Die Hölle im Kopf befrieden Therapie Innovation

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Therapie
Innovation
Die Hölle im Kopf
befrieden
Innovative Therapien
bei Migräne
Verband Forschender
Arzneimittelhersteller e.V.
9
Ohne Medikamente wäre die Geschichte der Medizin eine Kurzgeschichte. Innovative Arzneimittel
waren und sind Meilensteine des therapeutischen
Fortschritts. Aber längst sind nicht alle Krankheiten
besiegt. Millionen Patienten warten auf Heilung.
Die forschenden Arzneimittelhersteller forschen für
das Leben.
Die forschenden Arzneimittelhersteller wollen
weiterhin mit innovativen Arzneimitteln den therapeutischen Fortschritt vorantreiben. Dazu brauchen
sie verlässliche Rahmenbedingungen am Standort
Deutschland und ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen, das den Wettbewerb um die beste Qualität
stimuliert.
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.
(VFA) vertritt die Interessen der weltweit führenden
forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland.
Er repräsentiert eine wettbewerbsfähige High-TechBranche und sucht den Dialog mit der Öffentlichkeit sowie allen Verantwortlichen in Politik und
Gesellschaft. Denn gerade Innovationen brauchen
gesellschaftliche Akzeptanz.
Die Hölle im Kopf
befrieden
Innovative Therapien
bei Migräne
Verband Forschender
Arzneimittelhersteller e.V.
Inhalt
4|
Portrait einer Krankheit
Hölle im Kopf
6|
Ursachen und Auslöser
Eine Krankheit – viele Rätsel
10 |
Therapie früher und heute
Vom Zitterrochen zum Betablocker
14 |
Perspektiven für künftige Therapien
Migräne abstellen?
15 |
Glossar
16 |
Agenda
Die Chancen innovativer
Arzneimittel nutzen und fördern
Zum Thema
Canapés mit Roquefort, dazu ein trockener Rotwein,
anschließend etwas Obstsalat … für den einen ist es
ein kulinarischer Hochgenuss, für den anderen der
Anfang vom Ende eines schönen Tages. Denn für
einen Migränepatienten sind häufig so unverdächtige
Speisen und Getränke wie Käse, Wein oder Zitrusfrüchte Auslöser für die nächste Attacke – für ein
„Gewitter im Kopf“, das sich in Kopfschmerzen, Übelkeit, Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen und anderen
Beschwerden äußert, meist über viele Stunden,
manchmal sogar tagelang. Wie Migräneattacken im
einzelnen ausgelöst werden, versteht die Medizin bis
heute ebenso wenig wie das, was daraufhin im Kopf
eines Migränikers geschieht. Die moderne Zell- und
Hirnforschung konnte viele Details erhellen, das
Gesamtbild fehlt jedoch weiterhin.
Glücklicherweise haben aber bereits diese Teilergebnisse den Arzneiforschern den Weg zu hoch wirksamen Medikamenten gewiesen, die Migräneanfälle in
ihrer Häufigkeit und Schwere entschärfen können.
Die vorliegende Broschüre erläutert, wie die Behandlung und Vorbeugung der Migräne durch innovative
Präparate Zug um Zug verbessert wurde und welche
neuen Therapiemöglichkeiten für die Patienten derzeit
in Labors und Kliniken erprobt werden. Sie stützt sich
zu einem wesentlichen Teil auf die Studie „Die Bedeutung von innovativen Arzneimitteln für die Gesundheit
der Bevölkerung in Deutschland“ des Berliner Instituts
für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH.*
Diese wurde im Auftrag des Verbandes Forschender
Arzneimittelhersteller e.V. erstellt und im Juni 2002
veröffentlicht.
* Die Studie kann beim
Verband Forschender
Arzneimittelhersteller e.V.
angefordert werden.
Sie steht auch unter
www.vfa.de/innovationsstudie
zum Herunterladen zur
Verfügung.
Die Reihe TherapieInnovation veranschaulicht an ausgewählten Krankheitsgebieten den therapeutischen
Fortschritt durch Arzneimittel. Eine zusammenfassende
Übersicht über elf Krankheitsgebiete findet sich in
Band 1.
Portrait einer Krankheit
Hölle im Kopf
Mit gefurchter Stirn und starrem Blick schaut Friedrich Wilhelm Nietzsche
ins Leere. Schwer lastet der Kopf in der Hand des Philosophen –
als hätte ein zeitgenössischer Fotograf versucht, die Essenz der Migräne
in einem einzigen Bild einzufangen.
Hilflos musste einer der einflussreichsten Denker des
19. Jahrhunderts die Schmerzen ertragen, die ihn
schon in seiner Kindheit heimsuchten. Venedig, Nizza,
Genua, Sils-Maria in der Schweiz, das tschechische
Marienbad, Rom, Rapallo und Turin – trotz häufiger
Ortswechsel konnte Nietzsche den ständigen MigräneAttacken nirgendwo entrinnen. Im Gegenteil verschlimmerte sich sein Zustand so sehr, dass der Professor mit
35 sein Lehramt an der Universität Basel aufgeben
musste. Zehn Jahre später – es waren inzwischen noch
andere Leiden hinzugekommen – wies man den Mitbegründer der Existenzphilosophie in eine Nervenklinik
ein, und schließlich verstarb der Advokat des „Übermenschen“ in geistiger Umnachtung am 25. August
1900 bei seiner Schwester in Weimar.
