25 āventiure? waz ist daz? And shortly for to - aventiure

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âventiure? waz ist daz?
And shortly for to tellen as it was,
Were it by aventure, or sort, or cas,
The sothe is this, the cut fil to the knyght,
Of which ful blithe and glad was every wyght.
[Langer Rede kurzer Sinn, war es nun Zufall, Vorsehung oder ein glücklicher Umstand, Tatsache ist die, daß das Los auf den Ritter fiel, weshalb ein jeder voll Zufriedenheit und glücklich war.
Geoffrey CHAUCER, The Canterbury Tales, General Prologue, 844 f.]
Wir befinden uns nun mitten in den Vorbereitungen zur Schwertleite Tristans im
gleichnamigen mittelalterlichen Versroman GOTTFRIEDs VON STRASSBURG, da
bricht der Erzähler mitten in der üblichen Schilderung der enormen Prachtentfaltung
mit einem nahezu ebenso üblichen Bescheidenheitstopos ab und gibt uns nunmehr
Kunde von seinen literarischen Kenntnissen, Vorbildern und Ansprüchen. Eines
jener Vorbilder ist völlig zu Recht und überdies auch völlig richtig erkannt
HARTMANN VON AUE:
Hartman der Ouwaere
âhî, wie der diu maere
beide ûzen unde innen
mit worten und mit sinnen
durchverwet und durchzieret!
wie er mit rede figieret
der âventiure meine!
wie lûter und wie reine sîniu
cristallînen wortelîn
beidiu sint und iemer müezen sîn!
[Der Hartmann von Aue (Der Artikel muß hier verstanden werden wie bei der Monroe, als Zeichen der Einzigartigkeit), wow, wie der die (jeweilige) Geschichte gleichermaßen auf Erzähl- wie auf Sinnebene mit Worten wie mit dem gemeinten Sinn
ausmalt und durchstylt! Wie er in der Erzählung der âventiure meine Gestalt werden läßt! Von daher ist seine brillante Sprache glasklar und unverdorben und wird es
auch immer sein!
GOTTFRIED VON STRASSBURG, Tristan, 4621 f.]
Dem aufmerksamen Leser wird schwerlich entgangen sein, daß die Zentralbegriffe in
GOTTFRIEDs Loblied, der Titel dieses Buches und damit letztlich das, worum sich
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im folgenden alles dreht, unübersetzt geblieben ist. Übelwollende, die dem Autor
kurzschlüssig unterstellen, diese Unterlassung spreche Bände von Defiziten hinsichtlich seiner Übersetzungskunst, liegen insofern nicht vollends daneben, als ich tatsächlich Bände von dem sprechen will, was es meint, wenn es heißt: der âventiure
meine.
Nicht nur, daß diese Wendung weniger übersetzbar denn verstehbar ist; es sollte
Aufgabe eines Wörterbuches sein, nicht lediglich ein Buch voller Wörter zu sein,
sondern im besten Falle alle Facetten eines Begriffes in seinem Wort- und Sinnzusammenhang darzustellen und auszuleuchten. Dieser Sinnzusammenhang ist nun
aber ungleich mehr als die Summe seiner Verwendung in mittelalterlichen Romanen,
er ist schlicht Faktor wie Produkt allen Erzählens im höfischen Kontext. Wenn aber
das, um das sich dort wie hier alles dreht, in einer kurzen, profanen Formel faßbar
wäre, dann wäre dem mittelalterlichen Ritterroman in demselben Maße die Existenzgrundlage entzogen wie dieser Untersuchung, und dem ist ja offensichtlich nicht so.
Fragen wir uns aber ruhig einmal andersherum, welchen Sinn ein Buch mit dem
Titel Der Name der Rose hätte, wenn irgendwann zwischen Vesper und Komplet
der Begriff Rhodon Foetida fiele. Das wäre entweder ein schlechter Scherz (wenngleich einem genialen Autor wie ECO durchaus zuzutrauen) oder schlicht eine Enttäuschung, wie sie seinerzeit einigen Kritikern bei der Uraufführung von T. S. ELIOTs Stück Murder in the Cathedral in Venedig widerfuhr. Nur hatten die eben ein
Kriminalstück erwartet, vorgesetzt bekamen sie Schwerverdauliches aus der
scholastischen Cuisine. Hätte das Stück beispielsweise den Titel Thomas B. gehabt,
hätte es womöglich auch ein Bestseller werden können. Hätte ECO hingegen, wie
ursprünglich einmal in Erwägung gezogen, den marktschreierischen Titel Die Abtei
des Verbrechens gewählt, so stünde sein Roman heute wahrscheinlich in meinem
Regal zwischen Raymond CHANDLER und Nicolas FREELING. So aber gab es
keine Titelprobleme, und nach dem Debakel von 1952 haben wir endlich einen richtigen Krimi aus dem Mittelalter.
