Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation Martin Beyeler, Dr. iur., Rechtsanwalt, Bern / Zürich I. II. III. IV. V. Von Empusa, der schönen Blutsaugerin Die Begriffe A Die Angebotsfreiheit B Der Einheitspreisvertrag C Das Mengengerüst D Die unechten Mehr- oder Minderkosten E Das Vergaberisiko F Die Spekulation G Drei Hauptgruppen von spekulativen Offerten 1. Die Vergabespekulation 2. Die Margenspekulation 3. Die Verschiebung von Umsatz in Pauschalpositionen Die Spekulationsofferte im Vertragsrecht A Der Grundsatz: Die Gültigkeit B Täuschung C Übervorteilung D Nichtigkeit wegen Widerrechtlichkeit oder Unsittlichkeit? E Anfechtung des Vertrags F Das Schweigen über klare und erkannte Fehler ist treuwidrig G Die Spekulation bindet den Bieter immer Die Spekulationsofferte im Vergaberecht A Vorbemerkungen 1. Nicht jedes bieterische Annehmen ist spekulieren 2. Die Verletzung von Preisbildungsregeln B Der Umgang mit den verschiedenen Spekulationsformen 1. Zur Umlagerung von Umsätzen in Pauschalpositionen 2. Zur Margenspekulation 3. Zur Vergabespekulation Der Ausblick Ich danke Frau lic.iur. ANDREA DOMANIG für ihre wachsame Durchsicht und kritische Kommentierung dieses Textes. 126 Martin Beyeler I. Von Empusa, der schönen Blutsaugerin Der Zuschlag geht auf das wirtschaftlich günstigste Angebot. Wirtschaftlich günstig ist namentlich ein tiefer Preis. Wie kam es also, dass der Vorsteher des basel-städtischen Bau- und Verkehrsdepartements dem Verband der Bauunternehmer Region Basel (BRB) schrieb: „Positionen mit negativen Einheitspreisen werden nicht akzeptiert und führen zum Ausschluss der Offerte vom Verfahren“? Und weshalb doppelte der Vorsteher der kantonalen Zürcher Baudirektion in einem an verschiedene Berufsverbände gerichteten Brief nach: „Die Unternehmer sollen … auf Null-Franken-Positionen, Minuspositionen und unrealistisch tiefe Preise im Grundangebot verzichten … Wir behalten uns vor, solche Angebote künftig nicht mehr zu akzeptieren und sie entsprechend auszuschliessen“? Sind öffentliche Bauherrschaften an tiefen Preisen etwa gar nicht interessiert? So paradox es auf den ersten Blick scheinen mag – den Magistraten, die Angebote mit zu tiefen oder gar negativen Preisen ausschliessen wollen, geht es im Ergebnis durchaus um die Wirtschaftlichkeit ihrer Beschaffungen: Sie beklagen eine Verfälschung ihrer Submissionsergebnisse durch anbieterseitige Verwirrspiele, die dazu führen, dass Offerten am günstigsten scheinen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit gerade ungünstig sind. Die Regierungsräte haben, mit anderen Worten, das Phänomen der Preisspekulationen aufgegriffen und wollen diesen offenbar den Kampf ansagen. Dieses Phänomen ist beileibe nichts Neues, sondern beinahe so alt wie der Angebotsvergleich und die Vergabe, die nicht auf einem Fixpreis, sondern auf einer anhand von Leistungsprognosen nur provisorisch gebildeten Vergütungsannahme beruht. Preisspekulationen bauen auf dieser Natur bestimmter Verträge auf und versuchen sich in der Kunst, eine Offerte so auszugestalten, dass sie im Zeitpunkt der Vergabe besonders günstig (oder jedenfalls nicht besonders ungünstig) erscheint, sie aber zugleich mit grosser Wahrscheinlichkeit für den Auftraggeber erheblich ungünstiger und für den Anbieter erheblich vorteilhafter sein wird, als bei der Vergabe angenommen wurde. In diesem Sinne erinnert die Spekulationsofferte an Ἔμπουσα (Empusa), die Dämonin aus der griechischen Mythologie, die den Männern nach der Überlieferung in der Gestalt einer wunderschönen Frau erschien, um sie zu verführen und um ihnen nach dem Liebesspiel im Schlaf ihr Blut auszusaugen.1 II. Die Begriffe Eine rechtliche Beurteilung von Preisspekulationen ist kaum möglich, ohne dass vorher geklärt würde, was Spekulation ist und was nicht. Darum werden im Folgenden wichtige Begriffe in diesem Zusammenhang und verschiedene Formen der Preisspekulation mitsamt ihrer Wirkungsweise vorgestellt. A Die Angebotsfreiheit Niemand ist verpflichtet, an einer Submission teilzunehmen und eine Offerte abzugeben. Das gilt genau gleich für die Vergaben privater wie auch für jene öffentlicher Auftraggeber. Überdies ist jeder, der an einer Submission teilnimmt und ein Angebot unterbreitet, im Rahmen der vertragsrechtlichen Gültigkeitsvorschriften (Art. 19 f. OR) vollkommen frei darin, wie er sein Angebot ausgestalten will; insbesondere, ob er einen hohen oder einen tiefen Preis für seine 1 Vgl. C.M. Wielands Sämtliche Werke, Vierter Band, Der neue Amadis, Erster Theil, Leipzig 1794, S. 237: „Die Empusa ... hatte einen Menschen- und einen Eselsfuss, konnte alle möglichen Gestalten annehmen, und frass die kleinen Kinder, wenn sie nicht fromm seyn wollten. Der Sofist Filostratus schämte sich nicht, im Leben des Apollonius von Tyana in vollem Ernst ein Märchen von einer solchen Empuse zu erzählen, welche der Filosof Menippus geheirathet haben würde, wenn Apollonius nicht zu gutem Glücke am Hochzeittage dazu gekommen wäre, und die Braut gezwungen hätte, ihren Eselshuf zu zeigen, und zu bekennen, dass sie den Menippus aus keinem anderen Grunde an sich gelockt habe, als um ihn erst recht gut zu füttern und dann aufzuessen“. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation Leistungen verlangen will.2 Diese beiden Grundsätze sind direkter Ausfluss der Vertragsfreiheit, wonach rechtlich niemand gezwungen ist, Verträge einzugehen, und noch weniger, seinen Verträgen einen bestimmten Gehalt zu geben (wenn nicht das zwingende Vertragsrecht es verlangt). Trotz aller rechtlichen Vertrags- und Angebotsfreiheit sind bei öffentlichen Auftragsvergaben zwei faktische Zwänge nicht zu verkennen: Zunächst gibt es Branchen wie insbesondere den Untertagebau, die aufgrund der Natur ihrer Leistungen praktisch ausschliesslich von öffentlichen Aufträgen leben, weil fast nur die öffentliche Hand solche Leistungen nachfragt. Unternehmen dieser Branchen sind, wenn sie im fraglichen Bereich überleben wollen, faktisch gezwungen, sich um öffentliche Aufträge zu bewerben. Sodann sind alle Unternehmen aller Branchen faktisch gezwungen, vergaberechtlich gültige Offerten einzureichen, wenn sie sich an öffentlichen Vergabeverfahren beteiligen, ansonsten ihnen der Verfahrensausschluss droht und sie den Auftrag nicht erhalten können. Diese Zwangslagen sind real, ändern aber nichts daran, dass es rechtlich jedem unbenommen bleibt, sich von einer Submission fernzuhalten, oder dort teilzunehmen, sich aber gleichwohl nicht an die aufgestellten Regeln zu halten und anders zu offerieren als gewünscht. Mithin greift ein öffentlicher Auftraggeber, der „Vorschriften“ darüber aufstellt, wie ein Angebot geartet sein und welchen Inhalt es aufweisen „muss“, nicht in die Angebotsfreiheit der potentiellen Bieter ein, sondern setzt dieser Freiheit faktische Schranken, weil er die Grenzen diktiert, innerhalb deren die Freiheit ausgeübt werden kann und dennoch Chancen auf den Auftrag erworben werden können. Mit Blick auf die Angebotsfreiheit der Bieter stellt sich also vergaberechtlich nie die Frage, ob der öffentliche Auftraggeber mit seinen Angebotsregeln die Angebotsfreiheit verletze (denn das könnte der Auftraggeber gar nicht), sondern lediglich, ob eine bestimmte Vorgabe des Auftraggebers vergaberechtskonform (insb. nicht-diskriminierend), kartellrechtskonform und im Übrigen aus Sicht der Interessen des Auftraggebers betriebswirtschaftlich vernünftig sei. B Der Einheitspreisvertrag Einheitspreisvertrag ist in abstrahierender Anlehnung an die Definition des Art. 42 Abs. 2 Satz 1 SIA-Norm 1183 jeder Vertrag in irgendeiner Branche, in dem mit Bezug auf mehrere4 Teilleistungen (Positionen) je ein separater Preis (Einheitspreis) vereinbart wird, der nicht direkt die für die fragliche Leistung geschuldete Vergütung repräsentiert, sondern zur Ermittlung der Vergütung zunächst mit einer bestimmten Anzahl an Leistungseinheiten (Menge) multipliziert werden soll. Erst anhand dieser nach dem Vertragsschluss festgestellten Grössen und des Ergebnisses der Multiplikation soll sich im Einheitspreisvertrag die genaue Gesamtvergütung des Leistungserbringers bestimmen.5 Ob dieser Vertrag noch weitere Leistungspositionen enthalte, über die auf andere Weise abgerechnet werden soll – insbesondere pauschal, also gerade unabhängig von der tatsächlich zu leistenden Menge –, ist für den Begriff des Einheitspreisvertrages unerheblich (vgl. auch Art. 42 Abs. 2 SIA-Norm 118); massgeblich ist nur, dass ein Vertrag (auch) Einheitspreise enthält, denn das führt in jedem Fall dazu, dass 2 3 4 5 Vgl. auch VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1: Die „Kalkulation der Angebotspreise [ist] Sache des anbietenden Unternehmers, und die Art und Weise, wie er seinen Aufwand in Einheitspreise umrechnet, steht ihm grundsätzlich frei“; gleichlautend VGer ZH VB.2003.00256 (03.12.2003), E. 4. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 SIA-Norm 118 im Wortlaut: „Als Einheitspreisvertrag gilt jeder Werkvertrag, bei dem für alle oder für einen Teil der Leistungen Einheitspreise vereinbart sind“. Selbst ein Vertrag, der nur einen einzigen Einheitspreis enthält, ist ein Einheitspreisvertrag; allerdings interessiert ein solcher Vertrag im vorliegenden Text nicht speziell, da er gerade nicht die Eigenschaft hat, um die es hier geht, nämlich dass sich die Gesamtvergütung von mehreren unterschiedlichen Angeboten je nach Annahme der tatsächlichen Mengen ganz unterschiedlich verhält. Vgl. Art. 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SIA-Norm 118: „Der Einheitspreis bestimmt die Vergütung für eine einzelne Leistung, die im Leistungsverzeichnis als besondere Position vorgesehen ist. Er wird je Mengeneinheit festgesetzt, so dass sich die für die Leistung geschuldete Vergütung nach der … festgestellten Menge ergibt“. BRT 2011 127 128 Martin Beyeler die Gesamtvergütung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ganz unabhängig von der Möglichkeit späterer Bestellungsänderungen noch nicht genau auf Franken und Rappen feststeht. Terminologisch sind Einheitspreise zumeist im Bauwesen anzutreffen; vom Begriff her existieren sie aber unter diversen Namen auch in zahlreichen weiteren Wirtschaftsbereichen. Letztlich liegt dem beschriebenen Wesen nach überall da ein Einheitspreis vor, wo die Parteien vereinbaren, dass ein bestimmter Preis pro bestimmte Leistungsmenge gelten soll, zugleich aber nicht oder jedenfalls nicht genau festgelegt ist, sondern der späteren Feststellung überantwortet wird, welche genaue Menge an Leistungen nun zu diesem Preis vergütet wird und wie hoch mithin die tatsächliche Vergütung des Leistenden ist. Wer Stundenlöhne und zeitabhängige Honoraransätze, aber keine genaue Menge vereinbart, schliesst in diesem Sinne einen Einheitspreisvertrag ab; genau gleich liegen die Dinge, wenn Stückpreise, aber keine genaue Gesamtmenge vereinbart werden, insbesondere auch in Rahmenverträgen. C Das Mengengerüst Bei allen Einheitspreisverträgen im beschriebenen Sinne muss zur Sicherstellung einer gewissen Verlässlichkeit des Angebotsvergleichs und der darauf basierenden Auswahl eines Zuschlagsempfängers für jede Leistungsposition eine Mengenannahme (Mengengerüst; Vorausmass) getroffen werden, aufgrund deren provisorische Gesamtvergütungen errechnet und die Offerten alsdann anhand dieser Summen verglichen werden.6 Ein Vergleich dagegen, der ohne solche Annahmen vorgenommen würde und nur darauf basierte, die einzelnen Preise nominal zusammenzuzählen, wäre unseriös, sobald klar ist, dass die tatsächliche Menge nicht in allen Positionen genau gleich gross sein wird (z.B. überall 25), was kaum je zutrifft. Denn in diesem Fall können schon nur allein deswegen, weil verschiedene Bieter in den verschiedenen Positionen unterschiedlich hohe Preise offerierten, je nachdem, welche Mengen für die einzelnen Positionen angenommen werden, ganz unterschiedliche Angebote am günstigsten erscheinen. Ein Vergleich, der bei dieser Sachlage auf überhaupt keinen Mengenannahmen beruht, führt zu einem Ergebnis, bei dem nicht einmal eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das am günstigsten scheinende Angebot bei einer Abrechnung unter den tatsächlichen Mengen tatsächlich das günstigste sein wird. Wenn ein Privatunternehmen gegebenenfalls so vorgehen wollte, stünde das diesem Unternehmen frei. Doch ein öffentlicher Auftraggeber darf in allen Wirtschaftsbereichen, in denen er öffentliche Aufträge in der Form eines Einheitspreisvertrages vergibt, zum Schutz der Verlässlichkeit der Richtigkeit der Vergabe und damit auch im Interesse von Wirtschaftlichkeit und Gleichbehandlung einen Zuschlag nur auf der Grundlage eines mithilfe von Mengenannahmen vorgenommenen Angebotsvergleichs erteilen. Wenngleich klar ist, dass bei Einheitspreisverträgen nur derjenige Offertvergleich seriös und verlässlich ist, der auf einer Mengenannahme und auf der damit für jede Offerte individuell errechneten provisorischen Gesamtvergütung beruht, so ist ebenso klar, dass jede Mengenannahme eine Prognose ist, die allenfalls fahrlässig oder gar absichtlich unsorgfältig ausgeführt worden ist und die in jedem Fall ganz ungeachtet solcher Dinge einen fallspezifisch mehr oder weniger breiten Streubereich verschiedener Werte mit ungefähr gleich grosser Wahrscheinlichkeit mit sich bringt. Das heisst, die Mengenannahme, die der Auftraggeber für den Angebotsvergleich und die Kür des wirtschaftlich günstigsten Angebots trifft, kann sich ex post als unzutreffend erweisen, weil sie zwar mit aller Sorgfalt vorgenommen wurde, die tatsächliche Menge aber innerhalb des Streubereichs neben der Annahme liegt, oder weil sie in dem Sinne nachgerade falsch war, dass sie schon ex ante anders gelautet hätte, wenn tatsächlich sorgfältig nach der wahrscheinlichsten Hypothese gesucht worden wäre. Weil nun aufgrund des Wesens des Einheitspreises die tatsächlichen Mengen die tatsächlich zu bezahlende Vergütung 6 Vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 SIA-Norm 118: „Das [Leistungs-]Verzeichnis beschreibt jede Leistung unter Angabe von Materialqualitäten und voraussichtlichen Mengen …“; Art. 39 Abs. 1 Satz 3 SIA-Norm 118: „Im Leistungsverzeichnis ist die zu jeder Leistung gehörende Menge aufgeführt, wie sie der Bauherr zur Zeit der Ausschreibung erwartet“. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation direkt beeinflussen, geht mit jedem Abschluss eines Einheitspreisvertrags das Risiko (und die Chance) einher, dass die tatsächlich insgesamt zu bezahlende Vergütung höher (oder tiefer) liegt als angenommen. Die Mengenannahme ist für die Vergabe von Einheitspreisverträgen zwar immer erforderlich und führt zu einer viel höheren Verlässlichkeit des Offertvergleichs, doch vermag auch alle Sorgfalt beim Treffen der Annahme nicht zu verhindern, dass die tatsächlichen Mengen schliesslich andere sind als die angenommenen, so dass auch die tatsächliche Vergütung eine andere ist. D Die unechten Mehr- oder Minderkosten Solche Divergenzen zwischen angenommener und tatsächlich zu bezahlender Gesamtvergütung sind als unechte Mehr- oder Minderkosten zu bezeichnen, sofern sie aus Mengendivergenzen resultieren, deren Ursache in der naturgemässen Ungenauigkeit oder in unsorgfältig (absichtlich oder fahrlässig) getroffenen Projekt- und Mengenprognosen liegt. In diesem Sinne handelt es sich um Ohnehinkosten oder Ohnehineinsparungen. Wo es hingegen um ursprünglich nicht vorgesehene Zusatzleistungen oder um solche Leistungen geht, auf die der Auftraggeber im Nachhinein schlicht verzichtet, kann von echten Mehr- oder Minderkosten gesprochen werden, wie sie in allen möglichen Verträgen, insbesondere auch in Gesamtpreisverträgen (Pauschalverträgen) vorkommen können, wenn entsprechende Bestellungsänderungen (unter den in concreto einschlägigen Voraussetzungen: einseitig oder nach Parteiübereinkunft) vorgenommen werden. Dass jeder Einheitspreisvertrag das Risiko und die Chance in sich trägt, zu unechten Mehr- oder Minderkosten zu führen, indem die tatsächlichen Mengen innerhalb des Streubereichs der Prognose oder, als Folge einer Unsorgfalt, vielleicht auch ausserhalb dieses Bereichs von den angenommenen Mengen abweichen, gehört zum Wesen dieses Vertrags und kann von ihm nicht getrennt werden. Wo zum Voraus keine feste Gesamtvergütung vereinbart wird, kann ein auf Franken und Rappen genaues Zutreffen der angenommenen Vergütung im Grunde nicht erwartet werden. Das Risiko, unechte Mehrkosten zu erleiden, und die Chance, unechte Minderkosten zu geniessen, sind also dem Grundsatz nach kein Problem, dem innerhalb des Einheitspreisvertrags begegnet werden müsste, denn mit diesem Vertrag erklärt sich der Vergütungsschuldner damit einverstanden, dass er die genaue Gesamtvergütung des Leistungserbringers noch nicht kennt, weil er nicht alle Faktoren der entsprechenden Rechnung schon verbindlich und genau vereinbart – er übernimmt freiwillig das Risiko der unechten Mehrkosten und erwirbt die Chance auf unechte Minderkosten. Zugleich ist es auch grundsätzlich normal, dass als Folge von Mengenänderungen die Rentabilität des Gesamtgeschäfts (Verhältnis zwischen einer abstrakten Leistungseinheit und der dafür bezahlten Vergütung) sich im Vergleich zwischen der Lage im Angebotsvergleich und den tatsächlichen Mengen sowie der tatsächlichen Vergütung zugunsten des Bieters oder des Auftraggebers verändert. Solches kann immer dann geschehen, wenn der Bieter nicht in allen Preispositionen mit exakt derselben Marge bzw. Rentabilität offeriert, sondern in unterschiedlichen Positionen unterschiedliche Margen veranschlagt hat: Je nachdem, welche Position Gegenstand welcher Mengendivergenzen ist, steigt oder sinkt des Bieters Rentabilität über das Gesamtgeschäft betrachtet (und dasselbe gilt unter umgekehrten Vorzeichen für den Auftraggeber mit Bezug auf die Frage, wie viel Geld er pro abstrakte Leistungseinheit bezahlt). E Das Vergaberisiko Je nach Zahl und Umfang der in einem bestimmten Einheitspreisvertrag auftretenden Divergenzen zwischen angenommenen und tatsächlichen Mengen und je nach Knappheit des Siegs der besten Offerte im Angebotsvergleich kann sich ein weiteres Risiko verwirklichen: das Vergaberisiko. Wenn beispielsweise, aus welchen Gründen auch immer, die Menge in einer Einheitspreisposition tatsächlich grösser ist als angenommen, und wenn in dieser Position der Sieger des Angebotsvergleichs einen vergleichsweise hohen Preis eingesetzt hatte, kann es sich BRT 2011 129 130 Martin Beyeler bei einem Vergleich der Offerten aufgrund der tatsächlichen Mengen und der daraus für jede Offerte errechneten Gesamtvergütung ergeben, dass sich eine andere Offerte als jene, die unter den angenommenen Mengen gewänne, als die preisgünstigste erweist. Das geschieht dann, wenn die Mengensteigerung und die daraus folgende Preissteigerung die Gesamtvergütung des zunächst siegreichen Angebots derart in die Höhe treiben, dass diese nun höher liegt als jene einer anderen Offerte, die zwar unter den angenommenen Mengen noch teurer war, aufgrund ihres vergleichsweise günstigen Preises in der divergenzbetroffenen Position nun aber eine in absoluten Zahlen gemessen viel geringere Steigerung verzeichnet, so dass nun ihre Gesamtvergütung unter jener der in der fraglichen Position teureren Offerte liegt. Genau dasselbe kann im Übrigen unter umgekehrten Vorzeichen auch bei Mengenverminderungen geschehen: Legt man allen Offerten die geringeren, tatsächlich geleisteten Mengen zugrunde, so führt das zwar bei ihnen allen zu unechten Minderkosten, allerdings in einem umso grösseren absoluten Betrag, je höher der entsprechende Einheitspreis einer Offerte ist. Wenn nun die unter den geschätzten Mengen siegreiche Offerte in einer Position, in der die tatsächlichen Mengen geringer sind, einen vergleichsweise tiefen Preis geboten hatte, kann es vorkommen, dass eine andere Offerte, die im ursprünglichen Gesamtvergütungsvergleich noch höher lag, aufgrund ihres in der fraglichen Position besonders hoch angesetzten Preises durch die tatsächlich geringeren Mengen einen derart grossen Betrag unechter Minderkosten aufweist, dass unter Berücksichtigung derselben in der Gesamtvergütung nun diese Offerte und nicht mehr die andere die günstigste ist. Bei alledem ist aber immer zu beachten, dass mitunter auch noch andere Zuschlagskriterien über die Frage der wirtschaftlich günstigsten Offerte entscheiden, deren Erfüllungsgrad durch Mengendivergenzen anders als der Preis in aller Regel gerade nicht in Frage gestellt werden kann. Das Vergaberisiko ist selbstverständlich nur da als verwirklicht zu betrachten, wo die Mengendivergenzen zu so starken Veränderungen der Gesamtvergütung führen, dass die Zuschlagsofferte nun unter Berücksichtigung aller Kriterien nicht mehr die günstigste wäre. F Die Spekulation „Spekulation“ kann zum einen bedeuten, dass etwas auf erheblich unsichere Annahmen abgestellt wird (erster Wortsinn), zum anderen aber auch (zweiter Wortsinn), dass jemand sein Vermögen so disponiert, dass er dann, wenn eine bestimmte Annahme (sei diese wahrscheinlich, sei sie unwahrscheinlich oder gar unmöglich) eintrifft, einen besonderen Gewinn ohne entsprechende Eigenleistung (ausser vielleicht der Übernahme des Risikos, von dessen Nichtrealisierung sein Erfolg abhängt) zu erzielen: den Spekulationsgewinn.7 Währenddem die erste Bedeutung des Wortes grundsätzlich wertneutral ist, wenn man davon absehen mag, dass es häufig dazu verwendet wird, bestimmte Aussagen und Prognosen zu disqualifizieren oder zu verwerfen, weil sie – angeblich oder tatsächlich – auf einer gänzlich unsicheren Basis stehen, verhält es sich bei der Spekulation im zweiten Sinne häufig so, dass derjenige, der sich spekulativ betätigt, damit bei anderen wirtschaftsethische und möglicherweise auch moralische Bedenken weckt.8 Das hat wohl mit einer Verknüpfung 7 8 Vgl. BGH VII ZR 201/06 (18.12.2008), Rn. 15: „Die … Spekulation des Bieters durch Einsatz deutlich überhöhter Einheitspreise ist regelmässig mit der Erwartung verbunden, einen ausserordentlichen Gewinn zu erzielen, der andererseits zu nicht eingeplanten Mehrkosten bei dem Auftraggeber führt, denen kein entsprechender Gegenwert gegenübersteht“. Vgl. auch SILBE/REISTER, Spekulative Preise und deren Prüfung durch den Auftraggeber, in: Kapellmann/Vygen (Hrsg.), Jahrbuch Baurecht 2005, München 2005, S. 279 ff., S. 281: „Spekulation [ist] oftmals mit einem gewissen negativen Touch der ‚tückischen Gewinnbeschaffung’ verbunden“. – Deutlich wird der moralische Vorwurf etwa bei der Lektüre der E. 1c des Entscheids VGer GR U 05 47 (26.08.2005), wo das Gericht mit offen ausgesprochenen Werturteilen zu einer Verschiebung von Umsätzen in eine Pauschalposition nicht sparte (fragmentarisch): „… elementaren Gebote der Kostenwahrheit und Transparenz sowie das Verbot der Wettbewerbsverfälschung ... in allerhöchstem Masse verletzt … auf einem völlig ungewöhnlichen und augenfällig tatsachenwidrigen Grundfundament … absolut realitätsfremde Umverteilung der tatsächlichen Kostenstrukturen … unter diesen absonderlichen Verhältnissen … absolut unrealistisch tiefen Einheitspreis“. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation zwischen Arbeit und Verdienst zu tun, die in sehr vielen Köpfen so oder anders verankert ist, sowie damit, dass Spekulation – ob zu Recht oder zu Unrecht – von vielen als preistreibend erachtet wird und jedenfalls bei einem Überhandnehmen für den Markt, die Volkswirtschaft und schliesslich die gesamte Gesellschaft schädlich sein kann. Damit der Begriff der Spekulationsofferte nicht ausufert und weil sonst viele Sachverhalte, die gemeinhin gar nicht als der Problematik der Preisspekulation zugehörig eingestuft werden, davon letztlich zweckwidrig erfasst würden, ist in diesem Zusammenhang nicht auf die erste, sondern auf die zweite Bedeutung von „Spekulation“ abzustellen: Eine Spekulationsofferte oder ein spekulativer Preis liegen nicht schon deswegen vor, weil eine Offerte oder ein Preis auf unsicheren Annahmen beruhen, und seien diese derart abwegig, dass man sie der Redewendung nach als „pure Spekulation“ bezeichnen würde. Preisspekulation ist nur dort gegeben, wo im zweiten Sinne des Wortes basierend auf wahrscheinlichen oder unwahrscheinlichen Hypothesen durch spezifische Preisgestaltung darauf gewettet wird, dass gewisse Annahmen des Auftraggebers, insbesondere Mengenannahmen, nicht zutreffen und dass aus der entsprechenden Divergenz zwischen Prognose und Wirklichkeit ein Gewinn entsteht, dem als solchem keine Gegenleistung gegenübergestellt ist, der also gewissermassen einen Sonderertrag darstellt, der sich direkt aus der Verhältnisänderung ergibt: Die Spekulationsofferte beinhaltet eine Preisgestaltung, die darauf abzielt, im Fall des Eintretens einer Divergenz zwischen den Annahmen des Auftraggebers und den Tatsachen einen Zusatzgewinn zu erzielen, der vom Aufwand für die dafür zu erbringenden Leistungen ganz oder jedenfalls weitgehend abgekoppelt ist. Damit ist insbesondere da nicht von einer Spekulationsofferte oder von spekulativen Preisen zu sprechen, wo der Bieter gewisse Mengenannahmen selber treffen oder sonstige seine eigenen Kosten beeinflussenden Werte selber prognostizieren muss, weil der Auftraggeber ihm insofern nichts vorgibt. Diese Annahmen werden vielleicht mit aller Sorgfalt getroffen, vielleicht sind sie im ersten Sinne des Wortes spekulativ, doch darauf kommt es nicht an: Sie müssen gegebenenfalls schlichtweg getroffen werden, damit ein Angebot überhaupt wie gewünscht zustande kommt. Mit ihnen bezweckt der Bieter grundsätzlich auch keinen besonderen Gewinn, der aus Divergenzen resultieren würde. Wer etwa einen Einheitspreis für Leistungen anbieten soll, deren Kosten für den Bieter primär von der Leistungsmenge abhängen, zu deren vom Auftraggeber geschätzten Umfang er aber nur sehr unzureichende oder gar keinerlei Informationen erhält, der muss notgedrungen selber abschätzen, wie viel von diesen Leistungen in etwa zu erbringen sein dürften, und hierauf gestützt einen Preis formulieren, der ihm zumindest für die wahrscheinlichsten Fälle jenes Auskommen bietet, das er hier grundsätzlich anstrebt. In alledem liegt nichts, was unter dem Begriff der Preisspekulation abzuhandeln und deswegen oder aus anderen Gründen dem Bieter vorzuwerfen wäre. Ebensowenig liegt Spekulation allein darin, dass ein Bieter allenfalls darauf hofft oder zählt, dass er mehr Mengen einer bestimmten Leistung wird erbringen können, als das im Rahmen der Ausschreibung angenommen wird, dass er daher mehr Umsatz und damit korrelierend gegebenenfalls auch mehr Gewinn (über das gesamte Geschäft betrachtet) erzielen wird. Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Preis, den er für die fraglichen Leistungen offeriert, ihm eine umso bessere Marge bietet, je grösser die zu leistende Menge ist, wenn der Bieter hier also auf einen für ihn günstigen Skaleneffekt zählen kann. Und auch das blosse Offerieren von einzelnen Preisen, die mit guten oder auch zünftigen Margen versehen sind, ist nicht Spekulation, sondern schlicht eine Preispolitik, allenfalls eine gewagte. Wenn der Bieter gegenteilig eine Mengenverminderung und daraus eine Steigerung seiner Rentabilität erwartet (weil er in der fraglichen Position einen „schlechten“, mit einer vergleichsweise geringen Marge ausgestatteten Preis offeriert), so ist auch dies für sich genommen keineswegs Spekulation im hier verstandenen Sinne. Schliesslich ist klar, dass die Verwirklichung von gewöhnlichen Geschäftsrisiken eines Auftraggebers nicht notgedrungen Folge einer Spekulation ist; aus dem Eintritt der BRT 2011 131 132 Martin Beyeler entsprechenden Gefahren allein kann nie ohne weiteres und automatisch auf eine Spekulation rückgeschlossen werden. Unechte Mehrkosten, die ein Auftraggeber erleidet, weil er die im Rahmen des gegebenen Projektes erforderlichen Leistungsmengen zu gering eingeschätzt hatte, sind grundsätzlich etwas Gewöhnliches, wo mengenabhängige Vergütungsmodi vereinbart werden. Das gilt erst recht für echte Mehrkosten aus nach dem Vertragsschluss getätigten Zusatzbestellungen oder sonstigen Vertragsänderungen. Ebenso ist es in Einheitspreisverträgen ein grundsätzlich normales Phänomen, wenn eine Mengenmehrung oder -minderung in einer Position geschieht, in welcher der Bieter einen Preis mit einer im Quervergleich all seiner Preise überdurchschnittlich guten Marge offeriert hatte, und wenn als Folge davon die Gesamtrentabilität des fraglichen Geschäfts für den Bieter steigt und die Leistungen insgesamt betrachtet für den Auftraggeber pro abstrakte Einheit teurer werden. Mit diesen Risiken betreffend echte und unechte Mehrkosten sowie betreffend einen Rentabilitätsverlust geht für den Auftraggeber ein weiteres, grundsätzlich ebenso gewöhnliches Risiko einher: Mengendivergenzen und andere Verhältnisänderungen können immer auch dazu führen, dass sich die effektive Gesamtvergütung des Bieters im Vergleich zur ursprünglich offerierten provisorischen Vergütung so entwickelt, dass unter der Hypothese, es wäre ein anderes verfügbares Angebot berücksichtigt worden und nun würde unter diesem in Berücksichtigung der Verhältnisänderung abgerechnet, dieses andere Angebot letztlich günstiger gekommen wäre. Wenn das zutrifft, hat sich das Vergaberisiko verwirklicht, das indes ein ganz gewöhnliches Risiko jeder Vergabe ist und das auch ohne Spekulation eintreten kann. In all diesen Fällen ist selbst dann nicht zwingend und ohne weiteres auf eine Spekulation zu schliessen, wenn die Gesamtvergütung des Bieters sich ganz erheblich verändert. Spekulation lässt sich also nicht (allein) durch Verweis auf die angesprochenen Gefahren oder auf deren Auswirkungen im Realisierungsfall mit Bezug auf die Kosten, die Rentabilität und die Verlässlichkeit des Vergabeentscheides nachweisen. Allerdings können sehr bedeutsame, umfangreiche und zudem ungewöhnliche Entwicklungen im Vergütungssystem nach Verhältnisänderungen ein Indiz dafür darstellen, dass spekuliert worden ist. Spekulation liegt aber selbst bei Nachweis solcher Indizien nur dann vor, wenn ganz abgesehen davon eine spezifische Preisgestaltung in Erwartung bestimmter Entwicklungen und zur Erzielung eines Sonderertrages vorliegt. G Drei Hauptgruppen von spekulativen Offerten Praktisch alle geläufigen Arten von Spekulationsofferten können in eine von drei Gruppen eingeteilt werden. Verkürzt: Bei der Vergabespekulation geht es um ungewöhnlich tiefe Einzelpreise, welche bei der Vergabe helfen sollen, von denen der Bieter aber hofft, dass sie nicht oder jedenfalls nur in viel geringerem Umfang zur Anwendung kommen als bei der Vergabe vorgesehen. Margenspekulationen betreffen Offerten mit ungewöhnlich hohen Einzelpreisen, welche zwar unumwunden deklariert werden, die aber nicht oder jedenfalls nur mit sehr untergeordnetem Gewicht in die provisorisch errechnete Vergütungssumme einfliessen und die insofern in der Offerte „versteckt“ sind: Hier hofft der Bieter darauf, dass die Leistung, für die der überhöhte Preis offeriert wurde, überhaupt oder in deutlich grösseren Mengen als angenommen zur Anwendung kommt. Umsatzverschiebungen in Pauschalpositionen schliesslich bestehen darin, die Vergütung für bestimmte Teilleistungen von der Menge abzukoppeln; das heisst, sie bezwecken, dass der Bieter sich einen bestimmten Teil der Gesamtvergütung anders als vom Auftraggeber an sich vorgesehen fix und unabhängig von der tatsächlichen Leistungsmenge versprechen lässt. Das führt dazu, dass der Bieter das Risiko dafür, dass die ausgeschriebenen Mengen zu gross sind und er tatsächlich einen geringeren Umsatz erzielen wird, auf den Auftraggeber zurückschiebt, zugleich aber auch die Chance aus der Hand gibt, dass die ausgeschriebenen Mengen zu gering sind und er tatsächlich einen höheren Umsatz erzielen wird. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation 1. Die Vergabespekulation Bei der Vergabespekulation geht es um das reine Abpreisen gewisser Leistungspositionen im Hinblick auf die Erringung einer besonders guten Position in dem für die Vergabe massgeblichen Preisvergleich, zugleich aber auch in der Erwartung, dass daraus aufgrund einer Verhältnisänderung kein oder jedenfalls kein nennenswerter Verlust resultiert, so dass der Bieter die Chance hat, trotz des offerierten Kampfpreises am Ende zu ganz gewöhnlichen Margen leisten zu können. Von einer Vergabespekulation betroffene Offerten weisen die Besonderheit auf, dass sie in einer ganz bestimmten Leistungsposition einen ganz ungewöhnlich tief, nahe null, bei null oder gar im Negativbereich, jedenfalls aber weit unter der Schwelle der Kostendeckung liegenden Preis enthalten (oder mehrere derartige Preise), ohne dass im Gegenzug andere Preise erhöht würden (sonst läge eine andere Art von Spekulation vor). Der Bieter nimmt dabei das Risiko in Kauf, dass er unter der fraglichen Position zu einem für ihn verlustträchtigen und, je nach Leistungsumfang, allenfalls gar ruinösen Entgelt leisten muss, geht aber, aus welchen Gründen und mit welcher Wahrscheinlichkeit auch immer, davon aus, dass die Teilleistung, für die er einen überaus geringen, mitunter nachgerade lächerlichen Preis einsetzt, überhaupt nicht oder jedenfalls in viel geringeren Mengen als ausgeschrieben zur Ausführung kommen wird. Im Rahmen des für die Vergabe entscheidenden Angebotsvergleichs wird für jedes Angebot eine provisorische Gesamtvergütung errechnet, welche bei dem eine Vergabespekulation betreibenden Bieter aufgrund seines überaus geringen Preises in der fraglichen Position entsprechend tief ausfällt und mitunter gerade auch die Vergabe zugunsten dieses Bieters bewirkt. Wenn nun aber die Prognose des Bieters zutrifft, die Mengenannahmen des Auftraggebers sich also in der fraglichen Position ex post als viel zu hoch geschätzt erweisen, hält sich der Verlust des Bieters in engen Grenzen. Und dann, wenn die fragliche Leistung überhaupt nicht zur Ausführung kommt, zeitigt der unter der entsprechenden Position viel zu tief offerierte Preis für den Bieter überhaupt keine negativen Folgen, weil der Preis diesfalls gar nicht zur Anwendung kommt. Die Vergabespekulation führt also im Idealfall (aus Sicht des Bieters) dazu, dass der Bieter dank eines extrem tief gehaltenen Einzelpreises einen Auftrag erhält, den er ohnedies gerade nicht erhalten hätte, und wenn die Spekulation aufgeht, erleidet er aus dem zu tiefen Preis keinen oder jedenfalls keinen nennenswerten Verlust. Eine von Vergabespekulation betroffene Offerte scheint damit günstiger, als sie es in Wahrheit ist – vorausgesetzt, dass die Spekulation auch tatsächlich aufgeht. Denn diesfalls kommt der ungewöhnlich günstige Preis fast oder gar nicht mehr zum Einsatz, und die im Gesamtvertrag durchschnittlich pro theoretische Leistungseinheit zu leistende Vergütung liegt viel höher als im Vergabezeitpunkt (durch den Auftraggeber) angenommen. Wenn die Spekulation allerdings schiefgeht – was durchaus möglich ist – und die abweichende Prognose des Bieters also nicht eintrifft, muss dieser jedenfalls in der fraglichen Position eine (aus seiner Sicht) unerwünscht umfangreiche Menge an Leistungen zu einem für ihn erheblich verlustträchtigen oder gar insgesamt ruinösen Preis erbringen.9 9 Eine besondere Form von Vergabespekulation – nota bene im Rahmen eines Angebots über Planungsleistungen – lag dem Urteil VGer ZH VB.2008.00339 (14.01.2009) zugrunde (vgl. insb. E. 2 und E. 3): Hier hatte der Auftraggeber einen Planungsauftrag mit einer baukostenabhängig zu offerierenden Pauschal-Honorarsumme ausgeschrieben und dabei vorgesehen, dass die Bieter für verschiedene Baukosten-Gesamtsummenkategorien (> CHF 6 Mio.; zwischen CHF 6 Mio. und 7 Mio.; zwischen CHF 7 Mio. und 8 Mio. etc.) je einen (nicht notgedrungen gleich hohen) Prozentsatz offerieren, der ihrem baukostenabhängigen Honorarsatz entsprechen sollte, wobei die verschiedenen Prozentsätze mit einer je unterschiedlicher Gewichtung (je nach eingeschätzter Wahrscheinlichkeit, dass die Baukosten in der fraglichen Kategorie zu liegen kommen) allesamt die Preisbewertung im Rahmen des Angebotsvergleichs beeinflussen sollten. Zumindest ein Bieter liess sich von diesem – mit Bezug auf seine Begründung meines Erachtens nicht nachvollziehbaren – Bewertungssystem zu einer Vergabespekulation hinreissen: Er nahm an, die Baukosten würden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr als CHF 6 Mio. betragen, und dementsprechend offerierte er nur für die Baukosten-Kategorie bis CHF 6 Mio. sowie für die Kategorie zwischen CHF 6 und 7 Mio. eine gewöhnlichen, auskömmlichen Prozentsatz (9 bzw. 8,5 %). In den darüber liegenden Kategorien hingegen offerierte er durchwegs ein Honorar von 1 Prozent BRT 2011 133 134 Martin Beyeler Der Unterschied zwischen einem blossen Kampfpreis und der Vergabespekulation liegt im Übrigen darin, dass ein Kampfpreis sich häufig nicht auf eine einzige oder einige wenige Positionen beschränkt, sondern darin besteht, dass in vielen oder allen Positionen ungewöhnlich günstige Preise offeriert werden, währenddem bei der Vergabespekulation nur eine einzige Position (oder jedenfalls: mit Bedacht ausgewählte Positionen) sehr erheblich abgepreist werden. Zudem nimmt der Bieter beim Kampfpreis die reduzierte Marge oder allenfalls den Verlust in Kauf, um dadurch den Auftrag und in der Folge Referenzen oder einen Marktzugang zu gewinnen; er rechnet durchaus damit, dass die fraglichen Mengenannahmen in etwa zutreffen. Der eine Vergabespekulation betreibende Bieter hingegen will nach Möglichkeit gar nicht zum ungewöhnlich tiefen Preis leisten, sondern hofft darauf, dass die fragliche Position nur in viel geringeren Mengen oder überhaupt nicht zum Zuge kommen wird; selbstredend trägt er aber das Risiko, dass seine Hoffnungen sich zerschlagen und er unter dem zu tiefen Preis ungefähr im Umfang der ausgeschriebenen Menge oder gar in einer deutlich grösseren Menge leisten muss. 2. Die Margenspekulation Bei der Margenspekulation geht es um Offerten, die einzelne Preise mit exorbitanten Margen enthalten, welche zwar als Preise offen deklariert werden und deren überhöhte Margen im Quervergleich mit der Konkurrenz häufig auch vermutet werden können oder gar offensichtlich sind, die aber gleichwohl insofern versteckt sind, als sie aus bestimmten Gründen in dem für die Vergabe massgeblichen Vergleich aller offerierten provisorischen Gesamtvergütungen nicht erheblich oder überhaupt nicht ins Gewicht fallen. Von einer blossen zünftigen Marge, die aus gewöhnlichen Gründen hoch ist, unterscheidet sich diese Art der Spekulation nicht etwa dadurch massgebend, dass hier die Marge ganz besonders hoch angesetzt wird, wenngleich das zuweilen zutrifft,10 sondern dadurch, dass die Überhöhung, sei sie gross oder klein, nur wegen einer bestimmten Erwartung eines besonderen Gewinnes aus Verhältnisänderungen geschieht: Bei dieser Spekulationsart erwartet der Bieter mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bestimmte Verhältnisänderungen (im Vergleich zu den den Preisvergleich prägenden Annahmen des Auftraggebers), die dazu führen, dass der überhöhte Preis überhaupt oder auf eine deutlich grössere Menge von Leistungen zur Anwendung kommt, als die Annahme es voraussagte, die dem Angebotsvergleich zugrunde gelegt wurde. 10 der gesamten Baukosten, was unstreitig ein äusserst verlustträchtiger Preis ist, sicherte aber zu, die Leistungen auch dann gehörig zu erbringen, wenn er das Pech haben sollte, dass die Baukosten über CHF 7 Mio. liegen würden. Gleichwohl wurde sein Angebot ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht schützte den Ausschluss, weil es das Angebot wie die Vergabestelle für „unseriös“ (E. 3.1) hielt. Dabei spielte nicht nur der Umstand eine Rolle, dass der Bieter das – meines Erachtens willkürliche, weil ohne ersichtlichen Grund je nach absoluter Baukostenhöhe einen unterschiedlichen Honoraransatz (nicht etwa eine unterschiedliche Honorarsumme, was sich bei Offerierung eines Prozentsatzes der Baukosten ohnehin je nach tatsächlicher Höhe dieser Kosten ergibt und keine weitere Abstufung erfordert) vorsehende – Offert- und Bewertungssystem des Auftraggebers für eine Vergabespekulation ausgenutzt hatte; das Angebot des Bieters wäre in der Tat nicht besonders günstig gewesen, wenn seine Annahme, die Baukosten würden CHF 7 Mio. kaum überschreiten, zugetroffen hätten, und es konnte zu Recht die Frage gestellt werden, ob der Bieter noch ohne besondere Aufforderungen und Massnahmen mit aller erforderlichen Sorgfalt leisten würde, wenn einmal feststände, dass die Baukosten oberhalb von CHF 7 Mio. liegen werden. Vielmehr würdigte das Gericht auch die spezifische Funktion des Planers und dessen Einflussmöglichkeiten mit Bezug auf die tatsächliche Höhe der Baukosten im Rahmen eines noch nicht weit fortgeschrittenen Planungsprozesses und die daraus entstehende Befürchtung, der Bieter werde als so beauftragter Leistungserbringer alles in seiner nicht zu unterschätzenden faktischen Macht Stehende unternehmen, damit die Baukosten nicht in einer Kategorie zu liegen kommen, in welcher sein Honorarprozentsatz ins Ruinöse sinkt. Vgl. insb. BGH VII ZR 201/06 (18.12.2008), Rn. 7: „Der vereinbarte Einheitspreis für die beiden Mehrmengenpositionen sei hier jedoch 894-mal so hoch wie der vom Sachverständigen in erster Instanz bundesweit ermittelte, statistische, angemessene Preis“; Rn. 13: „Der von der Klägerin geltend gemachte Einheitspreis für die Mehrmengen in den Positionen … steht in einem besonders auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung. Das bedarf bei einer mehr als achthundertfachen Überschreitung des im Bundesdurchschnitt gezahlten Preises für die in diesen Positionen ausgeschriebenen Leistungen keiner weiteren Erörterung“. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation a) Spekulation in Eventual- oder Alternativpositionen Margenspekulation ist zunächst da möglich, wo der Auftraggeber Eventualleistungen ausschreibt, deren Ausführung als solche ungewiss ist, und für die der Auftraggeber keine Mengenannahme trifft oder eine allfällige Annahme nicht in den Vergleich der offerierten provisorischen Gesamtpreise einfliessen lässt.11 Namentlich sind mit Bezug auf den Baubereich die sogenannten „Per-Positionen“ zu nennen, in denen die Bieter zwar bestimmte Einheitspreise offerieren sollen, für deren Leistungen das Leistungsverzeichnis des Auftraggebers aber keine Menge angibt und die daher nicht in die bewertungsgegenständliche provisorische Gesamtvergütung einfliessen – weder multipliziert mit einer bestimmten Menge noch nominal („Menge 1“). Der Bieter kann hier seine Marge bei gegebenen Kosten pro Leistungseinheit theoretisch beliebig erhöhen, ohne damit seine Position im Vergleich mit den übrigen Offerten zu gefährden, denn der provisorische Gesamtpreis seiner Offerte, der für die Angebotsbewertung errechnet wird, ändert sich dadurch nicht. Falls die fragliche Leistung später zur Ausführung gelangt, und das mitunter in erheblichen Mengen, so verdient der Bieter jedenfalls an diesen Leistungen überdurchschnittlich gut. Im umgekehrten Fall hat er grundsätzlich nichts zu befürchten, ausser, dass er den Sonderertrag nicht erzielen kann. Das Gesagte gilt im Übrigen genau gleich dort, wo die Eventualleistungen, wenn sie tatsächlich zur Ausführung kommen, Alternativleistungen sind und an die Stelle „gewöhnlich“ ausgeschriebener Leistungen treten, für die eine Menge durchaus angenommen worden war, welche unter Multiplikation mit dem fraglichen Positionspreis in den Angebotsvergleich einfloss,12 wie auch dort, wo die Eventualleistungen eigentliche Zusatzleistungen sind, die zu den ausgeschriebenen Grundleistungen hinzutreten: Entscheidend ist hier nur, aber eben, dass der Preis der mit der überhöhten Marge versehenen Eventualleistung nicht in die Bewertung einfloss. b) Spekulation auf geringen Mengen Eine Margenspekulation kann auch da vorgenommen werden, wo der Auftraggeber für eine bestimmte Leistungsposition eine in absoluten Zahlen sehr geringe Menge annimmt und der gewöhnliche Preis für die fraglichen Leistungen im Vergleich mit der Summe aller übrigen Einheitspreise und sonstigen Vergütungsanteile relativ gering ist: Auch eine sehr hohe Marge in dieser Position (verglichen mit einem gewöhnlichen Preis) fällt in solchen Fällen im Angebotsvergleich kaum ins Gewicht, weil die unter Berücksichtigung der anderen Positionen errechnete provisorische Gesamtvergütung viel grösser ist als die provisorische Vergütung in der fraglichen Position, die selbst mit einer exorbitanten Marge im Preis nur einen kleinen Bruchteil des Gesamten ausmacht. Das heisst zwar auch, dass die Margenspekulation unter den angenommenen Mengen kein erhebliches Problem für den Auftraggeber und keinen erheblichen Vorteil für den Bieter bereithält, weil mit Blick auf die ganze Vertragssumme nur in einem kleinen Teil ein Preis bezahlt wird, der gemessen am Aufwand des Bieters und an einem ungefähren Marktpreis viel zu hoch ist. Einzelne überhöhte Margen, die im Gesamtpreis kaum oder jedenfalls nicht erheblich Niederschlag finden, bedeuten keineswegs für sich genommen, dass ein unwirtschaftliches Angebot vorliegt, denn es können im Gesamtvergleich allenfalls sehr günstige Preise in viel bedeutsameren Positionen ausschlaggebend sein – und letztlich zählt für den Auftraggeber wie für den Bieter nur der Gesamtvergleich. Wenn sich aber die relativ geringe Mengenannahme des Auftraggebers in der vom Bieter künstlich im Preis überhöhten Position später als erheblich zu tief erweist, sie vielleicht gar 11 12 Vgl. auch SILBE/REISTER (FN 8), S. 296: „Besonders ‚spekulationsanfällig’ ist eine Ausschreibung, in der bei Alternativ- und Eventualpositionen bei einem Einheitspreisvertrag nur die Einheitspreise eingesetzt und vereinbart werden, ohne dass diese Positionen preislich mit einem ausgeschriebenen Mengenvordersatz [Mengengerüst] in die Angebotssumme eingeht“. Vgl. auch SILBE/REISTER (FN 9), S. 297: „Wenn der Bieter erwartet, dass die Alternative zur Ausführung kommt, wird er den Einheitspreis der Hauptposition … relativ niedrig und im Gegenzug den Einheitspreis der Alternative relativ hoch ansetzen“. BRT 2011 135 136 Martin Beyeler um Grössenordnungen zu gering geschätzt worden war, kann sich ergeben, dass nun ein durchaus erheblicher Teil der Gesamtvergütung auf die fragliche Position entfällt, weil nun eine relativ grosse Menge von Leistungen zum im Angebotsvergleich scheinbar unbedeutenden überhöhten Preis erbracht wird. Sieht der Vertrag kein (hinreichendes) Korrektiv für Mengendivergenzen vor (vgl. insb. Art. 86 SIA-Norm 118), steigen die Gesamtvergütung des Leistungserbringers und dessen Gesamtrentabilität zufolge der Mengenmehrung in der fraglichen Position überproportional an; der Bieter kann nun eine relativ grosse Menge an Leistungen zu für ihn sehr vorteilhaften Preisen abrechnen. Je grösser die Mengensteigerung ist, desto besser wird für ihn auch die Gesamtrentabilität des Vertrags, weil er insgesamt eine grössere Quote an besonders gut (rentabel) bezahlten Leistungen und entsprechend eine geringere Quote an gewöhnlich oder gar unterdurchschnittlich bezahlten Leistungen erbringt, als das unter den für die Vergabe entscheidenden Annahmen der Fall gewesen wäre – und ohne dass diese besondere Rentabilität sich bei der Vergabe für ihn erheblich nachteilig bemerkbar gemacht hätte. Er erhält, anders gewendet, insgesamt mehr Geld pro Einheit Aufwand. Spiegelbildlich steigt für den Auftraggeber bei einer grossen Mengenmehrung in einer Position, in der er eine überhöhte Marge bezahlen muss, der Gesamtpreis des Projekts insofern überdurchschnittlich, als er insgesamt betrachtet weniger Leistung pro Einheit Geld erhält. Das ist im Grunde ein ganz gewöhnliches Geschäftsrisiko, wenn Verträge mit mehreren Einheitspreisen und offenen Mengen geschlossen werden, sobald ein Bieter nicht auf alle Preise exakt dieselbe Marge geschlagen hat, sondern differenziert vorgegangen ist. Das allein aber ist keineswegs eine Folge von Spekulation, sondern geht je nachdem etwa auf betriebswirtschaftliche Zwänge oder Marktgebräuche zurück. Spekulation liegt nur dann vor, wenn ein Bieter in einer im Angebotsvergleich gar nicht oder nach Massgabe der hier entscheidenden Mengen jedenfalls nicht erheblich zum Tragen kommenden Position eine ganz ungewöhnlich hohe Marge in der objektiv zumindest nicht ganz unwahrscheinlichen Erwartung bildet, dass in der fraglichen Leistungsposition eine erhebliche Mengensteigerung stattfinden wird. Wenn allein durch eine Verhältnisänderung die Rentabilität und damit auch der Gewinn gesteigert werden soll (und bestehe dies letztlich auch nur darin, einen anderweitigen Verlust zu decken), liegt Spekulation vor, nicht aber, wenn die überdurchschnittlich hohe Marge in der fraglichen Position betriebswirtschaftliche Gründe hat. c) Spekulation durch kombiniertes Auf- und Abpreisen Nach dem Gesagten können, jedenfalls wenn ein Bieter sich in einer Wettbewerbssituation befindet, nur solche Preispositionen ohne (namhaften) Schaden (bezüglich des über die Vergabe entscheidenden Gesamtpreisvergleichs) spekulativ überhöht werden, die nicht oder nicht massgeblich in diesen Gesamtpreisvergleich einfliessen. Ansonsten ist die Überhöhung von Margen immer mit Wettbewerbsnachteilen verbunden, welche ein Bieter in aller Regel zu vermeiden suchen dürfte. Indes gibt es eine Möglichkeit, eine überhöhte Marge in einer bestimmten Einheitspreisposition für die Zwecke des Angebotsvergleichs zu neutralisieren und zugleich eine Chance darauf zu erwerben, die Gesamtrentabilität des Geschäftes zu erhöhen (aus Sicht des Bieters): das kombinierte Auf- und Abpreisen mehrerer Einheitspreispositionen. Hier überhöht der Bieter den Preis einer an sich ganz gewöhnlichen Einheitspreisposition (die weder eine im Preisvergleich nicht gemessene Eventualposition noch eine Position mit sehr geringer Menge ist) – und weil der in dieser Position eingesetzte Preis durchaus in die provisorische Gesamtvergütung einfliesst, welche wiederum für die Vergabe massgeblich ist, würde er sich damit zwar eine gute Marge sichern, doch erhält er den Auftrag so in der Regel nicht, weil die überhöhte Marge zu einer im Preisvergleich regelmässig zu hohen provisorischen Gesamtvergütung führt, die im Offertvergleich zurückfällt. Deswegen preist der Bieter eine andere Einheitspreisposition so weit ab, bis der Betrag, um den sich dadurch die provisorische Gesamtvergütung vermindert, in etwa demjenigen entspricht, um den die Gesamtvergütung zuvor angestiegen ist, als er den anderen Preis überhöhte. Am Ende dieser Doppel-Operation liegt seine provisorische Gesamtvergütung wieder ungefähr in der Höhe, die sie ursprünglich hatte, und damit hat der Bieter erreicht, dass die Überhöhung der Marge ihm Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation keinen Nachteil im Angebotsvergleich einbringt (verglichen mit der Annahme, er hätte keine Operation vorgenommen). Nun ist klar, dass dieses kombinierte Auf- und Abpreisen ein unnützes Spiel ist, solange es dabei bleibt. Denn ganz entsprechend dem Umstand, dass der Bieter so vorgegangen ist, dass seine provisorische Gesamtvergütung nach der ganzen Operation (ungefähr) gleich hoch ist wie vorher, hat er unter dem Strich auch nichts davon, solange die Mengen tatsächlich so gross sind, wie der Auftraggeber das für die Zwecke der Ausschreibung und der Vergabe angenommen hatte. Zwar verliert er unter der abgepreisten Position massiv, doch holt er das in der aufgepreisten Position umgehend wieder zurück. Das kombinierte Auf- und Abpreisen wird nur deswegen und nur dann gemacht, wenn der spekulierende Bieter zumindest subjektiv Grund zur Annahme hat, dass eine bestimmte Mengendivergenz geschehen wird – nämlich dass im Vergleich mit dem für die Vergabe zur Hand genommenen provisorischen Mengengerüst die Menge an Leistungen in der abgepreisten Position einbricht oder die Position gar ganz entfällt, dass der Aufwand in dieser Position zumindest ganz bedeutungslos wird, so dass die hierauf entfallende, viel zu geringe Vergütung nicht mehr ins Gewicht fällt. In diesem Fall lohnt sich die Überhöhung des anderen Preises (wohingegen sie bei tatsächlichem Eintreten der Annahmen des Auftraggebers ein mehr oder minder wirkungsloses Nullsummenspiel ist): Insgesamt erbringt der Bieter seine Einheiten an Leistung zu einem höheren Stückpreis; er muss den Verlust, den er in der einen Position zum Schutz und zur Kaschierung der überhöhten Marge in der anderen Position offeriert hat, praktisch oder gar nicht tragen und hat insgesamt seine Rentabilität erhöht.13 Wenn überdies in der mit einer exorbitanten Marge versehenen Position auch noch eine Mengensteigerung stattfindet, steigert sich die Rentabilität des Geschäfts (aus Sicht des Bieters) erst recht. In diesem Fall muss er nicht nur den Verlust nicht tragen, sondern kann mehr Leistungen als erwartet und möglicherweise auch einen grösseren Leistungsanteil insgesamt zu einem für ihn sehr vorteilhaften Preis abrechnen. Der Bieter kann also an sich gewöhnliche Einheitspreispositionen, von denen er erwartet, dass sie entfallen oder jedenfalls ganz deutlich an Gewicht verlieren werden, stark abpreisen, um damit die Überhöhung eines Preises in einer anderen Position für den Vergleich der offerierten provisorischen Gesamtvergütungen zu neutralisieren.14 Falls seiner Erwartung entsprechend die Mengendivergenz eintritt, hat er eine höhere Gesamtrentabilität, als das für die Vergabe angenommen wurde. Und wenn zudem noch die überhöhte Position an Umfang hinzugewinnt, steigt die Rentabilität erst recht an. Dasselbe kann der Bieter im Übrigen auch dann tun, wenn er eine starke Mengensteigerung in der aufgepreisten Position erwartet, in der abgepreisten Position aber vielleicht nur Mengenstabilität und nicht unbedingt eine Senkung: Wenn er davon ausgeht, dass der Verlust aus der abgepreisten Position über die Mengensteigerung in der aufgepreisten Position mehr als nur kompensiert werden kann, spekuliert er auch hier auf eine grössere Gesamtrentabilität. Kombiniertes Auf- und Abpreisen ist immer dann Spekulation, wenn der Bieter diese Operation in der Erwartung eines Mengenzusammenbruchs in der abgepreisten Position, einer starken Mengenzunahme in der aufgepreisten Position oder des kombinierten Eintritts beider Entwicklungen vornimmt, damit die Rentabilität des Gesamtgeschäftes (aus seiner Sicht und im Vergleich zur Rentabilität unter den für den Offertvergleich massgeblichen Mengen) überproportional ansteigt. 13 14 Vgl. SILBE/REISTER (FN 8), S. 288: „Erwartet der spekulierende Bieter, dass sich die ausgeschriebenen Mengenvordersätze [deutscher Sprachgebrauch für das schweizerische Vorausmass] deutlich reduzieren, wird er sehr niedrige – i.d.R. nicht auskömmliche – Einheitspreise anbieten und im Gegenzug Einheitspreise anderer Positionen verteuern“. Vgl. auch SILBE/REISTER (FN 8), S. 289 f.: „Da der Unternehmer kein Interesse daran hat, durch die Spekulation seine Wettbewerbschance zu verschlechtern, wird er versuchen, die Angebotssumme in Höhe von 300.000 € konstant zu halten und den Preis für den Aushub der Bkl 3-5 zu reduzieren, sowie im Gegenzug den Preis für den Abtrag Bkl 6-7 entsprechend zu erhöhen“. BRT 2011 137 138 Martin Beyeler Mit der Chance des kombiniert auf- und abpreisenden Bieters auf eine Rentabilitätssteigerung geht untrennbar auch das Risiko einher, dass die Mengenerwartungen des Bieters nicht eintreffen, dass also die Menge der abgepreisten Position gleich bleibt oder ansteigt und dass die Menge der aufgepreisten Position gleich bleibt oder sinkt.15 Wie gross dieses Risiko ist, kann nur im Einzelfall eingeschätzt werden, und zwar anhand der Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Mengendivergenz-Erwartung des Bieters richtig ist. In praxi ist allerdings häufig feststellbar, dass aus einer objektiven Sicht das Risiko des Bieters (dass die Mengen sich entgegen seinen Erwartungen verhalten) deutlich geringer ist als die Chance des Bieters (dass die Mengen sich gemäss seinen Erwartungen verhalten). 3. Die Verschiebung von Umsatz in Pauschalpositionen Die Verschiebung von Umsatz in Pauschalpositionen ist im Grunde eine Sonderform des kombinierten Auf- und Abpreisens: Hier senkt der Bieter den Preis einer Einheitspreisposition stark ab und erhöht dafür den offerierten Preis in einer Global- oder Pauschalposition16 (die mengenunabhängig abgerechnet werden wird; vgl. Art. 40 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 1 SIA-Norm 118)17 um genau oder etwa den Betrag, um den er sein provisorisches Vergütungsangebot in der abgepreisten Einheitspreisposition vermindert hat (also um den Betrag, der sich ergibt, wenn man die Preisminderung in der Einheitspreisposition mit der dort angenommenen provisorischen Menge multipliziert).18 Dieses Vorgehen hat zunächst keine Auswirkung auf die provisorisch offerierte Gesamtvergütung, weil hier alle PositionsEinzelvergütungen ungeachtet ihrer Art zusammenfliessen und der Betrag, um den die provisorische Einheitspreisvergütung in der abgepreisten Position gesenkt wurde, auf die Pauschalposition geschlagen wurde, so dass sich die für den Angebotsvergleich massgebende Summe aller Positionsvergütungen nicht verändert. Worauf spekuliert aber der Bieter, der Umsatz aus einer Einheits- in eine Pauschalpreisposition verschiebt – worin besteht sein Kalkül? Zunächst einmal verhält es sich bei der Umsatzverschiebung in Pauschalpositionen nämlich genau wie beim kombinierten Auf- und Abpreisen von Einheitspreisen so, dass der Bieter weder besonderen Gewinn erzielt noch besonderen Verlust erleidet, wenn die Mengenannahmen des Auftraggebers sich während der Realisierung bestätigen, also keine (nennenswerte) Mengendivergenz stattfindet. Soweit aber die tatsächlichen Mengen unter der abgepreisten Einheitspreisposition geringer sind als die im Vergabezeitpunkt angenommenen und dem Angebotsvergleich zugrundegelegten Mengen, kommt der beabsichtigte Effekt der Umsatzverschiebung zum Tragen: Die tatsächliche Gesamtvergütung des Bieters bleibt im Verhältnis zu der bei der Vergabe angenommenen Gesamtvergütung stabil, obschon die Menge der abgepreisten Einheitspreisposition geringer ist, als der Auftraggeber sie für die Zwecke der Vergabe angenommen hatte.19 Die tatsächliche 15 16 17 18 19 Vgl. auch SILBE/REISTER (FN 8), S. 284 f., S. 285: „Klar ist …, dass Spekulationspreise für beide Parteien ein Risiko darstellen. Trifft die Spekulation des Bieters zu, wird der AG [Auftraggeber] i.d.R. deutlich mehr zahlen müssen, als er nach dem Angebot erwartet. Schlägt die Spekulation des Bieters fehl, wird der Auftragnehmer oftmals nicht unerhebliche Verluste erleiden“. Im Folgenden spreche ich nur von „Pauschalpositionen“ bzw. „Pauschalpreisen“, meine damit aber auch die Globalpositionen und Globalpreise (zum Unterschied vgl. Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art. 40 SIA-Norm 118), weil die beiden Preisarten im hier interessierenden Zusammenhang keinen wesentlichen Unterschied aufweisen: Beiden ist gemeinsam – und hierauf kommt es vorliegend an – dass sie ein bestimmtes Leistungsergebnis fest abdecken, ungeachtet der Frage, welche genaue Menge an Leistungen dafür erforderlich ist. Art. 40 Abs. 1 Satz 2 SIA-Norm 118 im Wortlaut: „[Der Globalpreis] besteht in einem festen Geldbetrag; für die geschuldete Vergütung wird nicht auf die Menge abgestellt“; Art. 41 Abs. 1 SIA-Norm 118: „Der Pauschalpreis unterscheidet sich vom Globalpreis einzig dadurch, dass die Bestimmungen über die Teuerungsabrechnung nicht anwendbar sind“. Praxisbeispiele in VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.2.3; VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.2; VGer ZH VB.2003.00256 (03.12.2003), E. 4; BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.1. Vgl. auch VGer GR U 10 40 (25.05.2010), E. 3c: „die äusserst tief offerierten Einzelpreise [würden] auch für die Auftraggeberin unerwünschte Folgen zeitigen … Dies z.B. dann, wenn geringere Mengen verbaut werden. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation Gesamtvergütung kann bei aller Mengenminderung in der abgepreisten Position maximal um den Betrag sinken, welcher der offerierten, abgepreisten provisorischen Rest-Vergütung in dieser Position noch entspricht. Dieser Betrag ist aber zufolge des massiven Abpreisens überaus gering oder gar gleich null, so dass sich der Gesamtumsatzverlust des Bieters aus der Mengenverminderung in engen Grenzen hält - oder überhaupt kein Verlust eintritt. Hätte der Bieter keinen Umsatz in die Pauschalposition verschoben, fiele der durch die Mengenverminderung verursachte Umsatzrückgang viel höher aus (bzw. gäbe es überhaupt einen Umsatzrückgang), wohingegen die Verschiebung bewirkt, dass der Gesamtumsatz mehr oder minder stabil bleibt, auch wenn die Menge zurückgeht. Das wiederum führt zu einer Steigerung der Gesamtrentabilität (aus Sicht des Bieters), weil dieser insgesamt nun weniger Leistungseinheiten für dieselbe oder fast dieselbe Gesamtvergütung zu erbringen hat oder, anders gewendet, weil dem Umsatz, den er in die Pauschalposition verschoben hat, im Umfang des Mengenrückganges in der abgepreisten Position keine Leistungen (mehr) gegenüberstehen. Die Umsatzverschiebung von einer Einheitspreis- in eine Pauschalposition führt nach dem Gesagten zu einer Entkoppelung dieses Umsatzes von den tatsächlichen Leistungsmengen; der Bieter erzielt den fraglichen Umsatz in jedem Fall, selbst wenn die Mengen der betroffenen Einheitspreisposition tatsächlich viel geringer ausfallen als in der Ausschreibung angenommen.20 Diese Entkoppelung birgt für den Bieter indes auch ein Risiko: Falls die Mengen in der abgepreisten Position nicht sinken, sondern ansteigen, erhält er für die zusätzlichen Mengen an Leistungen im Grunde keine Vergütung mehr, oder nur die Vergütung, die sich aus dem viel zu tiefen (abgepreisten) Einheitspreis ergibt – denn der in die Pauschalposition verschobene Preisanteil reagiert nicht auf die Mengenmehrung und lässt die Gesamtvergütung unberührt, da er sich in der mengenunabhängig abzurechnenden Pauschalposition befindet. Die Verschiebung von Umsatz in eine Pauschalposition koppelt die Vergütung nicht nur mit Bezug auf allfällige Mengenminderungen (in der abgepreisten Position) von den tatsächlichen Mengen ab, sondern auch mit Bezug auf allfällige Mengenmehrungen, und damit birgt sie für den Bieter nicht nur die Chance auf eine Rentabilitätssteigerung, sondern immer auch ein Risiko bezüglich eines Zusammenbrechens der Rentabilität. Chance und Risiko sind allerdings nicht notgedrungen gleich hoch, weil für Mengenminderungen und für Mengensteigerungen in der abgepreisten Position grundsätzlich ganz unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten sprechen können. Der Bieter wird in aller Regel aber nur dann Umsatz aus einer Einheits- in eine Pauschalpreisposition verschieben, wenn er zumindest subjektiv davon ausgeht, das Risiko einer Minderung sei deutlich grösser als das einer Mehrung. Das ändert aber nichts daran, dass die von den Annahmen des Auftraggebers divergierenden Annahmen des spekulierenden Bieters nicht notgedrungen richtig oder auch nur wahrscheinlicher sind als jene des Auftraggebers. Ganz abgesehen von der Frage der Mengenänderungen in der abgepreisten Position entfaltet die Verschiebung von Umsatz aus einer Einheitspreis- in eine Pauschalposition in bestimmten Fällen eine Wirkung auch dann, wenn sich keine Mengendivergenz ergibt: Sieht der Vertrag nämlich verschiedene Zahlungszeitpunkte vor und geschieht die Auszahlung der Vergütung unter der betroffenen Pauschalposition (ganz oder teilweise) zu einem früheren Zeitpunkt als jene der abgepreisten Einheitspreisposition, so bedeutet die Verschiebung des Umsatzes in die Pauschalposition auch eine zeitliche Vorverschiebung der entsprechenden Bezahlung, was dem Bieter in dem Umfang, in dem das geschieht, einen entsprechenden Zinsvorteil einträgt. Das gilt unabhängig davon, wann er die entsprechenden Leistungen erbringt (und ob 20 Diesfalls würde sie nämlich beim Angebot der Beschwerdeführerin von einer weit geringeren Preisreduktion profitieren als bei jenen der Mitofferenten“. BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2: „Una siffatta strutturazione dei prezzi permette all'offerente di trasferire sul committente i rischi derivanti da un'eventuale mancata o parziale esecuzione delle prestazioni previste dalle suddette posizioni a prezzo unitario: in effetti in entrambe le ipotesi quest'ultimo si troverebbe comunque obbligato a dover corrispondere l'intero importo esposto alla posizione globale relativa alle istallazioni di cantiere“. BRT 2011 139 140 Martin Beyeler überhaupt), solange es vertraglich vorgesehen ist, diese Leistungen später zu bezahlen als die Pauschalposition. Diese Konstellation ist im Bauwesen insbesondere da gegeben, wo die Parteien vereinbaren, den Aufwand des Unternehmers für die Baustelleninstallationen über eine Pauschalposition und zudem vergleichsweise früh im Ablauf der Vertragserfüllung zu bezahlen (ganz oder teilweise; vgl. insb. Art. 146 SIA-118), und wo der Vertrag es zugleich vorsieht, dass die Leistungen, deren Einheitspreis der Bieter in Kombination mit einer entsprechenden Erhöhung der Installationspauschale abgepreist hat, erst zu einem (allenfalls erheblich) späteren Zeitpunkt bezahlt werden.21 Auch wenn die abgepreisten Leistungen im vollen angenommenen Umfang zur Ausführung kommen und der Bieter insofern nicht mehr Umsatz oder Gewinn macht als ohne die Verschiebung, bleibt ihm in den hier interessierenden Fällen gleichwohl ein Zinsvorteil, der daraus resultiert, dass er die Vergütung für die abgepreisten Leistungen via erhöhte Installationspauschale ganz oder teilweise zu einem früheren Zeitpunkt bezahlt erhält, als das vertraglich im Grunde vorgesehen wäre.22 Das kann auch dann zutreffen, wenn die Installationspauschale zu Beginn der Erfüllung nur zum Teil ausbezahlt wird (und der Rest je nachdem erst nach der Bezahlung der abgepreisten Leistungen; vgl. Art. 146 SIA-118), und auch dann, wenn zudem nicht sämtlicher Umsatz aus der abgepreisten Position in die Pauschalposition verschoben wird, diese Position also nicht auf null gesetzt wird. Denn auch in diesem Fall wird ein bestimmter Teil der Vergütung von erst später zu erbringenden Leistungen schon mit der früh ausbezahlten Pauschale abgegolten, und das allein führt zu einem Zinsvorteil (im Vergleich mit der Hypothese, wonach der Bieter nichts verschoben hätte). Allerdings kann dieser Zinsvorteil im Einzelfall dann wiederum vermindert sein, wenn der Rest einer am Anfang nur teilweise ausbezahlten Pauschale (und damit auch der Rest des aus der abgepreisten Position verschobenen Umsatzes) später bezahlt wird als die die abgepreiste Position betreffenden Leistungen, so dass der Bieter sich insofern einen Zinsnachteil eingehandelt hat. Im Extremfall erfolgt die Auszahlung des Rests der Pauschale um so viel später als die der fraglichen Leistungen, dass der daraus erwachsende Zinsnachteil grösser ist als der durch die Vorverschiebung eines Teils der Vergütung erreichte Zinsvorteil – in dieser Hinsicht hängt alles von den entsprechenden Zeitverhältnissen und zudem davon ab, Wie viel 21 22 Vgl. VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.3.2: „Schliesslich führt die Umlagerung in die Position ‚Baustelleneinrichtung’ im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Kreditgewährung, weil die entsprechende Forderung bereits zu Beginn der Bauarbeiten fällig wird (vgl. Art. 145 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 146 SIA-Norm 118)“; VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.4: „Schliesslich führt eine Umlagerung in die Position Baustelleneinrichtung im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Kreditgewährung, weil die entsprechende Forderung bereits zu Beginn der Bauarbeiten fällig wird“, E. 3.4.4 (hier ist anzufügen, dass die „Kreditgewährung“ durch Aufpreisen der Baustelleninstallations-Pauschale nicht etwa „ungerechtfertigt“, sondern ausschreibungswidrig ist: Es geht nicht um die Frage der Rechtfertigung, denn anbieten darf jeder, was er will, aber der öffentliche Auftraggeber muss ein Angebot nicht annehmen, das die ausgeschriebenen Vergütungsgrundsätze nicht übernimmt); VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1; BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2: „Nella misura in cui in base ai combinati art. 145 cpv. 2 e 146 della Norma SIA 118 il committente è tenuto a saldare ancor prima dell'inizio dei lavori d'esecuzione delle opere l'80% dei costi per le istallazioni di cantiere, la scelta di girare nella posizione inerente alle medesime una parte dei costi necessari all'esecuzione di singole prestazioni unitarie previste dal capitolato cagiona a quest'ultimo un danno finanziario, consistente nella perdita degli interessi bancari sulla somma che esso dovrebbe versare anticipatamente all'impresa di costruzioni. Il che si ripercuote in ultima battuta sul costo globale dell'opera e, di riflesso, influisce su uno dei criteri di aggiudicazione della commessa, vale a dire il prezzo dell'offerta“; VK Bund 2 – 27/07 (03.05.2007), E. II./2./b)/a.: „Die unzutreffende Einrechnung von Kosten in die Position der Baustelleneinrichtung beeinträchtigt die Vergleichbarkeit des Angebots mit den übrigen Angeboten. Dies gilt insbesondere auch für die Möglichkeit eines Zinsgewinns. … Die Pos. 1.1.10 ist mit dem Aufstellen der Baustelleneinrichtung abgeschlossen und könnte vom Auftragnehmer dementsprechend als Teilleistung abgerechnet werden. Durch die Kalkulation der Lohnkosten des Führungspersonals wird ein erst über die gesamte Laufzeit erwachsender Kostenbestandteil in dieser Position ‚sofort‘ abrechenbar“. VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.3.2; VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.4; VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1; BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation Umsatz verschoben wurde, welcher Bruchteil der gesamten Pauschale vor und welcher Teil nach der Bezahlung der fraglichen Leistungen ausgezahlt wird. III. Die Spekulationsofferte im Vertragsrecht Aus dem Blickwinkel des Vertragsrechts interessiert: Sind Spekulationsofferten gültig? Sind Verträge, die über Spekulationsofferten geschlossen wurden, gültig, allenfalls anfechtbar? Und was kann der vormals spekulierende Leistungserbringer unternehmen, wenn er gewahr wird, dass seine Spekulation nicht aufgehen oder gar zünftig misslingen wird? A Der Grundsatz: Die Gültigkeit Spekulativ ausgestaltete Offerten sind grundsätzlich gültig. Zum einen ist jeder Anbieter einer Leistung grundsätzlich frei im Entscheid, zu welchen Preisen und mit welchem Vergütungsmodus er seine Leistung offerieren will. Es gibt kein vertragsrechtliches Spekulationsverbot; im Übrigen gibt es im heutigen Wirtschaftsleben nicht selten gegenseitige Spekulationsgeschäfte, bei denen jeder gegen den anderen wettet, und letztlich ist jeder Pauschalvertrag eine gewollte und vereinbarte Art Wette (im weitesten Sinne) des einen gegen den anderen.23 Zum anderen gibt es keinen Rechtsgrund für eine allgemeine, pauschale Annahme der Ungültigkeit solcher Offerten. Hieraus folgt auch, dass ein Vertrag, der über eine spekulative Offerte geschlossen worden ist, nicht per se ungültig, unwirksam oder gar nichtig wäre. Im Folgenden ist jedoch auf bestimmte Ausnahmen von diesen Grundsätzen einzugehen. B Täuschung Spekulation bleibt einem Auftraggeber, der Offerten erhält, grundsätzlich nicht verborgen, sondern ist sichtbar, sofern sie sich in deutlich ungewöhnlichen Preisen niederschlägt, was meist der Fall ist. Und mit den heutigen Informatikmitteln ist es jedem, der Offerten vergleicht, grundsätzlich leicht und häufig gar ganz automatisiert möglich, über Quervergleiche und Vergleiche mit einem angenommenen Marktniveau ungewöhnliche Preise selbst aus Abertausenden von Einzelpreisen herauszufiltern. Spekulation ist meist erkennbar, auch wenn im Einzelfall mitunter im Dunkeln bleibt, warum der Bieter die fraglichen Mengendivergenzen, auf die er wettet, als einigermassen wahrscheinlich erachtet; Kenntnis der Erwartungen des Bieters ist nicht erforderlich, damit eine Spekulation als solche entdeckt werden kann. Das bedeutet, dass spekulative Offerten in der Regel wohl gerade nicht als täuschendes Verhalten (vgl. Art. 28 OR sinngemäss) oder gar als Betrugsversuch (vgl. Art. 146 StGB) qualifiziert werden können. Zumindest in jenen Wirtschaftsbereichen, in denen Einzelpreisvergleiche des Auftraggebers üblich sind (was nach meiner Erfahrung namentlich auf professionelle Bauherren ziemlich allgemein zutrifft), allenfalls gerade deswegen, weil die Spekulation dort ein nicht unbekanntes Phänomen ist, muss (und darf) der spekulierende Bieter grundsätzlich damit rechnen, dass seine Spekulation nicht verborgen bleibt. Sofern es sich so verhält, kann ihm keine absichtliche Täuschung und auch kein Täuschungsversuch vorgeworfen werden. Anders liegen die Dinge aber da, wo ein Anbieter einer nicht professionell beratenen Privatperson ein spekulatives Angebot unterbreitet, diese Person jedoch den Auftrag für private Zwecke vergeben will und sich weder in der fraglichen Branche noch mit den dort üblichen Verträgen und Vergütungsmechanismen auskennt. Hier ist in der Regel auf täuschendes Verhalten (i.S.v. Art. 28 OR und allenfalls auch von Art. 146 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) zu schliessen, wenn der Anbieter eine Spekulation vornimmt und sein Gegenüber über deren Voraussetzungen und Wirkungen nicht aufklärt. 23 Vgl. BGE 58 II 421, S. 423: „Die Vereinbarung einer zum Voraus genau bestimmten Vergütung schliesst naturnotwendig immer ein spekulatives Element in sich“. – „Spekulativ“ ist hier gerade nicht in einem negativen Sinne zu verstehen und bedeutet auch nicht das Anstreben eines gegenleistungsfreien Gewinns, sondern nur, dass Annahmen getroffen werden, die ex ante nicht als gesichert betrachtet werden können. BRT 2011 141 142 Martin Beyeler C Übervorteilung Spekulation ist in der Regel auch keine Übervorteilung (Art. 21 OR). Obschon sie in Einzelfällen, in denen sie für den Bieter besonders günstig ausgeht, durchaus zu einem „offenbaren Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung führen kann, ist doch der Auftraggeber, dem eine solche Offerte gemacht wird, häufig gerade nicht „unerfahren“, was die Prüfung von Preisen und das Erkennen der Auswirkungen allfälliger Mengenänderungen betrifft – zum Erkennen der Risiken einer Spekulation im Fall von Verhältnisänderungen, insbesondere von Mengendivergenzen, sind Kenntnisse über das eigentliche Phänomen der Preisspekulation nicht erforderlich. Damit der Auftraggeber insofern nicht als „unerfahren“ zu bezeichnen ist, reicht es, wenn er erkennen könnte, dass die ungewöhnlichen Preise unter bestimmten Umständen zu einer tiefgreifenden Umgestaltung der Vergütung führen können. Und das kann zumindest von professionellen oder professionell begleiteten Auftraggebern, insbesondere öffentlichen, grundsätzlich ohne weiteres verlangt werden. Auch hier ist aber der Vorbehalt anzubringen, wonach eine nicht professionell beratene Person, die für private Zwecke einen Vertrag in einer Branche abschliesst, in der sie sich nicht auskennt und deren Vergütungsmechanismen sie auch nicht näher kennt, mit Bezug auf das Erkennen von Preisspekulationen oder jedenfalls von deren Wirkungen und Risiken durchaus als „unerfahren“ gelten kann, womit Übervorteilung möglich ist, wenn zumindest im Ergebnis (unter Berücksichtigung der spekulationsbetroffenen Mengenänderungen, soweit sie eingetreten sind) und mit Blick auf das gesamte vertragliche Gefüge tatsächlich ein „offenbares Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung vereinbart wurde. Die Tatbestandselemente der Notlage oder des Leichtsinns (Art. 21 Abs. 1 OR) bedürfen vorliegend keiner näheren Erörterung; bei der hier interessierenden Spekulation wird in aller Regel weder eine Notlage noch Leichtsinn ausgenützt – sondern höchstens die Unerfahrenheit des Auftraggebers, wenn sie gegeben ist. Das zur Übervorteilung Gesagte gilt im Übrigen mutatis mutandis auch im Rahmen des strafrechtlichen Wucher-Tatbestandes (Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), der dem Art. 21 Abs. 1 OR in Struktur und Gehalt der Voraussetzungen (jedoch nicht in der Rechtsfolge) höchst ähnlich ist. D Nichtigkeit wegen Widerrechtlichkeit oder Unsittlichkeit? Nach meinem Dafürhalten ist eine Spekulationsofferte weder unmöglich noch widerrechtlich (vgl. Art. 20 Abs. 1 OR sinngemäss). Insbesondere verstösst eine Spekulationsofferte, solange nicht nachgerade ein Betrugsversuch im Sinne von Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 146 StGB vorliegt, gegen keine Verbotsnorm; ob sie treuwidrig sei, ist eine andere Frage, doch eine allfällige Treuwidrigkeit würde ohnehin nicht zur Nichtigkeit der Offerte nach Art. 20 Abs. 1 OR (sinngemäss) führen. Überdies ist eine Offerte auch nicht unsittlich (vgl. Art. 20 Abs. 1 OR sinngemäss), wenn sie Preisspekulationen enthält.24 Solche Spekulation verstösst meines Erachtens nicht ganz 24 Anders nach deutschem Recht BGH VII ZR 201/06 (18.12.2008), Rn. 11: „In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass die Vereinbarung eines Preises gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein kann, wenn der Preis in einem auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung steht. Dafür erforderlich ist sowohl ein objektiv auffälliges, wucherähnliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung als auch das Hinzutreten subjektiver Umstände, wie zum Beispiel das Zutagetreten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten“. Nach dem BGH liegt ein Indiz für „sittlich verwerfliches Gewinnstreben“ (Rn. 15) des Bieters jedenfalls dann vor, wenn dieser einen Irrtum oder Fehler des Auftraggebers für eine Spekulation ausnützt. Die vom BGH angenommene Regel jedoch, jedenfalls erhebliche Spekulationen gründeten auf der Ausnützung von Fehlern, scheint mir nicht gerechtfertigt, da auch massive Spekulationen nicht auf falschen Mengenangaben, sondern schlicht auf anderen Einschätzungen (die mitunter weniger wahrscheinlich sind als die Mengenannahmen des Auftraggebers) möglich sind und in praxi vorkommen. Spekulation beruht nicht immer auf klaren Fehlern und ist daher jedenfalls nach schweizerischem Recht nicht stets treuwidrig; Sittenwidrigkeit fällt ohnehin ausser Betracht (vgl. FN 25). Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation grundsätzlich gegen das allgemein geteilte sittliche Empfinden, soweit dieses sich überhaupt um Margen in Verträgen kümmert. Der Art. 20 Abs. 1 OR ist im Übrigen, und das ist entscheidend, kein Tatbestand der Preisüberwachung für Fälle, in denen die Voraussetzungen des Art. 21 OR nicht gegeben sind; der Art. 21 OR regelt die Frage der Verträge mit offenbarem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung abschliessend.25 Exorbitante Margen, Verdienste und Gewinne werden jedenfalls in der heutigen Zeit ohnehin nicht grundsätzlich als unsittlich betrachtet. Und auch die eigentliche Spekulation, insbesondere auf den Finanzmärkten, hat ihre wirtschaftswissenschaftlichen Verfechter; die aktuellen Diskussionen um die Regulierung oder Nichtregulierung von spekulativen Finanzgeschäften zeigen, dass kein allgemeiner Konsens darüber besteht, dass spekulative Geschäfte unsittlich im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR seien – ansonsten bedürfte es keiner Regulierung, da die Geschäfte ohnehin nichtig wären. E Anfechtung des Vertrags Ein Auftraggeber, der eine Spekulationsofferte (ohne Bereinigung der Spekulation) angenommen hat, kann sich in bestimmten Fällen unter den bereits erläuterten Voraussetzungen auf Täuschung berufen (vgl. Art. 28 OR) und den Vertrag fristgerecht für unverbindlich erklären (vgl. Art. 31 OR) – das gilt, sofern der Auftraggeber die Spekulation zumindest bis zum Vertragsabschluss nicht erkannt hat und der Bieter auch nicht annehmen musste, dass er sie erkennen würde.26 Dies wiederum ist bei professionellen oder professionell beratenen Auftraggebern in der Regel nicht anzunehmen. Im Weiteren kann, wenn der Auftraggeber bei Vertragsschluss tatsächlich im Sinne von Art. 21 OR „unerfahren“ ist und die Spekulation so gut gelingt, dass nun über den gesamten Vertrag betrachtet zwischen der Leistung (des Leistungserbringers) und der durch den Auftraggeber dafür geschuldeten Vergütung zulasten des Auftraggebers ein „offenbares Missverhältnis“ besteht, im Einzelfall der Übervorteilungstatbestand erfüllt sein: Diesfalls kann der so benachteiligte Auftraggeber den Vertrag binnen eines Jahres nach Vertragsschluss (Art. 21 Abs. 2 OR) anfechten. Zudem kann sich ein Auftraggeber, der einen Vertrag geschlossen hat, welcher spekulativ offerierte Preise des Vertragspartners inkorporiert, unter Umständen auf einen wesentlichen Irrtum (Art. 23 f. OR) berufen und den Vertrag darauf gestützt anfechten, wenn er binnen der gesetzlichen Frist handelt (Art. 31 OR). Vorausgesetzt ist dafür aber, dass sich der Auftraggeber tatsächlich geirrt hat – was nicht anzunehmen ist, soweit er die Spekulation oder zumindest die ungewöhnlichen Preise und deren Potential mit Bezug auf die Vergütung (falls sich Mengendivergenzen einstellen) vor dem Vertragsschluss tatsächlich erkannt hat.27 Diesfalls wusste er, worauf er sich einlässt, und er kann insofern keinen Irrtum geltend machen (vielleicht hielt er die Spekulationsannahmen für ganz unwahrscheinlich und daher gefahrlos für ihn, vielleicht hegte er überdies auch gegenläufige Annahmen und wettete damit darauf, dass der Bieter nicht nur nichts gewinnt, sondern zu besonders günstigen Preisen leisten muss, weil die Mengen sich gerade in die umgekehrte Richtung entwickeln, als das der spekulativen Absicht des Bieters entspricht). Insbesondere würde es sich um einen unerheblichen Irrtum über unsichere künftige Sachverhalte (error in futuro)28 handeln, wenn der Auftraggeber geltend machen wollte, er hätte die Spekulation wohl erkannt, sich aber über die Wahrscheinlichkeit von deren Gelingen geirrt. 25 26 27 28 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., Zürich 2008, Rz. 676, m.w.H., auch auf abweichende Lehrmeinungen. Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 862. Ob der die Spekulation, die er nicht tatsächlich erkannte, hätte erkennen müssen, kann nur bei der Übervorteilung oder bei der Täuschung eine Rolle spielen, nicht jedoch beim Irrtum, wo auch fahrlässiger Irrtum zur Unverbindlichkeit des Vertrags führen kann, wiewohl unter Leistung von Schadenersatz (dazu Art. 26 OR). Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 795 ff.; Rz. 801 ff. BRT 2011 143 144 Martin Beyeler Wenn der Auftraggeber jedoch weder die Spekulation noch die ungewöhnlichen Preise und deren Wirkungen im Falle von Mengendivergenzen erkannt hat, wenn überdies die Spekulation aufgeht und sie dazu führt, dass der Auftraggeber über den gesamten Vertrag hinweg betrachtet nun pro abstrakte Leistungseinheit im wesentlichen Umfang mehr bezahlen muss, als es seinem Willen beim Vertragsschluss entsprach (vgl. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR), dann kann sich der Auftraggeber bei gegebenen Voraussetzungen auf wesentlichen Irrtum berufen und den geschlossenen Vertrag binnen eines Jahres seit der Entdeckung (Art. 31 Abs. 2 OR) anfechten. Eine „Leistung von erheblich grösserem Umfange … oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange“ im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR dürfte dann vorliegen, wenn die Spekulation zu einer ganz erheblichen und ungewöhnlichen Steigerung der Gesamtrentabilität des Geschäfts für den Bieter und für den Auftraggeber daher spiegelbildlich dazu geführt hat, dass dieser nun pro Einheit Geld viel weniger Leistungen erhält, als das dem vertraglichen Gleichgewicht ohne die Spekulation oder ohne Eintritt der Mengendivergenz entspräche (bzw., dass er pro Einheit Leistung übers Ganze betrachtet wesentlich mehr Geld bezahlen muss, als es sein Wille war). Massgeblich für die Beurteilung der Erheblichkeit des Rentabilitätsverlusts (aus Sicht des Auftraggebers) ist allerdings stets das Gesamtgeschäft – und nicht eine einzelne Position. F Schweigen über klare und erkannte Fehler ist treuwidrig Es ist ein von der Spekulation losgelöst zu behandelndes Thema, inwiefern ein Anbieter sich treuwidrig verhält, wenn er den Auftraggeber nicht über jene Fehler aufklärt, die er in den Unterlagen des Auftraggebers tatsächlich entdeckt hat und von denen er annehmen muss, dass sie mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Fehler sind (und nicht allenfalls diskutable, aber vertretbare Prognosen) und dass sie dem Auftraggeber erhebliche Nachteile eintragen werden. Nach Lehre und Rechtsprechung gibt es keine generelle Aufklärungspflicht im Vertragsverhandlungsverhältnis, die einen Verhandlungspartner immer und unter allen Umständen dazu anhielte, sein Gegenüber betreffend alles Mögliche aufzuklären.29 Umso weniger gibt es eine allgemeine vorvertragliche Verpflichtung zur Erforschung der Erklärungen und Vorstellungen des anderen auf allfällige Irrtümer hin.30 Eine Aufklärungspflicht besteht aber da, wo ein Verhandlungspartner betreffend die Tatsache, bezüglich deren der andere sich irrt, über erhebliches Mehr- oder Spezialwissen verfügt, das es ihm gerade im Unterschied zum anderen erlaubt, die Fehlerhaftigkeit der fraglichen Vorstellungen zu erkennen.31 Irrt sich der Auftraggeber also in einem Punkt, in dem der Bieter einen Wissensvorsprung hat, kann sich hieraus eine Aufklärungspflicht ergeben, wenn der Bieter den Irrtum erkennt, und es kann daher treuwidrig sein, wenn der Bieter den erkannten Irrtum verschweigt. Darüber hinaus halte ich dafür, dass ungeachtet der konkreten Verteilung von Kenntnissen zwischen den Verhandlungsparteien ein Anbieter den Auftraggeber dann über einen Irrtum (des Auftraggebers) aufzuklären hat (und sich ansonsten treuwidrig verhält), wenn er den Irrtum tatsächlich mit Gewissheit als solchen erkannt hat.32 Daran ändert sich meines Erachtens nichts, wenn der Auftraggeber den Fehler selber hätte entdecken können. Anders verhält es sich aber, 29 30 31 32 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 862 f. (m.w.H.); BGE 90 II 449, E. 4; BGE 92 II 328, E. 3b; BGE 102 II 81, E. 2; BGE 116 II 431, E. 3a. Vgl. BGE 102 II 81, E. 2. Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 863. Vgl. BGE 92 II 328, E. 3b: „Assurément, le devoir d'information ne concerne pas les circonstances que l'autre partie est censée connaître elle-même. On doit toutefois redresser l'erreur qui porte sur un fait que l'on connaît ou que l'on doit connaître, si l'on s'aperçoit que le partenaire se fait une idée inexacte des prestations respectives ou de l'ampleur de son propre engagement [im Original nicht kursiv]“; so auch BGE 90 II 449, E. 4. Strenger jedoch GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 862 f. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation wo der Bieter in guten Treuen davon ausgehen durfte, dass der Auftraggeber den Fehler kennt oder rechtzeitig selber entdecken würde – diesfalls darf er auf Aufklärung verzichten.33 Nach der hier vertretenen Auffassung handelt ein Bieter daher ungeachtet der Frage allfälligen Mehrwissens im fraglichen Bereich treuwidrig und verletzt seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten, wenn erstens ein Fehler ex ante und objektiv feststellbar vorliegt (und es also nicht um eine gewissenhaft vorgenommene Einschätzung oder Prognose geht, die naturgemäss innerhalb eines gewissen Streubereichs mit guten Gründen auch anders lauten könnte), wenn zweitens der Bieter diesen Fehler als solchen tatsächlich erkennt, wenn der erkennende Bieter drittens den Auftraggeber nicht (rechtzeitig nach der Entdeckung) auf den Fehler aufmerksam macht und wenn der Bieter viertens erwarten muss, dass der Fehler dem Auftraggeber ganz losgelöst von einer allenfalls hierauf aufbauenden Spekulation einen erheblichen Nachteil in der Form von (unechten) Mehrkosten oder sonstige Inkonvenienzen zufügen wird. Damit stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen solcher Treuwidrigkeit: Der Auftraggeber kann vom Bieter, der treuwidrig einen entdeckten Fehler verschweigt, bei gegebenen übrigen Voraussetzungen aus culpa in contrahendo Ersatz für allen Schaden verlangen, den er nicht erlitten hätte, wenn er unverzüglich über den Fehler aufgeklärt worden wäre. Das heisst insbesondere, dass der treuwidrige Bieter den Auftraggeber nicht so zu stellen hat, als hätte dieser nie einen Fehler begangen, und auch nicht so, als würde die Realität der fehlerhaften Annahme entsprechen, sondern so, als hätte er durch den Bieter vom Fehler bald nach dessen Entdeckung erfahren und allenfalls entsprechende Massnahmen getroffen. Wenn der Auftraggeber nachweisen kann, dass er, wenn der Bieter ihn umgehend aufgeklärt hätte, bestimmte Aufwendungen nicht auf sich genommen und gewisse weitere Schäden nicht erlitten hätte, so kann er entsprechenden Schadenersatz fordern. Schliesst der Auftraggeber den Vertrag mit dem treuwidrig schweigenden Bieter ab, so fällt die Haftung aus culpa in contrahendo als solche ausser Betracht.34 Möglich ist aber eine Haftung des Vertragspartners aus vertraglicher Nebenpflichtverletzung,35 was zumindest in Bezug auf den Grundsatz der Haftung auf das Gleiche hinausläuft. Wenn überdies der treuwidrige Bieter nicht nur schwieg, sondern in Ausnützung des Fehlers Preise ungewöhnlich ausgestaltete wie bei einer Spekulation, sind daneben auch die Tatbestände der Übervorteilung (Art. 21 OR), der absichtlichen Täuschung (Art. 28 OR) und des Irrtums (insb. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR) zu prüfen. Dem Gesagten ist anzufügen, dass der Bieter, der im Wissen um einen objektiv feststellbaren Fehler in den Ausschreibungsunterlagen seine Preise in Erwartung eines mit dem Fehler verknüpften Sonderertrags ungewöhnlich ausgestaltet, mit Gewissheit erst recht treuwidrig handelt (er schweigt nicht nur, sondern nützt überdies auch aus) – doch um „Spekulation“ im eigentlichen Sinne geht es hier gar nicht, weil der Fehler feststeht und damit auch die entsprechenden Folgen sicher sind. Er „spekuliert“ mithin ohne Risiko. G Die Spekulation bindet den Bieter immer Ein Leistungserbringer, der eine spekulative Offerte abgegeben hatte, über welche ohne Beseitigung der Spekulation ein Vertrag zustande gekommen ist, kann allein auf einem allfälligen Misslingen der Spekulation keinen vertraglichen Aufhebungsanspruch begründen; dabei ist es gleichgültig, ob dem Auftraggeber die Spekulation im Zeitpunkt des 33 34 35 BGE 116 II 431, E. 3a: „Keine Offenbarungspflicht besteht, wenn der Verkäufer nach Treu und Glauben annehmen durfte, die Gegenpartei werde den richtigen Sachverhalt ohne weiteres erkennen“. BGer 5C.60/2005 (20.06.2005), E. 4.5; BGer 4C.256/2004 (28.02.2005), E. 9.2.1. BGer 5C.60/2005 (20.06.2005), E. 4.5: „Selon la jurisprudence, lorsque … les pourparlers ont abouti à la conclusion d'un contrat formellement valable et qui a déployé tous ses effets juridiques, les règles de la bonne foi, sur lesquelles repose la responsabilité précontractuelle, n'entrent pas en ligne de compte; dans ce cas, seul le droit contractuel peut fonder une éventuelle responsabilité“. BRT 2011 145 146 Martin Beyeler Vertragsschlusses bekannt war oder nicht. Der Spekulierende hat insofern keine Befreiungsmöglichkeit und bleibt gebunden (es sei denn, dass andere Tatsachen eine Vertragsauflösung begründen). Insbesondere kann er sich von vornherein nicht erfolgreich auf Irrtum berufen, denn er kann nicht bestreiten, gewusst zu haben, welche Folgen die Spekulation nach sich zieht, wenn die Annahmen, auf die er gewettet hat, nicht eintreffen (oder wenn gar das Gegenteil eintritt). Er hat sich insofern nicht geirrt. Überdies kann er sich, auch wenn das zutrifft, nicht zur Beseitigung seiner Verpflichtung darauf berufen, er habe sich über die Entwicklung der Verhältnisse, insbesondere der Mengen, geirrt, denn das wäre eine unzulässige Berufung auf einen error in futuro.36 Auch dann, wenn die Spekulation derart schiefgeht, dass sie mit Blick auf die tatsächlich zu leistenden Mengen und die tatsächlich dafür bezahlte Vergütung zulasten des Bieters ein „offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung“ (insoweit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 OR bzw. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR) erzeugt, fällt für den Leistungserbringer eine Berufung auf Übervorteilung oder Irrtum von vornherein ausser Betracht, denn er ist nicht „unerfahren“ und hat sich nicht geirrt, sondern erleidet die Folgen der Risiken seiner eigenen Spekulation; er ist nicht schutzwürdig, weil er den beklagten Vertragszustand als eine von verschiedenen Möglichkeiten selber willentlich herbeigeführt hat, wiewohl die von ihm erhoffte Eventualität selbstverständlich eine andere gewesen wäre. Fraglich kann höchstens sein, ob ein Leistungserbringer sich auf Irrtum berufen könne, wenn er vorbringt, er habe in einer bestimmten Vorgabe des Auftraggebers irrtümlich einen Fehler vermutet, wohingegen sich später herausstellt, dass der Auftraggeber im fraglichen Punkt von zutreffenden Annahmen ausging, ein Fehler also in Wahrheit nicht vorlag. Ein solcher Irrtum scheint möglich, doch wäre in einem solchen Fall genau zu prüfen, ob nicht eine gegen Treu und Glauben verstossende Berufung auf Irrtum vorliegt (vgl. Art. 25 Abs. 1 OR). Und das wäre namentlich dann regelmässig anzunehmen, wenn der Bieter vorvertraglich verpflichtet gewesen wäre, den Auftraggeber über dessen (vermeintlichen) Fehler aufzuklären. IV. Die Spekulationsofferte im Vergaberecht A Vorbemerkungen Die vergaberechtliche Zulässigkeit einer Offerte setzt zuvorderst stets die vertragsrechtliche Existenz und Gültigkeit dieser Offerte voraus. Nach dem Gesagten ist eine spekulativ ausgestaltete Preise enthaltende Offerte aber vertragsrechtlich grundsätzlich gültig, denn sie ist insbesondere weder rechtswidrig noch unsittlich. Ob im Übrigen die spekulative Offerte ausnahmsweise zu einer Übervorteilung, einem wesentlichen Irrtum oder einer Täuschung des Auftraggebers führen wird, steht vor dem Vertragsabschluss noch nicht fest und kann die Gültigkeit einer Offerte daher nicht tangieren. Wenn im Folgenden also die vergaberechtliche Behandlung von Spekulationsofferten untersucht wird, ist dabei zu berücksichtigen, dass vertragsrechtliche Ungültigkeitsgründe als Argument für die vergaberechtliche Unzulässigkeit einer solchen Offerte ausser Betracht fallen. Ob eine Spekulationsofferte vergaberechtlich zulässig oder auszuschliessen sei, ist demnach allein anhand des Vergaberechts zu klären. Denn die vertragsrechtliche Gültigkeit einer Submissionsofferte ist eine stets notwendige, nie aber eine hinreichende Voraussetzung für deren vergaberechtliche Zulässigkeit; das Vergaberecht stellt die Zulässigkeit einer Offerte im Vergabeverfahren unter viele weitere Bedingungen in formeller, inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht. 36 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 795 ff.; Rz. 801 ff. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation Für private Auftraggeber steht ohne weitere Erörterung fest, dass diese eine spekulative Offerte wie überhaupt alle Offerten ohne besondere Grundangabe ablehnen dürfen (daran ändert auch die im Ausnahmefall greifende Haftung aus culpa in contrahendo nichts).37 1. Nicht jedes bieterische Annehmen ist spekulieren Vergaberechtlich ist nur das als Spekulation zu behandeln, was eine Wette auf Verhältnisänderungen in Erwartung eines Sonderertrages darstellt, der aufgrund einer spezifisch-ungewöhnlichen Preisgestaltung mit der Verhältnisänderung eintreten soll. Blosse spekulative Annahmen eines Bieters dagegen (etwa darüber, ob er bestimmte Einkäufe wirklich so günstig wird tätigen können, wie er das kalkuliert, oder darüber, ob er das nötige Schlüsselpersonal finden wird) interessieren allenfalls unter dem Titel der Eignung des Bieters und der Prüfung von Unterangeboten, haben aber mit Spekulation im hier zu untersuchenden Sinne nichts zu tun. Ebensowenig ist von Spekulation zu sprechen, wo der Bieter nach den Vorgaben des Auftraggebers faktisch gezwungen ist, Annahmen zu treffen, weil der Auftraggeber keine Annahmen vorgibt, solche aber für jede vernünftige Preiskalkulation unabdingbar sind. Insbesondere dann also, wenn der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Ausschreibungsvorgaben für bestimmte Kosten und Risiken (insbesondere für allfällige Erschwernisse) keine bestimmten Positionen bezeichnet, sondern insofern undifferenziert verlangt, dass die entsprechenden Aufwendungen „einzurechnen“ seien, kann keinem Bieter Spekulation vorgeworfen werden, ganz gleichviel, wo und zu welchem Betrag er die fraglichen Aufwendungen und Risiken einrechnet (und ob er das überhaupt tut). 2. Die Verletzung von Preisbildungsregeln a) Preisbildungsregeln sind formelle Offertvorschriften Wenn ein öffentlicher Auftraggeber unter Beachtung des Diskriminierungs- und des Schikaneverbotes in der Ausschreibung oder den Unterlagen Regeln über die Preisbildung aufstellt, aus denen sich ergibt, in welchen genau bezeichneten Positionen der Bieter welche Kosten und weiteren Aufwendungen sowie Risiko- und Gewinnanteile einzurechnen hat, und wenn ein Bieter diese Regeln missachtet, so ist ganz losgelöst von jeder Spekulationsfrage eine Verletzung des vergaberechtlichen Grundsatzes gegeben, wonach eine Offerte ausschreibungskonform sein und daher mit den Vorgaben des Auftraggebers übereinstimmen muss, um für die Vergabe in Frage zu kommen. Die Missachtung einer Regel darüber, welche Aufwände über welche Position, das heisst: über welchen Preis und welchen Vergütungsmodus, abzurechnen sind, ist eine gewöhnliche Missachtung der Regeln über die Angebotsgestaltung. Die entsprechende Offerte darf unter der Voraussetzung ausgeschlossen werden, dass es nicht bloss um ganz geringfügige oder höchst unwahrscheinliche Probleme geht und ein Ausschluss daher überspitzt formalistisch wäre. Falls die eine Preisbildungsvorschrift verletzende Offerte gar mit sehr erheblicher Wahrscheinlichkeit sehr gravierende Folgen mit Bezug auf die Entwicklung der Vergütung haben wird, so dass danach das Submissionsergebnis verfälscht wäre, muss sie gar ausgeschlossen werden und das können die Konkurrenten nötigenfalls beanspruchen können. Im Vergabeverfahren kann, weil erst Offerten vorliegen und die Zukunft noch unbekannt ist, nicht darauf abgestellt werden, ob eine ungewöhnliche Preisbildung tatsächlich gravierende Folgen haben wird. Vielmehr genügt es für den Ausschluss einer gewisse Preisbildungsvorschriften verletzenden Offerte, wenn eine bestimmte Verhältnisänderung nicht unwahrscheinlich ist und diese gerade aufgrund der vorschriftswidrigen Preisgestaltung 37 Vgl. insb. BGer 4C.320/2002 (03.02.2003), E. 3.2: „Das Vertragsverhandlungsverhältnis verpflichtet die Parteien nicht dazu, einen Vertrag abzuschliessen. Nicht treuwidrig handelt deshalb jene Partei, die sich dazu entschliesst, die Vertragsverhandlungen abzubrechen. Sie hat darüber grundsätzlich auch nicht Rechenschaft zu geben“; BGE 105 II 75, E. 2a. BRT 2011 147 148 Martin Beyeler für den Auftraggeber erheblich nachteilige Folgen hätte (im Vergleich zur gleichen Offerte, wenn diese die Preisbildungsvorschriften nicht verletzen würde). b) Die Verletzung von Preisbildungsregeln braucht nicht Spekulation zu sein Nach dem Ausgeführten wird klar, dass es auf die Frage der Spekulationsabsicht gar nicht ankommt, wenn einmal feststeht, dass ein Angebot in nicht nur geringfügiger Weise und mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von Preisbildungsregeln abweicht und deswegen ungewöhnliche und gravierende Folgen mit Bezug auf die Gesamtvergütung haben könnte. Wenn bei einer bestimmten Offerte feststeht, dass sich das Gesamtverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung aufgrund einer Verletzung der Regeln über die Preisbildung erheblich und in ungewöhnlicher Weise zulasten des öffentlichen Auftraggebers verändern wird, sobald eine bestimmte, nicht ganz unwahrscheinliche Verhältnisänderung eintritt, so ist die Regelverletzung nicht unerheblich und berechtigt den öffentlichen Auftraggeber zum Ausschluss der betreffenden Offerte. Denn die Bieter haben zwar alles Recht im Rahmen der Vertragsfreiheit, zu offerieren wie sie wollen, doch muss der öffentliche Auftraggeber sich nichts bieten lassen, was für ihn zu grosse Risiken birgt, die er nicht tragen will und nicht ausgeschrieben hat. Ein Privater, der nicht auf Gegenspekulation, sondern auf verlässliche Verhältnisse aus ist, lässt ein Spekulationsangebot in der Regel liegen, und genauso kann es nicht im Sinne des Wirtschaftlichkeits- oder des Gleichbehandlungsgrundsatzes sein, einen öffentlichen Auftraggeber darauf zu verpflichten, Spekulationsangebote oder ganz allgemein solche Angebote, die bei nicht unwahrscheinlichen Verhältnisänderungen ungewöhnliche und gravierend nachteilige Folgen (zulasten des Auftraggebers) nach sich ziehen können, zuzulassen und gegebenenfalls zu berücksichtigen. Der Grund für diese Ausschlussmöglichkeit, die im Ermessen des Auftraggebers liegt, wenn der Fall nicht ganz unerheblich ist, und die zur Ausschlusspflicht wird, wenn die Folgen der Verletzung im Falle einer Verhältnisänderung die Vergabe in Frage stellen würden, liegt nicht primär in allfälligen Spekulationsabsichten des Bieters. Er liegt vielmehr in der Regel betreffend die Preisgestaltung, deren Verletzung als Missachtung einer vergaberechtlich relevanten Formvorschrift betreffend die Ausgestaltung des Angebots einen Ausschluss grundsätzlich rechtfertigt.38 c) Ermittlung und Auslegung von Preisbildungsregeln Bieter können, das ist an sich selbstverständlich, nur jene Preisbildungsregeln verletzen, die im konkreten Vergabeverfahren tatsächlich gelten, weil der Auftraggeber sie explizit oder wenigstens implizit aufgestellt hat.39 Soweit es um Regeln geht, die ausdrücklich als Preisbildungsregeln formuliert sind – etwa: „Erschwernisse zufolge Schnee und Frost sind in 38 39 In diesem Sinne VGer GR U 05 47 (26.08.2005), E. 1b: „Aus den Ausschreibungsunterlagen … geht unter der … Pos. 111.001 (Baustelleninstallation) eindeutig und abschliessend hervor, welche Leistungen darunter verstanden und subsumiert werden sollten. Während die Beschwerdeführerin indes noch verschiedene Fixkosten (wie Lohnanteil für Zeitverlust bis zum Arbeitsplatz; Transportkosten für Anreise sowie Logiskosten der Arbeiter während Projektrealisation usw.) dort hinein verpackte und deshalb auf einen Installationsbetrag von Fr. 62'600.-kam, betrug dieselbe Position bei der berücksichtigten Anbieterin lediglich Fr. 13'000.--, womit offenkundig ist, dass die Beschwerdeführerin dort mit ihrem fast fünfmal teureren Installationsangebot zusätzlich auch noch völlig artfremde Leistungspositionen offeriert hatte, die so gar nicht vorgesehen bzw. an jener Stelle verlangt waren. Diese in beiden Angeboten systematisch vorgenommene Abweichung bzw. Unvollständigkeit gegenüber den amtlichen Ausschreibungsvorgaben ist inhaltlich gravierend und würde für sich allein betrachtet bereits genügen, um den Ausschlussgrund im Sinne von Art. 22 lit. c SubG als erfüllt zu betrachten [im Original nicht kursiv]“; VGer GR U 10 40 (25.05.2010), E. 3c: „Ob solches der Grund für die eigenartige Kalkulation der Beschwerdeführerin war, nämlich die Spekulation darauf, dass bei der Realisierung des Auftrages geringere Mengen verbaut werden müssen mit der Folge, dass sich die zu gewährende Preisreduktion in Grenzen halten und die betrieblichen Einnahmen sicherer budgetieren liessen, kann offen gelassen werden“. Vgl. VK Bund 2 – 27/07 (03.05.2007), E. II./2./b)/a.: „Eine unzulässige Verlagerung von Kosten der Montagehilfskonstruktion … kann … nicht festgestellt werden. … Fehlt es … an einer Vorgabe der Vergabestelle zur Berücksichtigung bestimmter Kosten im Leistungsverzeichnis, können diese nicht in einer unzulässigen Weise verlagert werden“. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation die Einheitspreise einzurechnen“ –, ist deren Identifikation nicht besonders schwierig, doch unterliegen gerade auch sie der gleichen Auslegung wie alle Vertragsbestimmungen (z.B. ergibt sich aus der Auslegung, dass nicht die Erschwernisse, sondern die daraus erwachsenden Aufwendungen „einzurechnen“ sind, und vor allem, welche Aufwendungen das genau sind). Nur über die Auslegung erschliesst sich, ob eine bestimmte Textpassage der Ausschreibungsunterlagen tatsächlich eine Preisbildungsregel enthält und, falls ja, was sie genau vorschreibt; das gilt insbesondere für Normpositionstexte. Immer ist durch Auslegung zu klären, ob der Auftraggeber mit der Leistungsbeschreibung, zu welcher der Bieter einen Einzelpreis offerieren soll, eine Preisbildungsregel aufstellen will, und falls ja, welche Kosten und weiteren Aufwendungen sowie Risiken hier (und nicht anderswo) angesprochen und erfasst werden sollen. Der Auslegung nach Treu und Glauben vorenthalten bleibt allerdings der Fall, in welchem ein Bieter den Auftraggeber tatsächlich richtig verstanden hat – diesfalls gilt die richtig verstandene Erklärung, selbst wenn die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen nach Treu und Glauben zu einem anderen Ergebnis führen würde (sei dieses besser oder schlechter für den Anbieter). B Der Umgang mit den verschiedenen Spekulationsformen 1. Zur Umlagerung von Umsätzen in Pauschalpositionen Die Verschiebung von Umsatz aus einer Einheitspreisposition in eine Pauschalposition stellt häufig eine Verletzung der in casu geltenden Preisbildungsvorschriften dar: Schreibt ein Auftraggeber bestimmte Leistungen aus, wobei er für manche davon Einheitspreispositionen, für andere Pauschalpositionen vorsieht, welche die Bieter je einzeln bepreisen sollen, so erklärt er damit in der Regel zumindest implizit im Sinne einer Angebots-Formvorschrift, dass die Bieter die Kosten der Aufwendungen, die ihnen für die Einheitspreis-Leistungen anfallen, in den Einheitspreisen dieser Leistungen einrechnen sollen (um ein gültiges Angebot zu legen), soweit nicht andere Positionen für diese Leistungen vorgesehen sind. Dasselbe gilt mutatis mutandis für die Leistungen, die unter Pauschalpositionen ausgeschrieben werden. Der Auftraggeber drückt mit der Ausschreibung eines derartig differenzierten Einzelpreissystems namentlich den Willen aus, bestimmte Aufwendungen des Bieters in Abhängigkeit von der tatsächlichen Leistungsmenge und bestimmte Aufwendungen gerade unabhängig von den tatsächlichen Mengen vergüten zu wollen. Er will bei bestimmten Kosten des Bieters über eine entsprechende Entwicklung der Vergütung (im Verhältnis zur provisorisch errechneten Vergütung im Vergabezeitpunkt) partizipieren, wenn sie steigen oder sinken, und bei anderen Kosten will er das gerade nicht. Das zu tun beziehungsweise von den potentiellen Anbietern zu verlangen, ist in den Schranken des Art. 7 KG (vgl. dort insb. Abs. 2 lit. c) jedem öffentlichen (und privaten) Auftraggeber erlaubt. Ein Bieter, der die Vergütung für bestimmte Aufwendungen in einer Pauschalposition einrechnet, obschon diese Aufwendungen nach dem in der Ausschreibung erklärten Willen des Auftraggebers in einer Einheitspreisposition zu berücksichtigen wären, legt ein ausschreibungswidriges Angebot: Er offeriert dem Auftraggeber nämlich, seine Kosten und weiteren Aufwendungen für bestimmte Leistungen unter einem anderen Vergütungsmodus abzurechnen, als der Auftraggeber es vorgegeben hat. Er schlägt vor, dass ein bestimmter Anteil der offerierten Gesamtvergütung stabil sein soll, ganz gleichviel, welche tatsächlichen Mengen sich mit Bezug auf die Leistungen, für die dieser Vergütungsanteil gedacht ist, einstellen werden – währenddem der Auftraggeber vorgegeben hat, dass der diese Leistungen betreffende Teil der Gesamtvergütung je nach tatsächlicher Leistungsmenge sinken oder steigen solle.40 Er 40 Vgl. VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.4: „Beim Prinzip der Preisvereinbarung nach Einheitspreisen wird davon ausgegangen, dass sich Mengenänderungen in entsprechenden Preisänderungen niederschlagen. Ein Angebot, bei dem bestimmte Einheitspreise bewusst tief gehalten und die auf diese Positionen entfallenden Materialkosten in eine Festpreisposition übertragen werden, widerspricht dem Prinzip einer Preisvereinbarung BRT 2011 149 150 Martin Beyeler schlägt einen von der Ausschreibung abweichenden Vergütungsmodus und mithin einen anderen Vertrag vor, womit grundsätzlich auf ein ausschreibungswidriges Angebot zu schliessen ist, das auch als Variante ausser Betracht fällt, weil Vergütungsvarianten der Sache nach grundsätzlich nicht als zulässige Varianten gelten (vgl. insb. Art. 22a Abs. 2 VöB).41 a) Der Ausschluss von Umlagerungsofferten Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, jene Offerte gestützt auf deren Ausschreibungswidrigkeit vom Verfahren auszuschliessen, in welcher der Bieter die Höhe der Vergütung für bestimmte Aufwendungen, die ihm im Zusammenhang mit bestimmten Leistungen anfallen, entgegen den expliziten oder impliziten Vorgaben in der Ausschreibung nicht mengenabhängig und mithin variabel offeriert, sondern mengenunabhängig und fix zum Voraus, wenn also Umsatz anstatt in einer Einheitspreisposition in einer Pauschalposition eingerechnet wurde (et vice versa).42 Das gilt indes nur dann, wenn erstens dieser OffertSachverhalt der Verschiebung von Umsatz aus Einheits- in Pauschalpreispositionen nachgewiesen ist, wenn zweitens die Umlagerung mit Blick auf das Verhältnis zwischen den insgesamt so verschobenen Beträgen und der totalen Offertsumme erheblich ist und wenn drittens Gewissheit oder zumindest eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Auftraggeber durch die fragliche Preisgestaltung einen ungewöhnlichen Nachteil erleiden wird. Auf diese drei Voraussetzungen ist im Folgenden vertieft einzugehen; das hier Ausgeführte gilt mutatis mutandis zu guten Teilen auch für Offerten mit anderen Spekulationsformen. nach Einheitspreisen. Denn bei einer solchen Offerte profitiert der Auftraggeber bei allfälligen Mengenreduktionen nicht von der Kostenersparnis“. Vgl. auch VGer GR U 05 47 (26.08.2005), E. 1c, wo das Gericht eine Offerte, in welcher Umsätze aus Einheitspreispositionen zu 99 Prozent in die Baustellenglobale übertragen worden waren, rundheraus als „verkappte Pauschalofferte“ bezeichnet hat. 41 Vgl. insb. VGer AG WBE.2007.167 (03.10.2007; AGVE 2007, S. 157 ff., Nr. 38), E. 3.2.2; VGer AG 20.10.2003 (AGVE 2003, S. 278 ff., Nr. 64), E. 3b; VGer ZH VB.2003.00256 (03.12.2003), E. 3.3; VGer ZH VB.2003.00091 (08.10.2003), E. 2.1; VGer ZH VB.2002.00195 (23.01.2003), E. 4a. So auch HÜRLIMANN, Unternehmervarianten, in: BR 1996, S. 3 ff., S. 4; tendenziell gl.M. STÖCKLI, AlpTransit c. Marti, in: BR 2007, S. 40 ff., S. 41. Vgl. auch VGer ZH VB.2007.00458 (26.03.2008), E. 5: In diesem Fall waren Vergütungsvarianten ausnahmsweise zulässig, weil die Vergabestelle das ausdrücklich so erklärt hatte. 42 BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2: „Si deve poi aggiungere che il modo con il quale quest'ultima ha strutturato i prezzi delle posizioni n. 141.711.102 e 211.751.114, optando per il trasferimento di una consistente parte degli stessi su di un'altra posizione completamente distinta, risulta del tutto contrario al sistema di compilazione dell'offerta predisposto nel capitolato e disattende, in particolare, quanto prescritto alla posizione n. 113.100, la quale specifica quali prestazioni possono essere inserite tra i costi per le istallazioni di cantiere. Una simile maniera di procedere non può essere accettata nell'ambito di una procedura di concorso per l'aggiudicazione di una commessa pubblica“. Vgl. auch VGer LU V 04 19 (19.03.2004; LGVE 2004 II Nr. 8): „Die kalkulatorische Verschiebung von mengenabhängigen Einheitspreisen in eine Festpreisposition ist nicht gestattet. … Die Anbieterin hatte Nullpreisofferten für Belagsarbeiten in die Position Baustelleneinrichtung, die als Globale zu offerieren war, wieder eingerechnet. Ein solches Vorgehen verletzt das Gebot der Transparenz und die Anbieterin darf vom Verfahren ausgeschlossen werden“ (aus dem Leitsatz); VGer GR U 05 47 (26.08.2005), E. 1c; VGer GR U 10 40 (25.05.2010), E. 3c; VGer ZH VB.2003.00256 (03.12.2003), E. 4: Die Umlagerung von Einheitspreis-Kosten in Pauschalpositionen „widerspricht dem Prinzip einer Preisvereinbarung nach Einheitspreisen, bei welcher davon ausgegangen wird, dass sich Mengenänderungen in entsprechenden Preisänderungen niederschlagen. Zwar ist die Kalkulation der Angebotspreise Sache des anbietenden Unternehmers, und die Art und Weise, wie er seinen Aufwand in Einheitspreise umrechnet, steht ihm grundsätzlich frei. Vorliegend diente die Verschiebung von Kostenteilen aus den Einheitspreisen in eine Festpreisposition aber offensichtlich einzig dem Zweck, die Fehler des Leistungsverzeichnisses zu Lasten des Auftraggebers auszunützen. Ein anderer Sinn des gewählten Vorgehens ist nicht erkennbar … Unter diesen Umständen durfte … das … Angebot, dessen Preisbildung den Beschwerdegegner bei einer Mengenreduktion benachteiligte, nicht zugelassen werden“; VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1; VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.4.4; VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.3.2; BASS, Verschieben von Einheitspreisen in eine Pauschalpreisposition, in: BR 2004, Sonderheft Vergabetagung 04, S. 23 f. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation b) Der Nachweis der Umlagerung Nachgewiesen ist die Verschiebung von Umsatz aus einer Einheitspreis- in eine Pauschalposition dann, wenn der Bieter sie offen eingesteht (allenfalls auf Nachfrage hin),43 wenn die von einem Bieter abgegebenen Preisanalysen unter Berücksichtigung all seiner diesbezüglichen betrieblichen und geschäftlichen Erklärungen zu diesem Schluss führen oder vernünftigerweise keinen anderen Schluss zulassen oder wenn allein schon die offerierten Preise eine klare Sprache sprechen.44 Das Letztere kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn eine Einheitspreisposition einen Preis enthält, der um etliche Grössenordnungen tiefer liegt als das Mittel der sonst üblicherweise im Markt für Leistungen der fraglichen Art bezahlten Preise, der auf null Franken oder gar auf einen negativen Betrag (ohne dass das so ausgeschrieben worden wäre) lautet oder bei dem der Bieter anstatt eines Preises nur einen Vermerk wie „eingerechnet“ in die Offerte aufnimmt, soweit zugleich eine Pauschalposition ungewöhnlich hoch ist. Noch plausibler ist die Annahme einer Umsatzverschiebung in die Pauschalposition dann, wenn der Betrag, um den diese Position über einem ungefähren Marktmittel liegt, nicht wesentlich grösser oder kleiner ist als der Betrag, der sich ergibt, wenn man die in der fraglichen Einheitspreisposition angenommene Menge mit der Differenz zwischen dem vom Bieter offerierten Einheitspreis und dem ungefähren Markt-Einheitspreis für Leistungen der fraglichen Art multipliziert: Wenn, mit anderen Worten, der Preis einer Einheitspreisposition (oder mehrerer solcher Positionen zusammengenommen) so weit unter dem Marktmittel liegt, dass er, multipliziert mit der ausgeschriebenen Menge, zu einem Betrag führt, der in etwa gleich hoch ist wie der Betrag, um den eine Pauschalposition über einem ungefähren Marktmittel liegt, so ist das regelmässig ein Indiz für eine Umsatzumlagerung. Immer aber ist zu berücksichtigen, wie sich der Bieter, soweit er das tut, erklärt. Ohnehin trägt der Auftraggeber hauptsächlich die Beweislast dafür, dass ein Bieter umgelagert hat:45 Der Bieter trägt im öffentlichen Vergabeverfahren zwar zunächst die (selbstverständliche) Mitwirkungsobliegenheit, eine zulässige Offerte auszuarbeiten, und er trägt den Rechtsnachteil einer unzulässigen Offerte alleine. Er muss auch die „Nachweise“ (Belege) abgeben, die der Auftraggeber von ihm verlangt, ansonsten seine Offerte unvollständig und daher schon aus formalen Gründen unzulässig ist. Sodann ist der Bieter jedenfalls dann, wenn er vom Auftraggeber in den Ausschreibungsdokumenten entsprechend informiert worden ist, und wohl 43 44 45 Das geschah so insbesondere im Fall BGer 2P.164/2002 (27.11.2002; E. 3.3.1). Gleich verhielt es sich in VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.2.3. In VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4 (vgl. insb. E. 3.4.4), jedoch bestritt der Bieter jegliche Umlagerung. In VGer GR U 05 47 (26.08.2005) gestand der Bieter ein, auf den Einheitspreisen einen „Sonderrabatt“ von 99 Prozent gewährt zu haben, was angesichts der im Quervergleich mit den übrigen Offerten rund fünfmal höheren Installationspauschale einem Eingeständnis einer Umlagerung zumindest sehr nahekam. Dazu trat in diesem Fall, dass eine Margenspekulation der besonderen Art eingestanden wurde: Der Bieter erklärte in der Preisanalyse, dass er die um den „Sonderrabatt“ von 99 Prozent verbilligten Einheitspreisleistungen für Arbeiten im Rahmen von Bestellungsänderungen nicht gewähren wollte, dass er also für solche Leistungen seine ganz gewöhnlichen Preise veranschlagen wollte. Ohne dass das im Angebotsvergleich, der gewöhnlich im Sinne eines ceterum censeo davon ausgeht, dass im Falle von Bestellungsänderungen der Grundsatz der proportionalen Preisfortschreibung gilt, die für die Grundleistungen offerierten Preise also soweit möglich unverändert für Bestellungsänderungs-Leistungen gelten und ansonsten als Ausgangspunkt und Orientierungsgrösse der Nachtragspreise dienen (vgl. Art. 87 SIA-Norm 118), zum Tragen kommen konnte, wollte dieser Bieter also über Preise, die nicht in den Angebotsvergleich einflossen (nämlich seine Bestellungsänderungs-Preise), eine ganz andere Rentabilität erreichen als jene, die seinen tatsächlich bewerteten Preisen zugrunde lag. Vgl. für eine Beweisführung VGer U 10 40 (25.05.2010), Sachverhalt Ziff. 3 und E. 3c. Vgl. auch OLG Thüringen 9 Verg 8/05 (23.01.2006), E. II/2c/dd, m.w.H. auf dahingehende deutsche Rechtsprechung: „Im Grundsatz gilt, dass die Vergabestelle einen von ihr behaupteten Ausschlussgrund im Angebot eines Bieters konkret zu benennen hat und im Zweifelsfall die Feststellungslast für dessen Vorliegen trägt, wobei der Begriff der objektiven Feststellungslast den im zivilprozessualen Beibringungsverfahren gebräuchlichen Begriff der Beweislast ersetzt. An dieser Regel ist auch für die Prüfung einer Mischkalkulation festzuhalten“. Vgl. allerdings auch BGH VII ZR 201/06 (18.12.2008), Rn. 15: „In dem Fall, dass der Bieter in einer Position des Leistungsverzeichnisses einen ausserordentlich überhöhten Einheitspreis angegeben hat, besteht die widerlegbare Vermutung, dass er in dieser Position auf eine Mengenmehrung hofft und durch Preisfortschreibung auch für diese Mengenmehrung einen ausserordentlich überhöhten Preis erzielen will“. BRT 2011 151 152 Martin Beyeler auch dann, wenn seine Preise höchst ungewöhnlich sind, gehalten, dem Auftraggeber Auskunft über seine Preisgestaltung zu erteilen (wobei der Auftraggeber sich hier ganz besonders an den Vertraulichkeitsgrundsatz zu halten hat). Wenn er jede (vernünftige) Aussage verweigert, können daraus im Rahmen der Beweiswürdigung allenfalls entsprechende Schlüsse gezogen werden. Gleichwohl steht der Bieter zumindest in allen Verfahren mit öffentlicher Ausschreibung unter dem Schutz des aus dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz fliessenden allgemeinen Teilnahmerechts, das zum Kern des Vergaberechts überhaupt gehört. Und daraus folgt, dass der öffentliche Auftraggeber, der einen Bieter ausschliessen will, die Tatsachen zu beweisen hat, welche den Ausschluss begründen (sollen). Es ist der Auftraggeber, welcher dem allgemeinen und nicht angesichts einer formal grundsätzlich korrekten Offerte weiter beweisbedürftigen Teilnahmerecht des Bieters eine rechtshindernde Einwendung entgegenhalten will, so dass er die Voraussetzungen dieser Einwendung selber nachzuweisen hat. Der Bieter hat hier gewisse Mitwirkungsobliegenheiten, deren Missachtung im Rahmen der Beweiswürdigung ins Gewicht fallen können, doch wenn am Ende Zweifel über eine behauptete Umlagerung bestehen bleiben, trägt der Auftraggeber die Folgen dieses Beweisergebnisses und kann sich nicht auf die behauptete Umlagerung berufen, so dass jedenfalls in dieser Hinsicht auf Zulässigkeit der Offerte zu schliessen ist. c) Nichtausschluss bei geringfügigen Wirkungen der Umlagerung Der Auftraggeber ist nicht berechtigt, eine Offerte auszuschliessen, selbst wo zweifelsfrei bewiesen (insbesondere: eindeutig zugestanden) ist, dass der Bieter Umsatz aus einer Einheitspreisposition in eine Pauschalposition verschoben hat, sofern es unter Berücksichtigung von allen solchen Verschiebungen zusammengenommen und im Verhältnis zur gesamten Offertsumme lediglich um auch im Ergebnis vergleichsweise geringe Beträge geht. Ein Ausschluss wäre überspitzt formalistisch, wenn eine Umlagerung und mithin eine Ausschreibungswidrigkeit zwar vorliegt, die Problematik aber gemessen am ganzen Vertragswert marginal und vernachlässigbar bleibt. Sobald hingegen den verschobenen Beträgen mit Blick auf die ganze Vergütung ein gewisses Gewicht zukommt, steht es dem Auftraggeber grundsätzlich offen, eine erwiesenermassen umlagernde Offerte vom Verfahren auszuschliessen. Diesfalls kann nicht mehr von einer vernachlässigbaren Bagatelle gesprochen werden. Allerdings ist ein Ausschluss einer erwiesenermassen erhebliche Beträge umlagernden Offerte auch dann nicht gerechtfertigt, wenn höchstens eine extrem geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Auftraggeber wegen der Verschiebung irgendeinen Nachteil erleiden wird: Ist praktisch sicher, dass jede erhebliche Mengenverminderung in der durch den Bieter abgepreisten Einheitspreisposition entgegen einer allfälligen Annahme des Bieters praktisch ausgeschlossen ist, oder ist dort vernünftigerweise gar mit einer Mengensteigerung zu rechnen (der Bieter hat die Gegebenheiten vielleicht gänzlich verkannt), so wäre es übertrieben und unverhältnismässig, die Offerte wegen des diesfalls rein theoretischen Risikos eines Nachteils für den Auftraggeber auszuschliessen. d) Der Zinsvorteil allein rechtfertigt keinen Ausschluss Demgegenüber scheint ein Nachteil für den öffentlichen Auftraggeber immer dann gewiss (ohne dass es auf die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer Mengenminderung in der abgepreisten Einheitspreisposition ankäme), wenn der Bieter sich mit der Verschiebung einen Zinsvorteil einräumen will: Sieht der ausgeschriebene Vertrag vor, dass die Pauschalposition, in welche der Bieter den Umsatz aus der abgepreisten Einheitspreisposition verschoben hat, früher teilweise oder ganz ausbezahlt wird als die fragliche Einheitspreisposition, so steht in der Regel fest, dass der Bieter ungeachtet allfälliger Mengendivergenzen jedenfalls durch die frühere Bezahlung der fraglichen Leistungen einen Zinsvorteil geniesst. Das kann insbesondere im Bauwesen dann zutreffen, wenn der Bieter Umsatz aus Einheitspreispositionen in eine Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation Baustellen-Installationspauschale einrechnet, soweit diese, was üblich ist, jedenfalls zum überwiegenden Teil zu Beginn der Arbeiten vergütet wird.46 Dieser Zinsvorteil rechtfertigt bei genauer Betrachtung für sich alleine genommen allerdings keinen Ausschluss einer Offerte aus dem Vergabeverfahren, denn er ist grundsätzlich kapitalisier- und damit bezifferbar und könnte daher ohne weiteres fiktiv auf den Preis aufgerechnet werden, so dass der mit ihm verbundene Zinsnachteil zulasten des Auftraggebers den Offertvergleich nicht verfälscht. Das bedeutet, dass die Vergabestelle und die Rekursinstanz nie alleine darauf abstellen können, dass aus einer Umlagerung ein Zinsvorteil entsteht, sondern immer auch prüfen müssen, ob nicht unter einer (nur für die Zwecke des Angebotsvergleichs erfolgenden) Aufrechnung dieses Vorteils auf den Preis jegliche Nachteile für den Auftraggeber ausgeschlossen sind. Wenn die fragliche Offerte auch unter Aufrechnung des entsprechenden Zinsnachteils für den Auftraggeber immer noch die wirtschaftlich günstigste ist, weil beispielsweise das Risiko, dass die Mengen der abgepreisten Einheitspreisposition sinken, praktisch