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Im gleichen Jahr klagt auch Sigmund
Freud über die Migräne, die er mal
„scheußlich“, mal „prächtig“ nennt.
Den Vater der Psychoanalyse quälen
zwar die Kopfschmerzen; zugleich ist er
aber fasziniert von der Krankheit, die er
im Licht der eigenen Theorien als eine
Art Ventil für unbewusste Konflikte
interpretiert. Vor allem die übermäßig starke Gefühlsbindung des Sohnes an die Mutter – der Ödipuskomplex – soll die körperlichen, geistigen wie biologischen
Reaktionen der Migräne verursachen, wie Freud in seinem Konversionskonzept spekuliert. Manche Menschen, urteilt er, „wären gewiss der Krankheit entgangen, wenn das Leben sie nicht in diese oder jene Lage
gebracht hätte“. Den seelischen Ursachen der eigenen
Beschwerden will er durch Selbstanalyse auf den
Grund gehen, doch der Versuch schlägt fehl. Auch als
Freud die „Hölle im Kopf“ mit Kokain bekämpfen will,
bleibt er erfolglos.
Charles Darwin und Wilhelm Busch, Heinrich Heine
und Karl Marx, die Liste prominenter Migräne-Opfer
ließe sich endlos fortsetzen. Elf Prozent der Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind laut einer Umfrage betroffen, was recht genau der Häufigkeit der
Migräne im Rest der Republik entspricht.
Etwa jede neunte Person musste hierzulande das Leiden bereits am eigenen Leib erfahren, wobei Frauen
fast drei Mal so häufig betroffen sind wie Männer.
Folgt man der weniger strengen Krankheitsdefinition
internationaler Gremien, ist sogar ein Drittel der Bevölkerung Migräne-erfahren. Die Krankheit wäre damit
das häufigste schwere Nervenleiden überhaupt.
Neben den wiederkehrenden, starken, pulsierenden,
meist nur auf einer Seite des Kopfes auftretenden
Schmerzen zählen Übelkeit, Schwindel und Erbrechen
sowie eine Überempfindlichkeit gegen Licht und Geräusche zu den häufigsten Krankheitszeichen. Fachleute
sprechen hier von der einfachen Migräne im Gegensatz zur „klassischen“ Migräne, der die so genannte
Aura vorangeht. Etwa jeder Zehnte Patient erlebt dieses mysteriöse Phänomen von etwa 30 bis 60 Minuten
Dauer. Langsam breiten sich in dieser Zeit Sehstörungen und andere ungewöhnliche Wahrnehmungen aus.
Oft spüren die Patienten ein Kribbeln, das in den Fingerspitzen beginnt und sich langsam bis zur Schulter
fortpflanzt. Sie sehen Lichtblitze, Flecken oder Zickzacklinien auf einer Seite des Gesichtsfeldes, sie können mitunter merkwürdige Gerüche wahrnehmen oder
Sprechstörungen und Lähmungen der Gliedmaßen
erleiden. Aber auch zwanghafte Bewegungen kommen als Aura-Effekt vor.
Für Sigmund Freud war ein anderer Aspekt der Aura
besonders interessant: Oftmals kommt es dabei nämlich zu einer vorübergehenden „Depersonalisation“.
Die Sinneseindrücke und das Zeitempfinden, auf denen
die Selbstwahrnehmung beruht, sind dann vollends
gestört, und es regiert ein Gefühl der Ich-Auflösung.
Fasziniert von den vielfältigen Erscheinungsformen der
Migräne haben Mediziner und Wissenschaftler ungezählte Fallgeschichten zusammen getragen. Bei seinem
ersten Patienten habe er die Migräne lediglich für eine
besondere Form von Kopfschmerzen gehalten, bekennt
der New Yorker Nervenarzt Oliver Sacks. Nach tausend
Patienten aber sei er „entzückt gewesen von der Komplexität der Geschichten“, erinnert sich der durch seine
einfühlsamen Krankenberichte zum Bestsellerautor
avancierte Mediziner: „Hier war etwas, das innerhalb
weniger Minuten von subtilsten Störungen von Wahrnehmung, Sprache, Emotion und Denken in jedes
erdenkliche unwillkürliche Krankheitszeichen übergehen konnte. Jeder Patient offenbarte sich sozusagen
als vollständige neurologische Enzyklopädie.“
Die Faszination der Fachleute empfinden Betroffene
indes als wenig tröstlich: „Migräne tötet die Freude am
Leben“ schreibt Audrey Craven, Gründerin des Irischen
Migräneverbandes. Craven, die eine Brustkrebserkrankung glücklich überstanden hat, hält die Migräne für
das schlimmere Übel, weil sie während der Attacken
nicht am normalen Alltagsleben teilhaben kann. „Wie
bei einem Stromausfall“ ist sie dann unfähig, anspruchsvolle Aufgaben zu verrichten, und lebt zudem
zwischen den Anfällen in ständiger Angst vor der
nächsten Attacke.
Mosaikillusion, eine Wahrnehmsveränderung unter
Migräne, gezeichnet von
einem Patienten.
