Ernährung Günther Thöni © Trueffelpix - Fotolia.com Brainfood für Schülerinnen und Schüler ? 1. Definition „Gesunde Ernährung“ kann nicht nur zu einem höheren Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen beitragen und ein wichtiger Pfeiler in der Prävention von Erkrankungen wie Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus Typ 2) sein, sondern sie kann auch nach Ansicht einiger Autoren1 die intellektuelle Leistungsfähigkeit steigern. In diesem Zusammenhang spricht man von „Brainfood“. 1 ) Herzing M. (2011): Lernen geht durch den Magen. Wie die Ernährung die geistige Leistungsfähigkeit unserer Kinder beeinflusst, Marburg. (Tectum Verlag) Holford P., Colson D. (2011): Optimale Gehirnernährung für Kinder, Kirchzarten. (VAK Verlag) Krebs C.T. (20114): Nährstoffe für ein leistungsfähiges Gehirn, Kirchzarten. (VAK Verlag) www.bewegungundsport.net 2. Physiologie des Gehirns, Nährstoffe 2.1 Allgemeines Das Gehirn als Steuerzentrale für die meisten wichtigen Körperfunktionen macht nur etwa 2 % des Körpergewichtes aus, benötigt aber ca. 20 % der Energie des Grundumsatzes. Diese Tatsache lässt bereits vermuten, dass die Qualität der Energiezufuhr einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns hat. Die Kommunikation der Nervenzellen untereinander geschieht an den Synapsen über sogenannte Neurotransmitter wie z.B. Dopamin, Serotonin oder Noradrenalin. Je mehr Synapsen sich ausbilden, desto leistungsfähiger wird ein Gehirn. bewegung und sport 1 | 2015 55 Ernährung Günther Thöni: Brainfood für Schülerinnen und Schüler ? 2.2 Zufuhr von Fetten, Proteinen und Kohlenhydraten Für die kognitive Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist die Zufuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Proteinen2, die beide bei ausgewogener Ernährung der Mutter in optimaler Zusammensetzung in der Muttermilch vorkommen. Ideal für die Konzentrationsfähigkeit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ist ein relativ konstant bleibender Blutzuckerspiegel3, der seinerseits von der Kohlenhydratzufuhr abhängt. Idealerweise sollten Schulkinder komplexe Kohlenhydrate in Form der Vielfachzucker wie Vollkornprodukte, Gemüse und Hülsenfrüchte essen, die einen längerfristig gleichbleibenden Glukosespiegel im Blut garantieren. Süßigkeiten und gesüßte Getränke ihrerseits erhöhen die Blutglukose sehr schnell, führen aber gegenregulatorisch zu einer erhöhten Insulinausschüttung in der Bauchspeicheldrüse, was wiederum innerhalb von 30–60 Minuten zu einem auffallend niedrigeren Glukosewert im Blut führt als vor dem Verzehr der Getränke. Eine länger andauernde Unterversorgung mit Glukose führt zu Konzentrationsschwächen. 2.2.1 Aminosäuren Das Gehirn ist auch ständig auf die Zufuhr von Proteinen angewiesen. Wie bereits oben angeführt ist eine Vielzahl von Neurotransmittern für die Signalübertragung im Gehirn verantwortlich. Diese Überträgersubstanzen werden aus bestimmten mit der Nahrung zugeführten Aminosäuren, die idR in gebundener Form als Proteine eingenommen werden, gebildet. Die folgende Übersicht4 gibt Auskunft über einige dieser Aminosäuren, die daraus gebildeten Neurotransmitter und die diesbezüglich empfehlenswerten Nahrungsmittel: Aminosäure Neurotransmitter Glutamin GABA5 Glycin Glycin Phenylalanin Dopa, Adre, Nor6 Weizen- Vollkorn, Milch, Walnüsse, Fleisch Kürbiskerne, Mais- Vollkorn, Walnüsse Käse, Sojabohnen, Erdnüsse, Thunfisch Fisch, Pute, Sojabohnen, Brokkoli, Reis Fisch, Fleisch, Milchprodukte Käse, Sojabohnen, Erdnüsse, Eier, Fleisch Serin, Methionin Acetylcholin Tyrosin Dopa, Adre, Nor Tryptophan Serotonin Nahrungsmittel (Beispiele) Einige dieser Neurotransmitter, die für die Regulation der Impulsleitung im Gehirn verantwortlich sind, zeigen eine hemmende, also „bremsende“ Wirkung (GABA, Glycin), während andere eine Aktivierung (Dopa, Adre, Nor, Ace2 ) Herzing M. (2011), 103. tylcholin und Serotonin) bewirken. Einigen dieser Substanzen lassen sich eindeutige Funktionen hinsichtlich der kognitiven Leistungsfähigkeit zuschreiben7: Tyrosin spielt eine wichtige Rolle bei der Konzentration und beim Abrufen von Informationen. Tryptophan seinerseits hat eine große Bedeutung für die Entspannung, während Serin und Methionin beim Abrufen und vor allem beim Abspeichern von Informationen ihren Beitrag leisten. Die Beiträge aller Neurotransmitter zur kognitiven Leistungsfähigkeit sind noch nicht endgültig geklärt. 