Thesen zur Preisspekulation, TU 2011 125 ff.

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Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur
Preisspekulation
Martin Beyeler, Dr. iur., Rechtsanwalt, Bern / Zürich
I.
II.
III.
IV.
V.

Von Empusa, der schönen Blutsaugerin
Die Begriffe
A
Die Angebotsfreiheit
B
Der Einheitspreisvertrag
C
Das Mengengerüst
D
Die unechten Mehr- oder Minderkosten
E
Das Vergaberisiko
F
Die Spekulation
G Drei Hauptgruppen von spekulativen Offerten
1.
Die Vergabespekulation
2.
Die Margenspekulation
3.
Die Verschiebung von Umsatz in Pauschalpositionen
Die Spekulationsofferte im Vertragsrecht
A
Der Grundsatz: Die Gültigkeit
B
Täuschung
C
Übervorteilung
D
Nichtigkeit wegen Widerrechtlichkeit oder Unsittlichkeit?
E
Anfechtung des Vertrags
F
Das Schweigen über klare und erkannte Fehler ist treuwidrig
G Die Spekulation bindet den Bieter immer
Die Spekulationsofferte im Vergaberecht
A
Vorbemerkungen
1.
Nicht jedes bieterische Annehmen ist spekulieren
2.
Die Verletzung von Preisbildungsregeln
B
Der Umgang mit den verschiedenen Spekulationsformen
1.
Zur Umlagerung von Umsätzen in Pauschalpositionen
2.
Zur Margenspekulation
3.
Zur Vergabespekulation
Der Ausblick
Ich danke Frau lic.iur. ANDREA DOMANIG für ihre wachsame Durchsicht und kritische Kommentierung dieses
Textes.
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Martin Beyeler
I. Von Empusa, der schönen Blutsaugerin
Der Zuschlag geht auf das wirtschaftlich günstigste Angebot. Wirtschaftlich günstig ist
namentlich ein tiefer Preis. Wie kam es also, dass der Vorsteher des basel-städtischen Bau- und
Verkehrsdepartements dem Verband der Bauunternehmer Region Basel (BRB) schrieb:
„Positionen mit negativen Einheitspreisen werden nicht akzeptiert und führen zum Ausschluss
der Offerte vom Verfahren“? Und weshalb doppelte der Vorsteher der kantonalen Zürcher
Baudirektion in einem an verschiedene Berufsverbände gerichteten Brief nach: „Die
Unternehmer sollen … auf Null-Franken-Positionen, Minuspositionen und unrealistisch tiefe
Preise im Grundangebot verzichten … Wir behalten uns vor, solche Angebote künftig nicht
mehr zu akzeptieren und sie entsprechend auszuschliessen“? Sind öffentliche Bauherrschaften
an tiefen Preisen etwa gar nicht interessiert?
So paradox es auf den ersten Blick scheinen mag – den Magistraten, die Angebote mit zu tiefen
oder gar negativen Preisen ausschliessen wollen, geht es im Ergebnis durchaus um die
Wirtschaftlichkeit ihrer Beschaffungen: Sie beklagen eine Verfälschung ihrer
Submissionsergebnisse durch anbieterseitige Verwirrspiele, die dazu führen, dass Offerten am
günstigsten scheinen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit gerade ungünstig sind. Die
Regierungsräte haben, mit anderen Worten, das Phänomen der Preisspekulationen aufgegriffen
und wollen diesen offenbar den Kampf ansagen.
Dieses Phänomen ist beileibe nichts Neues, sondern beinahe so alt wie der Angebotsvergleich
und die Vergabe, die nicht auf einem Fixpreis, sondern auf einer anhand von
Leistungsprognosen nur provisorisch gebildeten Vergütungsannahme beruht.
Preisspekulationen bauen auf dieser Natur bestimmter Verträge auf und versuchen sich in der
Kunst, eine Offerte so auszugestalten, dass sie im Zeitpunkt der Vergabe besonders günstig
(oder jedenfalls nicht besonders ungünstig) erscheint, sie aber zugleich mit grosser
Wahrscheinlichkeit für den Auftraggeber erheblich ungünstiger und für den Anbieter erheblich
vorteilhafter sein wird, als bei der Vergabe angenommen wurde. In diesem Sinne erinnert die
Spekulationsofferte an Ἔμπουσα (Empusa), die Dämonin aus der griechischen Mythologie, die
den Männern nach der Überlieferung in der Gestalt einer wunderschönen Frau erschien, um sie
zu verführen und um ihnen nach dem Liebesspiel im Schlaf ihr Blut auszusaugen.1
II.
Die Begriffe
Eine rechtliche Beurteilung von Preisspekulationen ist kaum möglich, ohne dass vorher geklärt
würde, was Spekulation ist und was nicht. Darum werden im Folgenden wichtige Begriffe in
diesem Zusammenhang und verschiedene Formen der Preisspekulation mitsamt ihrer
Wirkungsweise vorgestellt.
A
Die Angebotsfreiheit
Niemand ist verpflichtet, an einer Submission teilzunehmen und eine Offerte abzugeben.
Das gilt genau gleich für die Vergaben privater wie auch für jene öffentlicher Auftraggeber.
Überdies ist jeder, der an einer Submission teilnimmt und ein Angebot unterbreitet, im Rahmen
der vertragsrechtlichen Gültigkeitsvorschriften (Art. 19 f. OR) vollkommen frei darin, wie er
sein Angebot ausgestalten will; insbesondere, ob er einen hohen oder einen tiefen Preis für seine
1
Vgl. C.M. Wielands Sämtliche Werke, Vierter Band, Der neue Amadis, Erster Theil, Leipzig 1794, S. 237: „Die
Empusa ... hatte einen Menschen- und einen Eselsfuss, konnte alle möglichen Gestalten annehmen, und frass die
kleinen Kinder, wenn sie nicht fromm seyn wollten. Der Sofist Filostratus schämte sich nicht, im Leben des
Apollonius von Tyana in vollem Ernst ein Märchen von einer solchen Empuse zu erzählen, welche der Filosof
Menippus geheirathet haben würde, wenn Apollonius nicht zu gutem Glücke am Hochzeittage dazu gekommen
wäre, und die Braut gezwungen hätte, ihren Eselshuf zu zeigen, und zu bekennen, dass sie den Menippus aus
keinem anderen Grunde an sich gelockt habe, als um ihn erst recht gut zu füttern und dann aufzuessen“.
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Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
Leistungen verlangen will.2 Diese beiden Grundsätze sind direkter Ausfluss der Vertragsfreiheit,
wonach rechtlich niemand gezwungen ist, Verträge einzugehen, und noch weniger, seinen
Verträgen einen bestimmten Gehalt zu geben (wenn nicht das zwingende Vertragsrecht es
verlangt).
Trotz aller rechtlichen Vertrags- und Angebotsfreiheit sind bei öffentlichen Auftragsvergaben
zwei faktische Zwänge nicht zu verkennen: Zunächst gibt es Branchen wie insbesondere den
Untertagebau, die aufgrund der Natur ihrer Leistungen praktisch ausschliesslich von
öffentlichen Aufträgen leben, weil fast nur die öffentliche Hand solche Leistungen nachfragt.
Unternehmen dieser Branchen sind, wenn sie im fraglichen Bereich überleben wollen, faktisch
gezwungen, sich um öffentliche Aufträge zu bewerben. Sodann sind alle Unternehmen aller
Branchen faktisch gezwungen, vergaberechtlich gültige Offerten einzureichen, wenn sie sich an
öffentlichen Vergabeverfahren beteiligen, ansonsten ihnen der Verfahrensausschluss droht und
sie den Auftrag nicht erhalten können.
Diese Zwangslagen sind real, ändern aber nichts daran, dass es rechtlich jedem unbenommen
bleibt, sich von einer Submission fernzuhalten, oder dort teilzunehmen, sich aber gleichwohl
nicht an die aufgestellten Regeln zu halten und anders zu offerieren als gewünscht. Mithin
greift ein öffentlicher Auftraggeber, der „Vorschriften“ darüber aufstellt, wie ein Angebot
geartet sein und welchen Inhalt es aufweisen „muss“, nicht in die Angebotsfreiheit der
potentiellen Bieter ein, sondern setzt dieser Freiheit faktische Schranken, weil er die Grenzen
diktiert, innerhalb deren die Freiheit ausgeübt werden kann und dennoch Chancen auf den
Auftrag erworben werden können. Mit Blick auf die Angebotsfreiheit der Bieter stellt sich also
vergaberechtlich nie die Frage, ob der öffentliche Auftraggeber mit seinen Angebotsregeln die
Angebotsfreiheit verletze (denn das könnte der Auftraggeber gar nicht), sondern lediglich, ob
eine bestimmte Vorgabe des Auftraggebers vergaberechtskonform (insb. nicht-diskriminierend),
kartellrechtskonform und im Übrigen aus Sicht der Interessen des Auftraggebers
betriebswirtschaftlich vernünftig sei.
B
Der Einheitspreisvertrag
Einheitspreisvertrag ist in abstrahierender Anlehnung an die Definition des Art. 42 Abs. 2
Satz 1 SIA-Norm 1183 jeder Vertrag in irgendeiner Branche, in dem mit Bezug auf mehrere4
Teilleistungen (Positionen) je ein separater Preis (Einheitspreis) vereinbart wird, der nicht direkt
die für die fragliche Leistung geschuldete Vergütung repräsentiert, sondern zur Ermittlung der
Vergütung zunächst mit einer bestimmten Anzahl an Leistungseinheiten (Menge)
multipliziert werden soll. Erst anhand dieser nach dem Vertragsschluss festgestellten Grössen
und des Ergebnisses der Multiplikation soll sich im Einheitspreisvertrag die genaue
Gesamtvergütung des Leistungserbringers bestimmen.5 Ob dieser Vertrag noch weitere
Leistungspositionen enthalte, über die auf andere Weise abgerechnet werden soll – insbesondere
pauschal, also gerade unabhängig von der tatsächlich zu leistenden Menge –, ist für den Begriff
des Einheitspreisvertrages unerheblich (vgl. auch Art. 42 Abs. 2 SIA-Norm 118); massgeblich
ist nur, dass ein Vertrag (auch) Einheitspreise enthält, denn das führt in jedem Fall dazu, dass
2
3
4
5
Vgl. auch VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1: Die „Kalkulation der Angebotspreise [ist] Sache des
anbietenden Unternehmers, und die Art und Weise, wie er seinen Aufwand in Einheitspreise umrechnet, steht ihm
grundsätzlich frei“; gleichlautend VGer ZH VB.2003.00256 (03.12.2003), E. 4.
Art. 42 Abs. 2 Satz 1 SIA-Norm 118 im Wortlaut: „Als Einheitspreisvertrag gilt jeder Werkvertrag, bei dem für
alle oder für einen Teil der Leistungen Einheitspreise vereinbart sind“.
Selbst ein Vertrag, der nur einen einzigen Einheitspreis enthält, ist ein Einheitspreisvertrag; allerdings interessiert
ein solcher Vertrag im vorliegenden Text nicht speziell, da er gerade nicht die Eigenschaft hat, um die es hier
geht, nämlich dass sich die Gesamtvergütung von mehreren unterschiedlichen Angeboten je nach Annahme der
tatsächlichen Mengen ganz unterschiedlich verhält.
Vgl. Art. 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SIA-Norm 118: „Der Einheitspreis bestimmt die Vergütung für eine einzelne
Leistung, die im Leistungsverzeichnis als besondere Position vorgesehen ist. Er wird je Mengeneinheit
festgesetzt, so dass sich die für die Leistung geschuldete Vergütung nach der … festgestellten Menge ergibt“.
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die Gesamtvergütung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ganz unabhängig von der Möglichkeit
späterer Bestellungsänderungen noch nicht genau auf Franken und Rappen feststeht.
Terminologisch sind Einheitspreise zumeist im Bauwesen anzutreffen; vom Begriff her
existieren sie aber unter diversen Namen auch in zahlreichen weiteren Wirtschaftsbereichen.
Letztlich liegt dem beschriebenen Wesen nach überall da ein Einheitspreis vor, wo die Parteien
vereinbaren, dass ein bestimmter Preis pro bestimmte Leistungsmenge gelten soll, zugleich aber
nicht oder jedenfalls nicht genau festgelegt ist, sondern der späteren Feststellung überantwortet
wird, welche genaue Menge an Leistungen nun zu diesem Preis vergütet wird und wie hoch
mithin die tatsächliche Vergütung des Leistenden ist. Wer Stundenlöhne und zeitabhängige
Honoraransätze, aber keine genaue Menge vereinbart, schliesst in diesem Sinne einen
Einheitspreisvertrag ab; genau gleich liegen die Dinge, wenn Stückpreise, aber keine genaue
Gesamtmenge vereinbart werden, insbesondere auch in Rahmenverträgen.
C
Das Mengengerüst
Bei allen Einheitspreisverträgen im beschriebenen Sinne muss zur Sicherstellung einer gewissen
Verlässlichkeit des Angebotsvergleichs und der darauf basierenden Auswahl eines
Zuschlagsempfängers für jede Leistungsposition eine Mengenannahme (Mengengerüst;
Vorausmass) getroffen werden, aufgrund deren provisorische Gesamtvergütungen errechnet und
die Offerten alsdann anhand dieser Summen verglichen werden.6 Ein Vergleich dagegen, der
ohne solche Annahmen vorgenommen würde und nur darauf basierte, die einzelnen Preise
nominal zusammenzuzählen, wäre unseriös, sobald klar ist, dass die tatsächliche Menge nicht in
allen Positionen genau gleich gross sein wird (z.B. überall 25), was kaum je zutrifft. Denn in
diesem Fall können schon nur allein deswegen, weil verschiedene Bieter in den verschiedenen
Positionen unterschiedlich hohe Preise offerierten, je nachdem, welche Mengen für die
einzelnen Positionen angenommen werden, ganz unterschiedliche Angebote am günstigsten
erscheinen. Ein Vergleich, der bei dieser Sachlage auf überhaupt keinen Mengenannahmen
beruht, führt zu einem Ergebnis, bei dem nicht einmal eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür
besteht, dass das am günstigsten scheinende Angebot bei einer Abrechnung unter den
tatsächlichen Mengen tatsächlich das günstigste sein wird. Wenn ein Privatunternehmen
gegebenenfalls so vorgehen wollte, stünde das diesem Unternehmen frei. Doch ein öffentlicher
Auftraggeber darf in allen Wirtschaftsbereichen, in denen er öffentliche Aufträge in der Form
eines Einheitspreisvertrages vergibt, zum Schutz der Verlässlichkeit der Richtigkeit der Vergabe
und damit auch im Interesse von Wirtschaftlichkeit und Gleichbehandlung einen Zuschlag nur
auf der Grundlage eines mithilfe von Mengenannahmen vorgenommenen Angebotsvergleichs
erteilen.
Wenngleich klar ist, dass bei Einheitspreisverträgen nur derjenige Offertvergleich seriös und
verlässlich ist, der auf einer Mengenannahme und auf der damit für jede Offerte individuell
errechneten provisorischen Gesamtvergütung beruht, so ist ebenso klar, dass jede
Mengenannahme eine Prognose ist, die allenfalls fahrlässig oder gar absichtlich unsorgfältig
ausgeführt worden ist und die in jedem Fall ganz ungeachtet solcher Dinge einen fallspezifisch
mehr oder weniger breiten Streubereich verschiedener Werte mit ungefähr gleich grosser
Wahrscheinlichkeit mit sich bringt. Das heisst, die Mengenannahme, die der Auftraggeber für
den Angebotsvergleich und die Kür des wirtschaftlich günstigsten Angebots trifft, kann sich ex
post als unzutreffend erweisen, weil sie zwar mit aller Sorgfalt vorgenommen wurde, die
tatsächliche Menge aber innerhalb des Streubereichs neben der Annahme liegt, oder weil sie in
dem Sinne nachgerade falsch war, dass sie schon ex ante anders gelautet hätte, wenn tatsächlich
sorgfältig nach der wahrscheinlichsten Hypothese gesucht worden wäre. Weil nun aufgrund des
Wesens des Einheitspreises die tatsächlichen Mengen die tatsächlich zu bezahlende Vergütung
6
Vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 SIA-Norm 118: „Das [Leistungs-]Verzeichnis beschreibt jede Leistung unter Angabe
von Materialqualitäten und voraussichtlichen Mengen …“; Art. 39 Abs. 1 Satz 3 SIA-Norm 118: „Im
Leistungsverzeichnis ist die zu jeder Leistung gehörende Menge aufgeführt, wie sie der Bauherr zur Zeit der
Ausschreibung erwartet“.
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Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
direkt beeinflussen, geht mit jedem Abschluss eines Einheitspreisvertrags das Risiko (und die
Chance) einher, dass die tatsächlich insgesamt zu bezahlende Vergütung höher (oder tiefer) liegt
als angenommen. Die Mengenannahme ist für die Vergabe von Einheitspreisverträgen zwar
immer erforderlich und führt zu einer viel höheren Verlässlichkeit des Offertvergleichs, doch
vermag auch alle Sorgfalt beim Treffen der Annahme nicht zu verhindern, dass die tatsächlichen
Mengen schliesslich andere sind als die angenommenen, so dass auch die tatsächliche
Vergütung eine andere ist.
D
Die unechten Mehr- oder Minderkosten
Solche Divergenzen zwischen angenommener und tatsächlich zu bezahlender Gesamtvergütung
sind als unechte Mehr- oder Minderkosten zu bezeichnen, sofern sie aus Mengendivergenzen
resultieren, deren Ursache in der naturgemässen Ungenauigkeit oder in unsorgfältig (absichtlich
oder fahrlässig) getroffenen Projekt- und Mengenprognosen liegt. In diesem Sinne handelt es
sich um Ohnehinkosten oder Ohnehineinsparungen. Wo es hingegen um ursprünglich nicht
vorgesehene Zusatzleistungen oder um solche Leistungen geht, auf die der Auftraggeber im
Nachhinein schlicht verzichtet, kann von echten Mehr- oder Minderkosten gesprochen werden,
wie sie in allen möglichen Verträgen, insbesondere auch in Gesamtpreisverträgen
(Pauschalverträgen) vorkommen können, wenn entsprechende Bestellungsänderungen (unter
den in concreto einschlägigen Voraussetzungen: einseitig oder nach Parteiübereinkunft)
vorgenommen werden.