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Ursachen und Auslöser
Eine Krankheit – viele Rätsel
Migräneattacken dauern in der Regel zwischen vier und 72 Stunden. Zwischen
zwei Attacken können Jahre vergehen; doch manche Patienten müssen sie sogar
täglich erdulden. Meist leiden Patienten unter ein bis zwei Migräneattacken pro
Monat. Betroffen sind Menschen jeden Alters. Ihren ersten Anfall erleben die
meisten noch vor dem 21sten Lebensjahr.
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Licht- und GeräuschEmpfindlichkeit
Schmerz
Querschnittsaufnahmen
des Gehirns, erstellt durch
PET: links normal, rechts
bei Migräne.
Violette Partien zeigen
erhöhte Nervenaktivität.
Übelkeit
Erbrechen
Bei einer Migräneattacke
kommt es im Kopf entlang
der Nerven (Pfeile), die
Blutgefäße versorgen, zu
Entzündungen.
Je nachdem, wo sich die
Entzündungsreaktionen
besonders ausprägen,
kommt es zu Licht- und
Geräuschempfindlichkeit,
Schmerz oder Übelkeit.
Nicht wenige Migräniker leiden unter dem Vorwurf,
wehleidig oder hysterisch zu sein oder gar zu simulieren. Doch sie sind keine Simulanten, die eine Ausrede
fürs Blaumachen suchen. Das belegt auch die Statistik:
Eine ausführliche Befragung ermittelte, dass Patienten
ihre Kopfschmerzattacken mit Abstand am häufigsten
samstags und sonntags erlitten. An durchschnittlich
17 Tagen im Jahr beeinträchtigte die Migräne ihre Freizeitaktivitäten.
Jedoch sind auch die durch Arbeitsausfall verursachten
volkswirtschaftlichen Schäden der Migräne immens. So
fühlten sich im Gegensatz zu „gewöhnlichen“ Kopfschmerzpatienten in der bereits erwähnten Befragung
37 Prozent der Migräniker schwer und 58 Prozent sehr
schwer behindert. Nur jeder 25ste gab an, mit unverminderter Kraft weiter arbeiten zu können; dagegen
war jeder siebte während der Attacken ans Bett gefesselt. Da verwundert es nicht, dass sechs Prozent aller
Betroffenen sich regelmäßig krankschreiben lassen
mussten und weiteren 25 Prozent gelegentliche
Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde. Durchschnittlich
kommen so 17 verlorene Arbeitstage pro Jahr und
Patient zusammen. Auf jährlich 2,5 Milliarden Euro
schätzt man die Gesamtkosten der Krankheit, wobei
der Löwenanteil durch Produktionsausfälle verursacht
wird. Die Ausgaben für Arzneimittel und medizinische
Behandlung betragen dagegen weniger als ein Zehntel
der Gesamtsumme.
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Die Ursachen der Krankheit
Schon seit dem Altertum beschäftigen sich Ärzte mit
der Migräne. Doch über ihre Ursachen waren sie bis in
die Neuzeit hinein ebenso im Unklaren wie über eine
zweckmäßige Therapie.
Erstmals auf der richtigen Spur zu den Krankheitsursachen war 1664 der englische Arzt Thomas Willis: Er
spekulierte, dass die Migränekopfschmerzen durch
Blutstauung und Erweiterung von Blutgefäßen im Kopf
verursacht werden. Dass der Schmerz typischerweise
als pulsierend, hämmernd oder pochend beschrieben
wird und sich mit jedem Pulsschlag zu verstärken
scheint, machte Willis´ Vorstellungen plausibel. Und
moderne Methoden bestätigen, dass Durchblutungsveränderungen eine Rolle spielen: Mit Diagnose-Techniken wie PET und SPECT (vgl. Glossar), mit denen
man Prozesse im Gehirn sichtbar machen kann, konnte
der Essener Neurologe Christoph Diener 1995 für die
Migräne ohne Aura eine vermehrte Durchblutung im
oberen Bereich des Hirnstamms – einer Region tief im
Innern des Kopfes – nachweisen, die nach dem Abklingen der Schmerzen noch geraume Zeit anhielt.
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Von diesem „Migränegenerator“ aus wanderte eine
Durchblutungsminderung bereits vor der eigentlichen
Kopfschmerzattacke wie eine langsame Welle in der
Großhirnrinde nach vorne in Richtung der Seh- und
Hörbereiche.
Andere Ärzte richteten ihr Augenmerk auf die offensichtliche Schwellung und Rötung der Schläfenarterien
bei vielen Patienten und deuteten sie ebenso wie die
stellenweise überempfindliche Kopfhaut als Zeichen
einer örtlichen Entzündung, in der sie den Grund für
die Migränesymptome sahen. Bei der Suche nach Faktoren, die solch eine Entzündung hervorrufen, stieß
der italienische Forscher Federigo Sicuteri 1961 auf
den Botenstoff Serotonin. Serotonin wird auch im
gesunden Gehirn von vielen Nervenzellen ausgeschüttet. Doch er fand Hinweise darauf, dass das während
der Attacken in verstärktem Maße geschieht. Von
Serotonin ist bekannt, dass es die Wirkung von Entzündungsstoffen verstärken kann, und dass es imstande ist, Blutgefäße zu verengen. All das sind nur einzelne Indizien, die eine Beteiligung von Serotonin am
Migränegeschehen nicht beweisen. Aber diese Indizien
trugen wesentlich zur Entwicklung der derzeit wirksamsten Migränemittel bei, die dem Serotonin chemisch ähnlich sind.