2.2.2 Fette Inwiefern können Nahrungsfette zur Optimierung der kognitiven Leistungsfähigkeit beitragen? Sie bestehen aus gesättigten und einfach sowie mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Ihre Aufnahme ist für Aufbau und Funktion der Membranen im Nervensystem unentbehrlich, die ihrerseits für die Signalübertragung von ausschlaggebender Bedeutung sind. In diesem Zusammenhang ist die Zufuhr von sogenannten Omega-3-Fettsäuren hervorzuheben8, die auch in der Hirnentwicklung von Föten und Kleinkindern eine unentbehrlich wichtige Rolle spielen. Nebenbei erwähnt findet man niedrige Omega-3-Fettsäure-Spiegel bei einer Vielzahl von Erkrankungen wie z.B. Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Depressionen, Schizophrenien und Alzheimer-Demenz. Enthalten sind diese Fettsäuren vor allem in Leinöl, das einen Anteil von 5–70 % aufweist. Geringere Mengen enthalten Walnussöl, Rapsöl, Lachse, Sardellen, Sardinen und Makrelen. 2.3 Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente Vitamine und Mineralstoffe sind unentbehrliche Nahrungsbestandteile, die an zahlreichen Reaktionen im Stoffwechsel als Katalysatoren maßgeblich beteiligt sind. Auch die Synthese von Neurotransmittern und Fettsäuren benötigt ihre Anwesenheit. Nahezu alle Vitamine der B-Reihe9 und Vitamin C sind daran beteiligt. Außerdem schützen sie das Gehirn vor den Schäden, die durch Sauerstoffradikale hervorgerufen werden. Die Mineralstoffe Natrium, Kalium, Calcium und Magnesium werden direkt für die Funktion von Nervenzellen benötigt. Während Natrium, Kalium und Calcium bei der Impulsweiterleitung eine entscheidende Rolle spielen und damit die Nervenleitgeschwindigkeit erhöhen, trägt Magnesium zur Erhöhung der Konzentration bei10. Auch die Spurenelemente Eisen, Jod und Zink können zur Erhöhung der Konzentration, zur Informationsübertragung und somit zur Verbesserung der Lernleistung beitragen. Die oben angeführten Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente sind in größeren Mengen in folgenden Nahrungsmitteln vorhanden:11 7 ) Vgl. Herzing M. (2011), 111-113. 8 ) Krebs C.T. (20114), 85-86. 9 ) Kiefer I. (2007): Schlau geschlemmt, in: Gehirn und Geist 5, 3643. Zitiert bei Herzing M. (2011),104. ) Insbesondere die Vitamine B1 – Thiamin, B2 – Riboflavin, B3 – Niacin, B5 – Pantothensäure, B6 – Pyridoxin, B7 – Biotin, B9 – Folsäure; 4 ) Vgl. Herzing M. (2011), 111-113; Krebs C.T. (20114), 83. 10 5 ) GABA entspricht der Gammaaminobuttersäure. 11 6 ) Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin 3 56 bewegung und sport 1 | 2015 ) Vgl. Herzing M. (2011), 111-112. ) Vgl. http://jumk.de/bmi/mineralstofftabelle.php (05.12.2012), http://jumk.de/bmi/vitamintabelle.php (05.12.2012) www.bewegungundsport.net Ernährung Günther Thöni: Brainfood für Schülerinnen und Schüler ? Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente Vit B1 Vit B2 Vit B3 Vit B5 Vit B6 Vit B7 Vit B9 Vit C Natrium Kalium Calcium Magnesium Eisen Jod Zink 3. Schlussbemerkungen Nahrungsmittel Weizenkeime, Vollkorngetreide, Erbsen, Herz, Schweinefleisch, Hefe, Haferflocken, Leber, Naturreis Milchprodukte, Fleisch, Vollkorngetreide, Käse, Eier, Leber, Seefisch, grünes Blattgemüse, Molkepulver Bierhefe, Erdnüsse, Erbsen, Leber, Geflügel, Fisch, mageres Fleisch Leber, Gemüse, Weizenkeime, Spargel, Krabben, Fleisch, Sonnenblumenkerne, Pumpernickel Bananen, Nüsse, Vollkornprodukte, Hefe, Leber, Kartoffeln, grüne Bohnen, Blumenkohl, Karotten Leber, Blumenkohl, Champignons, Vollkornprodukte, Ei, Avocado, Spinat, Milch Leber, Weizenkeime, Kürbis, Champignons, Spinat, Avocado Hagebutten, Sanddorn, Zitrusfrüchte, Johannisbeeren, Kartoffeln, Paprika, Tomaten, Kohl, Spinat, Gemüse Schinken, Fleisch, Karotten, Spinat, Hartkäse Bananen, Pflaumen, Gemüse, Aprikosen, Kartoffeln, Milchprodukte, Fleisch, Fisch, getrocknete Früchte Milch und Milchprodukte, Grünkohl, Mandeln, härteres Trinkwasser Gemüse, Nüsse, Haferflocken, Getreide, Milch, Bananen, Mineralwasser Fleisch, Kohl, Nüssen, Eigelb, Leber, Hülsenfrüchte, Schwarzwurzel jodiertes Speisesalz, Meeresprodukte, Algen, Seefisch Getreide, Leber, Hülsenfrüchte, Innereien, Meeresfrüchte, Milchprodukte Im Lichte der Erkenntnisse über Brainfood muss unbedingt festgestellt werden, dass z.B. bzgl. der Vitaminversorgung unserer Kinder und Jugendlichen Mangelerscheinungen eher selten zu Tage treten, da auch bei relativ einseitiger Ernährung wie Fast-Food die Vitamine in noch ausreichendem Maß zugeführt werden. Deshalb muss aus medizinischer Sicht vor einer unkontrollierten medikamentösen Substitution gewarnt werden, da Überdosierungen sehr leicht möglich sind und unter Umständen sehr unangenehme Folgen12 haben können. Dies trifft auch auf die wasserlöslichen Vitamine zu13. Eine optimale Versorgung mit den oben angeführten Mineralstoffen und Spurenelementen muss idR durch eine ausgewogene Mischkost gewährleistet sein. Im Zuge einer ernährungsmedizinischen Abklärung kann man an Hand der Blutspiegel von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen auf die eventuelle Notwendigkeit von Substitutionen schließen. 12 ) Die Palette reicht von Kopfschmerzen bis zu komatösen Zuständen. Die derzeit gültigen Richtlinien zur „gesunden Ernährung“ erfüllen alle Voraussetzungen, um nach den Erkenntnissen der Ernährungswissenschaft die kognitive Leistungsfähigkeit der Kinder zu optimieren. Die derzeit gültige Ernährungspyramide zeigt modellhaft, wie die tägliche Nahrungszusammensetzung aus ernährungsphysiologischer Sicht aussehen könnte. Das Motto „Fünfmal am Tag“ bezogen auf die Zufuhr von Gemüse, Obst und Salate kann als ergänzendes Richtmaß betrachtet werden, wobei aufgrund von Nahrungsmittelintoleranzen und -allergien für jedes Individuum eine spezifische Auswahl der Nahrungsmittel erfolgen sollte. Die zusätzliche Substitution von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen bedarf einer vorhergehenden ernährungsmedizinischen Diagnostik und kann bzw. soll in Anbetracht der Möglichkeiten von gefährlichen Überdosierungen nicht per se zur Optimierung der Hirnleistungen herangezogen werden. Jede Form von „Brain enhancement“14 wie sie an amerikanischen und zunehmend auch an europäischen Universitäten von Studierenden betrieben wird, ist nicht nur aus medizinischer Sicht prinzipiell abzulehnen. Literatur Herzing M. (2011). Lernen geht durch den Magen. Wie die Ernährung die geistige Leistungsfähigkeit unserer Kinder beeinflusst, Marburg. (Tectum Verlag) Holford P. & Colson D. (2011). Optimale Gehirnernährung für Kinder, Kirchzarten. (VAK Verlag) Krebs C.T. (2014). Nährstoffe für ein leistungsfähiges Gehirn, Kirchzarten. (VAK Verlag) Kiefer I. (2007). Schlau geschlemmt, in: Gehirn und Geist 5, 36-43. Zitiert bei Herzing M. (2011), 104. http://jumk.de/bmi/mineralstofftabelle.php (05.12.2012) http://jumk.de/bmi/vitamintabelle.php (05.12.2012) Zum Autor: DDr. Günther Thöni Institution: Kirchliche Pädagigische Hochschule – Edith Stein; Hochschullehrer und Arzt Kontakt: [email protected] 14 ) Darunter versteht man die kognitive Leistungssteigerung durch die medikamentöse Zufuhr von Amphetaminen. 13 ) Bei einer Vitamin C-Überdosierung kann es z.B. zur Bildung von Nierensteinen kommen. www.bewegungundsport.net bewegung und sport 1 | 2015 57