Dass jeder Einheitspreisvertrag das Risiko und die Chance in sich trägt, zu unechten Mehr- oder
Minderkosten zu führen, indem die tatsächlichen Mengen innerhalb des Streubereichs der
Prognose oder, als Folge einer Unsorgfalt, vielleicht auch ausserhalb dieses Bereichs von den
angenommenen Mengen abweichen, gehört zum Wesen dieses Vertrags und kann von ihm
nicht getrennt werden. Wo zum Voraus keine feste Gesamtvergütung vereinbart wird, kann ein
auf Franken und Rappen genaues Zutreffen der angenommenen Vergütung im Grunde nicht
erwartet werden. Das Risiko, unechte Mehrkosten zu erleiden, und die Chance, unechte
Minderkosten zu geniessen, sind also dem Grundsatz nach kein Problem, dem innerhalb des
Einheitspreisvertrags begegnet werden müsste, denn mit diesem Vertrag erklärt sich der
Vergütungsschuldner damit einverstanden, dass er die genaue Gesamtvergütung des
Leistungserbringers noch nicht kennt, weil er nicht alle Faktoren der entsprechenden Rechnung
schon verbindlich und genau vereinbart – er übernimmt freiwillig das Risiko der unechten
Mehrkosten und erwirbt die Chance auf unechte Minderkosten.
Zugleich ist es auch grundsätzlich normal, dass als Folge von Mengenänderungen die
Rentabilität des Gesamtgeschäfts (Verhältnis zwischen einer abstrakten Leistungseinheit und
der dafür bezahlten Vergütung) sich im Vergleich zwischen der Lage im Angebotsvergleich und
den tatsächlichen Mengen sowie der tatsächlichen Vergütung zugunsten des Bieters oder des
Auftraggebers verändert. Solches kann immer dann geschehen, wenn der Bieter nicht in allen
Preispositionen mit exakt derselben Marge bzw. Rentabilität offeriert, sondern in
unterschiedlichen Positionen unterschiedliche Margen veranschlagt hat: Je nachdem, welche
Position Gegenstand welcher Mengendivergenzen ist, steigt oder sinkt des Bieters Rentabilität
über das Gesamtgeschäft betrachtet (und dasselbe gilt unter umgekehrten Vorzeichen für den
Auftraggeber mit Bezug auf die Frage, wie viel Geld er pro abstrakte Leistungseinheit bezahlt).
E
Das Vergaberisiko
Je nach Zahl und Umfang der in einem bestimmten Einheitspreisvertrag auftretenden
Divergenzen zwischen angenommenen und tatsächlichen Mengen und je nach Knappheit des
Siegs der besten Offerte im Angebotsvergleich kann sich ein weiteres Risiko verwirklichen: das
Vergaberisiko. Wenn beispielsweise, aus welchen Gründen auch immer, die Menge in einer
Einheitspreisposition tatsächlich grösser ist als angenommen, und wenn in dieser Position der
Sieger des Angebotsvergleichs einen vergleichsweise hohen Preis eingesetzt hatte, kann es sich
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bei einem Vergleich der Offerten aufgrund der tatsächlichen Mengen und der daraus für jede
Offerte errechneten Gesamtvergütung ergeben, dass sich eine andere Offerte als jene, die unter
den angenommenen Mengen gewänne, als die preisgünstigste erweist. Das geschieht dann,
wenn die Mengensteigerung und die daraus folgende Preissteigerung die Gesamtvergütung des
zunächst siegreichen Angebots derart in die Höhe treiben, dass diese nun höher liegt als jene
einer anderen Offerte, die zwar unter den angenommenen Mengen noch teurer war, aufgrund
ihres vergleichsweise günstigen Preises in der divergenzbetroffenen Position nun aber eine in
absoluten Zahlen gemessen viel geringere Steigerung verzeichnet, so dass nun ihre
Gesamtvergütung unter jener der in der fraglichen Position teureren Offerte liegt.
Genau dasselbe kann im Übrigen unter umgekehrten Vorzeichen auch bei
Mengenverminderungen geschehen: Legt man allen Offerten die geringeren, tatsächlich
geleisteten Mengen zugrunde, so führt das zwar bei ihnen allen zu unechten Minderkosten,
allerdings in einem umso grösseren absoluten Betrag, je höher der entsprechende Einheitspreis
einer Offerte ist. Wenn nun die unter den geschätzten Mengen siegreiche Offerte in einer
Position, in der die tatsächlichen Mengen geringer sind, einen vergleichsweise tiefen Preis
geboten hatte, kann es vorkommen, dass eine andere Offerte, die im ursprünglichen
Gesamtvergütungsvergleich noch höher lag, aufgrund ihres in der fraglichen Position besonders
hoch angesetzten Preises durch die tatsächlich geringeren Mengen einen derart grossen Betrag
unechter Minderkosten aufweist, dass unter Berücksichtigung derselben in der
Gesamtvergütung nun diese Offerte und nicht mehr die andere die günstigste ist.
Bei alledem ist aber immer zu beachten, dass mitunter auch noch andere Zuschlagskriterien
über die Frage der wirtschaftlich günstigsten Offerte entscheiden, deren Erfüllungsgrad durch
Mengendivergenzen anders als der Preis in aller Regel gerade nicht in Frage gestellt werden
kann. Das Vergaberisiko ist selbstverständlich nur da als verwirklicht zu betrachten, wo die
Mengendivergenzen zu so starken Veränderungen der Gesamtvergütung führen, dass die
Zuschlagsofferte nun unter Berücksichtigung aller Kriterien nicht mehr die günstigste wäre.
F
Die Spekulation
„Spekulation“ kann zum einen bedeuten, dass etwas auf erheblich unsichere Annahmen
abgestellt wird (erster Wortsinn), zum anderen aber auch (zweiter Wortsinn), dass jemand sein
Vermögen so disponiert, dass er dann, wenn eine bestimmte Annahme (sei diese
wahrscheinlich, sei sie unwahrscheinlich oder gar unmöglich) eintrifft, einen besonderen
Gewinn ohne entsprechende Eigenleistung (ausser vielleicht der Übernahme des Risikos, von
dessen Nichtrealisierung sein Erfolg abhängt) zu erzielen: den Spekulationsgewinn.7
Währenddem die erste Bedeutung des Wortes grundsätzlich wertneutral ist, wenn man davon
absehen mag, dass es häufig dazu verwendet wird, bestimmte Aussagen und Prognosen zu
disqualifizieren oder zu verwerfen, weil sie – angeblich oder tatsächlich – auf einer gänzlich
unsicheren Basis stehen, verhält es sich bei der Spekulation im zweiten Sinne häufig so, dass
derjenige, der sich spekulativ betätigt, damit bei anderen wirtschaftsethische und
möglicherweise auch moralische Bedenken weckt.8 Das hat wohl mit einer Verknüpfung
7
8
Vgl. BGH VII ZR 201/06 (18.12.2008), Rn. 15: „Die … Spekulation des Bieters durch Einsatz deutlich
überhöhter Einheitspreise ist regelmässig mit der Erwartung verbunden, einen ausserordentlichen Gewinn zu
erzielen, der andererseits zu nicht eingeplanten Mehrkosten bei dem Auftraggeber führt, denen kein
entsprechender Gegenwert gegenübersteht“.
Vgl. auch SILBE/REISTER, Spekulative Preise und deren Prüfung durch den Auftraggeber, in: Kapellmann/Vygen
(Hrsg.), Jahrbuch Baurecht 2005, München 2005, S. 279 ff., S. 281: „Spekulation [ist] oftmals mit einem
gewissen negativen Touch der ‚tückischen Gewinnbeschaffung’ verbunden“. – Deutlich wird der moralische
Vorwurf etwa bei der Lektüre der E. 1c des Entscheids VGer GR U 05 47 (26.08.2005), wo das Gericht mit offen
ausgesprochenen Werturteilen zu einer Verschiebung von Umsätzen in eine Pauschalposition nicht sparte
(fragmentarisch): „… elementaren Gebote der Kostenwahrheit und Transparenz sowie das Verbot der
Wettbewerbsverfälschung ... in allerhöchstem Masse verletzt … auf einem völlig ungewöhnlichen und
augenfällig tatsachenwidrigen Grundfundament … absolut realitätsfremde Umverteilung der tatsächlichen
Kostenstrukturen … unter diesen absonderlichen Verhältnissen … absolut unrealistisch tiefen Einheitspreis“.
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zwischen Arbeit und Verdienst zu tun, die in sehr vielen Köpfen so oder anders verankert ist,
sowie damit, dass Spekulation – ob zu Recht oder zu Unrecht – von vielen als preistreibend
erachtet wird und jedenfalls bei einem Überhandnehmen für den Markt, die Volkswirtschaft und
schliesslich die gesamte Gesellschaft schädlich sein kann.
Damit der Begriff der Spekulationsofferte nicht ausufert und weil sonst viele Sachverhalte, die
gemeinhin gar nicht als der Problematik der Preisspekulation zugehörig eingestuft werden,
davon letztlich zweckwidrig erfasst würden, ist in diesem Zusammenhang nicht auf die erste,
sondern auf die zweite Bedeutung von „Spekulation“ abzustellen: Eine Spekulationsofferte oder
ein spekulativer Preis liegen nicht schon deswegen vor, weil eine Offerte oder ein Preis auf
unsicheren Annahmen beruhen, und seien diese derart abwegig, dass man sie der Redewendung
nach als „pure Spekulation“ bezeichnen würde. Preisspekulation ist nur dort gegeben, wo im
zweiten Sinne des Wortes basierend auf wahrscheinlichen oder unwahrscheinlichen Hypothesen
durch spezifische Preisgestaltung darauf gewettet wird, dass gewisse Annahmen des
Auftraggebers, insbesondere Mengenannahmen, nicht zutreffen und dass aus der
entsprechenden Divergenz zwischen Prognose und Wirklichkeit ein Gewinn entsteht, dem als
solchem keine Gegenleistung gegenübergestellt ist, der also gewissermassen einen Sonderertrag
darstellt, der sich direkt aus der Verhältnisänderung ergibt: Die Spekulationsofferte beinhaltet
eine Preisgestaltung, die darauf abzielt, im Fall des Eintretens einer Divergenz zwischen den
Annahmen des Auftraggebers und den Tatsachen einen Zusatzgewinn zu erzielen, der vom
Aufwand für die dafür zu erbringenden Leistungen ganz oder jedenfalls weitgehend
abgekoppelt ist.
Damit ist insbesondere da nicht von einer Spekulationsofferte oder von spekulativen Preisen zu
sprechen, wo der Bieter gewisse Mengenannahmen selber treffen oder sonstige seine
eigenen Kosten beeinflussenden Werte selber prognostizieren muss, weil der Auftraggeber
ihm insofern nichts vorgibt. Diese Annahmen werden vielleicht mit aller Sorgfalt getroffen,
vielleicht sind sie im ersten Sinne des Wortes spekulativ, doch darauf kommt es nicht an: Sie
müssen gegebenenfalls schlichtweg getroffen werden, damit ein Angebot überhaupt wie
gewünscht zustande kommt. Mit ihnen bezweckt der Bieter grundsätzlich auch keinen
besonderen Gewinn, der aus Divergenzen resultieren würde. Wer etwa einen Einheitspreis für
Leistungen anbieten soll, deren Kosten für den Bieter primär von der Leistungsmenge
abhängen, zu deren vom Auftraggeber geschätzten Umfang er aber nur sehr unzureichende oder
gar keinerlei Informationen erhält, der muss notgedrungen selber abschätzen, wie viel von
diesen Leistungen in etwa zu erbringen sein dürften, und hierauf gestützt einen Preis
formulieren, der ihm zumindest für die wahrscheinlichsten Fälle jenes Auskommen bietet, das
er hier grundsätzlich anstrebt. In alledem liegt nichts, was unter dem Begriff der
Preisspekulation abzuhandeln und deswegen oder aus anderen Gründen dem Bieter vorzuwerfen
wäre.
Ebensowenig liegt Spekulation allein darin, dass ein Bieter allenfalls darauf hofft oder zählt,
dass er mehr Mengen einer bestimmten Leistung wird erbringen können, als das im Rahmen der
Ausschreibung angenommen wird, dass er daher mehr Umsatz und damit korrelierend
gegebenenfalls auch mehr Gewinn (über das gesamte Geschäft betrachtet) erzielen wird. Das
gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Preis, den er für die fraglichen Leistungen offeriert, ihm
eine umso bessere Marge bietet, je grösser die zu leistende Menge ist, wenn der Bieter hier also
auf einen für ihn günstigen Skaleneffekt zählen kann. Und auch das blosse Offerieren von
einzelnen Preisen, die mit guten oder auch zünftigen Margen versehen sind, ist nicht
Spekulation, sondern schlicht eine Preispolitik, allenfalls eine gewagte. Wenn der Bieter
gegenteilig eine Mengenverminderung und daraus eine Steigerung seiner Rentabilität erwartet
(weil er in der fraglichen Position einen „schlechten“, mit einer vergleichsweise geringen Marge
ausgestatteten Preis offeriert), so ist auch dies für sich genommen keineswegs Spekulation im
hier verstandenen Sinne.
Schliesslich ist klar, dass die Verwirklichung von gewöhnlichen Geschäftsrisiken eines
Auftraggebers nicht notgedrungen Folge einer Spekulation ist; aus dem Eintritt der
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entsprechenden Gefahren allein kann nie ohne weiteres und automatisch auf eine Spekulation
rückgeschlossen werden. Unechte Mehrkosten, die ein Auftraggeber erleidet, weil er die im
Rahmen des gegebenen Projektes erforderlichen Leistungsmengen zu gering eingeschätzt hatte,
sind grundsätzlich etwas Gewöhnliches, wo mengenabhängige Vergütungsmodi vereinbart
werden. Das gilt erst recht für echte Mehrkosten aus nach dem Vertragsschluss getätigten
Zusatzbestellungen oder sonstigen Vertragsänderungen. Ebenso ist es in Einheitspreisverträgen
ein grundsätzlich normales Phänomen, wenn eine Mengenmehrung oder -minderung in einer
Position geschieht, in welcher der Bieter einen Preis mit einer im Quervergleich all seiner Preise
überdurchschnittlich guten Marge offeriert hatte, und wenn als Folge davon die
Gesamtrentabilität des fraglichen Geschäfts für den Bieter steigt und die Leistungen insgesamt
betrachtet für den Auftraggeber pro abstrakte Einheit teurer werden. Mit diesen Risiken
betreffend echte und unechte Mehrkosten sowie betreffend einen Rentabilitätsverlust geht für
den Auftraggeber ein weiteres, grundsätzlich ebenso gewöhnliches Risiko einher:
Mengendivergenzen und andere Verhältnisänderungen können immer auch dazu führen, dass
sich die effektive Gesamtvergütung des Bieters im Vergleich zur ursprünglich offerierten
provisorischen Vergütung so entwickelt, dass unter der Hypothese, es wäre ein anderes
verfügbares Angebot berücksichtigt worden und nun würde unter diesem in Berücksichtigung
der Verhältnisänderung abgerechnet, dieses andere Angebot letztlich günstiger gekommen wäre.
Wenn das zutrifft, hat sich das Vergaberisiko verwirklicht, das indes ein ganz gewöhnliches
Risiko jeder Vergabe ist und das auch ohne Spekulation eintreten kann. In all diesen Fällen ist
selbst dann nicht zwingend und ohne weiteres auf eine Spekulation zu schliessen, wenn die
Gesamtvergütung des Bieters sich ganz erheblich verändert.
Spekulation lässt sich also nicht (allein) durch Verweis auf die angesprochenen Gefahren oder
auf deren Auswirkungen im Realisierungsfall mit Bezug auf die Kosten, die Rentabilität und die
Verlässlichkeit des Vergabeentscheides nachweisen. Allerdings können sehr bedeutsame,
umfangreiche und zudem ungewöhnliche Entwicklungen im Vergütungssystem nach
Verhältnisänderungen ein Indiz dafür darstellen, dass spekuliert worden ist. Spekulation liegt
aber selbst bei Nachweis solcher Indizien nur dann vor, wenn ganz abgesehen davon eine
spezifische Preisgestaltung in Erwartung bestimmter Entwicklungen und zur Erzielung eines
Sonderertrages vorliegt.
G
Drei Hauptgruppen von spekulativen Offerten
Praktisch alle geläufigen Arten von Spekulationsofferten können in eine von drei Gruppen
eingeteilt werden. Verkürzt: Bei der Vergabespekulation geht es um ungewöhnlich tiefe
Einzelpreise, welche bei der Vergabe helfen sollen, von denen der Bieter aber hofft, dass sie
nicht oder jedenfalls nur in viel geringerem Umfang zur Anwendung kommen als bei der
Vergabe vorgesehen. Margenspekulationen betreffen Offerten mit ungewöhnlich hohen
Einzelpreisen, welche zwar unumwunden deklariert werden, die aber nicht oder jedenfalls nur
mit sehr untergeordnetem Gewicht in die provisorisch errechnete Vergütungssumme einfliessen
und die insofern in der Offerte „versteckt“ sind: Hier hofft der Bieter darauf, dass die Leistung,
für die der überhöhte Preis offeriert wurde, überhaupt oder in deutlich grösseren Mengen als
angenommen zur Anwendung kommt. Umsatzverschiebungen in Pauschalpositionen
schliesslich bestehen darin, die Vergütung für bestimmte Teilleistungen von der Menge
abzukoppeln; das heisst, sie bezwecken, dass der Bieter sich einen bestimmten Teil der
Gesamtvergütung anders als vom Auftraggeber an sich vorgesehen fix und unabhängig von der
tatsächlichen Leistungsmenge versprechen lässt. Das führt dazu, dass der Bieter das Risiko
dafür, dass die ausgeschriebenen Mengen zu gross sind und er tatsächlich einen geringeren
Umsatz erzielen wird, auf den Auftraggeber zurückschiebt, zugleich aber auch die Chance aus
der Hand gibt, dass die ausgeschriebenen Mengen zu gering sind und er tatsächlich einen
höheren Umsatz erzielen wird.
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1.
Die Vergabespekulation
Bei der Vergabespekulation geht es um das reine Abpreisen gewisser Leistungspositionen im
Hinblick auf die Erringung einer besonders guten Position in dem für die Vergabe
massgeblichen Preisvergleich, zugleich aber auch in der Erwartung, dass daraus aufgrund einer
Verhältnisänderung kein oder jedenfalls kein nennenswerter Verlust resultiert, so dass der Bieter
die Chance hat, trotz des offerierten Kampfpreises am Ende zu ganz gewöhnlichen Margen
leisten zu können.
Von einer Vergabespekulation betroffene Offerten weisen die Besonderheit auf, dass sie in einer
ganz bestimmten Leistungsposition einen ganz ungewöhnlich tief, nahe null, bei null oder gar
im Negativbereich, jedenfalls aber weit unter der Schwelle der Kostendeckung liegenden Preis
enthalten (oder mehrere derartige Preise), ohne dass im Gegenzug andere Preise erhöht würden
(sonst läge eine andere Art von Spekulation vor). Der Bieter nimmt dabei das Risiko in Kauf,
dass er unter der fraglichen Position zu einem für ihn verlustträchtigen und, je nach
Leistungsumfang, allenfalls gar ruinösen Entgelt leisten muss, geht aber, aus welchen Gründen
und mit welcher Wahrscheinlichkeit auch immer, davon aus, dass die Teilleistung, für die er
einen überaus geringen, mitunter nachgerade lächerlichen Preis einsetzt, überhaupt nicht oder
jedenfalls in viel geringeren Mengen als ausgeschrieben zur Ausführung kommen wird.