Ein PET-Scanner macht
die Gehirnaktivität
sichtbar.
Eine dritte Gruppe von Hinweisen deutet darauf hin,
dass außergewöhnliche Aktivität von Nervenzellen die
eigentliche Ursache der Migräne ist. So setzten einige
Forscher bei Migränikern als weitere Diagnose-Methode auch die funktionale Magnetresonanz-Tomographie
(functional magnetic resonance imaging, fMRI) ein, die
die Aktivität von Nervenzellen in verschiedenen Teilen
des Gehirns darstellen kann. Damit entdeckten sie bei
Patienten eine Aktivitätsstörung bei einer großen Zahl
von Nervenzellen, die sich nach einem ähnlichen
Muster wie die Minderdurchblutung mit einer Geschwindigkeit von wenigen Millimetern pro Minute
in der Großhirnrinde ausbreitet. Dieses Phänomen
fand man bei Patienten, bei denen die Migräne mit
Aura auftritt.
Doch wie hängt alles zusammen? Nach einer Vorstellung reizen abnorm aktive Nervenzellen mit Hilfe von
Serotonin und anderen Botenstoffen so lange Gefäßwände im Gehirn, bis sich diese entzünden.
Dann schwellen die entzündeten Adern an, werden
durchlässig, und die durchsickernde Flüssigkeit drückt
auf umliegende Nervenzellen, was zu Schmerzen
führt. Es könnten aber auch bestimmte, bei der Entzündung freigesetzte Stoffe (Neuropeptide) auf die
Nerven rückwirken, speziell auf den das Gesicht versorgenden Trigeminus-Nerv. Dies würde die gesteigerte
Schmerzempfindlichkeit gut erklären. Doch bestätigt
sind diese Zusammenhänge noch nicht.
Auslöser
Viele Patienten berichten, dass Anfälle bei Ihnen meist
durch konkrete Auslöser angestoßen werden. Zu diesen zählen häufig der Genuss von Rotwein, Schokolade oder Käse, Hunger, Schlafmangel, Stress, aber auch
äußere Reize wie Licht, Lärm und Gerüche, Föhn oder
Hitze.
Dass wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen
sind, hat den Blick der Wissenschaftler auf Hormonschwankungen gerichtet, wie sie während des weiblichen Zyklus auftreten. Es zeigte sich jedoch, dass eine
so genannte menstruelle Migräne maximal fünf Prozent der weiblichen Patienten betrifft.
Keine Migränepersönlichkeit
Ebenso falsch wie verbreitet ist die Vorstellung, es
gebe eine „Migränepersönlichkeit“, die ein Übermaß
von Disziplin, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit und
ähnlichen Eigenschaften besitzt. Diese Charakterzüge
sind bei Patienten nicht häufiger anzutreffen als bei
Gesunden. Bildlich gesprochen ist das Nervenkostüm
bei Migränikern aber in der Tat anders gestrickt als in
der Allgemeinbevölkerung: Auch zwischen den
Attacken reagieren die Kranken messbar empfindlicher
auf Licht und Schall. Taucht man ihre Hände in Eiswasser, so erreichen sie die Schmerzgrenze in kürzerer Zeit
als Gesunde; sanfte Berührungen registrieren Migräniker dagegen weniger schnell.
Die Vererbung spielt offensichtlich ebenfalls eine Rolle,
denn die Migräne tritt gehäuft in manchen Familien
auf. Welche Gene beteiligt sind, ist jedoch weitgehend
unbekannt. Lediglich bei der sehr seltenen familiärhemiplegischen Migräne beobachtete man einen Gendefekt, der vermutlich bestimmte Nervenzellen bei der
Signalverarbeitung stört. Von der Suche nach weiteren
Erbmerkmalen mit Einfluss auf die Migräneanfälligkeit
verspricht man sich wertvolle Hinweise auf lohnende
Ziele für die Entwicklung neuer Arzneimittel.
Der englische Arzt
Thomas Willis suchte die
Ursachen der Migräne.
Bestimmte Speisen oder
Getränke, etwa Rotwein
und Käse, können eine
Migräne-Attacke auslösen.
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Therapie früher und heute
Vom Zitterrochen zum
Betablocker
Not macht erfinderisch – und so legte man Migränikern im alten Ägypten
schon mal einen lebendigen Zitterrochen auf den Kopf. Ob der Fisch mit
seinen Stromschlägen die Migräne wirklich vertreiben konnte, ist nicht
überliefert, doch schien die Methode allemal besser als das Vorgehen der
Sumerer und Assyrer. Die bohrten nämlich in besonders hartnäckigen Fällen
den Schädel auf, um die „schlechten Gase“ entweichen zu lassen.
Die Geschichte der Migränetherapie ist voll von solchen drastischen Heilversuchen; nennenswerte Erfolge
aber gab es erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zu vermelden. Einer der wichtigsten war die Entwicklung von
Acetylsalicylsäure (ASS) im Jahr 1897.
Dieses bis heute häufig verwendete Schmerzmittel ist
imstande, auch die Migränequalen bei leichteren Formen der Krankheit zu mildern. Gleiches gilt für andere
gängige Schmerzmittel, die nach und nach entwickelt
wurden, etwa Paracetamol, Ibuprofen oder Diclofenac.