Doch zurück zu meinem Titel, der so ganz mein Eigen leider auch nicht ist. Unter
demselben Titel erschien 1975 in der Reihe MEDIUM AEVUM ein hochgelehrter
Aufsatz von HAUG, in welchem er, wie so oft noch, sinnreiche, ja fast beweisbare
Spekulationen über etwas anstellt, das leider nicht überliefert ist; die Rede ist von
dem Prolog des Erec von HARTMANN VON AUE. Gottlob befinde ich mich mit
dieser Art Titelklau in so schlechter Gesellschaft nun auch wieder nicht, nannte doch
mein Lehrer Harald FRICKE einen Vortrag zum 60. STACKMANNs nicht umsonst
in Anlehnung an Karl KRAUS "es". Freilich hat er da aber auch eine Sache auf den
Punkt gebracht, die der EIGENLOB-Kenner wohl eher in der huldvolleren Fassung
seines Namens für würdig erachtet hätte:
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Linguistische, sprachgeschichtliche, logische und sprachphilosophische Anmerkungen zum deutschen Impersonale samt einer Anwendung auf die Literaturwissenschaft nebst einigen wissenschaftsgeschichtlichen Exkursen unter Einschub
eines Seitenhiebes auf die Psychoanalyse mit abschließenden Grundsatzüberlegungen zu den Möglichkeiten und Zielen wissenschaftlicher Sprachkritik.
Fragen wir uns nun aber einmal, was der bislang so oft erwähnte HARTMANN
selbst zum Komplex der âventiure zu sagen hat, und zwar in Texten, die tatsächlich
auf uns gekommen sind.
Wir befinden uns nunmehr zu Karidol, einem der Orte, da Artus Hof zu halten
pflegte, es ist um Pfingsten, und man hat ausgiebig getafelt. Man tut sich zu diversen
Gruppen zusammen, um Kurzweil zu pflegen. Daselbst bildet sich auch ein Kreis
interessierter Zuhörer um einen Ritter namens Kalogrenant, der nun ein Erlebnis
erzählen wird, welches ihm auf seinen Fahrten als irrender Ritter oder Chevalier
errant widerfuhr, und von dem wir schon in demselben Moment, da er anhebt zu
erzählen, wissen, daß es die Geschichte eines Versagens sein muß. Denn eines werden wir im Verlaufe unserer Beschäftigung mit etlichen Romanen noch erkennen:
Der ritterliche Erfolg spricht immer für sich selbst, und es verstößt im höchstem
Maße gegen die Hofetikette, sozusagen am Lagerfeuer von seinen Erfolgen zu prahlen. Dies ist Metier und Kennzeichen von Keie, dem Hofknigge, der aber nur deshalb
ständig für sich selbst sprechen muß, weil die Taten und deren Täter, Gott sei's geklagt, aber auch immer gegen ihn sprechen. Wenn also einer einen Schwank aus
seinem Leben zum besten gibt, dürfen wir uns über folgende Sachverhalte im klaren
sein: Entweder ist es Keie, und dann hört sowieso keiner mehr hin, oder ein Ritter
erzählt ein Mißgeschick. Dann aber wissen wir gleichzeitig, daß er es überlebt hat
und es so schlimm nun auch wieder nicht gewesen sein kann und daß darüber hinaus
womöglich noch eine nette Pointe enthalten sein kann.
Wichtig für uns ist nunmehr eine scheinbar unwesentliche Begegnung Kalogrenants am Rande (auch am Rande der Oikumene übrigens, jenem Gebiet, wo auch die
Geschichten ganz anderen Gesetzmäßigkeiten folgen, als dies unsere Mediävisten
auch nur ahnen). Dort trifft er auf ein Ungeheuer von Wesen, versehen mit allen
Attributen unhöfischen Aussehens wie Gebarens. Das ist gleichwohl aber weder
aggressiv noch uninteressiert oder ungelehrig, grad so, wie wir also auf so einen
Ritter wirken mußten, sind wir nicht gleich von der pfadfinderischen Besserwisserei
gewisser Yankees aus Connecticut. Nachdem nun der Waldschrat gutmütig Auskunft
über sich gegeben hat, etwas, was ein Ritter gegenüber einem Gegner nur im Moment der Niederlage zugäbe, fragt dieser nun seinerseits Kalogrenant, wes Geistes
Kind er wohl sei, und es entwickelt sich folgendes Gespräch:
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'nune sol dich niht betrâgen,
dune sagest mir waz dû suochest.
ob du iht von mir geruochest,
daz ist allez getân.'
ich sprach 'ich wil dich wizzen lân,
ich suoche âventiure.'
dô sprach der ungehiure
'âventiure? waz ist daz?'