Im Rahmen des für die Vergabe entscheidenden Angebotsvergleichs wird für jedes Angebot
eine provisorische Gesamtvergütung errechnet, welche bei dem eine Vergabespekulation
betreibenden Bieter aufgrund seines überaus geringen Preises in der fraglichen Position
entsprechend tief ausfällt und mitunter gerade auch die Vergabe zugunsten dieses Bieters
bewirkt. Wenn nun aber die Prognose des Bieters zutrifft, die Mengenannahmen des
Auftraggebers sich also in der fraglichen Position ex post als viel zu hoch geschätzt erweisen,
hält sich der Verlust des Bieters in engen Grenzen. Und dann, wenn die fragliche Leistung
überhaupt nicht zur Ausführung kommt, zeitigt der unter der entsprechenden Position viel zu
tief offerierte Preis für den Bieter überhaupt keine negativen Folgen, weil der Preis diesfalls gar
nicht zur Anwendung kommt. Die Vergabespekulation führt also im Idealfall (aus Sicht des
Bieters) dazu, dass der Bieter dank eines extrem tief gehaltenen Einzelpreises einen Auftrag
erhält, den er ohnedies gerade nicht erhalten hätte, und wenn die Spekulation aufgeht, erleidet er
aus dem zu tiefen Preis keinen oder jedenfalls keinen nennenswerten Verlust.
Eine von Vergabespekulation betroffene Offerte scheint damit günstiger, als sie es in
Wahrheit ist – vorausgesetzt, dass die Spekulation auch tatsächlich aufgeht. Denn diesfalls
kommt der ungewöhnlich günstige Preis fast oder gar nicht mehr zum Einsatz, und die im
Gesamtvertrag durchschnittlich pro theoretische Leistungseinheit zu leistende Vergütung liegt
viel höher als im Vergabezeitpunkt (durch den Auftraggeber) angenommen. Wenn die
Spekulation allerdings schiefgeht – was durchaus möglich ist – und die abweichende Prognose
des Bieters also nicht eintrifft, muss dieser jedenfalls in der fraglichen Position eine (aus seiner
Sicht) unerwünscht umfangreiche Menge an Leistungen zu einem für ihn erheblich
verlustträchtigen oder gar insgesamt ruinösen Preis erbringen.9
9
Eine besondere Form von Vergabespekulation – nota bene im Rahmen eines Angebots über Planungsleistungen –
lag dem Urteil VGer ZH VB.2008.00339 (14.01.2009) zugrunde (vgl. insb. E. 2 und E. 3): Hier hatte der
Auftraggeber einen Planungsauftrag mit einer baukostenabhängig zu offerierenden Pauschal-Honorarsumme
ausgeschrieben und dabei vorgesehen, dass die Bieter für verschiedene Baukosten-Gesamtsummenkategorien
(> CHF 6 Mio.; zwischen CHF 6 Mio. und 7 Mio.; zwischen CHF 7 Mio. und 8 Mio. etc.) je einen (nicht
notgedrungen gleich hohen) Prozentsatz offerieren, der ihrem baukostenabhängigen Honorarsatz entsprechen
sollte, wobei die verschiedenen Prozentsätze mit einer je unterschiedlicher Gewichtung (je nach eingeschätzter
Wahrscheinlichkeit, dass die Baukosten in der fraglichen Kategorie zu liegen kommen) allesamt die
Preisbewertung im Rahmen des Angebotsvergleichs beeinflussen sollten. Zumindest ein Bieter liess sich von
diesem – mit Bezug auf seine Begründung meines Erachtens nicht nachvollziehbaren – Bewertungssystem zu
einer Vergabespekulation hinreissen: Er nahm an, die Baukosten würden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
mehr als CHF 6 Mio. betragen, und dementsprechend offerierte er nur für die Baukosten-Kategorie bis CHF 6
Mio. sowie für die Kategorie zwischen CHF 6 und 7 Mio. eine gewöhnlichen, auskömmlichen Prozentsatz (9
bzw. 8,5 %). In den darüber liegenden Kategorien hingegen offerierte er durchwegs ein Honorar von 1 Prozent
BRT 2011
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Martin Beyeler
Der Unterschied zwischen einem blossen Kampfpreis und der Vergabespekulation liegt im
Übrigen darin, dass ein Kampfpreis sich häufig nicht auf eine einzige oder einige wenige
Positionen beschränkt, sondern darin besteht, dass in vielen oder allen Positionen ungewöhnlich
günstige Preise offeriert werden, währenddem bei der Vergabespekulation nur eine einzige
Position (oder jedenfalls: mit Bedacht ausgewählte Positionen) sehr erheblich abgepreist
werden. Zudem nimmt der Bieter beim Kampfpreis die reduzierte Marge oder allenfalls den
Verlust in Kauf, um dadurch den Auftrag und in der Folge Referenzen oder einen Marktzugang
zu gewinnen; er rechnet durchaus damit, dass die fraglichen Mengenannahmen in etwa
zutreffen. Der eine Vergabespekulation betreibende Bieter hingegen will nach Möglichkeit gar
nicht zum ungewöhnlich tiefen Preis leisten, sondern hofft darauf, dass die fragliche Position
nur in viel geringeren Mengen oder überhaupt nicht zum Zuge kommen wird; selbstredend trägt
er aber das Risiko, dass seine Hoffnungen sich zerschlagen und er unter dem zu tiefen Preis
ungefähr im Umfang der ausgeschriebenen Menge oder gar in einer deutlich grösseren Menge
leisten muss.
2.
Die Margenspekulation
Bei der Margenspekulation geht es um Offerten, die einzelne Preise mit exorbitanten Margen
enthalten, welche zwar als Preise offen deklariert werden und deren überhöhte Margen im
Quervergleich mit der Konkurrenz häufig auch vermutet werden können oder gar offensichtlich
sind, die aber gleichwohl insofern versteckt sind, als sie aus bestimmten Gründen in dem für die
Vergabe massgeblichen Vergleich aller offerierten provisorischen Gesamtvergütungen nicht
erheblich oder überhaupt nicht ins Gewicht fallen. Von einer blossen zünftigen Marge, die aus
gewöhnlichen Gründen hoch ist, unterscheidet sich diese Art der Spekulation nicht etwa
dadurch massgebend, dass hier die Marge ganz besonders hoch angesetzt wird, wenngleich das
zuweilen zutrifft,10 sondern dadurch, dass die Überhöhung, sei sie gross oder klein, nur wegen
einer bestimmten Erwartung eines besonderen Gewinnes aus Verhältnisänderungen geschieht:
Bei dieser Spekulationsart erwartet der Bieter mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bestimmte
Verhältnisänderungen (im Vergleich zu den den Preisvergleich prägenden Annahmen des
Auftraggebers), die dazu führen, dass der überhöhte Preis überhaupt oder auf eine deutlich
grössere Menge von Leistungen zur Anwendung kommt, als die Annahme es voraussagte, die
dem Angebotsvergleich zugrunde gelegt wurde.
10
der gesamten Baukosten, was unstreitig ein äusserst verlustträchtiger Preis ist, sicherte aber zu, die Leistungen
auch dann gehörig zu erbringen, wenn er das Pech haben sollte, dass die Baukosten über CHF 7 Mio. liegen
würden. Gleichwohl wurde sein Angebot ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht schützte den Ausschluss, weil
es das Angebot wie die Vergabestelle für „unseriös“ (E. 3.1) hielt. Dabei spielte nicht nur der Umstand eine
Rolle, dass der Bieter das – meines Erachtens willkürliche, weil ohne ersichtlichen Grund je nach absoluter
Baukostenhöhe einen unterschiedlichen Honoraransatz (nicht etwa eine unterschiedliche Honorarsumme, was
sich bei Offerierung eines Prozentsatzes der Baukosten ohnehin je nach tatsächlicher Höhe dieser Kosten ergibt
und keine weitere Abstufung erfordert) vorsehende – Offert- und Bewertungssystem des Auftraggebers für eine
Vergabespekulation ausgenutzt hatte; das Angebot des Bieters wäre in der Tat nicht besonders günstig gewesen,
wenn seine Annahme, die Baukosten würden CHF 7 Mio. kaum überschreiten, zugetroffen hätten, und es konnte
zu Recht die Frage gestellt werden, ob der Bieter noch ohne besondere Aufforderungen und Massnahmen mit
aller erforderlichen Sorgfalt leisten würde, wenn einmal feststände, dass die Baukosten oberhalb von CHF 7 Mio.
liegen werden. Vielmehr würdigte das Gericht auch die spezifische Funktion des Planers und dessen
Einflussmöglichkeiten mit Bezug auf die tatsächliche Höhe der Baukosten im Rahmen eines noch nicht weit
fortgeschrittenen Planungsprozesses und die daraus entstehende Befürchtung, der Bieter werde als so beauftragter
Leistungserbringer alles in seiner nicht zu unterschätzenden faktischen Macht Stehende unternehmen, damit die
Baukosten nicht in einer Kategorie zu liegen kommen, in welcher sein Honorarprozentsatz ins Ruinöse sinkt.
Vgl. insb. BGH VII ZR 201/06 (18.12.2008), Rn. 7: „Der vereinbarte Einheitspreis für die beiden
Mehrmengenpositionen sei hier jedoch 894-mal so hoch wie der vom Sachverständigen in erster Instanz
bundesweit ermittelte, statistische, angemessene Preis“; Rn. 13: „Der von der Klägerin geltend gemachte
Einheitspreis für die Mehrmengen in den Positionen … steht in einem besonders auffälligen Missverhältnis zur
Gegenleistung. Das bedarf bei einer mehr als achthundertfachen Überschreitung des im Bundesdurchschnitt
gezahlten Preises für die in diesen Positionen ausgeschriebenen Leistungen keiner weiteren Erörterung“.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
a)
Spekulation in Eventual- oder Alternativpositionen
Margenspekulation ist zunächst da möglich, wo der Auftraggeber Eventualleistungen
ausschreibt, deren Ausführung als solche ungewiss ist, und für die der Auftraggeber keine
Mengenannahme trifft oder eine allfällige Annahme nicht in den Vergleich der offerierten
provisorischen Gesamtpreise einfliessen lässt.11 Namentlich sind mit Bezug auf den Baubereich
die sogenannten „Per-Positionen“ zu nennen, in denen die Bieter zwar bestimmte Einheitspreise
offerieren sollen, für deren Leistungen das Leistungsverzeichnis des Auftraggebers aber keine
Menge angibt und die daher nicht in die bewertungsgegenständliche provisorische
Gesamtvergütung einfliessen – weder multipliziert mit einer bestimmten Menge noch nominal
(„Menge 1“). Der Bieter kann hier seine Marge bei gegebenen Kosten pro Leistungseinheit
theoretisch beliebig erhöhen, ohne damit seine Position im Vergleich mit den übrigen Offerten
zu gefährden, denn der provisorische Gesamtpreis seiner Offerte, der für die
Angebotsbewertung errechnet wird, ändert sich dadurch nicht. Falls die fragliche Leistung
später zur Ausführung gelangt, und das mitunter in erheblichen Mengen, so verdient der Bieter
jedenfalls an diesen Leistungen überdurchschnittlich gut. Im umgekehrten Fall hat er
grundsätzlich nichts zu befürchten, ausser, dass er den Sonderertrag nicht erzielen kann. Das
Gesagte gilt im Übrigen genau gleich dort, wo die Eventualleistungen, wenn sie tatsächlich zur
Ausführung kommen, Alternativleistungen sind und an die Stelle „gewöhnlich“
ausgeschriebener Leistungen treten, für die eine Menge durchaus angenommen worden war,
welche unter Multiplikation mit dem fraglichen Positionspreis in den Angebotsvergleich
einfloss,12 wie auch dort, wo die Eventualleistungen eigentliche Zusatzleistungen sind, die zu
den ausgeschriebenen Grundleistungen hinzutreten: Entscheidend ist hier nur, aber eben, dass
der Preis der mit der überhöhten Marge versehenen Eventualleistung nicht in die Bewertung
einfloss.
b)
Spekulation auf geringen Mengen
Eine Margenspekulation kann auch da vorgenommen werden, wo der Auftraggeber für eine
bestimmte Leistungsposition eine in absoluten Zahlen sehr geringe Menge annimmt und der
gewöhnliche Preis für die fraglichen Leistungen im Vergleich mit der Summe aller übrigen
Einheitspreise und sonstigen Vergütungsanteile relativ gering ist: Auch eine sehr hohe Marge in
dieser Position (verglichen mit einem gewöhnlichen Preis) fällt in solchen Fällen im
Angebotsvergleich kaum ins Gewicht, weil die unter Berücksichtigung der anderen Positionen
errechnete provisorische Gesamtvergütung viel grösser ist als die provisorische Vergütung in
der fraglichen Position, die selbst mit einer exorbitanten Marge im Preis nur einen kleinen
Bruchteil des Gesamten ausmacht. Das heisst zwar auch, dass die Margenspekulation unter
den angenommenen Mengen kein erhebliches Problem für den Auftraggeber und keinen
erheblichen Vorteil für den Bieter bereithält, weil mit Blick auf die ganze Vertragssumme nur in
einem kleinen Teil ein Preis bezahlt wird, der gemessen am Aufwand des Bieters und an einem
ungefähren Marktpreis viel zu hoch ist. Einzelne überhöhte Margen, die im Gesamtpreis kaum
oder jedenfalls nicht erheblich Niederschlag finden, bedeuten keineswegs für sich genommen,
dass ein unwirtschaftliches Angebot vorliegt, denn es können im Gesamtvergleich allenfalls
sehr günstige Preise in viel bedeutsameren Positionen ausschlaggebend sein – und letztlich zählt
für den Auftraggeber wie für den Bieter nur der Gesamtvergleich.
Wenn sich aber die relativ geringe Mengenannahme des Auftraggebers in der vom Bieter
künstlich im Preis überhöhten Position später als erheblich zu tief erweist, sie vielleicht gar
11
12
Vgl. auch SILBE/REISTER (FN 8), S. 296: „Besonders ‚spekulationsanfällig’ ist eine Ausschreibung, in der bei
Alternativ- und Eventualpositionen bei einem Einheitspreisvertrag nur die Einheitspreise eingesetzt und
vereinbart werden, ohne dass diese Positionen preislich mit einem ausgeschriebenen Mengenvordersatz
[Mengengerüst] in die Angebotssumme eingeht“.
Vgl. auch SILBE/REISTER (FN 9), S. 297: „Wenn der Bieter erwartet, dass die Alternative zur Ausführung kommt,
wird er den Einheitspreis der Hauptposition … relativ niedrig und im Gegenzug den Einheitspreis der Alternative
relativ hoch ansetzen“.
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um Grössenordnungen zu gering geschätzt worden war, kann sich ergeben, dass nun ein
durchaus erheblicher Teil der Gesamtvergütung auf die fragliche Position entfällt, weil nun eine
relativ grosse Menge von Leistungen zum im Angebotsvergleich scheinbar unbedeutenden
überhöhten Preis erbracht wird. Sieht der Vertrag kein (hinreichendes) Korrektiv für
Mengendivergenzen vor (vgl. insb. Art. 86 SIA-Norm 118), steigen die Gesamtvergütung des
Leistungserbringers und dessen Gesamtrentabilität zufolge der Mengenmehrung in der
fraglichen Position überproportional an; der Bieter kann nun eine relativ grosse Menge an
Leistungen zu für ihn sehr vorteilhaften Preisen abrechnen. Je grösser die Mengensteigerung ist,
desto besser wird für ihn auch die Gesamtrentabilität des Vertrags, weil er insgesamt eine
grössere Quote an besonders gut (rentabel) bezahlten Leistungen und entsprechend eine
geringere Quote an gewöhnlich oder gar unterdurchschnittlich bezahlten Leistungen erbringt,
als das unter den für die Vergabe entscheidenden Annahmen der Fall gewesen wäre – und ohne
dass diese besondere Rentabilität sich bei der Vergabe für ihn erheblich nachteilig bemerkbar
gemacht hätte. Er erhält, anders gewendet, insgesamt mehr Geld pro Einheit Aufwand.
Spiegelbildlich steigt für den Auftraggeber bei einer grossen Mengenmehrung in einer Position,
in der er eine überhöhte Marge bezahlen muss, der Gesamtpreis des Projekts insofern
überdurchschnittlich, als er insgesamt betrachtet weniger Leistung pro Einheit Geld erhält.
Das ist im Grunde ein ganz gewöhnliches Geschäftsrisiko, wenn Verträge mit mehreren
Einheitspreisen und offenen Mengen geschlossen werden, sobald ein Bieter nicht auf alle Preise
exakt dieselbe Marge geschlagen hat, sondern differenziert vorgegangen ist. Das allein aber ist
keineswegs eine Folge von Spekulation, sondern geht je nachdem etwa auf
betriebswirtschaftliche Zwänge oder Marktgebräuche zurück. Spekulation liegt nur dann vor,
wenn ein Bieter in einer im Angebotsvergleich gar nicht oder nach Massgabe der hier
entscheidenden Mengen jedenfalls nicht erheblich zum Tragen kommenden Position eine ganz
ungewöhnlich hohe Marge in der objektiv zumindest nicht ganz unwahrscheinlichen Erwartung
bildet, dass in der fraglichen Leistungsposition eine erhebliche Mengensteigerung stattfinden
wird. Wenn allein durch eine Verhältnisänderung die Rentabilität und damit auch der Gewinn
gesteigert werden soll (und bestehe dies letztlich auch nur darin, einen anderweitigen Verlust zu
decken), liegt Spekulation vor, nicht aber, wenn die überdurchschnittlich hohe Marge in der
fraglichen Position betriebswirtschaftliche Gründe hat.
c)
Spekulation durch kombiniertes Auf- und Abpreisen
Nach dem Gesagten können, jedenfalls wenn ein Bieter sich in einer Wettbewerbssituation
befindet, nur solche Preispositionen ohne (namhaften) Schaden (bezüglich des über die Vergabe
entscheidenden Gesamtpreisvergleichs) spekulativ überhöht werden, die nicht oder nicht
massgeblich in diesen Gesamtpreisvergleich einfliessen. Ansonsten ist die Überhöhung von
Margen immer mit Wettbewerbsnachteilen verbunden, welche ein Bieter in aller Regel zu
vermeiden suchen dürfte. Indes gibt es eine Möglichkeit, eine überhöhte Marge in einer
bestimmten Einheitspreisposition für die Zwecke des Angebotsvergleichs zu neutralisieren und
zugleich eine Chance darauf zu erwerben, die Gesamtrentabilität des Geschäftes zu erhöhen
(aus Sicht des Bieters): das kombinierte Auf- und Abpreisen mehrerer Einheitspreispositionen.