Eine wichtige Therapieverbesserung brachten dann ab
1965 noch Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika) wie Metoclopramid und Domperidon. Denn
sie nehmen den Patienten zwei der Hauptsymptome
und erleichtern ihnen gleichzeitig die Einnahme weiterer Arzneimittel gegen die Attacke.
Bei leichten Formen der Krankheit gilt die Kombination
aus einem Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure und
einem Antiemetikum bis heute als Therapie der Wahl.
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Zitterrochen
Bei mittelschweren und schweren Attacken allerdings
erwiesen sich diese Substanzen allzu oft als unzureichend oder zu langsam in ihrem Wirkungseintritt.
Dem mit einer noch höheren Dosierung zu begegnen,
ist keine praktikable Lösung. Denn dann können auch
vermehrt Nebenwirkungen auftreten, die Magen, Leber
und Niere der Patienten in Mitleidenschaft ziehen.
Schwere Migräneattacken
Ebenfalls bis ins 19. Jahrhundert zurück reichen die
Anfänge einer speziellen Migränetherapie, die – mehr
oder weniger erfolgreich – auch schwere Attacken
bekämpfen kann. So wurde 1868 im British Medical
Journal die Wirksamkeit eines Extraktes aus dem giftigen, Getreide befallenden Pilz Claviceps purpurea, besser bekannt als Mutterkorn, gegen Migräne beschrieben. Grobe Mutterkornextrakte blieben in Gebrauch,
bis sie durch Präparate ersetzt wurden, die nur den
wirksamen Stoff der Extrakte, das Ergotamin, in gereinigter Form enthielten. Auf sie folgten ab 1943 Medikamente mit etwas verträglicheren Ergotamin-Varianten wie dem Dihydroergotamin. Alle diese meist
zusammenfassend als Mutterkornalkaloide bezeichneten Substanzen wirken nicht als universelle Schmerzmittel (gegen das gewöhnliche „Spannungs“- Kopfweh
sind sie beispielsweise wirkungslos), sondern beeinflussen gezielt das Migräne-Geschehen, wenn sie bei einer
Attacke frühzeitig eingenommen werden. Dann bewirken sie insbesondere eine Drosselung der Durchblutung in bestimmten Hirngefäßen. Allerdings führen sie
bei vielen Patienten zu Übelkeit und Erbrechen. Manche leiden bei zu hoher Dosierung an Dauerkopfschmerzen, Nervenstörungen und massiven Durchblutungsstörungen in den Gliedmaßen.
Trotzdem waren die Mutterkornalkaloide bis 1993 die
einzigen Arzneimittel zur Behandlung schwerer Migräneattacken.
Als therapeutische Revolution begrüßten es deshalb
Fachleute, als erstmalig gezielt neue Medikamente
gegen die Migräne entwickelt wurden: Der 1993 eingeführte Wirkstoff Sumatriptan war der erste Vertreter
der Triptane, die sich mittlerweile als die wirksamste
Wirkstoffgruppe gegen Migräne erwiesen haben. Triptane binden sich sehr gezielt an bestimmte Moleküle
in den Blutgefäßen des Gehirns. Sie verengen dadurch
die Blutgefäße unter der Schädeldecke. Außerdem
behindern sie die Freisetzung von Signalsubstanzen
(Neuropeptiden) aus dem gereizten Trigeminus-Nerv.
Was die Triptane so besonders macht, ist die Tatsache,
dass sie Blutgefäße in anderen Körperteilen unangetastet lassen. Sie verursachen deshalb viel weniger
Nebenwirkungen als die Mutterkornalkaloide.
Diese für ein Arzneimittel besonders wünschenswerte
Eigenschaft ist kein Zufall, sondern das Resultat eines
langfristig angelegten Forschungsprojektes, das bereits
1972 initiiert wurde. Ausgehend von Serotonin synthetisierten und prüften die Wissenschaftler eines Arzneimittelherstellers hunderte von verwandten Substanzen,
bis sie zwölf Jahre später endlich das Sumatriptan in
Händen hielten. Dann sollte es noch einmal fast ein
Jahrzehnt dauern, bis die klinischen Prüfungen abgeschlossen waren und die Zulassungsbehörden ihr Plazet
gegeben hatten.
Drastische Therapieversuche gegen Migräne im
Mittelalter
Um 1890 versprachen
dubiose Pillen vollkommenen Schutz vor Kopfweh
und Migräne.
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Weniger verlorene Zeit durch Triptane
Verlorene Zeit am Arbeitsplatz über 12 Wochen
in Stunden
Herkömmliche
Therapie
Verlorene Zeit außerhalb
der Arbeit über 12 Wochen
in Stunden
Therapie
mit Triptan
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Quelle: Nach Angaben von
Perry & Markham 1998
In der Praxis zeichnen sich Triptane dadurch aus, dass
sie verhältnismäßig schnell und zu jedem Zeitpunkt
innerhalb einer Attacke wirken. 60 bis 70 Prozent der
Patienten verspüren binnen zwei Stunden nach Einnahme eine deutliche Besserung. Die innovativen Substanzen bekämpfen nicht nur die Kopfschmerzen, sondern
auch typische Begleiterscheinungen wie Licht- und
Lärmempfindlichkeit sowie Übelkeit und Erbrechen.