'daz wil ich dir bescheiden baz.
nû sich wie ich gewâfent bin:
ich heize ein riter und hân den sin ,
daz ich suochende rîte
einen man der mit mir strîte,
der gewâfent sî als ich.
daz prîset ihn, und sleht er mich:
gesige aber ich im an,
sô hât man mich vür einen man,
und wirde werder danne ich sî.
sî dir nû nahen ode bî
kunt umb selhe wâge iht,
des verswîc mich niht,
unde wîse mich dar;
wand ich nâch anders nihte envar'
Alsus antwurt er mir dô
'sît dîn gemüete stat alsô
daz dû nâch ungemache strebest
und niht gerne sanfte lebest,
ichn gehôrte bî mînen tagen
selhes nie niht gesagen
waz âventiure waere:'
["Nun sollte es dir nicht schwerfallen, mir den Anlaß deiner Unternehmungen zu
nennen. Was du von mir wissen wolltest, habe ich gesagt." Ich erwiderte: "So laß dir
gesagt sein, ich suche âventiure." Da erstaunte sich das Ungeheuer: "âventiure? Was
ist das?" "Das will ich dir gern erklären. Sieh mal her, wie ich (aus-)gerüstet bin:
Meine Bezeichnung lautet Ritter, und meine Beschäftigung besteht darin, daß ich
umherreite und Leute zum Kampf suche, die ähnlich uniformiert sind wie ich. Geht
der Kampf zu seinen Gunsten aus, so mehrt dies seinen Ruhm, gewinne ich hingegen, so steige ich im Ansehen der Leute und - sit venia verbo - in der Computerweltrangliste. Kennst du nun dergleichen Möglichkeiten in dieser Gegend, so verhehle
sie mir nicht, sondern zeige mir die Richtung, wo mir doch nach nichts anderem der
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Sinn steht." Darauf entgegnete er mir all so: "Wenn dir nun der Nervenkitzel mehr
behagt als die Bequemlichkeit, dann habe meiner Lebetage nie von dergleichen gehört, was dem Begriff âventiure nahe käme".
HARTMANN VON AUE, Iwein, 520 f..]
Das können und wollen wir natürlich nicht unkommentiert stehen lassen, so sehr
auch die Übersetzung bemüht ist, die Worte aus dem berufenen Munde des Fachmannes im rechten Lichte erscheinen zu lassen. Wir können sie aber auch schon
deshalb nicht einfach so dastehen lassen, weil den meisten Lesern mit Sicherheit das
Augenzwinkern HARTMANNs entgangen sein dürfte. Soviel sei hier schon mal
vorweggenommen: Wenn in einem mittelalterlichen Roman oder Maere ein Mensch,
sei er Ritter oder Knecht, im guten Glauben seiner Expertenrolle eine Definition
vornimmt oder einen guten Rat erteilt, dann dürfen wir hier zweier Konsequenzen
versichert sein. Zum einen geht die Probe aufs Exempel grundsätzlich schief, und
das nicht von ungefähr, und zum anderen werden solch bierernste Expertisen beim
Publikum nahezu unkontrollierte Heiterkeitsausbrüche zur Folge gehabt haben.
Wer mir in diesem Punkte nicht zu folgen vermag, dem seien dergleichen Offenbarungen neueren Datums hülfreich zur Hand gereicht. Wird beispielsweise eine
einstellige Nummer der Computerweltrangliste gefragt: "dorch got, wat es tennis?“,
und wir erhalten zur Antwort: "bumm, bumm!", dann kann uns dies erheitern oder
erschüttern, nimmermehr aber aufklären. Diese Reihe von geradezu olympischen
Erleuchtungen ließe sich beliebig fortsetzen, wir aber wollen mildes Verständnis
walten lassen, nicht jedoch, ohne zuvor all jenen, die es immer noch nicht begriffen
haben, zuzurufen: "Ein Fußballspiel dauert zweimal 45 Minuten, gelle".
So sehr nun auch dieser kurze Exkurs in die Welt mannbaren Turniers bei manchem den Eindruck erweckt haben könnte, so groß wollen am Ende die Unterschiede
zwischen damals und jetzt schon gar nicht gewesen sein, der spitze die Ohren, er soll
eines Besseren belehrt werden.
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