gleich null ist, dann wäre es unverhältnismässig, diese Offerte wegen des aus der Verschiebung resultierenden Zinsvorteils auszuschliessen. Das gilt, solange die Verschiebung zu keinen weiteren Nachteilen führt, was nach dem Ausgeführten zutreffen kann, wenn gewiss oder höchst wahrscheinlich ist, dass die tatsächlichen Mengen in der abgepreisten Einheitspreisposition im Vergleich zu den ausgeschriebenen Mengen allenfalls grösser, jedenfalls aber nicht geringer sein werden. In diesem Fall führt die Umlagerung ausschliesslich zu einem Zinsvorteil, der für die Zwecke des Angebotsvergleichs rechnerisch auf den Offertpreis geschlagen werden kann, so dass danach kein Nachteil für den Auftraggeber mehr vorhanden ist. Denn es liegt insbesondere kein Nachteil darin, dass der Auftraggeber auf diese Weise keine Offerte erhält und allenfalls berücksichtigen kann, welche den gleichen tatsächlich provisorisch offerierten Gesamtbetrag wie die von der Verschiebung betroffene Offerte verspricht, zugleich aber gerade auf den Zinsvorteil verzichtet. Solches hat der Bieter bei richtiger Betrachtung nie angeboten (und er war dazu auch nicht verpflichtet), sondern nur, aber eben, den fraglichen Gesamtbetrag unter Berücksichtigung eines zulasten des Auftraggebers wirkenden Zinsvorteils, den dieser rechnerisch auf den Offertpreis schlagen muss, damit die Offerte mit den übrigen Angeboten vergleichbar wird. e) Ausschluss bei Ausnützung von objektiv feststellbaren Fehlern Der öffentliche Auftraggeber hat im Übrigen immer dann ein Recht zum Ausschluss einer Umsätze aus einer Einheitspreis- in eine Pauschalposition umlagernden Offerte, wenn die Umlagerung einen schon ex ante und objektiv mindestens mit grosser Wahrscheinlichkeit als solchen feststellbaren Fehler ausnützen soll – wenn sie also konkret darauf aufbaut, dass die unter dem abgepreisten Einheitspreis ausgeschriebenen Leistungen mit Gewissheit oder an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht oder jedenfalls in viel geringeren Mengen ausgeführt werden. Denn diesfalls liegt treuwidriges Verhalten des Bieters vor, was für sich selber schon einen Verfahrenausschluss rechtfertigt. f) Das Recht der Konkurrenten auf den Ausschluss Die Konkurrenten jenes Bieters, der Umsatz aus einer Einheitspreis- in eine Pauschalposition übertragen hat, können lediglich dann einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Ausschluss dieses Bieters geltend machen, wenn erstens eine erhebliche Wahrscheinlichkeit 46 Vgl. VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.3.2: „Schliesslich führt die Umlagerung in die Position ‚Baustelleneinrichtung’ im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Kreditgewährung, weil die entsprechende Forderung bereits zu Beginn der Bauarbeiten fällig wird (vgl. Art. 145 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 146 SIA-Norm 118)“; VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.4: „Schliesslich führt eine Umlagerung in die Position Baustelleneinrichtung im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Kreditgewährung, weil die entsprechende Forderung bereits zu Beginn der Bauarbeiten fällig wird“, E. 3.4.4 (zur Frage der „ungerechtfertigten Kreditgewährung“ FN 21); VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1; BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2 (Zitat in FN 21). BRT 2011 153 154 Martin Beyeler dafür besteht, dass die tatsächlichen Mengen unter den abgepreisten Positionen im Vergleich zu den ausgeschriebenen Mengen spürbar geringer ausfallen werden, und wenn zweitens die von Verschiebungen betroffenen Beträge zusammengenommen im Vergleich zur gesamten offerierten Summe so gross sind, dass bei teilweisem oder vollumfänglichem Eintreffen einer Mengenverminderung in der fraglichen Einheitspreisposition mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ein anderes konkretes Angebot aus der Submission dazu führen würde, dass der Auftraggeber hierunter eine um so viel günstigere tatsächliche Gesamtvergütung bezahlen müsste, dass nun dieses andere Angebot unter den anwendbaren Zuschlagskriterien als das wirtschaftlich günstigste erschiene. Anders gewendet: Ein Konkurrent kann dann den Ausschluss des umlagernden Bieters verlangen, wenn eine erhebliche Mengenverminderung in der abgepreisten Einheitspreisposition wahrscheinlich ist und zudem unter der Hypothese, die Offerten würden nach dem vom Spekulierenden angenommenen (und nicht nach dem ausgeschriebenen) Mengengerüst bewertet, eine andere Offerte für den Auftraggeber so viel günstiger wäre (als die von der Umlagerung betroffene Offerte), dass diese unter Berücksichtigung der entsprechenden Preisbewertung und der übrigen Zuschlagskriterien den Zuschlag erhalten müsste. Als beschwerdelegitimiert ist allerdings nur jener Bieter zu betrachtet, der anstelle des Auszuschliessenden den Zuschlag erhält. Diesem Anspruch des Konkurrenten steht eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers gegenüber: Dieser muss Offerten ausschliessen, die zufolge einer Umsatzverschiebung aus einer Einheits- in eine Pauschalpreisposition eine im beschriebenen Sinn erhebliche Erhöhung des allgemeinen Vergaberisikos bergen. Sein Ermessen betreffend Zulassung oder Nichtzulassung einer umlagernden Offerte, das entsteht, sobald eine Umlagerung keine reine Bagatelle mehr darstellt, hört dort wieder auf, wo eine nicht unerhebliche Mengenverminderung in der abgepreisten Position wahrscheinlich oder praktisch sicher ist und zudem bei Annahme dieser veränderten Menge unter allen Zuschlagskriterien wenigstens ein Konkurrent des umlagernden Bieters günstiger zu bewerten wäre als dieser Bieter. g) Die Bieter müssen nicht blind auf die Mengen vertrauen Im Sinne eines Exkurses ist hier festzuhalten, dass es trotz des Gesagten, wonach Umsatz verschiebende Offerten in der Regel ausgeschlossen werden können (oder gar müssen), entgegen dem Zürcher Verwaltungsgericht keinesfalls darum gehen kann, vom Bieter zu verlangen, in ausgeschriebenen Einheitspreispositionen „auch dann, wenn er eine grössere oder geringere Anzahl Einheiten erwartet [als sie ausgeschrieben sind und für den Angebotsvergleich verwendet werden], denjenigen Preis anzugeben, den er bei Ausführung der vorgegebenen Menge verlangen würde“.47 Gerade weil die eingangs dieses Textes zitierten Schreiben aus den kantonalen Baudirektionen sich auf diese Rechtsprechung beziehen, ist ihr mit Bezug auf die soeben zitierte Passage präzisierend zu widersprechen: In der verwendeten Terminologie („Preis anzugeben“) zeigt sich nach meinem Dafürhalten, dass das Gericht zu wenig berücksichtigt hat, dass Preise nicht einfach „angegeben“ werden wie in einer unverbindlichen Preisauskunft, sondern dass die Einheitspreise, die ein Bieter im Vergabeverfahren nennt, für ihn kraft vertragsrechtlicher Selbstbindung (Art. 3ff. OR) unmittelbar verbindliche Wirkung erlangen,48 wenn der Auftraggeber mit ihm den Vertrag abschliesst (und, soweit das überhaupt vergaberechtlich zulässig wäre, keine anderen Preise ausgehandelt werden). Dass der Bieter Preise verbindlich offeriert und nicht einfach „angibt“, ist nun aber nicht bloss ein terminologischer Punkt: Je nach Lage der Dinge würde ein Bieter betriebswirtschaftlich fahrlässig – und in Extremfällen gar halsbrecherisch – handeln, wenn er der zitierten 47 48 So aber VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.3. Vgl. GAUCH, von den Submissionsangeboten, die angeblich keine Vertragsofferten sind, in: BR 2009, S. 52 ff., S. 53; LEUTHOLD, Offertverhandlungen im öffentlichen Vergabeverfahren, Diss. Freiburg, Zürich 2009, Rz. 544 ff.; BEYELER, Angebot oder Nichtangebot, in: recht 2009, S. 34 ff., S. 36 ff., S. 41 - A.M. BGE 134 II 297, E. 4.2. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation gerichtlichen Anweisung Folge leistete. Das Wesen des Einheitspreises liegt zwar sehr wohl darin, dass die Höhe der unter einer bestimmten Einheitspreisposition tatsächlich vom Auftraggeber zu leistenden Vergütung unmittelbar davon abhängt, welche Menge an Leistungen tatsächlich erbracht wird. Insofern scheint der Bieter Mengenänderungen in der Tat nicht fürchten zu müssen, denn wenn er mehr leisten muss, erhält er auch pro Mehrleistungseinheit proportional (zur Mehrmenge und zum offerierten Preis) mehr Vergütung. Das Zürcher Verwaltungsgericht stellt auf diesen Mechanismus ab, der den Bieter im Unterschied zu einer Pauschalpreisvereinbarung vor dem Mehrmengenrisiko schützt, wenn es, wie oben zitiert, dem Bieter vorschreiben will, er müsse die ausgeschriebene Menge zur einzigen Grundlage seiner Preiskalkulation machen – das Gericht geht davon aus, dass dem Bieter aus solchem Verhalten kein Nachteil erwachsen könne, wenn Mengendivergenzen eintreten, und daher hält es die Forderung für gerechtfertigt, der Bieter müsse blind supponieren, die ausgeschriebene Menge entspreche exakt der tatsächlichen Menge, und er müsse allein davon ausgehend einen Preis kalkulieren und offerieren. Dabei übergeht das Verwaltungsgericht, dass der Auftraggeber im Rahmen einer Einheitspreisvereinbarung über bestimmte Leistungen nicht alle Risiken übernimmt, die mit den bei solcher Vereinbarung gerade möglich bleibenden Mengendivergenzen (im Vergleich der ausgeschriebenen mit den tatsächlichen Mengen) einhergehen. Dass die tatsächliche Vergütung unter der fraglichen Position steigt oder sinkt, je nachdem, wie sich die tatsächlichen Mengen verhalten, ist nur der eine erhebliche Aspekt der Einheitspreisvereinbarung. Denn der Einheitspreis ist dessenungeachtet ein Fixpreis49 insofern, als er als solcher (und im Unterschied zu der aus der Multiplikation von Preis und Menge errechneten Vergütung, die unter der Position effektiv bezahlt wird) pro vertraglich definierte Leistungseinheit unveränderlich bleibt, ganz ungeachtet der Frage, in welcher Menge die fragliche Leistung tatsächlich erbracht wird. Nur die Vergütung verhält sich bei der Einheitspreisvereinbarung im Falle von Mengendivergenzen sensibel und bewegt sich, nicht aber der eigentliche Einheitspreis. Hieraus erwächst dem Bieter, der einen alleine mit Blick und im vollen Vertrauen auf die ausgeschriebenen Mengen kalkulierten Einheitspreis vereinbart, das Risiko, dass eine Mengendivergenz eintritt, welche dazu führt, dass seine Stückkosten (Aufwand pro Leistungseinheit) grösser sind, als das unter den ausgeschriebenen Mengen der Fall wäre. Eine solche Kostensteigerung pro Leistungsmenge kann sich sowohl bei Mengenmehrungen wie auch bei Mengenminderungen ergeben; was zutrifft, kann nur im Einzelfall festgestellt werden. Grössere Mengen führen nicht immer zu günstigeren Stückkosten, mitunter tritt auch ein negativer Skaleneffekt ein, wenn gerade zusätzliche Mengen der fraglichen Leistungen den Bieter besonders teuer zu stehen kommen (insbesondere wenn es um schlecht verfügbare Materialien geht) oder wenn die fragliche Mehrmenge dazu führt, dass der Bieter gewisse Sprünge bestimmter Fixkosten auf eine höhere Stufe hinnehmen muss. Umgekehrt führen Mengenminderungen nicht selten zu einer Steigerung der Stückkosten einer bestimmten Leistung, weil bei geringerem Umfang an Leistungen häufig positive Skaleneffekte (Grössenvorteile, Synergien, Mengenrabatte etc.) entfallen. Der Rentabilitätsverlust, den der Bieter bei einer infolge einer Mengendivergenz eintretenden Steigerung seiner Stückkosten (im Vergleich zu jenen, die er hätte, wenn die ausgeschriebenen Mengen tatsächlich ausgeführt würden) erleidet, wird ihm durch den Auftraggeber gemäss der 49 Und darum stimmt nicht nur im Pauschalvertrag, sondern auch beim Einheitspreis (mit Bezug auf das Stückkostenrisiko), was schon in BGE 58 II 421, S. 423, zu lesen ist: „Die Vereinbarung einer zum Voraus genau bestimmten Vergütung schliesst naturnotwendig immer ein spekulatives Element in sich“, wobei hier „spekulativ“ gerade nicht in einem negativ konnotierten Sinne gemeint ist, sondern schlicht den Umstand bezeichnet, dass der Bieter nicht sicher sein kann, wie die Mengen sich verhalten werden und was das für seine Stückkosten bedeuten wird. Er „spekuliert“ in diesem weiteren Sinne immer darauf, dass es gut herauskommt, sobald er einen Vertrag eingeht, in dem sein Vertragspartner nicht seine effektiven Kosten zuzüglich allenfalls eines Gewinnanteils zu vergüten verspricht, sondern einen von den Kosten letztlich in irgendeinem Sinne abstrahierten Preis (Festpreis), dem „naturnotwendig“ ein Risiko der Verhältnisänderung oder der unzutreffenden Prognose innewohnt. BRT 2011 155 156 Martin Beyeler grundsätzlichen Einheitspreisvereinbarung nicht abgenommen, denn dem trägt die der Natur des Einheitspreises entsprechend mit der Mengendivergenz automatisch eintretende Veränderung der Vergütung weder bei einer Mengenminderung noch bei einer Mengenmehrung in irgendeiner Weise Rechnung. Die Vergütung wird so berechnet, als seien die Stückkosten gleich geblieben, denn pro Leistung wird genau der gleiche Preis auf die veränderte Menge angewandt, wiewohl der Preis zu anderen Stückkosten kalkuliert wurde. Das ist ein gewöhnlicher Bestandteil der Einheitspreisvereinbarung (vgl. aber Art. 373 Abs. 2 OR; Art. 86 SIA-Norm 118) – überhaupt steht dem Stückkostensteigerungsrisiko des Bieters auch eine Chance gegenüber, dass eine Mengendivergenz eintreten wird, die ganz im Gegenteil zu einer Senkung der Stückkosten führt. Den entsprechenden Rentabilitätsgewinn darf der Leistungserbringer behalten, wie er das Stückkostenrisiko grundsätzlich selber tragen muss. Selbst wenn im Einzelfall der Art. 373 Abs. 2 OR oder die spezifische Preisanpassungsregel des Art. 86 SIA-Norm 118 (oder etwas Ähnliches) gelten, verbleibt dem Leistungserbringer im Grunde immer zumindest ein Stückkosten-Restrisiko. Solange tatsächlich ein Einheitspreis (und nicht schlicht voller Kostenersatz zuzüglich allenfalls eines Gewinnanteils) vereinbart wurde, ist dieser in keinem Fall bei jeder noch so geringen Mengendivergenz anzupassen, sondern deckt immer ein gewisses Spektrum verschiedener Möglichkeiten fix ab; jede vertragliche Anpassungsregel betreffend Mengendivergenzen unter Einheitspreispositionen setzt die Erreichung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle voraus, ansonsten begrifflich nicht ein Einheitspreis vorliegt, sondern Aufwandentschädigung, allenfalls mit einem Gewinnanteil. Zum Gesagten tritt hinzu, dass gerade öffentliche Auftraggeber heutzutage den Art. 86 SIA-Norm 118 überaus häufig wegbedingen (und damit in der Regel auch, im Rahmen des Möglichen, den Art. 373 Abs. 2 OR), so dass die Bieter das volle Stückkostenrisiko ohne Korrekturmöglichkeit selbst in gravierenden Fällen tragen sollen. Das Zürcher Verwaltungsgericht hat im beurteilten Fall zwar erkannt, dass der Auftraggeber genau so ausgeschrieben hatte (Wegbedingung jeglicher Preisanpassungsmöglichkeit),50 doch hat es das nicht zum Anlass genommen, das in solchen Fällen besonders akzentuierte Stückkostenrisiko zu würdigen, das ein Einheitspreise vereinbarender Bieter berücksichtigen muss, wenn er betriebswirtschaftlich vernünftig offerieren will. Das überging das Gericht in seinen Ausführungen meiner Ansicht nach zu Unrecht, wiewohl sein Entscheid im Ergebnis richtig erscheint, indem der Ausschluss einer erwiesenermassen in erheblichem Umfang Umsatz aus Einheits- in Pauschalpreispositionen umlagernden Offerte geschützt wurde. Hierin liegt eine Verletzung von Preisbildungsvorschriften, die wohl auch im konkreten Fall gegolten hatten, und diese Verletzung wiederum hätte, weil sie nicht ganz geringfügig war, den Ausschluss des fraglichen Bieters schon alleine gerechtfertigt. Das Gericht hätte daher gar nicht zusätzlich (und unzutreffend) ausführen müssen, der Bieter müsse seine Kalkulation ausschliesslich auf die Annahme abstellen, die ausgeschriebenen Mengen entsprächen mit Gewissheit den tatsächlich zu leistenden Mengen. Die Ausführungen des Gerichts sind daher meines Erachtens insofern zu präzisieren, dass es keinem Bieter verwehrt sein kann – und ohnehin keinerlei Spekulation, Treuwidrigkeit oder sonstige Unkorrektheit, sondern kaufmännisch vernünftiges Verhalten darin liegt –, wenn ein Bieter eigene Annahmen über die tatsächlichen Mengen trifft, hieraus Annahmen über die möglichen Veränderungen seiner Stückkosten ableitet und sodann einen entsprechenden Preis kalkuliert und offeriert, welcher jedenfalls den nicht unwahrscheinlichen Alternativszenarien insofern Rechnung trägt, als ein Preis erhöht wird, wenn als Folge von Mengendivergenzen Stückkostensteigerungen nicht unwahrscheinlich sind, und als ein Preis gesenkt wird, wenn gegenteilig Stückkostenverminderungen erwartet werden dürfen. Soweit allerdings 50 VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.2: „Vorliegend legten die Ausschreibungsunterlagen der Beschwerdegegnerin … fest, dass entgegen der Regel der SIA-Norm 118 bei veränderten Mengen ungeachtet der Grösse der Veränderung keine Preisänderungen geltend gemacht werden können“. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation Preisanpassungsregeln wie jene des Art. 86 SIA-Norm 118 oder des Art. 373 Abs. 2 OR zum Zuge kommen werden und das Stückkostenrisiken im entsprechenden Umfang auf den Auftraggeber übergeht, braucht der Bieter sich nicht zu wappnen, und wenn er es gleichwohl tut, ist das allenfalls bei der Anwendung der fraglichen Regeln zu berücksichtigen. Im gleichen Sinne darf ein Bieter ohne weiteres (und ohne diesbezügliches Ausschlussrisiko) in einer bestimmten Preisposition (gleich welcher Art) dem Umstand Rechnung tragen, dass in einer anderen Position (gleich welcher Art) eine Verhältnisänderung (im Vergleich zur Ausschreibung) mit einiger Wahrscheinlichkeit stattfinden wird, welche gegebenenfalls Konsequenzen nicht nur auf die unmittelbar betroffene, sondern auch auf die andere (erstgenannte) Position hat: Falls die Stückkosten einer Einheitspreisposition steigen, sofern sich unter einer anderen Einheitspreisposition Mengendivergenzen ergeben, selbst wenn die erste Position in den Mengen insofern stabil bleibt, so darf auch in dieser ersten Position dem fraglichen Risiko Rechnung getragen werden; und je wahrscheinlicher die Verwirklichung des Risikos ist, desto eher ist es auch vernünftig, diesem durch eine entsprechende Einrechnung einer Risikoprämie Rechnung zu tragen, gerade auch in der nicht unmittelbar betroffenen Position (denn die andere Position fällt mitunter ganz weg, so dass die Prämie so gerade dann nicht realisiert werden könnte, wenn sie sich als gerechtfertigt erweist). Das Zürcher Verwaltungsgericht hätte die hier kritisierte Passage nach dem Gesagten differenziert ausgestalten können, so dass nicht der Anschein erweckt worden wäre, die Bieter müssten die ausgeschriebenen Mengen zwingend als wahr supponieren und müssten ihre Preise in blindem Vertrauen darauf offerieren (widrigenfalls ihre Offerten ausgeschlossen würden). Dafür hätte ein Hinweis darauf genügt, dass die Bieter gemäss einer mit der Ausschreibung von Einheitspreisen ganz regelmässig einhergehenden, mindestens impliziten Preisbildungsregel gehalten sind, jedenfalls die direkten Aufwendungen für bestimmte Leistungen dort einzurechnen, wo ein Preis für diese Leistungen zu offerieren ist. Wenn die Auslegung der Ausschreibung ergibt, dass eine solche Regel gilt, oder wenn die Bieter den Auftraggeber ansonsten richtig verstanden haben, so ist zu beachten: Jeder Aufwand ist, allenfalls mit einer Risiko- und Gewinnmarge, unter jener Position in einen Preis einzurechnen (oder überhaupt nicht einzurechnen), in welcher er ausdrücklich beschrieben wird – ansonsten liegt grundsätzlich eine ausschreibungswidrige Offerte vor. Nicht ausdrücklich beschriebener Aufwand ist dort einzurechnen, wo er der Sache nach einem beschriebenen Aufwand am nächsten kommt. Allgemeiner Aufwand aber, der im Hintergrund oder in der Infrastruktur und Administration der Leistungserbringung anfällt, der in keiner Position ausdrücklich oder implizit beschrieben wird und der mit keiner der spezifisch zu bepreisenden Leistungen direkt zusammenhängt (sondern eher mit der Leistungserbringung als Gesamtes), darf vom Bieter dort eingerechnet werden, wo er es für richtig hält, solange das im Ergebnis zu einer Abrechnung dieses Aufwands führt, die in Übereinstimmung mit dem sich aus den sonstigen vertraglichen Vergütungsmodalitäten ergebenden Gleichgewicht steht. Das heisst insbesondere, dass mengenabhängiger allgemeiner Aufwand, der vom Auftraggeber nicht angesprochen wird, in der Regel in mengenabhängig abzurechnenden Positionen einzurechnen ist, gleichbleibender Aufwand nach Möglichkeit in einer Pauschalposition und zeitabhängiger Aufwand am ehesten in einer nach Zeit, sonst aber pauschal vergüteten Position. Vom Bieter aber mehr zu verlangen – namentlich, dass er unter Androhung des Ausschlusses aus dem Verfahren wichtige und legitime betriebswirtschaftliche Überlegungen bei der Preiskalkulation ausser Acht lassen solle –, ist weder nötig noch zulässig; die Bieter dürfen insbesondere kaufmännisch vernünftige Konsequenzen aus erkannten Reserven ziehen, wenn sie darin ein Risiko für eine Steigerung ihrer Stückkosten erkennen – und überhaut dürfen sie alle gewöhnlich mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Mengendivergenzen in der Preiskalkulation berücksichtigen, sei das über eine Steigerung oder über eine Senkung ihrer Preise und unter Eingehung der damit verbundenen Risiken. Dazu muss es ihnen vergaberechtlich auch erlaubt sein, bestimmte Fixkosten, für die der Auftraggeber keine entsprechende Position ausgeschrieben hat und die in Einheitspreisen einzurechnen sind, nicht BRT 2011 157 158 Martin Beyeler auf solche Positionen zu schlagen, von denen der Bieter mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen muss, dass sie entfallen oder jedenfalls erhebliche Mengenverminderungen erfahren werden, ohne dass das die fraglichen Fixkosten berühren oder massgeblich verringern würde. Und wo der Auftraggeber für sie risikoreiche Preisbildungsregeln aufstellt, dürfen die Bieter in der fraglichen Position oder anderswo eine Risikoprämie einrechnen. All dies ist nicht Spekulation, sondern legitimes Verhalten, das vergaberechtlich nicht zum Ausschluss führen kann. 2. Zur Margenspekulation Die vorstehenden Ausführungen zur Umlagerung von Umsätzen von Einheitspreis- in Pauschalpositionen halten schon praktisch alle Elemente bereit, aus denen eine Antwort zur vergaberechtlichen Behandlung der Margenspekulationen herzuleiten ist. Diese Art der Spekulation beruht im Grundsatz immer auf der ungewöhnlichen Überhöhung eines Preises (oder mehrerer Preise) und darauf, dass diese Überhöhung im Angebotsvergleich aus bestimmten Gründen praktisch oder gar nicht ins Gewicht fällt. Die Überhöhung geschieht aber in der Erwartung, dass der betroffene Preis aufgrund einer bestimmten Verhältnisänderung später tatsächlich überhaupt oder viel mehr zum Tragen kommt, als das für die Zwecke des Angebotsvergleichs angenommen wird. a) Spekulation auf Eventual- oder Alternativpositionen Betreibt ein Bieter eine Margenspekulation auf einer Eventual- oder Alternativposition (insbesondere: sogenannte „Per-Position“), die gemäss dem vom Auftraggeber gewählten Bewertungssystem nicht (oder jedenfalls ohne angenommene Menge, die grösser als 1 wäre) in die dem Angebotsvergleich dienende provisorische Gesamtvergütung einfliesst, von der aber der Bieter erwartet, dass sie tatsächlich zur Ausführung kommen wird, so liegt hierin grundsätzlich nichts, was einen Ausschluss vom Vergabeverfahren rechtfertigen könnte. Denn es ist keinem Bieter verboten, hohe Preise zu offerieren. Der Umstand, dass die hier interessierenden Eventual- oder Alternativpositionen nicht bewertet werden (wenn das zutrifft), ändert nichts daran, dass ganz allgemein gilt: Hohe Preise sind nicht per se unzulässig. Es ist am Auftraggeber zu bestimmen, welche Positionen er messen will. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein öffentlicher Auftraggeber den vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsgrundsatz wohl verletzt, wenn er Eventual- oder Alternativpositionen nicht in den Angebotsvergleich einbezieht, welche mit mehr als nur ganz geringer Wahrscheinlichkeit zum Zuge kommen und dabei einen Vergütungsumfang einnehmen werden, der im Vergleich zur Gesamtvertragssumme nicht ganz unerheblich ist. Der Auftraggeber ist unter dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gehalten, nicht nur beispielsweise vertragliche Optionen, sondern auch relativ wahrscheinliche Eventual- oder Alternativszenarien mit nicht unerheblichen Auswirkungen in die Bewertung einfliessen zu lassen. Gleichwohl heisst das nicht, dass der Bieter einen Ausschlussgrund setzte, wenn er Preise mit hohen Margen offeriert. Und die grundsätzlich freie Bestimmung der Höhe des Preises wird dem Bieter auch dann nicht genommen, wenn der Auftraggeber es (ggf. in Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes) unterlässt, bestimmte Positionen zu bewerten, obschon sie erhebliche Beträge ausmachen und zudem auch nicht ausgeschlossen oder gänzlich unwahrscheinlich ist, dass sie zum Zuge kommen werden. Will der Auftraggeber Risiken, die sich aus der Margenspekulation auf nicht bewerteten Eventual- oder Alternativpositionen ergeben können, vermeiden, hat er diese Positionen mit einigermassen realistischen Mengenangaben, allenfalls gewichtet mit ihrer Wahrscheinlichkeit, in die Bewertung einzubeziehen; das verunmöglicht jede Margenspekulation. Vorausgesetzt ist allerdings, dass diese Vorgehensweise ausgeschrieben wurde oder sie in zulässigen Verhandlungen (vgl. insb. Art. 20 BöB und Art. 26 VöB) nachträglich noch angeordnet werden kann. Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation Vorbehalten bleibt der Ausnahmefall, in dem die Ausgestaltung einer bestimmten Leistungsposition als Eventual- oder Alternativposition in technischer Hinsicht und mit Blick auf das ausgeschriebene Projekt offenkundig einen Irrtum des Auftraggebers darstellt, weil sicher ist, dass diese Position zur Ausführung kommt, und zugleich feststeht, dass der Auftraggeber die formale Ausgestaltung der Position als nicht bewertete Eventual- oder Alternativposition in irrtümlicher Verkennung dieser Sicherheit gewählt hat – diesfalls kann in der Nichtmitteilung dieses Fehlers allein schon eine den Ausschluss des Bieters rechtfertigende Treuwidrigkeit liegen. b) Spekulation auf geringen Mengen Dasselbe wie für die Spekulation auf Eventual- und Alternativpositionen gilt im Grunde auch für Margenspekulationen auf geringen Mengen – hier geht es um Positionen, die durchaus in die Bewertung einfliessen, so dass es dem Bieter wie bei der Überhöhung von Eventual- oder Alternativpositionen erst recht nicht verboten sein kann, eine überhöhte Marge zu offerieren. Allerdings findet eine Spekulation auf geringen Mengen in praxi gemeinhinnur dann statt, wenn der Bieter mit einer tatsächlich ganz erheblichen Wahrscheinlichkeit auf seiner Seite eine ganz deutliche Mengensteigerung (tatsächliche Mengen verglichen mit den ausgeschriebenen Mengen) unter der betroffenen Position erwartet, und das ist regelmässig dann der Fall, wenn der Auftraggeber in der Ausschreibung einen bereits ex ante objektiv sicher oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als solchen feststellbaren Fehler begangen hat; konkret: wenn der Auftraggeber die geringe Menge in der fraglichen Position irrtümlich und in objektiv schon zum Vorhinein feststellbar falsch angesetzt hat. In solchen Fällen ist der Bieter, der erkennt, dass die ausgeschriebene Menge deutlich oder gar um Grössenordnungen zu tief liegt, aus seiner vorvertraglichen Treuepflicht zur Aufklärung des Auftraggebers gehalten; das gilt, sobald der Bieter den Fehler erkannt hat, ganz losgelöst davon, ob er passiv bleibt oder ob er auf dem Fehler eine Spekulation aufbaut. Einen Bieter, der sich die Treuwidrigkeit zuschulden kommen lässt, den Auftraggeber nicht über objektiv feststellbare Fehler aufzuklären – und a fortiori einer, der hierauf Spekulation betreibt – darf die Vergabestelle ausschliessen. c) Kombiniertes Auf- und Abpreisen Margenspekulationen, die auf einem kombinierten Auf- und Abpreisen verschiedener (in die Bewertung einfliessender) Einheitspreispositionen beruhen, verletzen in aller Regel implizite oder explizite Preisbildungsregeln des Auftraggebers. Dies, weil sie darauf beruhen, dass Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Leistung gemäss einer bestimmten Position anfallen, nicht in dieser Leistungsposition, sondern unter einer anderen Position in den Einheitspreis eingerechnet werden. Das widerspricht der sich aus der Ausschreibung mehrerer Einheitspreise regelmässig zumindest implizit ergebenden Regel, wonach alle Aufwendungen im Zusammenhang mit bestimmten Leistungen in jener Position einzurechnen sind, welche die Leistung beschreibt, zu der die Aufwendungen gehören und mit der sie am engsten zusammenhängt. Wer etwa Aufwand, der sich beim Betonieren ergibt, in der Position für den Aushub einer Baugrube einrechnet (und mithin die Betonposition künstlich abpreist und die Aushubposition künstlich aufpreist), verletzt wohl die in der Ausschreibung der beiden betroffenen Positionen implizit enthaltene Regel, wonach der Aufwand für das Betonieren in der Betonier-Position (soweit vorhanden) einzurechnen ist (oder überhaupt nicht einzurechnen ist) - und nicht in Positionen, die andere Leistungen beschreiben, mit denen der fragliche Aufwand nichts zu tun hat. Das bedeutet, dass eine Offerte, in der mehrere Einheitspreise in Verletzung der entsprechenden Preisbildungsregeln kombiniert auf- und abgepreist worden sind, letztlich unabhängig von der Frage, ob der Bieter damit Spekulation betreiben wolle, ausgeschlossen werden kann, wenn ein nicht unerhebliches Risiko für den Eintritt von nicht unerheblichen, für den Auftraggeber negativen Wirkungen (jenseits seiner gewöhnlichen Geschäftsrisiken) besteht. Die BRT 2011 159 160 Martin Beyeler Konkurrenten eines so die vorgegebene Preisbildung missachtenden Bieters können den Ausschluss dann verlangen, wenn das Vergaberisiko erheblich ist, wenn also mit erheblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass sich die tatsächlichen Mengen deutlich anders einstellen werden, als es ausgeschrieben ist, und dass unter Berücksichtigung dieser wahrscheinlichen Mengen eine andere Offerte den Zuschlag erhielte. 3. Zur Vergabespekulation Die Vergabespekulation zielt nicht darauf ab, eine grössere Rentabilität zu erreichen als gewöhnlich, sondern durch (vergleichsweise risikoarmes) Abpreisen bestimmter Positionen für die Zwecke des Angebotsvergleichs eine Rentabilität zu offerieren, die (aus Sicht des Bieters) deutlich tiefer liegt als jene, die tatsächlich angestrebt wird, und darauf zu zählen, dass die abgepreisten Positionen überhaupt nicht oder jedenfalls nur in unmassgeblichem Umfang zur Ausführung kommen werden – so dass die tatsächliche Rentabilität wiederum auf ein gewöhnliches Niveau kommt. Steht hinter einer Vergabespekulation eines Bieters dessen Entdeckung eines bereits ex ante und objektiv mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als solchen feststellbaren Fehlers des Auftraggebers, so kann der Auftraggeber den Bieter vom Verfahren ausschliessen, wenn dieser das Entdecken des Fehlers in Verletzung seiner vorvertraglichen Treuepflichten nicht mitgeteilt hat. Dass er darauf auch noch eine Vergabespekulation aufbaut, verstärkt die Treuwidrigkeit seines Verhaltens, ist bei bewusstem Verschweigen der Entdeckung eines Fehlers genau genommen aber gar nicht mehr massgeblich. Wo dagegen die Vergabespekulation nicht auf der Gewissheit (oder Quasi-Gewissheit) des Bieters darüber beruht, dass der Auftraggeber einen Fehler begangen hat, sondern schlicht auf einer abweichenden Annahme des Bieters, die mitunter gar unwahrscheinlicher ist als die auftraggeberische Annahme (jedenfalls aber nicht sehr viel wahrscheinlicher), so wird kein Fehler ausgenützt, sondern Spekulation im eigentlichen Sinne betrieben, denn diesfalls übernimmt der Bieter ein nicht zu vernachlässigendes Risiko, dass seine Annahmen nicht aufgehen und er daher am Ende mit derjenigen (für ihn an sich zu tiefen) Gesamtrentabilität leisten muss, die sich aus seiner Offerte unter Zugrundelegung der Annahmen des Auftraggebers ergeben hat. Er muss mitunter verlustträchtig arbeiten. Gerade diese Risikoübernahme zeigt, dass der Bieter bei einer Vergabespekulation, die nicht auf der Ausnützung klarer Fehler beruht, nichts tut, das sich von sonstigem wettbewerblichem Verhalten qualitativ entscheidend abhöbe. Es steht jedem Bieter grundsätzlich frei, welchen Preis er mit welchem Risiko kalkulieren will. Vergabespekulation als solche verletzt keine Preisbildungsregeln. Darum kann - unbeschadet der Vorschriften über die Unterangebote - nicht jede Vergabespekulationsofferte, die keine klaren Fehler ausnützt, ausgeschlossen werden. Nur dann, wenn erstens eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Gelingen der Vergabespekulation besteht (das heisst: für ein Entfallen der abgepreisten Position, für ein Zusammenbrechen oder zumindest einen deutlichen Rückgang der hier zu leistenden Mengen), ohne dass die Annahme des Auftraggebers deswegen rundheraus als falsch bezeichnet werden müsste, und wenn zweitens feststeht, dass unter der Annahme dieser Mengendivergenz und unter Berücksichtigung aller Zuschlagskriterien ein anderer Bieter den Zuschlag erhalten müsste (weil der spekulierende Bieter bei Zugrundelegung seiner eigenen Mengenannahmen gar nicht mehr so günstig offerieren würde, wie das unter den Annahmen des Auftraggebers den Anschein macht), ist eine Vergabespekulationsofferte auszuschliessen.51 In den anderen Fällen, insbesondere bei äusserst geringer Wahrscheinlichkeit 51 Vgl. VGer ZH VB.2008.00339 (14.01.2009), E. 2 und E. 3 (vgl. FN 9): Hier wurde hingegen eine Vergabespekulationsofferte deswegen ausgeschlossen, weil eine nicht unerhebliche Gefahr bestand, dass der Bieter zu äusserst verlustträchtigen Preisen leisten müsste, was eine Schlechtleistung befürchten liess. Dazu trat, dass der Bieter aufgrund der Natur des zur Frage stehenden Planungsauftrags in den ersten Phasen der Leistungserbringer einen gewissen Einfluss auf die letztlich honorarbestimmende Höhe der Baukosten gehabt Schweizerische Baurechtstagung 2011 Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation des Gelingens der Spekulation, kann der Auftraggeber nicht die wirtschaftlich günstigste Offerte wegen einer Vergabespekulation ausschliessen, nur weil diese am Ende womöglich etwas teurer wird, solange sie auch unter dieser Annahme noch die vergleichsweise wirtschaftlich günstigste ist und kein klarer Fehler ausgenützt wird. V. Der Ausblick Spekulative Offerten sind vertragsrechtlich grundsätzlich vollumfänglich gültig, führen aber manchmal zur Anfechtbarkeit des Vertrags und können vom Erklärungsempfänger zumindest nach vertragsrechtlichen Massstäben ohne weiteres abgelehnt werden. Der an Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit gebundene öffentliche Auftraggeber allerdings darf Offerten nur in Übereinstimmung mit dem öffentlichen Vergaberecht ablehnen beziehungsweise vom Verfahren ausschliessen. In den vorstehenden Ausführungen wird gezeigt, dass verschiedene Arten von Spekulationsofferten, wenn es sich denn tatsächlich um solche handelt, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können (manche müssen gar ausgeschlossen werden), manche aber nicht, weil kein Grund dafür ersichtlich ist und ein Ausschluss daher diskriminierend wäre. Immer aber, wenn ein klarer Fehler des Auftraggebers durch spekulative Preisgestaltung ausgenützt werden und so zu einem Sonderertrag führen soll, liegt treuwidriges Verhalten vor, das ohne Zweifel einen Ausschlussgrund abgibt. Zugleich ist zu betonen, dass längst nicht jede Spekulation auf Fehlern aufbaut, sondern oftmals schlicht auf andere Annahmen wettet, als der Auftraggeber sie getroffen hat, wobei für beide Hypothesen mehr oder minder gute Gründe gefunden werden können. Wo keine Fehlerausnützung, sondern nur eine andere Einschätzung der Zukunft vorliegt, ist genauer hinzusehen, ob ein Ausschluss begründet sei; die Spekulation alleine reicht hierfür nicht aus, womöglich aber die in ihr gegebenenfalls liegende Verletzung von Preisbildungsvorschriften oder die durch sie erzeugten besonderen Risiken. Die am Anfang dieses Textes zitierten Schreiben wollen die Wirtschaftsteilnehmer darauf aufmerksam machen, dass es vergaberechtliche Mittel gegen viele Formen der Preisspekulation gibt. Dem ist in der Tat so, wenngleich ungewöhnlich tiefe Preise oder Negativpreise für sich genommen noch keine Spekulation darstellen, und obschon es nicht zutrifft, dass die Bieter bei der Kalkulation eines Einheitspreises blind auf die ausgeschriebene Menge abstellen müssen, um nicht ausgeschlossen zu werden. Wenn eine Offerte wegen Spekulation ausgeschlossen werden soll, ist immer genau zu prüfen, ob Preisbildungsvorschriften verletzt wurden oder ob beispielsweise nur in kaufmännisch legitimer Weise alternative Mengenszenarien gebührend berücksichtigt wurden, die sich auf die Stückkosten des Bieters auswirken können. Klar ist allerdings, dass ein Bieter, der in einer auszufüllenden Preisposition vermerkt: „eingerechnet“, damit nach Massgabe der konkret geltenden Submissionsbedingungen in aller Regel eine mindestens implizit zum Ausdruck gebrachte Preisbildungsregel des Auftraggebers verletzt, soweit dieser durch Ausschreibung einer Preisposition mindestens stillschweigend erklärt hat, für die in dieser Position beschriebenen Leistungen einen explizit ausgewiesenen Preis offeriert erhalten und sieht den Umsatz in anderen Positionen „eingerechnet“ haben zu wollen. Ist das erheblich, weil jedenfalls im Ergebnis nicht geringfügig, so kann die fragliche Offerte wegen mangelnder Ausschreibungskonformität ausgeschlossen werden. Ein Leerlassen einer Position kann die Erklärung „eingerechnet“, je nachdem aber auch bedeuten, dass der Bieter die fragliche Leistung gar nicht anbieten will – und auch das wäre ausschreibungswidrig. Lässt der Bieter die Position nicht leer und schreibt auch nicht „eingerechnet“, sondern macht einen waagrechten Strich oder ähnliche Zeichen, so ist hier an sich durch Auslegung zu ermitteln, ob damit „null“, „eingerechnet“ oder „nicht angeboten“ gemeint sei, jedoch ist beides hätte, was vermuten liess, dass er nicht umhinkommen würde, dabei nötigenfalls sein Interesse zu verfolgen und den Interessen des Auftraggebers allenfalls zu schaden. BRT 2011 161 162 Martin Beyeler im konkreten Fall wohl regelmässig als ausschreibungswidrig zu betrachten, so dass es gegebenenfalls auf die genaue Bedeutung gar nicht mehr ankommt.52 Abgesehen davon, dass in der ganzen Thematik der Offertspekulation vor pauschalen Schlüssen abzuraten ist, möchte ich zum Schluss meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass Spekulation, rein empirisch und wertungsfrei betrachtet, umso weniger zu erwarten ist, je sorgfältiger die ausgeschriebenen Projekte ausgearbeitet sind und je mehr den Bietern Gelegenheit gegeben wird, die ihnen unter dem ausgeschriebenen Vertrag tatsächlich erwachsenden Kosten verlässlich zu kalkulieren (was zum Beispiel dadurch verhindert wird, dass namhafte Fixkosten oder erhebliche zeitabhängige Kosten in mengenabhängigen Positionen einzurechnen sind, von denen überdies unklar ist, ob sie mitsamt den ausgeschriebenen Mengen tatsächlich zur Ausführung kommen). Dazu tritt, dass eine Kultur, in welcher möglichst viele Unwägbarkeiten auf die Leistungserbringer abgewälzt werden und sich die Initianten des Geschäfts dieser Risiken entledigen, geeignet ist, bei den Leistungserbringern korrelierend zu den hohen eingegangenen Risiken eine Bereitschaft zur Suche nach exorbitanten Gewinnmöglichkeiten zu fördern. Das soll hier nicht bewertet, aber als Tatsache behauptet werden. Schliesslich: Wer Spekulationspreise ab und an, wenn es geht, zu seinen eigenen Gunsten nutzt (falls die Spekulation schiefgeht), darf nicht annehmen, dass künftige Bieter zwingend davon ausgehen werden, Spekulationsofferten hätten keine Zuschlagschancen. 52 Vgl. etwa BVGer B-1774/2006 (13.03.2007), E. 4.1: „Die Beschwerdeführerin führt … aus, es sei zwar zuzugeben, dass einige Positionen anstelle des Preises ‚0’ einen waagrechten Strich aufweisen. Die entsprechenden Leistungen seien jedoch – soweit sie überhaupt anfallen – angeboten worden … Es sei zwischen drei Kategorien von Positionen zu unterscheiden: Für die einen werde keine Vergütung geltend gemacht, weil diese gemäss dem offerierten Masskonzept gar nicht anfallen würden, für eine zweite sei der Aufwand für einen Teil der Leistungen in andere Positionen eingerechnet worden und für eine dritte werde für die in Frage stehenden Leistungen kein entsprechender Aufwand erwartet“; das Gericht schliesst in E. 4.2 sodann nach meinem Dafürhalten etwas zu schematisch und ohne die erforderliche Bezugnahme darauf, dass dieser Schluss ein Auslegungsergebnis ist, dass die Striche als „nichtofferiert“ zu verstehen seien, als ob trotz eingestandener Umlagerung und damit der Verletzung von Preisbildungsvorschriften der Offertausschluss nicht auch sonst möglich gewesen wäre – das ganz abgesehen davon, dass das Gericht in E. 5 überdies feststellt, dass es sich bei der Offerte um eine angesichts von Art. 22 Abs. 2 aVoeB bzw. Art. 22a Abs. 1 VöB unzulässigerweise ohne Grundangebot eingereichte Variante handelte. Schweizerische Baurechtstagung 2011