Hier überhöht der Bieter den Preis einer an sich ganz gewöhnlichen Einheitspreisposition (die
weder eine im Preisvergleich nicht gemessene Eventualposition noch eine Position mit sehr
geringer Menge ist) – und weil der in dieser Position eingesetzte Preis durchaus in die
provisorische Gesamtvergütung einfliesst, welche wiederum für die Vergabe massgeblich ist,
würde er sich damit zwar eine gute Marge sichern, doch erhält er den Auftrag so in der Regel
nicht, weil die überhöhte Marge zu einer im Preisvergleich regelmässig zu hohen provisorischen
Gesamtvergütung führt, die im Offertvergleich zurückfällt. Deswegen preist der Bieter eine
andere Einheitspreisposition so weit ab, bis der Betrag, um den sich dadurch die provisorische
Gesamtvergütung vermindert, in etwa demjenigen entspricht, um den die Gesamtvergütung
zuvor angestiegen ist, als er den anderen Preis überhöhte. Am Ende dieser Doppel-Operation
liegt seine provisorische Gesamtvergütung wieder ungefähr in der Höhe, die sie
ursprünglich hatte, und damit hat der Bieter erreicht, dass die Überhöhung der Marge ihm
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
keinen Nachteil im Angebotsvergleich einbringt (verglichen mit der Annahme, er hätte keine
Operation vorgenommen).
Nun ist klar, dass dieses kombinierte Auf- und Abpreisen ein unnützes Spiel ist, solange es
dabei bleibt. Denn ganz entsprechend dem Umstand, dass der Bieter so vorgegangen ist, dass
seine provisorische Gesamtvergütung nach der ganzen Operation (ungefähr) gleich hoch ist wie
vorher, hat er unter dem Strich auch nichts davon, solange die Mengen tatsächlich so gross sind,
wie der Auftraggeber das für die Zwecke der Ausschreibung und der Vergabe angenommen
hatte. Zwar verliert er unter der abgepreisten Position massiv, doch holt er das in der
aufgepreisten Position umgehend wieder zurück. Das kombinierte Auf- und Abpreisen wird nur
deswegen und nur dann gemacht, wenn der spekulierende Bieter zumindest subjektiv Grund
zur Annahme hat, dass eine bestimmte Mengendivergenz geschehen wird – nämlich dass
im Vergleich mit dem für die Vergabe zur Hand genommenen provisorischen Mengengerüst die
Menge an Leistungen in der abgepreisten Position einbricht oder die Position gar ganz entfällt,
dass der Aufwand in dieser Position zumindest ganz bedeutungslos wird, so dass die hierauf
entfallende, viel zu geringe Vergütung nicht mehr ins Gewicht fällt. In diesem Fall lohnt sich
die Überhöhung des anderen Preises (wohingegen sie bei tatsächlichem Eintreten der
Annahmen des Auftraggebers ein mehr oder minder wirkungsloses Nullsummenspiel ist):
Insgesamt erbringt der Bieter seine Einheiten an Leistung zu einem höheren Stückpreis; er muss
den Verlust, den er in der einen Position zum Schutz und zur Kaschierung der überhöhten
Marge in der anderen Position offeriert hat, praktisch oder gar nicht tragen und hat insgesamt
seine Rentabilität erhöht.13
Wenn überdies in der mit einer exorbitanten Marge versehenen Position auch noch eine
Mengensteigerung stattfindet, steigert sich die Rentabilität des Geschäfts (aus Sicht des
Bieters) erst recht. In diesem Fall muss er nicht nur den Verlust nicht tragen, sondern kann mehr
Leistungen als erwartet und möglicherweise auch einen grösseren Leistungsanteil insgesamt zu
einem für ihn sehr vorteilhaften Preis abrechnen.
Der Bieter kann also an sich gewöhnliche Einheitspreispositionen, von denen er erwartet, dass
sie entfallen oder jedenfalls ganz deutlich an Gewicht verlieren werden, stark abpreisen, um
damit die Überhöhung eines Preises in einer anderen Position für den Vergleich der offerierten
provisorischen Gesamtvergütungen zu neutralisieren.14 Falls seiner Erwartung entsprechend
die Mengendivergenz eintritt, hat er eine höhere Gesamtrentabilität, als das für die Vergabe
angenommen wurde. Und wenn zudem noch die überhöhte Position an Umfang hinzugewinnt,
steigt die Rentabilität erst recht an. Dasselbe kann der Bieter im Übrigen auch dann tun, wenn er
eine starke Mengensteigerung in der aufgepreisten Position erwartet, in der abgepreisten
Position aber vielleicht nur Mengenstabilität und nicht unbedingt eine Senkung: Wenn er davon
ausgeht, dass der Verlust aus der abgepreisten Position über die Mengensteigerung in der
aufgepreisten Position mehr als nur kompensiert werden kann, spekuliert er auch hier auf eine
grössere Gesamtrentabilität.
Kombiniertes Auf- und Abpreisen ist immer dann Spekulation, wenn der Bieter diese
Operation in der Erwartung eines Mengenzusammenbruchs in der abgepreisten Position, einer
starken Mengenzunahme in der aufgepreisten Position oder des kombinierten Eintritts beider
Entwicklungen vornimmt, damit die Rentabilität des Gesamtgeschäftes (aus seiner Sicht und im
Vergleich zur Rentabilität unter den für den Offertvergleich massgeblichen Mengen)
überproportional ansteigt.
13
14
Vgl. SILBE/REISTER (FN 8), S. 288: „Erwartet der spekulierende Bieter, dass sich die ausgeschriebenen
Mengenvordersätze [deutscher Sprachgebrauch für das schweizerische Vorausmass] deutlich reduzieren, wird er
sehr niedrige – i.d.R. nicht auskömmliche – Einheitspreise anbieten und im Gegenzug Einheitspreise anderer
Positionen verteuern“.
Vgl. auch SILBE/REISTER (FN 8), S. 289 f.: „Da der Unternehmer kein Interesse daran hat, durch die Spekulation
seine Wettbewerbschance zu verschlechtern, wird er versuchen, die Angebotssumme in Höhe von 300.000 €
konstant zu halten und den Preis für den Aushub der Bkl 3-5 zu reduzieren, sowie im Gegenzug den Preis für den
Abtrag Bkl 6-7 entsprechend zu erhöhen“.
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Mit der Chance des kombiniert auf- und abpreisenden Bieters auf eine Rentabilitätssteigerung
geht untrennbar auch das Risiko einher, dass die Mengenerwartungen des Bieters nicht
eintreffen, dass also die Menge der abgepreisten Position gleich bleibt oder ansteigt und dass die
Menge der aufgepreisten Position gleich bleibt oder sinkt.15 Wie gross dieses Risiko ist, kann
nur im Einzelfall eingeschätzt werden, und zwar anhand der Wahrscheinlichkeit dafür, dass die
Mengendivergenz-Erwartung des Bieters richtig ist. In praxi ist allerdings häufig feststellbar,
dass aus einer objektiven Sicht das Risiko des Bieters (dass die Mengen sich entgegen seinen
Erwartungen verhalten) deutlich geringer ist als die Chance des Bieters (dass die Mengen sich
gemäss seinen Erwartungen verhalten).
3.
Die Verschiebung von Umsatz in Pauschalpositionen
Die Verschiebung von Umsatz in Pauschalpositionen ist im Grunde eine Sonderform des
kombinierten Auf- und Abpreisens: Hier senkt der Bieter den Preis einer Einheitspreisposition
stark ab und erhöht dafür den offerierten Preis in einer Global- oder Pauschalposition16 (die
mengenunabhängig abgerechnet werden wird; vgl. Art. 40 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 1
SIA-Norm 118)17 um genau oder etwa den Betrag, um den er sein provisorisches
Vergütungsangebot in der abgepreisten Einheitspreisposition vermindert hat (also um den
Betrag, der sich ergibt, wenn man die Preisminderung in der Einheitspreisposition mit der dort
angenommenen provisorischen Menge multipliziert).18 Dieses Vorgehen hat zunächst keine
Auswirkung auf die provisorisch offerierte Gesamtvergütung, weil hier alle PositionsEinzelvergütungen ungeachtet ihrer Art zusammenfliessen und der Betrag, um den die
provisorische Einheitspreisvergütung in der abgepreisten Position gesenkt wurde, auf die
Pauschalposition geschlagen wurde, so dass sich die für den Angebotsvergleich massgebende
Summe aller Positionsvergütungen nicht verändert.
Worauf spekuliert aber der Bieter, der Umsatz aus einer Einheits- in eine Pauschalpreisposition
verschiebt – worin besteht sein Kalkül? Zunächst einmal verhält es sich bei der
Umsatzverschiebung in Pauschalpositionen nämlich genau wie beim kombinierten Auf- und
Abpreisen von Einheitspreisen so, dass der Bieter weder besonderen Gewinn erzielt noch
besonderen Verlust erleidet, wenn die Mengenannahmen des Auftraggebers sich während der
Realisierung bestätigen, also keine (nennenswerte) Mengendivergenz stattfindet. Soweit aber
die tatsächlichen Mengen unter der abgepreisten Einheitspreisposition geringer sind als die im
Vergabezeitpunkt angenommenen und dem Angebotsvergleich zugrundegelegten Mengen,
kommt der beabsichtigte Effekt der Umsatzverschiebung zum Tragen: Die tatsächliche
Gesamtvergütung des Bieters bleibt im Verhältnis zu der bei der Vergabe angenommenen
Gesamtvergütung stabil, obschon die Menge der abgepreisten Einheitspreisposition geringer ist,
als der Auftraggeber sie für die Zwecke der Vergabe angenommen hatte.19 Die tatsächliche
15
16
17
18
19
Vgl. auch SILBE/REISTER (FN 8), S. 284 f., S. 285: „Klar ist …, dass Spekulationspreise für beide Parteien ein
Risiko darstellen. Trifft die Spekulation des Bieters zu, wird der AG [Auftraggeber] i.d.R. deutlich mehr zahlen
müssen, als er nach dem Angebot erwartet. Schlägt die Spekulation des Bieters fehl, wird der Auftragnehmer
oftmals nicht unerhebliche Verluste erleiden“.
Im Folgenden spreche ich nur von „Pauschalpositionen“ bzw. „Pauschalpreisen“, meine damit aber auch die
Globalpositionen und Globalpreise (zum Unterschied vgl. Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art. 40 SIA-Norm 118), weil die
beiden Preisarten im hier interessierenden Zusammenhang keinen wesentlichen Unterschied aufweisen: Beiden
ist gemeinsam – und hierauf kommt es vorliegend an – dass sie ein bestimmtes Leistungsergebnis fest abdecken,
ungeachtet der Frage, welche genaue Menge an Leistungen dafür erforderlich ist.
Art. 40 Abs. 1 Satz 2 SIA-Norm 118 im Wortlaut: „[Der Globalpreis] besteht in einem festen Geldbetrag; für die
geschuldete Vergütung wird nicht auf die Menge abgestellt“; Art. 41 Abs. 1 SIA-Norm 118: „Der Pauschalpreis
unterscheidet sich vom Globalpreis einzig dadurch, dass die Bestimmungen über die Teuerungsabrechnung nicht
anwendbar sind“.
Praxisbeispiele in VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.2.3;
VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.2; VGer ZH VB.2003.00256 (03.12.2003), E. 4; BGer 2P.164/2002
(27.11.2002), E. 3.3.1.
Vgl. auch VGer GR U 10 40 (25.05.2010), E. 3c: „die äusserst tief offerierten Einzelpreise [würden] auch für die
Auftraggeberin unerwünschte Folgen zeitigen … Dies z.B. dann, wenn geringere Mengen verbaut werden.
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Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
Gesamtvergütung kann bei aller Mengenminderung in der abgepreisten Position maximal um
den Betrag sinken, welcher der offerierten, abgepreisten provisorischen Rest-Vergütung in
dieser Position noch entspricht. Dieser Betrag ist aber zufolge des massiven Abpreisens überaus
gering oder gar gleich null, so dass sich der Gesamtumsatzverlust des Bieters aus der
Mengenverminderung in engen Grenzen hält - oder überhaupt kein Verlust eintritt. Hätte der
Bieter keinen Umsatz in die Pauschalposition verschoben, fiele der durch die
Mengenverminderung verursachte Umsatzrückgang viel höher aus (bzw. gäbe es überhaupt
einen Umsatzrückgang), wohingegen die Verschiebung bewirkt, dass der Gesamtumsatz mehr
oder minder stabil bleibt, auch wenn die Menge zurückgeht. Das wiederum führt zu einer
Steigerung der Gesamtrentabilität (aus Sicht des Bieters), weil dieser insgesamt nun weniger
Leistungseinheiten für dieselbe oder fast dieselbe Gesamtvergütung zu erbringen hat oder,
anders gewendet, weil dem Umsatz, den er in die Pauschalposition verschoben hat, im Umfang
des Mengenrückganges in der abgepreisten Position keine Leistungen (mehr) gegenüberstehen.
Die Umsatzverschiebung von einer Einheitspreis- in eine Pauschalposition führt nach dem
Gesagten zu einer Entkoppelung dieses Umsatzes von den tatsächlichen Leistungsmengen;
der Bieter erzielt den fraglichen Umsatz in jedem Fall, selbst wenn die Mengen der betroffenen
Einheitspreisposition tatsächlich viel geringer ausfallen als in der Ausschreibung
angenommen.20 Diese Entkoppelung birgt für den Bieter indes auch ein Risiko: Falls die
Mengen in der abgepreisten Position nicht sinken, sondern ansteigen, erhält er für die
zusätzlichen Mengen an Leistungen im Grunde keine Vergütung mehr, oder nur die Vergütung,
die sich aus dem viel zu tiefen (abgepreisten) Einheitspreis ergibt – denn der in die
Pauschalposition verschobene Preisanteil reagiert nicht auf die Mengenmehrung und lässt die
Gesamtvergütung unberührt, da er sich in der mengenunabhängig abzurechnenden
Pauschalposition befindet. Die Verschiebung von Umsatz in eine Pauschalposition koppelt die
Vergütung nicht nur mit Bezug auf allfällige Mengenminderungen (in der abgepreisten
Position) von den tatsächlichen Mengen ab, sondern auch mit Bezug auf allfällige
Mengenmehrungen, und damit birgt sie für den Bieter nicht nur die Chance auf eine
Rentabilitätssteigerung, sondern immer auch ein Risiko bezüglich eines Zusammenbrechens der
Rentabilität. Chance und Risiko sind allerdings nicht notgedrungen gleich hoch, weil für
Mengenminderungen und für Mengensteigerungen in der abgepreisten Position grundsätzlich
ganz unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten sprechen können. Der Bieter wird in aller Regel
aber nur dann Umsatz aus einer Einheits- in eine Pauschalpreisposition verschieben, wenn er
zumindest subjektiv davon ausgeht, das Risiko einer Minderung sei deutlich grösser als das
einer Mehrung. Das ändert aber nichts daran, dass die von den Annahmen des Auftraggebers
divergierenden Annahmen des spekulierenden Bieters nicht notgedrungen richtig oder auch nur
wahrscheinlicher sind als jene des Auftraggebers.
Ganz abgesehen von der Frage der Mengenänderungen in der abgepreisten Position entfaltet die
Verschiebung von Umsatz aus einer Einheitspreis- in eine Pauschalposition in bestimmten
Fällen eine Wirkung auch dann, wenn sich keine Mengendivergenz ergibt: Sieht der Vertrag
nämlich verschiedene Zahlungszeitpunkte vor und geschieht die Auszahlung der Vergütung
unter der betroffenen Pauschalposition (ganz oder teilweise) zu einem früheren Zeitpunkt
als jene der abgepreisten Einheitspreisposition, so bedeutet die Verschiebung des Umsatzes
in die Pauschalposition auch eine zeitliche Vorverschiebung der entsprechenden Bezahlung,
was dem Bieter in dem Umfang, in dem das geschieht, einen entsprechenden Zinsvorteil
einträgt. Das gilt unabhängig davon, wann er die entsprechenden Leistungen erbringt (und ob
20
Diesfalls würde sie nämlich beim Angebot der Beschwerdeführerin von einer weit geringeren Preisreduktion
profitieren als bei jenen der Mitofferenten“.
BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2: „Una siffatta strutturazione dei prezzi permette all'offerente di
trasferire sul committente i rischi derivanti da un'eventuale mancata o parziale esecuzione delle prestazioni
previste dalle suddette posizioni a prezzo unitario: in effetti in entrambe le ipotesi quest'ultimo si troverebbe
comunque obbligato a dover corrispondere l'intero importo esposto alla posizione globale relativa alle istallazioni
di cantiere“.
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überhaupt), solange es vertraglich vorgesehen ist, diese Leistungen später zu bezahlen als die
Pauschalposition.
Diese Konstellation ist im Bauwesen insbesondere da gegeben, wo die Parteien vereinbaren,
den Aufwand des Unternehmers für die Baustelleninstallationen über eine Pauschalposition
und zudem vergleichsweise früh im Ablauf der Vertragserfüllung zu bezahlen (ganz oder
teilweise; vgl. insb. Art. 146 SIA-118), und wo der Vertrag es zugleich vorsieht, dass die
Leistungen, deren Einheitspreis der Bieter in Kombination mit einer entsprechenden Erhöhung
der Installationspauschale abgepreist hat, erst zu einem (allenfalls erheblich) späteren Zeitpunkt
bezahlt werden.21
Auch wenn die abgepreisten Leistungen im vollen angenommenen Umfang zur Ausführung
kommen und der Bieter insofern nicht mehr Umsatz oder Gewinn macht als ohne die
Verschiebung, bleibt ihm in den hier interessierenden Fällen gleichwohl ein Zinsvorteil, der
daraus resultiert, dass er die Vergütung für die abgepreisten Leistungen via erhöhte
Installationspauschale ganz oder teilweise zu einem früheren Zeitpunkt bezahlt erhält, als das
vertraglich im Grunde vorgesehen wäre.22 Das kann auch dann zutreffen, wenn die
Installationspauschale zu Beginn der Erfüllung nur zum Teil ausbezahlt wird (und der Rest je
nachdem erst nach der Bezahlung der abgepreisten Leistungen; vgl. Art. 146 SIA-118), und
auch dann, wenn zudem nicht sämtlicher Umsatz aus der abgepreisten Position in die
Pauschalposition verschoben wird, diese Position also nicht auf null gesetzt wird. Denn auch in
diesem Fall wird ein bestimmter Teil der Vergütung von erst später zu erbringenden Leistungen
schon mit der früh ausbezahlten Pauschale abgegolten, und das allein führt zu einem Zinsvorteil
(im Vergleich mit der Hypothese, wonach der Bieter nichts verschoben hätte).
