Medizinische Versorgung von Flüchtlingen – Sind spezielle

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Ministerium für Arbeit,
Soziales, Gesundheit ,
Frauen und Familie
LKB-Informationsveranstaltung
06.11.2015:
Medizinische Versorgung von Flüchtlingen
Sind spezielle Hygienemaßnahmen zu beachten?
Dr. Margret Seewald,
Referat 43, MASGF
See15
Migranten und Hygiene
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Erhöhtes Tuberkuloserisiko
• Hochprävalenzländer
• Psychosoziale und körperliche Belastung
durch die Emigration
Gefahr der Reaktivierung
• Räumlich enge Unterbringung
Enger Kontakt zu vulnerablen
Personengruppen
• Hohe Mobilität
See15
Migranten und Hygiene
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Tbc-Fälle in Deutschland
Inzidenz
~ 5,6/100.000 Ew
See15
Migranten und Hygiene
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Anzahl der Erkrankten/Diagnostizierten
anlässlich Aufnahme in einer Gemeinschaftsunterkunft
(nach § 36 Abs. 4 IfSG)
%
See15
Migranten und Hygiene
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Tuberkulose
• Höchste Ansteckungsfähigkeit bei mikrobiologischem
Nachweis säurefester Stäbchen
• Kinder < 10 Jahre oft mikrobiologisch „negativ“
Medikamentenempfindliche Stämme:
Infektiosität die ersten 2 bis 3 Wochen unter Therapie
Bei resistenter Tuberkulose ist die Infektiosität länger
See15
Migranten und Hygiene
Tuberkulose
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Infektionsrisiko der Kontaktpersonen:
• Das Risiko der Ansteckung hängt von der Dauer des
gemeinsamen Aufenthaltes in geschlossenen Räumen sowie
der Menge der bakteriellen Kontamination in der Luft ab.
• Eine Infektion unter freiem Himmel ist eher als
unwahrscheinlich anzusehen.
• Als Schwellenwert für die kumulative Expositionsdauer gilt ein
gemeinsamer ungeschützter Aufenthalt in einem Raum von
mindestens 8 Stunden bei mikroskopisch offener LungenTuberkulose bzw. 40 Stunden bei lediglich kulturellem
Nachweis von Mykobakterien.
See15
Migranten und Hygiene
Tuberkulose
Mund-/Nasenschutz,
Schutzbrille:
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Mitarbeiter: Einsatz spezieller FFP-2-Atemmasken
(Tb-Schutzmasken) und Schutzbrille bei
aerosolbildenden Maßnahmen z. B. Bronchoskopie,
Intubation, endotracheales Absaugen.
Wenn in der Mikroskopie säurefeste Stäbchen
nachweisbar, PCR und klinisches Bild positiv sind:
FFP-2-Schutzmaske bei patientennahen Tätigkeiten
tragen, z. B. Waschen, Mundpflege. Diese Masken
sind nach jedem Gebrauch zu entsorgen. Bei
multiresistenter Tbc sind FFP-3-Masken zu tragen.
Ansonsten Standard-Mund-/Nasenschutz
(ordnungsgemäße Anwendung!), auch für Besucher
bei Beachtung der Verhaltensregeln (s. Hinweise).
Sind diagnostische Maßnahmen außerhalb des
Patientenzimmers erforderlich, möglichst
am Ende des Tagesprogrammes.
See15
Migranten und Hygiene
Tuberkulose
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Mund-/Nasenschutz:
Patient: Bei Verlegung/Transport: ordnungsgemäß
angelegter chirurgischer Mund-/Nasenschutz;
bei multiresistenter Tbc erhält der Patient die
FFP-2-Maske ohne Ausatemventil, wenn toleriert wird.
Einmalhandschuhe:
Bei Kontakt mit Körperflüssigkeiten/Ausscheidungen/
Sekreten, bei Kontakt mit infektiösen Körperarealen.
Nach Ablegen der Handschuhe
hygienische Händedesinfektion.
Schutzkleidung:
Keine Schutzhandschuhe für den Patienten!
Standardhygiene. Bei Betreten des
Untersuchungszimmers, bei Kontakt mit
Körperflüssigkeiten/ Ausscheidungen/Sekreten,
bei Kontakt mit infektiösen Körperarealen.