Patienten, die ein Triptan einnehmen, können deshalb
in vielen Fällen auf ein Antiemetikum verzichten. In
den Laboratorien der forschenden Arzneimittelhersteller haben Wissenschaftler zudem neben Triptan-Tabletten auch andere Darreichungsformen wie Spritzen,
Nasensprays und Zäpfchen entwickelt. Damit können
Triptane selbst dann angewendet werden, wenn ein
Patient jedes geschluckte Medikament wieder erbricht.
Sieben verschiedene Triptane stehen den Ärzten heute
zur Verfügung, die sich beispielsweise in der Wirkdauer und der Wartezeit bis zum Wirkungseintritt unterscheiden.
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Auch sprechen manche Patienten besser auf das eine, manche besser auf ein
anderes Triptan an. Diese Vielfalt stellt
einen wichtigen Fortschritt für eine
maßgeschneiderte, auf die individuellen
Bedürfnisse abgestimmte Migränetherapie dar.
Doch auch die Triptane sind noch nicht
perfekt: Sie wirken nicht bei allen Patienten. Sie können das erneute Auftreten von Kopfschmerzen nach einer
erfolgreichen Behandlung nicht verhin20
dern, und sie können vorübergehend
Muskelschmerzen und in sehr seltenen
Fällen Beklemmungsgefühle hervorrufen, so dass eine Verschreibung an herzkranke Patienten nicht möglich ist. Die Gesamtbilanz jedoch ist sehr
positiv, so dass die Triptane von allen medizinischen
Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für
Neurologie oder der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft bei mittelschweren und schweren
Migräneattacken als „Therapie der ersten Wahl“ empfohlen werden.
Attacken vorbeugen
Neben der Behandlung von Migräneattacken spielt
auch deren Vorbeugung eine wichtige Rolle. Sie wird
insbesondere empfohlen, wenn die verfügbaren Medikamente bei drei oder mehr Attacken im Monat nicht
ausreichend wirken, wenn der Patient die Anfälle als
unerträglich empfindet oder wenn die Nebenwirkungen der Akuttherapie zu schlimm werden. Ärzte können dann die bei Herz-Kreislauferkrankungen bewährten Beta-Blocker Metoprolol und Propranolol oder den
Kalziumkanal-Hemmstoff Flunarizin verwenden.
Meilensteine bei der
Behandlung und
Vorbeugung der Migräne
Bleiben diese Maßnahmen erfolglos, stehen mindestens acht weitere Arzneimittel zur Verfügung, die sich
zur Vorbeugung von Migräneattacken bewährt haben.
Dieses breite Repertoire erlaubt es, mit einer optimalen
Migräneprophylaxe die Zahl, Häufigkeit und Intensität
der Anfälle zu halbieren.
Fortschritt, der sich lohnt
Solche Fortschritte zahlen sich auch in wirtschaftlicher
Hinsicht aus. Das konnten Ökonomen am Beispiel der
Triptane eindeutig belegen. So ergab eine Studie mit
annähernd 600 Patienten Produktivitätsgewinne zwischen 12 und 90 Stunden pro Patient und Jahr, als die
Kranken von einer herkömmlichen Therapie zu Sumatriptan wechselten. Eine britische Untersuchung kam
zu dem Schluss, dass die Behandlung mit der neuartigen Therapie die volkswirtschaftlichen Kosten für
jeden Migränepatienten jährlich um netto 125 Britische Pfund (etwa 185 Euro) senken würde.
Leider bleibt die Migräne bis heute eine der am
schlechtesten versorgten neurologischen Erkrankungen.
Über zwei Drittel aller Patienten haben trotz ihrer
Beschwerden noch nie einen Arzt aufgesucht oder
gehen nicht mehr hin. Die Mehrzahl der Migräniker in
Deutschland erhält noch immer ältere, rezeptfreie
Präparate, obwohl es für sie längst sehr viel wirksamere Medikamente gibt. Noch im Jahr 2001 bekamen nur
14 Prozent der Betroffenen von ihrem Arzt die neuen
Triptane verordnet. Damit sind Migräne-Patienten in
Deutschland deutlich schlechter versorgt als ihre Leidensgenossen in anderen EU-Ländern. Skandinavische
Ärzte verordnen sechs Mal mehr Triptane als ihre deutschen Kollegen.
1996 Nasenspray mit
Triptan in Deutschland zugelassen
1993 Erstes TriptanPräparat in Deutschland zugelassen
60er Betablocker zur
Jahre Vorbeugung von
Migräneattacken
1965 Wirksame Mittel
gegen Übelkeit und
Erbrechen
30er Ergotamin aus
Jahre Mutterkorn zur
Migränebehandlung
1899 Acetylsalicylsäure
(ASS) eingeführt
1868 Mutterkornextrakt
im British Medical
Journal gegen
Migräne empfohlen
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Perspektiven für künftige Therapien
Migräne abstellen?
Auch die Vorbeugung von Migräneattacken soll weiter verbessert werden.
Hierzu werden derzeit vor allem Medikamente geprüft, die bereits für andere
Anwendungen zugelassen und als gut
verträglich bekannt sind. So konnten in
ersten Studien zwei als Blutdrucksenker
zugelassene Medikamente – ein Sartan
und ein ACE-Hemmer – die Zahl und Schwere der
Attacken vermindern. Gleiches zeigte sich für Botulinumtoxin, das bislang nur zur Behandlung bestimmter
Muskelkrämpfe zugelassen ist. Eine Injektion des Wirkstoffs scheint zwei bis drei Monate lang zu wirken.