Allerdings kann dieser Zinsvorteil im Einzelfall dann wiederum vermindert sein, wenn der Rest
einer am Anfang nur teilweise ausbezahlten Pauschale (und damit auch der Rest des aus der
abgepreisten Position verschobenen Umsatzes) später bezahlt wird als die die abgepreiste
Position betreffenden Leistungen, so dass der Bieter sich insofern einen Zinsnachteil
eingehandelt hat. Im Extremfall erfolgt die Auszahlung des Rests der Pauschale um so viel
später als die der fraglichen Leistungen, dass der daraus erwachsende Zinsnachteil grösser ist
als der durch die Vorverschiebung eines Teils der Vergütung erreichte Zinsvorteil – in dieser
Hinsicht hängt alles von den entsprechenden Zeitverhältnissen und zudem davon ab, Wie viel
21
22
Vgl. VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.3.2: „Schliesslich führt die
Umlagerung in die Position ‚Baustelleneinrichtung’ im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Kreditgewährung,
weil die entsprechende Forderung bereits zu Beginn der Bauarbeiten fällig wird (vgl. Art. 145 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 146 SIA-Norm 118)“; VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.4: „Schliesslich führt
eine Umlagerung in die Position Baustelleneinrichtung im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Kreditgewährung,
weil die entsprechende Forderung bereits zu Beginn der Bauarbeiten fällig wird“, E. 3.4.4 (hier ist anzufügen,
dass die „Kreditgewährung“ durch Aufpreisen der Baustelleninstallations-Pauschale nicht etwa
„ungerechtfertigt“, sondern ausschreibungswidrig ist: Es geht nicht um die Frage der Rechtfertigung, denn
anbieten darf jeder, was er will, aber der öffentliche Auftraggeber muss ein Angebot nicht annehmen, das die
ausgeschriebenen Vergütungsgrundsätze nicht übernimmt); VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1;
BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2: „Nella misura in cui in base ai combinati art. 145 cpv. 2 e 146 della
Norma SIA 118 il committente è tenuto a saldare ancor prima dell'inizio dei lavori d'esecuzione delle opere l'80%
dei costi per le istallazioni di cantiere, la scelta di girare nella posizione inerente alle medesime una parte dei costi
necessari all'esecuzione di singole prestazioni unitarie previste dal capitolato cagiona a quest'ultimo un danno
finanziario, consistente nella perdita degli interessi bancari sulla somma che esso dovrebbe versare
anticipatamente all'impresa di costruzioni. Il che si ripercuote in ultima battuta sul costo globale dell'opera e, di
riflesso, influisce su uno dei criteri di aggiudicazione della commessa, vale a dire il prezzo dell'offerta“;
VK Bund 2 – 27/07 (03.05.2007), E. II./2./b)/a.: „Die unzutreffende Einrechnung von Kosten in die Position der
Baustelleneinrichtung beeinträchtigt die Vergleichbarkeit des Angebots mit den übrigen Angeboten. Dies gilt
insbesondere auch für die Möglichkeit eines Zinsgewinns. … Die Pos. 1.1.10 ist mit dem Aufstellen der
Baustelleneinrichtung abgeschlossen und könnte vom Auftragnehmer dementsprechend als Teilleistung
abgerechnet werden. Durch die Kalkulation der Lohnkosten des Führungspersonals wird ein erst über die gesamte
Laufzeit erwachsender Kostenbestandteil in dieser Position ‚sofort‘ abrechenbar“.
VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.3.2; VGer ZH VB.2009.00480
(10.03.2010), E. 3.4; VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1; BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
Umsatz verschoben wurde, welcher Bruchteil der gesamten Pauschale vor und welcher Teil
nach der Bezahlung der fraglichen Leistungen ausgezahlt wird.
III. Die Spekulationsofferte im Vertragsrecht
Aus dem Blickwinkel des Vertragsrechts interessiert: Sind Spekulationsofferten gültig? Sind
Verträge, die über Spekulationsofferten geschlossen wurden, gültig, allenfalls anfechtbar? Und
was kann der vormals spekulierende Leistungserbringer unternehmen, wenn er gewahr wird,
dass seine Spekulation nicht aufgehen oder gar zünftig misslingen wird?
A
Der Grundsatz: Die Gültigkeit
Spekulativ ausgestaltete Offerten sind grundsätzlich gültig. Zum einen ist jeder Anbieter
einer Leistung grundsätzlich frei im Entscheid, zu welchen Preisen und mit welchem
Vergütungsmodus er seine Leistung offerieren will. Es gibt kein vertragsrechtliches
Spekulationsverbot; im Übrigen gibt es im heutigen Wirtschaftsleben nicht selten gegenseitige
Spekulationsgeschäfte, bei denen jeder gegen den anderen wettet, und letztlich ist jeder
Pauschalvertrag eine gewollte und vereinbarte Art Wette (im weitesten Sinne) des einen gegen
den anderen.23 Zum anderen gibt es keinen Rechtsgrund für eine allgemeine, pauschale
Annahme der Ungültigkeit solcher Offerten. Hieraus folgt auch, dass ein Vertrag, der über eine
spekulative Offerte geschlossen worden ist, nicht per se ungültig, unwirksam oder gar nichtig
wäre. Im Folgenden ist jedoch auf bestimmte Ausnahmen von diesen Grundsätzen einzugehen.
B
Täuschung
Spekulation bleibt einem Auftraggeber, der Offerten erhält, grundsätzlich nicht verborgen,
sondern ist sichtbar, sofern sie sich in deutlich ungewöhnlichen Preisen niederschlägt, was meist
der Fall ist. Und mit den heutigen Informatikmitteln ist es jedem, der Offerten vergleicht,
grundsätzlich leicht und häufig gar ganz automatisiert möglich, über Quervergleiche und
Vergleiche mit einem angenommenen Marktniveau ungewöhnliche Preise selbst aus
Abertausenden von Einzelpreisen herauszufiltern. Spekulation ist meist erkennbar, auch wenn
im Einzelfall mitunter im Dunkeln bleibt, warum der Bieter die fraglichen Mengendivergenzen,
auf die er wettet, als einigermassen wahrscheinlich erachtet; Kenntnis der Erwartungen des
Bieters ist nicht erforderlich, damit eine Spekulation als solche entdeckt werden kann. Das
bedeutet, dass spekulative Offerten in der Regel wohl gerade nicht als täuschendes Verhalten
(vgl. Art. 28 OR sinngemäss) oder gar als Betrugsversuch (vgl. Art. 146 StGB) qualifiziert
werden können. Zumindest in jenen Wirtschaftsbereichen, in denen Einzelpreisvergleiche des
Auftraggebers üblich sind (was nach meiner Erfahrung namentlich auf professionelle Bauherren
ziemlich allgemein zutrifft), allenfalls gerade deswegen, weil die Spekulation dort ein nicht
unbekanntes Phänomen ist, muss (und darf) der spekulierende Bieter grundsätzlich damit
rechnen, dass seine Spekulation nicht verborgen bleibt. Sofern es sich so verhält, kann ihm
keine absichtliche Täuschung und auch kein Täuschungsversuch vorgeworfen werden.
Anders liegen die Dinge aber da, wo ein Anbieter einer nicht professionell beratenen
Privatperson ein spekulatives Angebot unterbreitet, diese Person jedoch den Auftrag für
private Zwecke vergeben will und sich weder in der fraglichen Branche noch mit den dort
üblichen Verträgen und Vergütungsmechanismen auskennt. Hier ist in der Regel auf
täuschendes Verhalten (i.S.v. Art. 28 OR und allenfalls auch von Art. 146 i.V.m. Art. 22 Abs. 1
StGB) zu schliessen, wenn der Anbieter eine Spekulation vornimmt und sein Gegenüber über
deren Voraussetzungen und Wirkungen nicht aufklärt.
23
Vgl. BGE 58 II 421, S. 423: „Die Vereinbarung einer zum Voraus genau bestimmten Vergütung schliesst
naturnotwendig immer ein spekulatives Element in sich“. – „Spekulativ“ ist hier gerade nicht in einem negativen
Sinne zu verstehen und bedeutet auch nicht das Anstreben eines gegenleistungsfreien Gewinns, sondern nur, dass
Annahmen getroffen werden, die ex ante nicht als gesichert betrachtet werden können.
BRT 2011
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142
Martin Beyeler
C
Übervorteilung
Spekulation ist in der Regel auch keine Übervorteilung (Art. 21 OR). Obschon sie in
Einzelfällen, in denen sie für den Bieter besonders günstig ausgeht, durchaus zu einem
„offenbaren Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung führen kann, ist doch der
Auftraggeber, dem eine solche Offerte gemacht wird, häufig gerade nicht „unerfahren“, was
die Prüfung von Preisen und das Erkennen der Auswirkungen allfälliger Mengenänderungen
betrifft – zum Erkennen der Risiken einer Spekulation im Fall von Verhältnisänderungen,
insbesondere von Mengendivergenzen, sind Kenntnisse über das eigentliche Phänomen der
Preisspekulation nicht erforderlich. Damit der Auftraggeber insofern nicht als „unerfahren“ zu
bezeichnen ist, reicht es, wenn er erkennen könnte, dass die ungewöhnlichen Preise unter
bestimmten Umständen zu einer tiefgreifenden Umgestaltung der Vergütung führen können.
Und das kann zumindest von professionellen oder professionell begleiteten Auftraggebern,
insbesondere öffentlichen, grundsätzlich ohne weiteres verlangt werden.
Auch hier ist aber der Vorbehalt anzubringen, wonach eine nicht professionell beratene
Person, die für private Zwecke einen Vertrag in einer Branche abschliesst, in der sie sich nicht
auskennt und deren Vergütungsmechanismen sie auch nicht näher kennt, mit Bezug auf das
Erkennen von Preisspekulationen oder jedenfalls von deren Wirkungen und Risiken durchaus
als „unerfahren“ gelten kann, womit Übervorteilung möglich ist, wenn zumindest im Ergebnis
(unter Berücksichtigung der spekulationsbetroffenen Mengenänderungen, soweit sie eingetreten
sind) und mit Blick auf das gesamte vertragliche Gefüge tatsächlich ein „offenbares
Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung vereinbart wurde.
Die Tatbestandselemente der Notlage oder des Leichtsinns (Art. 21 Abs. 1 OR) bedürfen
vorliegend keiner näheren Erörterung; bei der hier interessierenden Spekulation wird in aller
Regel weder eine Notlage noch Leichtsinn ausgenützt – sondern höchstens die Unerfahrenheit
des Auftraggebers, wenn sie gegeben ist.
Das zur Übervorteilung Gesagte gilt im Übrigen mutatis mutandis auch im Rahmen des
strafrechtlichen Wucher-Tatbestandes (Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), der dem Art. 21 Abs. 1
OR in Struktur und Gehalt der Voraussetzungen (jedoch nicht in der Rechtsfolge) höchst
ähnlich ist.
D
Nichtigkeit wegen Widerrechtlichkeit oder Unsittlichkeit?
Nach meinem Dafürhalten ist eine Spekulationsofferte weder unmöglich noch widerrechtlich
(vgl. Art. 20 Abs. 1 OR sinngemäss). Insbesondere verstösst eine Spekulationsofferte, solange
nicht nachgerade ein Betrugsversuch im Sinne von Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 146 StGB
vorliegt, gegen keine Verbotsnorm; ob sie treuwidrig sei, ist eine andere Frage, doch eine
allfällige Treuwidrigkeit würde ohnehin nicht zur Nichtigkeit der Offerte nach Art. 20 Abs. 1
OR (sinngemäss) führen.
Überdies ist eine Offerte auch nicht unsittlich (vgl. Art. 20 Abs. 1 OR sinngemäss), wenn sie
Preisspekulationen enthält.24 Solche Spekulation verstösst meines Erachtens nicht ganz
24
Anders nach deutschem Recht BGH VII ZR 201/06 (18.12.2008), Rn. 11: „In der Rechtsprechung ist es
anerkannt, dass die Vereinbarung eines Preises gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein kann, wenn der Preis in
einem auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung steht. Dafür erforderlich ist sowohl ein objektiv auffälliges,
wucherähnliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung als auch das Hinzutreten subjektiver Umstände,
wie zum Beispiel das Zutagetreten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten“. Nach dem BGH liegt ein
Indiz für „sittlich verwerfliches Gewinnstreben“ (Rn. 15) des Bieters jedenfalls dann vor, wenn dieser einen
Irrtum oder Fehler des Auftraggebers für eine Spekulation ausnützt. Die vom BGH angenommene Regel jedoch,
jedenfalls erhebliche Spekulationen gründeten auf der Ausnützung von Fehlern, scheint mir nicht gerechtfertigt,
da auch massive Spekulationen nicht auf falschen Mengenangaben, sondern schlicht auf anderen Einschätzungen
(die mitunter weniger wahrscheinlich sind als die Mengenannahmen des Auftraggebers) möglich sind und in
praxi vorkommen. Spekulation beruht nicht immer auf klaren Fehlern und ist daher jedenfalls nach
schweizerischem Recht nicht stets treuwidrig; Sittenwidrigkeit fällt ohnehin ausser Betracht (vgl. FN 25).
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
grundsätzlich gegen das allgemein geteilte sittliche Empfinden, soweit dieses sich überhaupt um
Margen in Verträgen kümmert. Der Art. 20 Abs. 1 OR ist im Übrigen, und das ist entscheidend,
kein Tatbestand der Preisüberwachung für Fälle, in denen die Voraussetzungen des Art. 21 OR
nicht gegeben sind; der Art. 21 OR regelt die Frage der Verträge mit offenbarem Missverhältnis
zwischen Leistung und Gegenleistung abschliessend.25 Exorbitante Margen, Verdienste und
Gewinne werden jedenfalls in der heutigen Zeit ohnehin nicht grundsätzlich als unsittlich
betrachtet. Und auch die eigentliche Spekulation, insbesondere auf den Finanzmärkten, hat ihre
wirtschaftswissenschaftlichen Verfechter; die aktuellen Diskussionen um die Regulierung oder
Nichtregulierung von spekulativen Finanzgeschäften zeigen, dass kein allgemeiner Konsens
darüber besteht, dass spekulative Geschäfte unsittlich im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR seien –
ansonsten bedürfte es keiner Regulierung, da die Geschäfte ohnehin nichtig wären.
E
Anfechtung des Vertrags
Ein Auftraggeber, der eine Spekulationsofferte (ohne Bereinigung der Spekulation)
angenommen hat, kann sich in bestimmten Fällen unter den bereits erläuterten Voraussetzungen
auf Täuschung berufen (vgl. Art. 28 OR) und den Vertrag fristgerecht für unverbindlich
erklären (vgl. Art. 31 OR) – das gilt, sofern der Auftraggeber die Spekulation zumindest bis
zum Vertragsabschluss nicht erkannt hat und der Bieter auch nicht annehmen musste, dass er sie
erkennen würde.26 Dies wiederum ist bei professionellen oder professionell beratenen
Auftraggebern in der Regel nicht anzunehmen.
Im Weiteren kann, wenn der Auftraggeber bei Vertragsschluss tatsächlich im Sinne von
Art. 21 OR „unerfahren“ ist und die Spekulation so gut gelingt, dass nun über den gesamten
Vertrag betrachtet zwischen der Leistung (des Leistungserbringers) und der durch den
Auftraggeber dafür geschuldeten Vergütung zulasten des Auftraggebers ein „offenbares
Missverhältnis“ besteht, im Einzelfall der Übervorteilungstatbestand erfüllt sein: Diesfalls kann
der so benachteiligte Auftraggeber den Vertrag binnen eines Jahres nach Vertragsschluss (Art.
21 Abs. 2 OR) anfechten.
Zudem kann sich ein Auftraggeber, der einen Vertrag geschlossen hat, welcher spekulativ
offerierte Preise des Vertragspartners inkorporiert, unter Umständen auf einen wesentlichen
Irrtum (Art. 23 f. OR) berufen und den Vertrag darauf gestützt anfechten, wenn er binnen der
gesetzlichen Frist handelt (Art. 31 OR). Vorausgesetzt ist dafür aber, dass sich der Auftraggeber
tatsächlich geirrt hat – was nicht anzunehmen ist, soweit er die Spekulation oder zumindest die
ungewöhnlichen Preise und deren Potential mit Bezug auf die Vergütung (falls sich
Mengendivergenzen einstellen) vor dem Vertragsschluss tatsächlich erkannt hat.27 Diesfalls
wusste er, worauf er sich einlässt, und er kann insofern keinen Irrtum geltend machen (vielleicht
hielt er die Spekulationsannahmen für ganz unwahrscheinlich und daher gefahrlos für ihn,
vielleicht hegte er überdies auch gegenläufige Annahmen und wettete damit darauf, dass der
Bieter nicht nur nichts gewinnt, sondern zu besonders günstigen Preisen leisten muss, weil die
Mengen sich gerade in die umgekehrte Richtung entwickeln, als das der spekulativen Absicht
des Bieters entspricht). Insbesondere würde es sich um einen unerheblichen Irrtum über
unsichere künftige Sachverhalte (error in futuro)28 handeln, wenn der Auftraggeber geltend
machen wollte, er hätte die Spekulation wohl erkannt, sich aber über die Wahrscheinlichkeit
von deren Gelingen geirrt.
25
26
27
28
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., Zürich 2008, Rz. 676,
m.w.H., auch auf abweichende Lehrmeinungen.
Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 862.
Ob der die Spekulation, die er nicht tatsächlich erkannte, hätte erkennen müssen, kann nur bei der Übervorteilung
oder bei der Täuschung eine Rolle spielen, nicht jedoch beim Irrtum, wo auch fahrlässiger Irrtum zur
Unverbindlichkeit des Vertrags führen kann, wiewohl unter Leistung von Schadenersatz (dazu Art. 26 OR).
Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 795 ff.; Rz. 801 ff.
BRT 2011
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144
Martin Beyeler
Wenn der Auftraggeber jedoch weder die Spekulation noch die ungewöhnlichen Preise und
deren Wirkungen im Falle von Mengendivergenzen erkannt hat, wenn überdies die
Spekulation aufgeht und sie dazu führt, dass der Auftraggeber über den gesamten Vertrag
hinweg betrachtet nun pro abstrakte Leistungseinheit im wesentlichen Umfang mehr bezahlen
muss, als es seinem Willen beim Vertragsschluss entsprach (vgl. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR),
dann kann sich der Auftraggeber bei gegebenen Voraussetzungen auf wesentlichen Irrtum
berufen und den geschlossenen Vertrag binnen eines Jahres seit der Entdeckung (Art. 31 Abs. 2
OR) anfechten. Eine „Leistung von erheblich grösserem Umfange … oder eine Gegenleistung
von erheblich geringerem Umfange“ im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR dürfte dann
vorliegen, wenn die Spekulation zu einer ganz erheblichen und ungewöhnlichen Steigerung der
Gesamtrentabilität des Geschäfts für den Bieter und für den Auftraggeber daher spiegelbildlich
dazu geführt hat, dass dieser nun pro Einheit Geld viel weniger Leistungen erhält, als das dem
vertraglichen Gleichgewicht ohne die Spekulation oder ohne Eintritt der Mengendivergenz
entspräche (bzw., dass er pro Einheit Leistung übers Ganze betrachtet wesentlich mehr Geld
bezahlen muss, als es sein Wille war). Massgeblich für die Beurteilung der Erheblichkeit des
Rentabilitätsverlusts (aus Sicht des Auftraggebers) ist allerdings stets das Gesamtgeschäft – und
nicht eine einzelne Position.