Hygienische
Händedesinfektion:
Vor und nach Patientenkontakt bzw. Betreten des
Zimmers, nach Kontakt mit erregerhaltigem Material
See15
Migranten und Hygiene
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Definition der M. tuberculosis Antibiotika-Resistenz
Monoresistenz:
Resistenz gegen ein (Erstlinien) –Medikament
(Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol, Pyrazinamid,
Streptomycin)
Multiresistenz – MDR:
Resistenz gegen mindestens Isoniazid + Rifampicin
Extensive Resistenz – XDR:
MDR-TB plus
1 Fluorochinolon
- Amikacin, Capreomycion oder Kanamycin
See15
Migranten und Hygiene
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Aufklärung für Betroffene
Notwendigkeit
• Bessere Akzeptanz der Isolation
• Bessere Kooperation mit Gesundheitsamt
• Weniger Stigmatisierung in Familie/Freundeskreis
• Vermeidung der Transmission
• Bessere Compliance
• Bessere Heilungschancen
Schwierigkeiten
• Schriftliches Material evtl. veraltet
• Material nicht immer verfügbar
• Dolmetscher teuer und nicht immer verfügbar
• Übersetzung durch Angehörige teils unsicher
(HIV-Test, Tabuthemen)
www.explaintb.org
Sprachbarriere
See15
Migranten und Hygiene
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Scabies (Spinnentiere)
• Humane Scabies
Sarcoptes scabiei variatio hominis
Permanenter auf den Menschen spezialisierter Parasit
• Sauerstoffaufnahme erfolgt durch Diffusion
über die Körperoberfläche = astigmate Milbe
daher kann die Milbe nicht tiefer als
in die Hornschicht eindringen
• Größe: weibliche Milbe 0,3 – 0,5 mm
männliche Milbe 0,21 – 0,29 mm
J. Burgness: Sarcoptes scabiei and Scabies. Adv.Parasitol.33; 235-292; 1994
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Migranten und Hygiene
Scabies
Vermehrungszyklus
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• Begattung findet auf der Hautoberfläche statt
danach Tod der Männchen
Eingraben der Weibchen in das Stratum corneum
• 2 – 3 Eier pro Tag pro Weibchen pro Tunnel
zusätzlich reichliche Produktion von Kotballen
(Skybala)
• Weibchen bleiben während der Eiablage
ca. 30 – 60 Tage lebensfähig und
verlassen den Tunnel nicht
J. Burgness: Sarcoptes scabiei and Scabies. Adv.Parasitol.33; 235-292; 1994
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Migranten und Hygiene
Scabies
Vermehrungszyklus
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• Aus den im Hauttunnel abgelegten Eiern
schlüpfen nach 2- 3 Tagen Larven
Ausschwärmen auf die Hautoberfläche
• Absiedelung in Hautfalten, -vertiefungen
und Haarfollikeln
Entwicklung zu Nymphen und
nach 2 – 3 Wochen zur geschlechtsreifen Milbe
• Überleben außerhalb des menschlichen Wirtes
nur kurz, ca. 48 Std.
niedrige Temperatur und hohe Luftfeuchte
J. Burgness: Sarcoptes scabiei and Scabies. Adv.Parasitol.33; 235-292; 1994
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Migranten und Hygiene
Scabies
Übertragung
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• Intensiver direkter Hautkontakt
• Die Übertragung erfolgt kaum über Textilien
• Milben benötigen Geruchs- und
Temperaturstimulus
• Übertragungsrisiko steigt mit der Dauer des
Kontaktes und der Anzahl der Ektoparasiten
L.G. Arlian et al.: Host-seeking behavior of Sarcoptes scabiei. J. Am. Acad. Dermatol 11: 594-598; 1984
See15
Migranten und Hygiene
Scabies
Infektiosität/Prävalenz
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• Persönliche Hygiene und Immunstatus
Infektionsdosis: 1 begattetes Milbenweibchen oder
geschlechtlich unterschiedlich determinierte Larven
• Bei Immunkompetenten Kontaktzeiten > 15 Minuten
erforderlich für eine erfolgreiche Übertragung
• Übertragung über Staubpartikeln besonders bei
Scabies norwegica sive crustosa beschrieben
Inkubationszeit: bei Erstinfektion 2 – 6 Wochen
M.W. Service: Medical Entomotogey for Students, 2nd. eda. Cambridge: Cambridge University Press, 2000
L.G. Arlian: Biology host relations, and epidemiology of saroptes scabei. Annu Rev Entomol 34: 139-161; 1989
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Migranten und Hygiene
Scabies
Klinisches Bild
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Gerötete Haut, starker Juckreiz (Milbenantigen),
Papeln
Sekundäreffloreszenzen wie Krusten, Kratzdefekte,
Impetigo, Exanthem
Bakterielle Superinfektion
Prädilektionsstellen:
Interdigitalfalten, Axilla, Nabel, Perianalregion,
Brustwarzenhof, Penisschaft, Knöchelregion
Bei Säuglingen und Kleinkindern:
Behaarter Kopf und Gesicht
See15
Migranten und Hygiene
Scabies
Lokale Therapie
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Permethrin: 5%ige Creme wird abends auf die Haut
des Körpers verteilt und morgens
sorgfältig abgewaschen.
Initial: Einmaltherapie
Wiederholung, wenn nach ca. 2 Wochen
immer noch Zeichen einer Infektion bestehen
Anwendung auch bei Neugeborenen, Säuglingen,
Schwangeren und Stillenden in 2,5%iger Konzentration
(Stillpause 2 – 3 Tage nach Anwendung)
Sekundäre Therapieoptionen:
Allethrin, Benzylbenzoat, Crotamiton (Lindan)
See15
Migranten und Hygiene
Scabies
Systemische Therapie
Ivermectin:
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Einmalige orale Applikation
von 200 µg/kgKG
Wiederholung nach 8 Tagen
Bei Scabies crustosa 5– 7 Behandlungen
im Abstand von 8 Tagen.
