Buchtipp In ihrem Ratgeber „Hunde barfen – Alles über Rohfütterung“ rechnet die Fachtierärztin für Ernährung, Dr. Julia Fritz, Ra­tions­berechnungen verständlich vor und nennt notwendige Formeln, die den Nährstoffbedarf von Hunden aufschlüsselt. Ulmer Verlag, 24,90 Euro DOGS WORLD Ernährung Mythos 4 Tierärzte sind gegen Barfen, weil sie ihr eigenes Futter verkaufen wollen. Es mag solche Tierärzte geben. Die meisten haben allerdings andere Vorbehalte dem Barfen gegenüber: In der Praxis zeigt sich, das in der Rationsgestaltung große Fehler gemacht werden. Eine Fütterung nach dem Vorbild der Natur ist leider keine Garantie für eine ausgewogene Ernährung, „richtig barfen“ erfordert ein gewisses Knowhow. In einer deutschen Studie waren bei 60 Prozent von 95 Barfrationen der Mineralstoff- und Vitamingehalt weder bedarfsgerecht noch ausgewogen. In einer Untersuchung von sechs „Fertig-Barf-Menüs“ aus dem deutschen Handel waren die Gehalte an Spurenelementen zu gering. Ein Welpenmenü enthielt gerade einmal so viel Calcium und Phosphor dass nur ein Fünftel des Bedarfs gedeckt gewesen wären. Mythos B.A.R.F. Wer seinem Hund nur Rohes füttern will, sollte bedarfsgerecht und ausgewogen rationieren und beim Barfen mit hartnäckigen Mythen Schluss machen. Die zehn wichtigsten im Überblick TEXT Mythos 5 Der Mensch nimmt auch nicht täglich alle Nährstoffe in der empfohlenen Menge zu sich. Das ist richtig, und auch beim Menschen kommen Nährstoffmängel vor, insbesondere bei der Versorgung mit Jod, Vitamin D und Calcium. Hunde haben aber einen anderen Nährstoffbedarf als Menschen, vor allem der Bedarf an Eiweiß, Calcium, Phosphor und Spurenelementen wie Eisen, Kupfer, Zink und Jod ist um ein Vielfaches höher, was zum Teil daran liegt, dass Hunde viel mehr Haare haben als wir, die sehr viel Kupfer und Zink enthalten. Allein ein Drittel des täglich benötigten Eiweißes braucht der Hund fürs Fell. Eine Mangelernährung macht sich bei ausgewachsenen Hunden nur sehr selten sofort bemerkbar, sondern meistens erst nach ein bis zwei Jahren. Katharina von der Leyen Mythos 1 Die wenigsten Wölfe in freier Wildbahn werden älter als fünf Jahre – für unsere Hunde dagegen wünschen wir uns ein möglichst langes Leben. Ein ausgewachsener Wolf benötigt ca. 3 kg Nahrung am Tag. Er kann bis zu einem Fünftel seines Körpergewichts aufnehmen, also größere Mengen auf einmal fressen als der Hund, und dafür auch längere Zeit hungern. Beim Verzehr eines Beutetiers frisst der Wolf als erstes die besonders nährstoffreichen Organe Lunge, Herz und Leber, anschließend den Pansen, dann die Nieren, dann das Muskelfleisch der Hinterbeine und als letztes die Fleischreste aus Rippen und an den Knochen. Der Kopf, das Fell, die Beinknochen und das Rückgrat werden übriggelassen. Vom Magen-DarmTrakt werden nur die Hüllen und nicht der Inhalt gefressen, weil der pflanzliche Inhalt des Magen-Darm-Trakts nur wenig für den Wolf verwertbare Inhaltsstoffe enthält. Allein diese Aufstellung zeigt, wie anders unsere Hunde ernährt werden, selbst wenn sie gebarft werden. Weiterer Unterschied: Selbst erlegte Beute ist nicht ausgeb lutet. Blut enthält wichtige Nährstoffe, die Schlachtfleisch in dieser Menge fehlen. Mythos 2 Getreide kein natürliches Nahrungsmittel für den Hund Hunde sind die ersten domestizierten Tiere überhaupt. Fossilienfunde reichen bis 33 000 Jahre v. Chr. zurück. Durch die natürliche Selektion bildeten sie Eigenschaften, um die leicht verfügbaren Nahrungsquellen effektiv nutzen zu können, die sogar das Erbgut 108 5/2015 dogs veränderten. So hat der Hund, der zusammen mit dem Menschen die landwirtschaftliche Revolution erlebte, eine hohe Verdauungskapazität für Stärke. Im Jahr 2013 haben schwedische Forscher die Gene mit einer Schlüsselrolle in der Stärkeverdauung bei Hunden gefunden die dem Wolf fehlt. Man kann daher davon ausgehen, dass stärkereiche Futtermittel auch zum Nahrungsspektrum von Hunde gehören. Aus ernährungsphysiologischer und evolutionsbiologischer Sicht spricht grundsätzlich nichts gegen das Verfüttern von stärkehaltigen Nahrungsbestandteilen. Ein regelmäßiges großes Blutbild sagt mir, dass der Hund gesund ist. Mythos 3 Die Aussagekraft der Nährstoffgehalte im Blut ist schwach. Es handelt sich hierbei immer nur um eine Momentaufnahme. Eine Beurteilung der mittel- und langfristigen Nährstoffversorgung ist anhand einer Blutuntersuchung daher nicht möglich – darauf weisen sogar die durchführenden Labors hin, die immer eine zusätzliche Rationsüberprüfung empfehlen. Hunde brauchen