F
Schweigen über klare und erkannte Fehler ist treuwidrig
Es ist ein von der Spekulation losgelöst zu behandelndes Thema, inwiefern ein Anbieter sich
treuwidrig verhält, wenn er den Auftraggeber nicht über jene Fehler aufklärt, die er in den
Unterlagen des Auftraggebers tatsächlich entdeckt hat und von denen er annehmen muss, dass
sie mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Fehler sind (und nicht allenfalls
diskutable, aber vertretbare Prognosen) und dass sie dem Auftraggeber erhebliche Nachteile
eintragen werden.
Nach Lehre und Rechtsprechung gibt es keine generelle Aufklärungspflicht im
Vertragsverhandlungsverhältnis, die einen Verhandlungspartner immer und unter allen
Umständen dazu anhielte, sein Gegenüber betreffend alles Mögliche aufzuklären.29 Umso
weniger gibt es eine allgemeine vorvertragliche Verpflichtung zur Erforschung der Erklärungen
und Vorstellungen des anderen auf allfällige Irrtümer hin.30 Eine Aufklärungspflicht besteht
aber da, wo ein Verhandlungspartner betreffend die Tatsache, bezüglich deren der andere sich
irrt, über erhebliches Mehr- oder Spezialwissen verfügt, das es ihm gerade im Unterschied zum
anderen erlaubt, die Fehlerhaftigkeit der fraglichen Vorstellungen zu erkennen.31 Irrt sich der
Auftraggeber also in einem Punkt, in dem der Bieter einen Wissensvorsprung hat, kann sich
hieraus eine Aufklärungspflicht ergeben, wenn der Bieter den Irrtum erkennt, und es kann daher
treuwidrig sein, wenn der Bieter den erkannten Irrtum verschweigt. Darüber hinaus halte ich
dafür, dass ungeachtet der konkreten Verteilung von Kenntnissen zwischen den
Verhandlungsparteien ein Anbieter den Auftraggeber dann über einen Irrtum (des
Auftraggebers) aufzuklären hat (und sich ansonsten treuwidrig verhält), wenn er den Irrtum
tatsächlich mit Gewissheit als solchen erkannt hat.32 Daran ändert sich meines Erachtens nichts,
wenn der Auftraggeber den Fehler selber hätte entdecken können. Anders verhält es sich aber,
29
30
31
32
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 862 f. (m.w.H.); BGE 90 II 449, E. 4; BGE 92 II 328, E. 3b; BGE 102 II
81, E. 2; BGE 116 II 431, E. 3a.
Vgl. BGE 102 II 81, E. 2.
Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 863.
Vgl. BGE 92 II 328, E. 3b: „Assurément, le devoir d'information ne concerne pas les circonstances que l'autre
partie est censée connaître elle-même. On doit toutefois redresser l'erreur qui porte sur un fait que l'on connaît
ou que l'on doit connaître, si l'on s'aperçoit que le partenaire se fait une idée inexacte des prestations respectives
ou de l'ampleur de son propre engagement [im Original nicht kursiv]“; so auch BGE 90 II 449, E. 4. Strenger
jedoch GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 862 f.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
wo der Bieter in guten Treuen davon ausgehen durfte, dass der Auftraggeber den Fehler kennt
oder rechtzeitig selber entdecken würde – diesfalls darf er auf Aufklärung verzichten.33
Nach der hier vertretenen Auffassung handelt ein Bieter daher ungeachtet der Frage allfälligen
Mehrwissens im fraglichen Bereich treuwidrig und verletzt seine vorvertraglichen
Aufklärungspflichten, wenn erstens ein Fehler ex ante und objektiv feststellbar vorliegt (und es
also nicht um eine gewissenhaft vorgenommene Einschätzung oder Prognose geht, die
naturgemäss innerhalb eines gewissen Streubereichs mit guten Gründen auch anders lauten
könnte), wenn zweitens der Bieter diesen Fehler als solchen tatsächlich erkennt, wenn der
erkennende Bieter drittens den Auftraggeber nicht (rechtzeitig nach der Entdeckung) auf den
Fehler aufmerksam macht und wenn der Bieter viertens erwarten muss, dass der Fehler dem
Auftraggeber ganz losgelöst von einer allenfalls hierauf aufbauenden Spekulation einen
erheblichen Nachteil in der Form von (unechten) Mehrkosten oder sonstige Inkonvenienzen
zufügen wird.
Damit stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen solcher Treuwidrigkeit: Der Auftraggeber
kann vom Bieter, der treuwidrig einen entdeckten Fehler verschweigt, bei gegebenen übrigen
Voraussetzungen aus culpa in contrahendo Ersatz für allen Schaden verlangen, den er nicht
erlitten hätte, wenn er unverzüglich über den Fehler aufgeklärt worden wäre. Das heisst
insbesondere, dass der treuwidrige Bieter den Auftraggeber nicht so zu stellen hat, als hätte
dieser nie einen Fehler begangen, und auch nicht so, als würde die Realität der fehlerhaften
Annahme entsprechen, sondern so, als hätte er durch den Bieter vom Fehler bald nach dessen
Entdeckung erfahren und allenfalls entsprechende Massnahmen getroffen. Wenn der
Auftraggeber nachweisen kann, dass er, wenn der Bieter ihn umgehend aufgeklärt hätte,
bestimmte Aufwendungen nicht auf sich genommen und gewisse weitere Schäden nicht erlitten
hätte, so kann er entsprechenden Schadenersatz fordern.
Schliesst der Auftraggeber den Vertrag mit dem treuwidrig schweigenden Bieter ab, so
fällt die Haftung aus culpa in contrahendo als solche ausser Betracht.34 Möglich ist aber eine
Haftung des Vertragspartners aus vertraglicher Nebenpflichtverletzung,35 was zumindest in
Bezug auf den Grundsatz der Haftung auf das Gleiche hinausläuft. Wenn überdies der
treuwidrige Bieter nicht nur schwieg, sondern in Ausnützung des Fehlers Preise ungewöhnlich
ausgestaltete wie bei einer Spekulation, sind daneben auch die Tatbestände der Übervorteilung
(Art. 21 OR), der absichtlichen Täuschung (Art. 28 OR) und des Irrtums (insb. Art. 24 Abs. 1
Ziff. 3 OR) zu prüfen.
Dem Gesagten ist anzufügen, dass der Bieter, der im Wissen um einen objektiv feststellbaren
Fehler in den Ausschreibungsunterlagen seine Preise in Erwartung eines mit dem Fehler
verknüpften Sonderertrags ungewöhnlich ausgestaltet, mit Gewissheit erst recht treuwidrig
handelt (er schweigt nicht nur, sondern nützt überdies auch aus) – doch um „Spekulation“ im
eigentlichen Sinne geht es hier gar nicht, weil der Fehler feststeht und damit auch die
entsprechenden Folgen sicher sind. Er „spekuliert“ mithin ohne Risiko.
G
Die Spekulation bindet den Bieter immer
Ein Leistungserbringer, der eine spekulative Offerte abgegeben hatte, über welche ohne
Beseitigung der Spekulation ein Vertrag zustande gekommen ist, kann allein auf einem
allfälligen Misslingen der Spekulation keinen vertraglichen Aufhebungsanspruch begründen;
dabei ist es gleichgültig, ob dem Auftraggeber die Spekulation im Zeitpunkt des
33
34
35
BGE 116 II 431, E. 3a: „Keine Offenbarungspflicht besteht, wenn der Verkäufer nach Treu und Glauben
annehmen durfte, die Gegenpartei werde den richtigen Sachverhalt ohne weiteres erkennen“.
BGer 5C.60/2005 (20.06.2005), E. 4.5; BGer 4C.256/2004 (28.02.2005), E. 9.2.1.
BGer 5C.60/2005 (20.06.2005), E. 4.5: „Selon la jurisprudence, lorsque … les pourparlers ont abouti à la
conclusion d'un contrat formellement valable et qui a déployé tous ses effets juridiques, les règles de la bonne foi,
sur lesquelles repose la responsabilité précontractuelle, n'entrent pas en ligne de compte; dans ce cas, seul le droit
contractuel peut fonder une éventuelle responsabilité“.
BRT 2011
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Vertragsschlusses bekannt war oder nicht. Der Spekulierende hat insofern keine
Befreiungsmöglichkeit und bleibt gebunden (es sei denn, dass andere Tatsachen eine
Vertragsauflösung begründen). Insbesondere kann er sich von vornherein nicht erfolgreich auf
Irrtum berufen, denn er kann nicht bestreiten, gewusst zu haben, welche Folgen die Spekulation
nach sich zieht, wenn die Annahmen, auf die er gewettet hat, nicht eintreffen (oder wenn gar das
Gegenteil eintritt). Er hat sich insofern nicht geirrt. Überdies kann er sich, auch wenn das
zutrifft, nicht zur Beseitigung seiner Verpflichtung darauf berufen, er habe sich über die
Entwicklung der Verhältnisse, insbesondere der Mengen, geirrt, denn das wäre eine unzulässige
Berufung auf einen error in futuro.36 Auch dann, wenn die Spekulation derart schiefgeht, dass
sie mit Blick auf die tatsächlich zu leistenden Mengen und die tatsächlich dafür bezahlte
Vergütung zulasten des Bieters ein „offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der
Gegenleistung“ (insoweit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 OR bzw. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR)
erzeugt, fällt für den Leistungserbringer eine Berufung auf Übervorteilung oder Irrtum von
vornherein ausser Betracht, denn er ist nicht „unerfahren“ und hat sich nicht geirrt, sondern
erleidet die Folgen der Risiken seiner eigenen Spekulation; er ist nicht schutzwürdig, weil er
den beklagten Vertragszustand als eine von verschiedenen Möglichkeiten selber willentlich
herbeigeführt hat, wiewohl die von ihm erhoffte Eventualität selbstverständlich eine andere
gewesen wäre.
Fraglich kann höchstens sein, ob ein Leistungserbringer sich auf Irrtum berufen könne, wenn er
vorbringt, er habe in einer bestimmten Vorgabe des Auftraggebers irrtümlich einen Fehler
vermutet, wohingegen sich später herausstellt, dass der Auftraggeber im fraglichen Punkt von
zutreffenden Annahmen ausging, ein Fehler also in Wahrheit nicht vorlag. Ein solcher Irrtum
scheint möglich, doch wäre in einem solchen Fall genau zu prüfen, ob nicht eine gegen
Treu und Glauben verstossende Berufung auf Irrtum vorliegt (vgl. Art. 25 Abs. 1 OR). Und
das wäre namentlich dann regelmässig anzunehmen, wenn der Bieter vorvertraglich verpflichtet
gewesen wäre, den Auftraggeber über dessen (vermeintlichen) Fehler aufzuklären.
IV. Die Spekulationsofferte im Vergaberecht
A
Vorbemerkungen
Die vergaberechtliche Zulässigkeit einer Offerte setzt zuvorderst stets die vertragsrechtliche
Existenz und Gültigkeit dieser Offerte voraus. Nach dem Gesagten ist eine spekulativ
ausgestaltete Preise enthaltende Offerte aber vertragsrechtlich grundsätzlich gültig, denn sie ist
insbesondere weder rechtswidrig noch unsittlich. Ob im Übrigen die spekulative Offerte
ausnahmsweise zu einer Übervorteilung, einem wesentlichen Irrtum oder einer Täuschung des
Auftraggebers führen wird, steht vor dem Vertragsabschluss noch nicht fest und kann die
Gültigkeit einer Offerte daher nicht tangieren. Wenn im Folgenden also die vergaberechtliche
Behandlung von Spekulationsofferten untersucht wird, ist dabei zu berücksichtigen, dass
vertragsrechtliche Ungültigkeitsgründe als Argument für die vergaberechtliche Unzulässigkeit
einer solchen Offerte ausser Betracht fallen. Ob eine Spekulationsofferte vergaberechtlich
zulässig oder auszuschliessen sei, ist demnach allein anhand des Vergaberechts zu klären.
Denn die vertragsrechtliche Gültigkeit einer Submissionsofferte ist eine stets notwendige, nie
aber eine hinreichende Voraussetzung für deren vergaberechtliche Zulässigkeit; das
Vergaberecht stellt die Zulässigkeit einer Offerte im Vergabeverfahren unter viele weitere
Bedingungen in formeller, inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht.
36
Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (FN 25), Rz. 795 ff.; Rz. 801 ff.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
Für private Auftraggeber steht ohne weitere Erörterung fest, dass diese eine spekulative
Offerte wie überhaupt alle Offerten ohne besondere Grundangabe ablehnen dürfen (daran ändert
auch die im Ausnahmefall greifende Haftung aus culpa in contrahendo nichts).37
1.
Nicht jedes bieterische Annehmen ist spekulieren
Vergaberechtlich ist nur das als Spekulation zu behandeln, was eine Wette auf
Verhältnisänderungen in Erwartung eines Sonderertrages darstellt, der aufgrund einer
spezifisch-ungewöhnlichen Preisgestaltung mit der Verhältnisänderung eintreten soll. Blosse
spekulative Annahmen eines Bieters dagegen (etwa darüber, ob er bestimmte Einkäufe wirklich
so günstig wird tätigen können, wie er das kalkuliert, oder darüber, ob er das nötige
Schlüsselpersonal finden wird) interessieren allenfalls unter dem Titel der Eignung des Bieters
und der Prüfung von Unterangeboten, haben aber mit Spekulation im hier zu untersuchenden
Sinne nichts zu tun. Ebensowenig ist von Spekulation zu sprechen, wo der Bieter nach den
Vorgaben des Auftraggebers faktisch gezwungen ist, Annahmen zu treffen, weil der
Auftraggeber keine Annahmen vorgibt, solche aber für jede vernünftige Preiskalkulation
unabdingbar sind. Insbesondere dann also, wenn der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner
Ausschreibungsvorgaben für bestimmte Kosten und Risiken (insbesondere für allfällige
Erschwernisse) keine bestimmten Positionen bezeichnet, sondern insofern undifferenziert
verlangt, dass die entsprechenden Aufwendungen „einzurechnen“ seien, kann keinem Bieter
Spekulation vorgeworfen werden, ganz gleichviel, wo und zu welchem Betrag er die fraglichen
Aufwendungen und Risiken einrechnet (und ob er das überhaupt tut).
2.
Die Verletzung von Preisbildungsregeln
a)
Preisbildungsregeln sind formelle Offertvorschriften
Wenn ein öffentlicher Auftraggeber unter Beachtung des Diskriminierungs- und des
Schikaneverbotes in der Ausschreibung oder den Unterlagen Regeln über die Preisbildung
aufstellt, aus denen sich ergibt, in welchen genau bezeichneten Positionen der Bieter welche
Kosten und weiteren Aufwendungen sowie Risiko- und Gewinnanteile einzurechnen hat, und
wenn ein Bieter diese Regeln missachtet, so ist ganz losgelöst von jeder Spekulationsfrage eine
Verletzung des vergaberechtlichen Grundsatzes gegeben, wonach eine Offerte
ausschreibungskonform sein und daher mit den Vorgaben des Auftraggebers übereinstimmen
muss, um für die Vergabe in Frage zu kommen. Die Missachtung einer Regel darüber, welche
Aufwände über welche Position, das heisst: über welchen Preis und welchen Vergütungsmodus,
abzurechnen sind, ist eine gewöhnliche Missachtung der Regeln über die Angebotsgestaltung.
Die entsprechende Offerte darf unter der Voraussetzung ausgeschlossen werden, dass es nicht
bloss um ganz geringfügige oder höchst unwahrscheinliche Probleme geht und ein Ausschluss
daher überspitzt formalistisch wäre. Falls die eine Preisbildungsvorschrift verletzende Offerte
gar mit sehr erheblicher Wahrscheinlichkeit sehr gravierende Folgen mit Bezug auf die
Entwicklung der Vergütung haben wird, so dass danach das Submissionsergebnis verfälscht
wäre, muss sie gar ausgeschlossen werden und das können die Konkurrenten nötigenfalls
beanspruchen können.
Im Vergabeverfahren kann, weil erst Offerten vorliegen und die Zukunft noch unbekannt ist,
nicht darauf abgestellt werden, ob eine ungewöhnliche Preisbildung tatsächlich gravierende
Folgen haben wird. Vielmehr genügt es für den Ausschluss einer gewisse
Preisbildungsvorschriften verletzenden Offerte, wenn eine bestimmte Verhältnisänderung
nicht unwahrscheinlich ist und diese gerade aufgrund der vorschriftswidrigen Preisgestaltung
37
Vgl. insb. BGer 4C.320/2002 (03.02.2003), E. 3.2: „Das Vertragsverhandlungsverhältnis verpflichtet die Parteien
nicht dazu, einen Vertrag abzuschliessen. Nicht treuwidrig handelt deshalb jene Partei, die sich dazu entschliesst,
die Vertragsverhandlungen abzubrechen. Sie hat darüber grundsätzlich auch nicht Rechenschaft zu geben“;
BGE 105 II 75, E. 2a.
BRT 2011
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148
Martin Beyeler
für den Auftraggeber erheblich nachteilige Folgen hätte (im Vergleich zur gleichen Offerte,
wenn diese die Preisbildungsvorschriften nicht verletzen würde).
b)
Die Verletzung von Preisbildungsregeln braucht nicht Spekulation zu sein
Nach dem Ausgeführten wird klar, dass es auf die Frage der Spekulationsabsicht gar nicht
ankommt, wenn einmal feststeht, dass ein Angebot in nicht nur geringfügiger Weise und mit
erheblicher Wahrscheinlichkeit von Preisbildungsregeln abweicht und deswegen ungewöhnliche
und gravierende Folgen mit Bezug auf die Gesamtvergütung haben könnte. Wenn bei einer
bestimmten Offerte feststeht, dass sich das Gesamtverhältnis zwischen Leistung und
Gegenleistung aufgrund einer Verletzung der Regeln über die Preisbildung erheblich und
in ungewöhnlicher Weise zulasten des öffentlichen Auftraggebers verändern wird, sobald
eine bestimmte, nicht ganz unwahrscheinliche Verhältnisänderung eintritt, so ist die
Regelverletzung nicht unerheblich und berechtigt den öffentlichen Auftraggeber zum
Ausschluss der betreffenden Offerte. Denn die Bieter haben zwar alles Recht im Rahmen der
Vertragsfreiheit, zu offerieren wie sie wollen, doch muss der öffentliche Auftraggeber sich
nichts bieten lassen, was für ihn zu grosse Risiken birgt, die er nicht tragen will und nicht
ausgeschrieben hat.