Kontraindiziert bei Schwangeren,
in der Stillzeit und bei Kindern < 5 Jahre
bzw. < 15 kg Körpergewicht
Ivermectin (Mectizan , Stromectol , Ivermec )
ist in Deutschland nicht zugelassen!
Sonderregelung über das BMG
See15
Migranten und Hygiene
Scabies
Hygienemaßnahmen
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Isolierung:
Einzelzimmer bei schwer lenkbaren Patienten und Kindern
bis 3 Tage nach Behandlung
Ansonsten Standardhygiene.
Bei Scabies crustosa 14-tägige Isolation.
Textilien:
Waschen 60°C gilt als ausreichend.
Nichtwaschbare Textilien sind für 2 Wochen in
geschlossenen Plastiksäcken zu lagern, ggf. einzufrieren
(z.B. Plüschtiere).
Je nach Kontamination mit Krusten und Hautschuppen
zweimal tägliches Wechseln der persönlichen Wäsche.
See15
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Läuserückfallfieber
Borrelia recurrentis
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Überträger:
Läuse, bleiben lebenslang infiziert!
Übertragung während der
Blutmahlzeiten
Inkubationszeit:
1 – 18 Tage
Klinik:
hohes Fieber und Schüttelfrost,
Husten, Einblutungen in Haut und
Schleimhäute, Ikterus, Milzruptur;
Dauer der Fieberschübe 5 – 7 Tage,
wiederholen sich im Abstand von
7 – 10 Tagen bis zu 4mal
Letalität unbehandelt: 10 – 40 %
Vorkommen aktuell: Eritrea, Ätiopien, Somalia
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Läuserückfallfieber
Borrelia recurrentis
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Therapie:
Doxycyclin oder Erythromycin
jede initiale Therapie muss
stationär erfolgen:
Gefahr Jarisch-Herxheimer-Reaktion
DD: Malaria
Diagnostik:
Blutausstrich,
NRZ Borrelien: Dr. Volker Fingerle
[email protected]
Hygienemaßnahmen: Läusebekämpfung
Standardhygiene
See15
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Impfpräventable Erkrankungen
Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Pertussis
Gefahr der Häufungen in Gemeinschaftsunterkünften
• Impfstandskontrolle bei der Erstuntersuchung
• Impfangebote in der nachfolgenden
medizinischen Versorgung
• Impfstandskontrolle der Mitarbeiter
in Kliniken und Arztpraxen
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Impfpräventable Erkrankungen
Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Pertussis
in Gemeinschaftsunterkünften, Arztpraxen und Kliniken
• Meldepflicht nach § 6 IfSG ans Gesundheitsamt
• Gesundheitsbehördliche Anordnung von
Maßnahmen gem. §§ 16 und 28 IfSG
• Separater Wartebereich
• Isolationsmaßnahmen bei stationärer Behandlung
nach RKI
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Aufnahmescreening MRE
aus: Stellungnahme des Robert-Koch-Institutes: Screening von
Asylsuchenden auf Multiresistente Erreger (MRE), Stand: 09.10.15
• Ein generelles MRE-Screening bei Aufnahme
in eine Gemeinschaftsunterkunft ist derzeit nicht angezeigt.
• Ein MRE-Screening bei Aufnahme in ein
Krankenhaus ist geboten bei Patienten aus
Hochprävalenzregionen mit Kontakt zum Gesundheitssystem
Allgemeine Risikoanalyse der Klinik
• Ein Screening sollte nur MRSA und 4MRGN umfassen.
Nach Möglichkeit keine präemptive Isolierung.
See15
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Informationen zu Infektionskrankheiten,
mit denen bei Asylbewerbern zu rechnen ist,
finden Sie unter:
www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/
Archiv/2015/Ausgaben/38_15.pdf
See15
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Standardhygienemaßnahmen gelten für
alle Patienten, d.h. auch für Asylbewerber
• Händedesinfektion
• persönliche Schutzausrüstung bei
Gefahr des Kontaktes mit infektiösem
Material/Sekret
– Einweghandschuhe
– Mund-Nasen-Schutz in FFP 1-Qualität
– Schutzschürze/Schutzkittel
• regelmäßige Mitarbeiterschulung zur Basishygiene/Hygieneplan
See15
Migranten und Hygiene
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Frauen und Familie
Mit großer Geduld, Mut und voller Hoffnung
hast Du Deine Krankheit besiegt … diverse Operationen überstanden …
Den Kampf gegen die hygienischen Missstände und eine inadäquate
antiinfektive Therapie der Klinik konntest
selbst Du nicht gewinnen
See15
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