Auch Arzneimittel gegen Epilepsie werden im Hinblick
auf die Migränevorbeugung geprüft: Im Tierversuch
konnte für ein Epilepsie-Medikament die wellenförmige Ausbreitung der Störungen in der Nervenaktivität
verhindern, wie sie bei Migränepatienten mit Aura
beobachtet wurde.
Wenn tatsächlich „falsche Nervenaktivität“ die eigentliche Ursache der Migräne ist, dann stehen Methoden
zu deren Unterbindung künftig im Zentrum des Interesses. Denkbar wäre ein Elektrodensystem am Kopf,
das das Auftreten der Aktivität misst und sie bei Bedarf
elektrisch unterbricht. In einem Einzelfall ist Ärzten am
Rush-Presbyterian-St Luke's Medical Centre in Chicago
etwas Ähnliches bereits gelungen: Sie konnten die permanenten Kopfschmerzen einer Patientin mit geschädigtem Augennerv „abstellen“, indem sie den Nerv mit
einer Batterie verbanden, die von der Patientin bei
Bedarf eingeschaltet wird. Die Batterie neutralisiert
dann die Nervenreize mit winzigen Stromschlägen. Ob
allerdings ähnliche Maßnahmen auch bei Migräne erfolgreich sein können, ob sie vielleicht sogar einmal
zur Routineprozedur für Migräniker werden, bleibt vorerst Spekulation.
Trotz aller Fortschritte bleiben große Herausforderungen. Eine echte Heilung der
Migräne oder das vollständige Unterdrücken von Attacken ist noch nicht möglich. Auch fehlt bis heute eine objektive Untersuchungsmethode, mit der sich die
Diagnose „Migräne“ zweifelsfrei beweisen ließe: Ob ein Patient Migräne hat und
ob die Therapie dagegen wirksam ist, kann zurzeit weder ein Bluttest noch eine
Computertomographie beantworten. Nur der Patient selbst kann es spüren.
Weitere Verbesserungen erhoffen sich Wissenschaftler
und Ärzte von Hemmstoffen gegen jene Substanzen,
die den Durchmesser der Blutgefäße des Gehirns regulieren beziehungsweise dort eine Entzündung auslösen
und verstärken können. Zu diesen Substanzen gehört
die simple chemische Verbindung Stickstoffmonoxid
(NO), dazu zählen aber auch von bestimmten Nervenzellen freigesetzte Neuropeptide mit komplizierten
Namen wie Calcitonin-Gen-verwandtes Peptid (abgekürzt CGRP) und Vasoaktives Intestinales Peptid (VIP).
Für alle diese Angriffspunkte ist die Entwicklung
bereits weit fortgeschritten, und in klinischen Studien
werden entsprechende Wirkstoffe bereits an Patienten
getestet. Noch das Stadium von Zellkultur- oder Tierversuchen durchlaufen derzeit einige Wirkstoffe aus
neuen Wirkstoffklassen, die die Freisetzung von Botenstoffen wie Serotonin, aber auch Dopamin beeinflussen und damit die Migräne stoppen sollen.
Unbestritten ist dagegen, dass neben den notwendigen weiteren Forschungsprojekten das vorrangige Ziel
die Beendigung der Untersorgung der Migräniker in
Deutschland sein muss. Ihre Versorgung mit innovativen Medikamenten sollte künftig zumindest das
Niveau der skandinavischen Staaten erreichen.
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Glossar
Antiemetikum
Arzneimittel, das Übelkeit
bekämpfen und Erbrechen
verhindern kann.
Aura
Vielfältige Wahrnehmungen, die bei einigen Migränikern dem Kopfschmerz
vorausgehen. Besonders
häufig ist die visuelle A.
mit Gesichtsfeldstörungen
wie Flimmern, Lichtblitzen
und Zackenlinien, doch
können auch Geräusche,
Gerüche oder zwanghafte
Bewegungen auftreten
(akustische, olfaktorische
und motorische A.).
Auslöser
Nahrung (Käse, Wein etc.)
oder andere Umwelteinflüsse, die bei einem
Migräniker einen Migräneanfall anstoßen können.
CGRP
Abkürzung für „Calcitonin
Gene-Related Peptide“,
eine körpereigene Substanz, die die Entzündung
von Blutgefäßen fördert.
einfache
Migräne
Häufigste Variante der M.,
der keine → Aura vorangeht.
Ergotamin
Inhaltsstoff des → Mutterkornpilzes, der früher als
Migränemedikament
genutzt wurde.
familiärhemiplegische
Migräne
Sehr seltene, erbliche Form
der Migräne.
klassische
Migräne
Migräne mit → Aura.
Betrifft etwa zehn Prozent
der Patienten.
Migränegenerator
Bereich des Stammhirns,
der zu Beginn einer Attacke
stärker durchblutet wird.
Möglicherweise Ausgangspunkt der Attacke.
fMRI
Abkürzung für functional
Magnetic Resonance Imaging (deutsch „funktionelle
Magnetresonanztomographie“), ein computergesteuertes Verfahren, mit
dem sich Gehirnaktivitäten
sichtbar machen lassen.
Mutterkornalkaloide
Sammelbezeichnung für
bestimmte Inhaltsstoffe
des → Mutterkornpilzes,
die früher als Migränearznei benutzt wurden,
sowie synthetische
Abkömmlinge davon.