Ein Privater, der nicht auf Gegenspekulation, sondern auf verlässliche Verhältnisse aus ist, lässt
ein Spekulationsangebot in der Regel liegen, und genauso kann es nicht im Sinne des
Wirtschaftlichkeits- oder des Gleichbehandlungsgrundsatzes sein, einen öffentlichen
Auftraggeber darauf zu verpflichten, Spekulationsangebote oder ganz allgemein solche
Angebote, die bei nicht unwahrscheinlichen Verhältnisänderungen ungewöhnliche und
gravierend nachteilige Folgen (zulasten des Auftraggebers) nach sich ziehen können, zuzulassen
und gegebenenfalls zu berücksichtigen. Der Grund für diese Ausschlussmöglichkeit, die im
Ermessen des Auftraggebers liegt, wenn der Fall nicht ganz unerheblich ist, und die zur
Ausschlusspflicht wird, wenn die Folgen der Verletzung im Falle einer Verhältnisänderung die
Vergabe in Frage stellen würden, liegt nicht primär in allfälligen Spekulationsabsichten des
Bieters. Er liegt vielmehr in der Regel betreffend die Preisgestaltung, deren Verletzung als
Missachtung einer vergaberechtlich relevanten Formvorschrift betreffend die Ausgestaltung des
Angebots einen Ausschluss grundsätzlich rechtfertigt.38
c)
Ermittlung und Auslegung von Preisbildungsregeln
Bieter können, das ist an sich selbstverständlich, nur jene Preisbildungsregeln verletzen, die im
konkreten Vergabeverfahren tatsächlich gelten, weil der Auftraggeber sie explizit oder
wenigstens implizit aufgestellt hat.39 Soweit es um Regeln geht, die ausdrücklich als
Preisbildungsregeln formuliert sind – etwa: „Erschwernisse zufolge Schnee und Frost sind in
38
39
In diesem Sinne VGer GR U 05 47 (26.08.2005), E. 1b: „Aus den Ausschreibungsunterlagen … geht unter der …
Pos. 111.001 (Baustelleninstallation) eindeutig und abschliessend hervor, welche Leistungen darunter verstanden
und subsumiert werden sollten. Während die Beschwerdeführerin indes noch verschiedene Fixkosten (wie
Lohnanteil für Zeitverlust bis zum Arbeitsplatz; Transportkosten für Anreise sowie Logiskosten der Arbeiter
während Projektrealisation usw.) dort hinein verpackte und deshalb auf einen Installationsbetrag von Fr. 62'600.-kam, betrug dieselbe Position bei der berücksichtigten Anbieterin lediglich Fr. 13'000.--, womit offenkundig ist,
dass die Beschwerdeführerin dort mit ihrem fast fünfmal teureren Installationsangebot zusätzlich auch noch
völlig artfremde Leistungspositionen offeriert hatte, die so gar nicht vorgesehen bzw. an jener Stelle verlangt
waren. Diese in beiden Angeboten systematisch vorgenommene Abweichung bzw. Unvollständigkeit gegenüber
den amtlichen Ausschreibungsvorgaben ist inhaltlich gravierend und würde für sich allein betrachtet bereits
genügen, um den Ausschlussgrund im Sinne von Art. 22 lit. c SubG als erfüllt zu betrachten [im Original nicht
kursiv]“; VGer GR U 10 40 (25.05.2010), E. 3c: „Ob solches der Grund für die eigenartige Kalkulation der
Beschwerdeführerin war, nämlich die Spekulation darauf, dass bei der Realisierung des Auftrages geringere
Mengen verbaut werden müssen mit der Folge, dass sich die zu gewährende Preisreduktion in Grenzen halten und
die betrieblichen Einnahmen sicherer budgetieren liessen, kann offen gelassen werden“.
Vgl. VK Bund 2 – 27/07 (03.05.2007), E. II./2./b)/a.: „Eine unzulässige Verlagerung von Kosten der
Montagehilfskonstruktion … kann … nicht festgestellt werden. … Fehlt es … an einer Vorgabe der Vergabestelle
zur Berücksichtigung bestimmter Kosten im Leistungsverzeichnis, können diese nicht in einer unzulässigen
Weise verlagert werden“.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
die Einheitspreise einzurechnen“ –, ist deren Identifikation nicht besonders schwierig, doch
unterliegen gerade auch sie der gleichen Auslegung wie alle Vertragsbestimmungen (z.B. ergibt
sich aus der Auslegung, dass nicht die Erschwernisse, sondern die daraus erwachsenden
Aufwendungen „einzurechnen“ sind, und vor allem, welche Aufwendungen das genau sind).
Nur über die Auslegung erschliesst sich, ob eine bestimmte Textpassage der
Ausschreibungsunterlagen tatsächlich eine Preisbildungsregel enthält und, falls ja, was sie
genau vorschreibt; das gilt insbesondere für Normpositionstexte. Immer ist durch Auslegung zu
klären, ob der Auftraggeber mit der Leistungsbeschreibung, zu welcher der Bieter einen
Einzelpreis offerieren soll, eine Preisbildungsregel aufstellen will, und falls ja, welche Kosten
und weiteren Aufwendungen sowie Risiken hier (und nicht anderswo) angesprochen und erfasst
werden sollen.
Der Auslegung nach Treu und Glauben vorenthalten bleibt allerdings der Fall, in welchem ein
Bieter den Auftraggeber tatsächlich richtig verstanden hat – diesfalls gilt die richtig
verstandene Erklärung, selbst wenn die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen nach Treu
und Glauben zu einem anderen Ergebnis führen würde (sei dieses besser oder schlechter für den
Anbieter).
B
Der Umgang mit den verschiedenen Spekulationsformen
1.
Zur Umlagerung von Umsätzen in Pauschalpositionen
Die Verschiebung von Umsatz aus einer Einheitspreisposition in eine Pauschalposition stellt
häufig eine Verletzung der in casu geltenden Preisbildungsvorschriften dar: Schreibt ein
Auftraggeber bestimmte Leistungen aus, wobei er für manche davon Einheitspreispositionen,
für andere Pauschalpositionen vorsieht, welche die Bieter je einzeln bepreisen sollen, so erklärt
er damit in der Regel zumindest implizit im Sinne einer Angebots-Formvorschrift, dass die
Bieter die Kosten der Aufwendungen, die ihnen für die Einheitspreis-Leistungen anfallen, in
den Einheitspreisen dieser Leistungen einrechnen sollen (um ein gültiges Angebot zu legen),
soweit nicht andere Positionen für diese Leistungen vorgesehen sind. Dasselbe gilt mutatis
mutandis für die Leistungen, die unter Pauschalpositionen ausgeschrieben werden.
Der Auftraggeber drückt mit der Ausschreibung eines derartig differenzierten
Einzelpreissystems namentlich den Willen aus, bestimmte Aufwendungen des Bieters in
Abhängigkeit von der tatsächlichen Leistungsmenge und bestimmte Aufwendungen gerade
unabhängig von den tatsächlichen Mengen vergüten zu wollen. Er will bei bestimmten
Kosten des Bieters über eine entsprechende Entwicklung der Vergütung (im Verhältnis zur
provisorisch errechneten Vergütung im Vergabezeitpunkt) partizipieren, wenn sie steigen oder
sinken, und bei anderen Kosten will er das gerade nicht. Das zu tun beziehungsweise von den
potentiellen Anbietern zu verlangen, ist in den Schranken des Art. 7 KG (vgl. dort insb. Abs. 2
lit. c) jedem öffentlichen (und privaten) Auftraggeber erlaubt.
Ein Bieter, der die Vergütung für bestimmte Aufwendungen in einer Pauschalposition
einrechnet, obschon diese Aufwendungen nach dem in der Ausschreibung erklärten Willen des
Auftraggebers in einer Einheitspreisposition zu berücksichtigen wären, legt ein
ausschreibungswidriges Angebot: Er offeriert dem Auftraggeber nämlich, seine Kosten und
weiteren Aufwendungen für bestimmte Leistungen unter einem anderen Vergütungsmodus
abzurechnen, als der Auftraggeber es vorgegeben hat. Er schlägt vor, dass ein bestimmter Anteil
der offerierten Gesamtvergütung stabil sein soll, ganz gleichviel, welche tatsächlichen Mengen
sich mit Bezug auf die Leistungen, für die dieser Vergütungsanteil gedacht ist, einstellen
werden – währenddem der Auftraggeber vorgegeben hat, dass der diese Leistungen betreffende
Teil der Gesamtvergütung je nach tatsächlicher Leistungsmenge sinken oder steigen solle.40 Er
40
Vgl. VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.4: „Beim Prinzip der Preisvereinbarung nach Einheitspreisen
wird davon ausgegangen, dass sich Mengenänderungen in entsprechenden Preisänderungen niederschlagen. Ein
Angebot, bei dem bestimmte Einheitspreise bewusst tief gehalten und die auf diese Positionen entfallenden
Materialkosten in eine Festpreisposition übertragen werden, widerspricht dem Prinzip einer Preisvereinbarung
BRT 2011
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Martin Beyeler
schlägt einen von der Ausschreibung abweichenden Vergütungsmodus und mithin einen
anderen Vertrag vor, womit grundsätzlich auf ein ausschreibungswidriges Angebot zu
schliessen ist, das auch als Variante ausser Betracht fällt, weil Vergütungsvarianten der Sache
nach grundsätzlich nicht als zulässige Varianten gelten (vgl. insb. Art. 22a Abs. 2 VöB).41
a)
Der Ausschluss von Umlagerungsofferten
Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, jene Offerte gestützt auf deren
Ausschreibungswidrigkeit vom Verfahren auszuschliessen, in welcher der Bieter die Höhe der
Vergütung für bestimmte Aufwendungen, die ihm im Zusammenhang mit bestimmten
Leistungen anfallen, entgegen den expliziten oder impliziten Vorgaben in der Ausschreibung
nicht mengenabhängig und mithin variabel offeriert, sondern mengenunabhängig und fix zum
Voraus, wenn also Umsatz anstatt in einer Einheitspreisposition in einer Pauschalposition
eingerechnet wurde (et vice versa).42 Das gilt indes nur dann, wenn erstens dieser OffertSachverhalt der Verschiebung von Umsatz aus Einheits- in Pauschalpreispositionen
nachgewiesen ist, wenn zweitens die Umlagerung mit Blick auf das Verhältnis zwischen den
insgesamt so verschobenen Beträgen und der totalen Offertsumme erheblich ist und wenn
drittens Gewissheit oder zumindest eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der
Auftraggeber durch die fragliche Preisgestaltung einen ungewöhnlichen Nachteil erleiden wird.
Auf diese drei Voraussetzungen ist im Folgenden vertieft einzugehen; das hier Ausgeführte
gilt mutatis mutandis zu guten Teilen auch für Offerten mit anderen Spekulationsformen.
nach Einheitspreisen. Denn bei einer solchen Offerte profitiert der Auftraggeber bei allfälligen
Mengenreduktionen nicht von der Kostenersparnis“. Vgl. auch VGer GR U 05 47 (26.08.2005), E. 1c, wo das
Gericht eine Offerte, in welcher Umsätze aus Einheitspreispositionen zu 99 Prozent in die Baustellenglobale
übertragen worden waren, rundheraus als „verkappte Pauschalofferte“ bezeichnet hat.
41
Vgl. insb. VGer AG WBE.2007.167 (03.10.2007; AGVE 2007, S. 157 ff., Nr. 38), E. 3.2.2; VGer AG 20.10.2003
(AGVE 2003, S. 278 ff., Nr. 64), E. 3b; VGer ZH VB.2003.00256 (03.12.2003), E. 3.3; VGer ZH
VB.2003.00091 (08.10.2003), E. 2.1; VGer ZH VB.2002.00195 (23.01.2003), E. 4a. So auch HÜRLIMANN,
Unternehmervarianten, in: BR 1996, S. 3 ff., S. 4; tendenziell gl.M. STÖCKLI, AlpTransit c. Marti, in: BR 2007,
S. 40 ff., S. 41. Vgl. auch VGer ZH VB.2007.00458 (26.03.2008), E. 5: In diesem Fall waren
Vergütungsvarianten ausnahmsweise zulässig, weil die Vergabestelle das ausdrücklich so erklärt hatte.
42
BGer 2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2: „Si deve poi aggiungere che il modo con il quale quest'ultima ha
strutturato i prezzi delle posizioni n. 141.711.102 e 211.751.114, optando per il trasferimento di una consistente
parte degli stessi su di un'altra posizione completamente distinta, risulta del tutto contrario al sistema di
compilazione dell'offerta predisposto nel capitolato e disattende, in particolare, quanto prescritto alla posizione
n. 113.100, la quale specifica quali prestazioni possono essere inserite tra i costi per le istallazioni di cantiere.
Una simile maniera di procedere non può essere accettata nell'ambito di una procedura di concorso per
l'aggiudicazione di una commessa pubblica“. Vgl. auch VGer LU V 04 19 (19.03.2004; LGVE 2004 II Nr. 8):
„Die kalkulatorische Verschiebung von mengenabhängigen Einheitspreisen in eine Festpreisposition ist nicht
gestattet. … Die Anbieterin hatte Nullpreisofferten für Belagsarbeiten in die Position Baustelleneinrichtung, die
als Globale zu offerieren war, wieder eingerechnet. Ein solches Vorgehen verletzt das Gebot der Transparenz und
die Anbieterin darf vom Verfahren ausgeschlossen werden“ (aus dem Leitsatz); VGer GR U 05 47 (26.08.2005),
E. 1c; VGer GR U 10 40 (25.05.2010), E. 3c; VGer ZH VB.2003.00256 (03.12.2003), E. 4: Die Umlagerung von
Einheitspreis-Kosten in Pauschalpositionen „widerspricht dem Prinzip einer Preisvereinbarung nach
Einheitspreisen, bei welcher davon ausgegangen wird, dass sich Mengenänderungen in entsprechenden
Preisänderungen niederschlagen. Zwar ist die Kalkulation der Angebotspreise Sache des anbietenden
Unternehmers, und die Art und Weise, wie er seinen Aufwand in Einheitspreise umrechnet, steht ihm
grundsätzlich frei. Vorliegend diente die Verschiebung von Kostenteilen aus den Einheitspreisen in eine
Festpreisposition aber offensichtlich einzig dem Zweck, die Fehler des Leistungsverzeichnisses zu Lasten des
Auftraggebers auszunützen. Ein anderer Sinn des gewählten Vorgehens ist nicht erkennbar … Unter diesen
Umständen durfte … das … Angebot, dessen Preisbildung den Beschwerdegegner bei einer Mengenreduktion
benachteiligte, nicht zugelassen werden“; VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1; VGer ZH
VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.4.4; VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff.,
Nr. 11.2), E. 6.3.2; BASS, Verschieben von Einheitspreisen in eine Pauschalpreisposition, in: BR 2004,
Sonderheft Vergabetagung 04, S. 23 f.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
b)
Der Nachweis der Umlagerung
Nachgewiesen ist die Verschiebung von Umsatz aus einer Einheitspreis- in eine
Pauschalposition dann, wenn der Bieter sie offen eingesteht (allenfalls auf Nachfrage hin),43
wenn die von einem Bieter abgegebenen Preisanalysen unter Berücksichtigung all seiner
diesbezüglichen betrieblichen und geschäftlichen Erklärungen zu diesem Schluss führen oder
vernünftigerweise keinen anderen Schluss zulassen oder wenn allein schon die offerierten Preise
eine klare Sprache sprechen.44 Das Letztere kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn
eine Einheitspreisposition einen Preis enthält, der um etliche Grössenordnungen tiefer liegt als
das Mittel der sonst üblicherweise im Markt für Leistungen der fraglichen Art bezahlten Preise,
der auf null Franken oder gar auf einen negativen Betrag (ohne dass das so ausgeschrieben
worden wäre) lautet oder bei dem der Bieter anstatt eines Preises nur einen Vermerk wie
„eingerechnet“ in die Offerte aufnimmt, soweit zugleich eine Pauschalposition ungewöhnlich
hoch ist. Noch plausibler ist die Annahme einer Umsatzverschiebung in die Pauschalposition
dann, wenn der Betrag, um den diese Position über einem ungefähren Marktmittel liegt, nicht
wesentlich grösser oder kleiner ist als der Betrag, der sich ergibt, wenn man die in der fraglichen
Einheitspreisposition angenommene Menge mit der Differenz zwischen dem vom Bieter
offerierten Einheitspreis und dem ungefähren Markt-Einheitspreis für Leistungen der fraglichen
Art multipliziert: Wenn, mit anderen Worten, der Preis einer Einheitspreisposition (oder
mehrerer solcher Positionen zusammengenommen) so weit unter dem Marktmittel liegt, dass er,
multipliziert mit der ausgeschriebenen Menge, zu einem Betrag führt, der in etwa gleich hoch ist
wie der Betrag, um den eine Pauschalposition über einem ungefähren Marktmittel liegt, so ist
das regelmässig ein Indiz für eine Umsatzumlagerung. Immer aber ist zu berücksichtigen, wie
sich der Bieter, soweit er das tut, erklärt.
Ohnehin trägt der Auftraggeber hauptsächlich die Beweislast dafür, dass ein Bieter umgelagert
hat:45 Der Bieter trägt im öffentlichen Vergabeverfahren zwar zunächst die (selbstverständliche)
Mitwirkungsobliegenheit, eine zulässige Offerte auszuarbeiten, und er trägt den Rechtsnachteil
einer unzulässigen Offerte alleine. Er muss auch die „Nachweise“ (Belege) abgeben, die der
Auftraggeber von ihm verlangt, ansonsten seine Offerte unvollständig und daher schon aus
formalen Gründen unzulässig ist. Sodann ist der Bieter jedenfalls dann, wenn er vom
Auftraggeber in den Ausschreibungsdokumenten entsprechend informiert worden ist, und wohl
43
44
45
Das geschah so insbesondere im Fall BGer 2P.164/2002 (27.11.2002; E. 3.3.1). Gleich verhielt es sich in VGer
SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.2.3. In VGer ZH VB.2007.00123
(12.09.2007), E. 3.4 (vgl. insb. E. 3.4.4), jedoch bestritt der Bieter jegliche Umlagerung. In VGer GR U 05 47
(26.08.2005) gestand der Bieter ein, auf den Einheitspreisen einen „Sonderrabatt“ von 99 Prozent gewährt zu
haben, was angesichts der im Quervergleich mit den übrigen Offerten rund fünfmal höheren
Installationspauschale einem Eingeständnis einer Umlagerung zumindest sehr nahekam. Dazu trat in diesem Fall,
dass eine Margenspekulation der besonderen Art eingestanden wurde: Der Bieter erklärte in der Preisanalyse,
dass er die um den „Sonderrabatt“ von 99 Prozent verbilligten Einheitspreisleistungen für Arbeiten im Rahmen
von Bestellungsänderungen nicht gewähren wollte, dass er also für solche Leistungen seine ganz gewöhnlichen
Preise veranschlagen wollte. Ohne dass das im Angebotsvergleich, der gewöhnlich im Sinne eines ceterum
censeo davon ausgeht, dass im Falle von Bestellungsänderungen der Grundsatz der proportionalen
Preisfortschreibung gilt, die für die Grundleistungen offerierten Preise also soweit möglich unverändert für
Bestellungsänderungs-Leistungen gelten und ansonsten als Ausgangspunkt und Orientierungsgrösse der
Nachtragspreise dienen (vgl. Art. 87 SIA-Norm 118), zum Tragen kommen konnte, wollte dieser Bieter also über
Preise, die nicht in den Angebotsvergleich einflossen (nämlich seine Bestellungsänderungs-Preise), eine ganz
andere Rentabilität erreichen als jene, die seinen tatsächlich bewerteten Preisen zugrunde lag.
