbeflächen.
Dagegen werden die digitalen Medien als Träger für Werbung
weder mit dem Attribut Attraktivität noch mit demjenigen der
Glaubwürdigkeit versehen. Mobile Apps und Handys sind als
Werbeträger noch nicht akzeptiert. Zwar bietet das Internet
vielseitige Möglichkeiten der Erhöhung der Informationstransparenz, doch leidet das Medium aufgrund der noch unzureichenden gesellschaftlichen Institutionalisierung und der fehlenden Kontrollierbarkeit der Informationen und deren Quellen
noch immer an einem Glaubwürdigkeitsdefizit.
Die Möglichkeiten für Werbung in den neuen Medien sind ausserdem noch lange nicht ausgeschöpft. Ausserdem sind gerade soziale Medien aber auch ein Weg, sich selber auszudrücken; sie bauen damit eine Intimität auf, welche durch Werbung gestört wird. Wie bei jeder, nennen wir sie mal überpointiert «Medienevolution» gehört eine gewisse Vorsicht zu
Beginn dazu. Die Gesellschaft wird sich mit der Zeit aber auch
hier an Werbeflächen gewöhnen und damit wird sich die
Glaubwürdigkeit von Werbung in den digitalen Medien verfes­
tigen, denn in ihnen liegt die Zukunft.
« Materialismus ist für
die Schweizer Jugend
kein Fremdwort.»
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