keine Kohlenhydrate Kohlenhydrate liefern der Darmflora wichtige Nährstoffe und dem Hund Energie. Der Körper nutzt zur Energiegewinnung überwiegend Kohlenhydrate in Form von Stärke. Wird hiervon nichts oder nur sehr wenig aufgenommen, muss der Körper Glukose auf anderen Wegen beschaffen, was auch über bestimmte Eiweißbestandteile funktioniert. Allerdings schaltet der Körper dann auf „Hungerzustand“ um – auf diese Weise kann der Hund nicht zunehmen. Wenn wenig Glukose produziert wird ist der Blutzuckerspiegel also niedrig, was sich auch auf das Verhalten des Hundes auswirken kann. Kohlenhydrate sind die am schnellsten verfügbare Energie­quelle und daher wichtig für Sprinter, Rennhunde, Schlittenhunde und junge Hunde, die sich noch im Wachstum sowie alle, die sehr agil sind bzw. viel Kopfarbeit leisten. Kohlehydrate tragen zur Entlastung von Leber und Nieren bei. Sehr fleischreiche Rationen können außerdem zu einer krankhaften Veränderung der Darmflora führen (Dysbiosen im Darm). Barfen hilft bei Allergien Allergien sind sehr komplexe Erkrankungen, bei deren Entstehung immer mehrere Faktoren zusammen spielen. Vereinfacht gesagt, kommt es bei einer Allergie zu einer immunvermittelten Abwehrreaktion, d.h. der Körper stuft das Futtermittel als „gefährlich“ ein und versucht, sich dagegen zu schützen. Wie das Futtermittel dabei verarbeitet wurde, spielt keine Rolle. Ist ein Hund z.B. allergisch gegen Rindfleisch, ist er das, egal ob er es roh, gekocht, gebraten oder als Fertigfutter frisst. Reagiert ein Hund nach einem Futterwechsel auf eine Barf-Ration mit Rindfleisch nicht allergisch, spricht das also nicht für eine Allergie, sondern eher für eine unspezifische Unverträglichkeit. Mythos 9 Getreide ist billiger Füllstoff Aus ernährungsphysiologischer Sicht hat Getreide zu Unrecht einen schlechten Ruf. Es ist im Futtermittelbereich ein wichtiger Energieträger. Hunde haben kein Problem mit der Verdauung und Nutzung von Stärke, auch bietet die ausschließliche Nutzung von Fleisch als Energiequelle keinen ernährungsphysiologischen Vorteil. Gluten, das Klebereiweiß bestimmter Getreidearten ist wichtig für die Backeigenschaften von Mehl und wird zumeist zum Backen von Trockenfutter verwendet. Beim Menschen kann Gluten eine chronische Erkrankung des Dünndarms verursachen, beim Hund wurde eine vergleichbare Erkrankung nur beim Irischen Setter nachgewiesen. Unverständlich ist, warum von vielen Barfern Getreide verurteilt, stattdessen aber Kartoffeln toleriert werden: Beides ist vor allem stärkereiches Futtermittel, von denen der Wolf weder das eine, noch das andere frisst. Mythos 6 Mythos 7 Hunde brauchen kein Vitamin D aus der Nahrung Fotos Name Nachname Der Hund sollte so ernährt werden wie sein Vorfahr, der Wolf. Mythos 8 Im Gegensatz zum Menschen können Hunde Vitamin D nicht selbst herstellen. In zwei Studien wurde eindeutig bewiesen, dass eine Umwandlung der Vitamin D-Vorstufe in der Haut des Hundes durch Sonnenlicht nicht stattfindet. Vitamin D ist esssenziell für die Aufnahme von Calcium und Phosphor und spielt daher eine wichtige Rolle im Knochenstoffwechsel. Besonders reich an Vitamin D sind Lebertran und fette Fischsorten wie z.B. Lachs und Thunfisch, außerdem Eigelb und Milchprodukte. Mythos 10 Barfen ist total kompliziert. Nicht wenn man weiß wie es geht. Eine ausgewogene Futter­ ration muss so gestaltet werden, dass sie sowohl den Energieals auch den Nährstoffbedarf des individuellen Hundes deckt. Einige Futtermittel sollten hierfür täglich gegeben werden, bei anderen genügt eine wöchentliche Fütterung. Der Energie­ bedarf ist abhängig von vielen individuellen Faktoren. Man erkennt die richtige Futtermenge daran, dass der Hund sein ideales Gewicht hält. Die Grundlage für klassische Barfrationen sind Fleisch, flei­ schige Knochen und verschiedene Innereien. Manche Innereien (z.B. Herz) können täglich gegeben werden, andere (z.B. Leber) sollten nur gelegentlich gefüttert werden. Hinzu kommen Ge­ müse, Obst, und verschiedene pflanzliche und tierische Öle, wahlweise auch Getreide. Typischerweise enthalten Barfratio­ nen zwischen 45 und 80 Prozent Fleisch und Innereien, 10-30 Prozent fleischige Knochen und 10-15 Prozent Gemüse. Man kann auch Fisch, Eier oder geringe Mengen Milchprodukte ge­ ben, Getreide- oder so genannte Pseudogetreidesorten wie Buchweizen, Amaranth oder Hirse. Eine Überprüfung der Rationen von einem erfahrenen Ernäh­ rungsberater ist immer sinnvoll, ganz besonders bei Welpen, Leistungshunden und trächtigen/säugenden Hündinnen.