Mutterkorn
Claviceps purpurea, ein
Pilz, der insbesondere
Roggenkörner in ihren
Ähren befällt.
Neuropeptide
Substanzen, die von
Nervenzellen ausgeschüttet werden, um Botschaften an andere Zellen zu
übertragen.
NSAR
Nicht-steroidale Antirheumatika. Klasse von Arzneimitteln, zu denen Schmerzmittel gegen leichtere und
mittelschwere Migräne
gehören, u.a. Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac.
PET
Abkürzung für PositronenEmmissions-Tomographie.
Computergestütztes Verfahren, bei dem mit Hilfe
schwach radioaktiver
Substanzen Vorgänge im
Inneren des Körpers dargestellt werden können,
z.B. der Stoffwechsel im
Gehirn.
Rezeptor
Ein Molekül in der Hülle
oder im Innern einer Zelle,
das als Antenne für einen
Botenstoff dient und bei
Kontakt eine Änderung der
Zellfunktion hervorruft.
Serotonin
Einer der wichtigsten
Botenstoffe des Gehirns.
S. im Übermaß spielt wahrscheinlich eine Schlüsselrolle bei Migräneanfällen.
SPECT
Abkürzung für Single Photon Emission Computed
Tomography. Computergestütztes Verfahren, bei
dem mit Hilfe schwach
radioaktiver Substanzen
Vorgänge im Inneren des
Körpers dargestellt werden
können, z.B. Änderungen
des Blutflusses.
TrigeminusNerv
Dreigeteilter Hirnnerv, der
Gesicht und Kopf und
dann auch die Blutgefäße
versorgt und bei Migräneattacken entzündet zu sein
scheint.
Trigger
Englischer Begriff für
→ Auslöser.
Triptane
Eine Klasse von Arzneimitteln, die in ihrer chemischen Struktur dem Botenstoff → Serotonin ähneln
und sich bei der Behandlung mittelschwerer und
schwerer Migräneattacken
bewährt haben.
TherapieInnovation 9 | VFA
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Agenda
Die Chancen innovativer
Arzneimittel nutzen und fördern
Auch wenn die akademische Forschung wichtige
Beiträge liefert, steht und fällt die Erfindung und Entwicklung innovativer Arzneimittel mit dem Engagement der forschenden Arzneimittelhersteller. Sie allein
verfügen über das erforderliche Know-how und die
technischen und finanziellen Ressourcen, um Arzneimittel-Projekte über mehr als ein Jahrzehnt hinweg
voranzutreiben und erfolgreich abzuschließen.
Für diese Innovationsleistung benötigen sie jedoch
günstige Rahmenbedingungen, zu denen neben qualifiziertem wissenschaftlichen Nachwuchs und einer
starken Grundlagenforschung insbesondere eine forschungsfreundliche Gesetzgebung sowie ein verlässlicher Patentschutz zählen. Deutschland hat in diesen
Punkten erheblichen Nachholbedarf, wenn es wieder
zu den in der Arzneimittelforschung führenden
Ländern aufrücken will.
Auch bei der Versorgung der Patienten ist Deutschland
im Rückstand: Lediglich 24 Prozent der Arzneimittelausgaben der Krankenkassen entfallen hierzulande auf
innovative patentgeschützte Medikamente. Nur in
wenigen europäischen Ländern sind es noch weniger.
Zudem droht sich die Einführung von Innovationen
künftig zu verzögern. Denn es gibt Pläne, für Arzneimittel nach der Zulassung noch ein zusätzliches Verfahren zur Kosten/Nutzen-Bewertung einzuführen.
Das kann für Patienten bedeuten, dass sie länger auf
dringend benötigte Therapien warten müssen.
Trotz allem Fortschritt können heute erst ein Drittel der
rund 30.000 bekannten Erkrankungen angemessen
behandelt werden. Deshalb arbeiten die forschenden
Arzneimittelhersteller an Tausenden von Projekten für
neue und bessere Medikamente. Etliche von ihnen
werden in den nächsten Jahren die Erfolgsgeschichte
der Arzneimitteltherapie fortschreiben. Und diese Fortschritte müssen möglichst schnell möglichst vielen
Patienten zugute kommen.
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Impressum
Herausgeber
Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.
Hausvogteiplatz 13
10117 Berlin
Gestaltung
Adler & Schmidt Kommunikations-Design, Berlin
Bildnachweis
BSIP/Superbild 1, 10
Corbis 11
digitalvision Titel, 2, 3, 12
Doctor Stock 11
dpa 4
Getty Images 2, 4, 9
Hermann Hospital PET Imaging Center, Houston 2, 6
Migraine Action Association, UK/
Boehringer Ingelheim 5
Novartis Pharma 2, 14
VFA/Hartwig Klappert 13, 16
Wellcome Library, London 9
Wellcome Photo Library 8
Grafiken
Adler & Schmidt Kommunikations-Design
nach MSD Sharp & Dohme 7
Medizinische Daten
Perry CM, Markham A (1998). Sumatriptan.
An updated review of its use in migraine.
Drugs 55: 889-922
Druck
Ruksaldruck
Juni 2003
Verband Forschender
Arzneimittelhersteller e.V.
Hausvogteiplatz 13
10117 Berlin
Telefon 030 20604 - 0
Telefax 030 20604 -222
www.vfa.de
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