Vgl. für eine Beweisführung VGer U 10 40 (25.05.2010), Sachverhalt Ziff. 3 und E. 3c.
Vgl. auch OLG Thüringen 9 Verg 8/05 (23.01.2006), E. II/2c/dd, m.w.H. auf dahingehende deutsche
Rechtsprechung: „Im Grundsatz gilt, dass die Vergabestelle einen von ihr behaupteten Ausschlussgrund im
Angebot eines Bieters konkret zu benennen hat und im Zweifelsfall die Feststellungslast für dessen Vorliegen
trägt, wobei der Begriff der objektiven Feststellungslast den im zivilprozessualen Beibringungsverfahren
gebräuchlichen Begriff der Beweislast ersetzt. An dieser Regel ist auch für die Prüfung einer Mischkalkulation
festzuhalten“. Vgl. allerdings auch BGH VII ZR 201/06 (18.12.2008), Rn. 15: „In dem Fall, dass der Bieter in
einer Position des Leistungsverzeichnisses einen ausserordentlich überhöhten Einheitspreis angegeben hat,
besteht die widerlegbare Vermutung, dass er in dieser Position auf eine Mengenmehrung hofft und durch
Preisfortschreibung auch für diese Mengenmehrung einen ausserordentlich überhöhten Preis erzielen will“.
BRT 2011
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auch dann, wenn seine Preise höchst ungewöhnlich sind, gehalten, dem Auftraggeber Auskunft
über seine Preisgestaltung zu erteilen (wobei der Auftraggeber sich hier ganz besonders an den
Vertraulichkeitsgrundsatz zu halten hat). Wenn er jede (vernünftige) Aussage verweigert,
können daraus im Rahmen der Beweiswürdigung allenfalls entsprechende Schlüsse gezogen
werden. Gleichwohl steht der Bieter zumindest in allen Verfahren mit öffentlicher
Ausschreibung unter dem Schutz des aus dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz fliessenden
allgemeinen Teilnahmerechts, das zum Kern des Vergaberechts überhaupt gehört. Und daraus
folgt, dass der öffentliche Auftraggeber, der einen Bieter ausschliessen will, die Tatsachen zu
beweisen hat, welche den Ausschluss begründen (sollen). Es ist der Auftraggeber, welcher dem
allgemeinen und nicht angesichts einer formal grundsätzlich korrekten Offerte weiter
beweisbedürftigen Teilnahmerecht des Bieters eine rechtshindernde Einwendung
entgegenhalten will, so dass er die Voraussetzungen dieser Einwendung selber nachzuweisen
hat. Der Bieter hat hier gewisse Mitwirkungsobliegenheiten, deren Missachtung im Rahmen der
Beweiswürdigung ins Gewicht fallen können, doch wenn am Ende Zweifel über eine behauptete
Umlagerung bestehen bleiben, trägt der Auftraggeber die Folgen dieses Beweisergebnisses und
kann sich nicht auf die behauptete Umlagerung berufen, so dass jedenfalls in dieser Hinsicht auf
Zulässigkeit der Offerte zu schliessen ist.
c)
Nichtausschluss bei geringfügigen Wirkungen der Umlagerung
Der Auftraggeber ist nicht berechtigt, eine Offerte auszuschliessen, selbst wo zweifelsfrei
bewiesen (insbesondere: eindeutig zugestanden) ist, dass der Bieter Umsatz aus einer
Einheitspreisposition in eine Pauschalposition verschoben hat, sofern es unter Berücksichtigung
von allen solchen Verschiebungen zusammengenommen und im Verhältnis zur gesamten
Offertsumme lediglich um auch im Ergebnis vergleichsweise geringe Beträge geht. Ein
Ausschluss wäre überspitzt formalistisch, wenn eine Umlagerung und mithin eine
Ausschreibungswidrigkeit zwar vorliegt, die Problematik aber gemessen am ganzen
Vertragswert marginal und vernachlässigbar bleibt.
Sobald hingegen den verschobenen Beträgen mit Blick auf die ganze Vergütung ein gewisses
Gewicht zukommt, steht es dem Auftraggeber grundsätzlich offen, eine erwiesenermassen
umlagernde Offerte vom Verfahren auszuschliessen. Diesfalls kann nicht mehr von einer
vernachlässigbaren Bagatelle gesprochen werden. Allerdings ist ein Ausschluss einer
erwiesenermassen erhebliche Beträge umlagernden Offerte auch dann nicht gerechtfertigt, wenn
höchstens eine extrem geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Auftraggeber
wegen der Verschiebung irgendeinen Nachteil erleiden wird: Ist praktisch sicher, dass jede
erhebliche Mengenverminderung in der durch den Bieter abgepreisten Einheitspreisposition
entgegen einer allfälligen Annahme des Bieters praktisch ausgeschlossen ist, oder ist dort
vernünftigerweise gar mit einer Mengensteigerung zu rechnen (der Bieter hat die Gegebenheiten
vielleicht gänzlich verkannt), so wäre es übertrieben und unverhältnismässig, die Offerte wegen
des diesfalls rein theoretischen Risikos eines Nachteils für den Auftraggeber auszuschliessen.
d)
Der Zinsvorteil allein rechtfertigt keinen Ausschluss
Demgegenüber scheint ein Nachteil für den öffentlichen Auftraggeber immer dann gewiss (ohne
dass es auf die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer Mengenminderung in der
abgepreisten Einheitspreisposition ankäme), wenn der Bieter sich mit der Verschiebung einen
Zinsvorteil einräumen will: Sieht der ausgeschriebene Vertrag vor, dass die Pauschalposition, in
welche der Bieter den Umsatz aus der abgepreisten Einheitspreisposition verschoben hat, früher
teilweise oder ganz ausbezahlt wird als die fragliche Einheitspreisposition, so steht in der Regel
fest, dass der Bieter ungeachtet allfälliger Mengendivergenzen jedenfalls durch die frühere
Bezahlung der fraglichen Leistungen einen Zinsvorteil geniesst. Das kann insbesondere im
Bauwesen dann zutreffen, wenn der Bieter Umsatz aus Einheitspreispositionen in eine
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
Baustellen-Installationspauschale einrechnet, soweit diese, was üblich ist, jedenfalls zum
überwiegenden Teil zu Beginn der Arbeiten vergütet wird.46
Dieser Zinsvorteil rechtfertigt bei genauer Betrachtung für sich alleine genommen allerdings
keinen Ausschluss einer Offerte aus dem Vergabeverfahren, denn er ist grundsätzlich
kapitalisier- und damit bezifferbar und könnte daher ohne weiteres fiktiv auf den Preis
aufgerechnet werden, so dass der mit ihm verbundene Zinsnachteil zulasten des Auftraggebers
den Offertvergleich nicht verfälscht. Das bedeutet, dass die Vergabestelle und die Rekursinstanz
nie alleine darauf abstellen können, dass aus einer Umlagerung ein Zinsvorteil entsteht, sondern
immer auch prüfen müssen, ob nicht unter einer (nur für die Zwecke des Angebotsvergleichs
erfolgenden) Aufrechnung dieses Vorteils auf den Preis jegliche Nachteile für den Auftraggeber
ausgeschlossen sind.
Wenn die fragliche Offerte auch unter Aufrechnung des entsprechenden Zinsnachteils für
den Auftraggeber immer noch die wirtschaftlich günstigste ist, weil beispielsweise das
Risiko, dass die Mengen der abgepreisten Einheitspreisposition sinken, praktisch gleich null ist,
dann wäre es unverhältnismässig, diese Offerte wegen des aus der Verschiebung resultierenden
Zinsvorteils auszuschliessen. Das gilt, solange die Verschiebung zu keinen weiteren Nachteilen
führt, was nach dem Ausgeführten zutreffen kann, wenn gewiss oder höchst wahrscheinlich ist,
dass die tatsächlichen Mengen in der abgepreisten Einheitspreisposition im Vergleich zu den
ausgeschriebenen Mengen allenfalls grösser, jedenfalls aber nicht geringer sein werden. In
diesem Fall führt die Umlagerung ausschliesslich zu einem Zinsvorteil, der für die Zwecke des
Angebotsvergleichs rechnerisch auf den Offertpreis geschlagen werden kann, so dass danach
kein Nachteil für den Auftraggeber mehr vorhanden ist. Denn es liegt insbesondere kein
Nachteil darin, dass der Auftraggeber auf diese Weise keine Offerte erhält und allenfalls
berücksichtigen kann, welche den gleichen tatsächlich provisorisch offerierten Gesamtbetrag
wie die von der Verschiebung betroffene Offerte verspricht, zugleich aber gerade auf den
Zinsvorteil verzichtet. Solches hat der Bieter bei richtiger Betrachtung nie angeboten (und er
war dazu auch nicht verpflichtet), sondern nur, aber eben, den fraglichen Gesamtbetrag unter
Berücksichtigung eines zulasten des Auftraggebers wirkenden Zinsvorteils, den dieser
rechnerisch auf den Offertpreis schlagen muss, damit die Offerte mit den übrigen Angeboten
vergleichbar wird.
e)
Ausschluss bei Ausnützung von objektiv feststellbaren Fehlern
Der öffentliche Auftraggeber hat im Übrigen immer dann ein Recht zum Ausschluss einer
Umsätze aus einer Einheitspreis- in eine Pauschalposition umlagernden Offerte, wenn die
Umlagerung einen schon ex ante und objektiv mindestens mit grosser Wahrscheinlichkeit
als solchen feststellbaren Fehler ausnützen soll – wenn sie also konkret darauf aufbaut, dass
die unter dem abgepreisten Einheitspreis ausgeschriebenen Leistungen mit Gewissheit oder an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht oder jedenfalls in viel geringeren
Mengen ausgeführt werden. Denn diesfalls liegt treuwidriges Verhalten des Bieters vor, was für
sich selber schon einen Verfahrenausschluss rechtfertigt.
f)
Das Recht der Konkurrenten auf den Ausschluss
Die Konkurrenten jenes Bieters, der Umsatz aus einer Einheitspreis- in eine Pauschalposition
übertragen hat, können lediglich dann einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf
Ausschluss dieses Bieters geltend machen, wenn erstens eine erhebliche Wahrscheinlichkeit
46
Vgl. VGer SZ VGE III 2008 81 (17.06.2008; EGV-SZ 2008, S. 145 ff., Nr. 11.2), E. 6.3.2: „Schliesslich führt die
Umlagerung in die Position ‚Baustelleneinrichtung’ im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Kreditgewährung,
weil die entsprechende Forderung bereits zu Beginn der Bauarbeiten fällig wird (vgl. Art. 145 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 146 SIA-Norm 118)“; VGer ZH VB.2009.00480 (10.03.2010), E. 3.4: „Schliesslich führt
eine Umlagerung in die Position Baustelleneinrichtung im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Kreditgewährung,
weil die entsprechende Forderung bereits zu Beginn der Bauarbeiten fällig wird“, E. 3.4.4 (zur Frage der
„ungerechtfertigten Kreditgewährung“ FN 21); VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.1; BGer
2P.164/2002 (27.11.2002), E. 3.3.2 (Zitat in FN 21).
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Martin Beyeler
dafür besteht, dass die tatsächlichen Mengen unter den abgepreisten Positionen im Vergleich zu
den ausgeschriebenen Mengen spürbar geringer ausfallen werden, und wenn zweitens die von
Verschiebungen betroffenen Beträge zusammengenommen im Vergleich zur gesamten
offerierten Summe so gross sind, dass bei teilweisem oder vollumfänglichem Eintreffen einer
Mengenverminderung
in
der
fraglichen
Einheitspreisposition
mit
erheblicher
Wahrscheinlichkeit ein anderes konkretes Angebot aus der Submission dazu führen würde, dass
der Auftraggeber hierunter eine um so viel günstigere tatsächliche Gesamtvergütung bezahlen
müsste, dass nun dieses andere Angebot unter den anwendbaren Zuschlagskriterien als das
wirtschaftlich günstigste erschiene. Anders gewendet: Ein Konkurrent kann dann den
Ausschluss des umlagernden Bieters verlangen, wenn eine erhebliche Mengenverminderung in
der abgepreisten Einheitspreisposition wahrscheinlich ist und zudem unter der Hypothese, die
Offerten würden nach dem vom Spekulierenden angenommenen (und nicht nach dem
ausgeschriebenen) Mengengerüst bewertet, eine andere Offerte für den Auftraggeber so viel
günstiger wäre (als die von der Umlagerung betroffene Offerte), dass diese unter
Berücksichtigung der entsprechenden Preisbewertung und der übrigen Zuschlagskriterien den
Zuschlag erhalten müsste. Als beschwerdelegitimiert ist allerdings nur jener Bieter zu
betrachtet, der anstelle des Auszuschliessenden den Zuschlag erhält.
Diesem Anspruch des Konkurrenten steht eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers
gegenüber: Dieser muss Offerten ausschliessen, die zufolge einer Umsatzverschiebung aus einer
Einheits- in eine Pauschalpreisposition eine im beschriebenen Sinn erhebliche Erhöhung des
allgemeinen Vergaberisikos bergen. Sein Ermessen betreffend Zulassung oder Nichtzulassung
einer umlagernden Offerte, das entsteht, sobald eine Umlagerung keine reine Bagatelle mehr
darstellt, hört dort wieder auf, wo eine nicht unerhebliche Mengenverminderung in der
abgepreisten Position wahrscheinlich oder praktisch sicher ist und zudem bei Annahme dieser
veränderten Menge unter allen Zuschlagskriterien wenigstens ein Konkurrent des umlagernden
Bieters günstiger zu bewerten wäre als dieser Bieter.
g)
Die Bieter müssen nicht blind auf die Mengen vertrauen
Im Sinne eines Exkurses ist hier festzuhalten, dass es trotz des Gesagten, wonach Umsatz
verschiebende Offerten in der Regel ausgeschlossen werden können (oder gar müssen),
entgegen dem Zürcher Verwaltungsgericht keinesfalls darum gehen kann, vom Bieter zu
verlangen, in ausgeschriebenen Einheitspreispositionen „auch dann, wenn er eine grössere oder
geringere Anzahl Einheiten erwartet [als sie ausgeschrieben sind und für den Angebotsvergleich
verwendet werden], denjenigen Preis anzugeben, den er bei Ausführung der vorgegebenen
Menge verlangen würde“.47
Gerade weil die eingangs dieses Textes zitierten Schreiben aus den kantonalen Baudirektionen
sich auf diese Rechtsprechung beziehen, ist ihr mit Bezug auf die soeben zitierte Passage
präzisierend zu widersprechen: In der verwendeten Terminologie („Preis anzugeben“) zeigt
sich nach meinem Dafürhalten, dass das Gericht zu wenig berücksichtigt hat, dass Preise nicht
einfach „angegeben“ werden wie in einer unverbindlichen Preisauskunft, sondern dass die
Einheitspreise, die ein Bieter im Vergabeverfahren nennt, für ihn kraft vertragsrechtlicher
Selbstbindung (Art. 3ff. OR) unmittelbar verbindliche Wirkung erlangen,48 wenn der
Auftraggeber mit ihm den Vertrag abschliesst (und, soweit das überhaupt vergaberechtlich
zulässig wäre, keine anderen Preise ausgehandelt werden).
Dass der Bieter Preise verbindlich offeriert und nicht einfach „angibt“, ist nun aber nicht bloss
ein terminologischer Punkt: Je nach Lage der Dinge würde ein Bieter betriebswirtschaftlich
fahrlässig – und in Extremfällen gar halsbrecherisch – handeln, wenn er der zitierten
47
48
So aber VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.3.
Vgl. GAUCH, von den Submissionsangeboten, die angeblich keine Vertragsofferten sind, in: BR 2009, S. 52 ff.,
S. 53; LEUTHOLD, Offertverhandlungen im öffentlichen Vergabeverfahren, Diss. Freiburg, Zürich 2009,
Rz. 544 ff.; BEYELER, Angebot oder Nichtangebot, in: recht 2009, S. 34 ff., S. 36 ff., S. 41 - A.M. BGE 134 II
297, E. 4.2.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
gerichtlichen Anweisung Folge leistete. Das Wesen des Einheitspreises liegt zwar sehr wohl
darin, dass die Höhe der unter einer bestimmten Einheitspreisposition tatsächlich vom
Auftraggeber zu leistenden Vergütung unmittelbar davon abhängt, welche Menge an Leistungen
tatsächlich erbracht wird. Insofern scheint der Bieter Mengenänderungen in der Tat nicht
fürchten zu müssen, denn wenn er mehr leisten muss, erhält er auch pro Mehrleistungseinheit
proportional (zur Mehrmenge und zum offerierten Preis) mehr Vergütung. Das Zürcher
Verwaltungsgericht stellt auf diesen Mechanismus ab, der den Bieter im Unterschied zu einer
Pauschalpreisvereinbarung vor dem Mehrmengenrisiko schützt, wenn es, wie oben zitiert, dem
Bieter vorschreiben will, er müsse die ausgeschriebene Menge zur einzigen Grundlage seiner
Preiskalkulation machen – das Gericht geht davon aus, dass dem Bieter aus solchem Verhalten
kein Nachteil erwachsen könne, wenn Mengendivergenzen eintreten, und daher hält es die
Forderung für gerechtfertigt, der Bieter müsse blind supponieren, die ausgeschriebene Menge
entspreche exakt der tatsächlichen Menge, und er müsse allein davon ausgehend einen Preis
kalkulieren und offerieren.
Dabei übergeht das Verwaltungsgericht, dass der Auftraggeber im Rahmen einer
Einheitspreisvereinbarung über bestimmte Leistungen nicht alle Risiken übernimmt, die mit den
bei solcher Vereinbarung gerade möglich bleibenden Mengendivergenzen (im Vergleich der
ausgeschriebenen mit den tatsächlichen Mengen) einhergehen. Dass die tatsächliche Vergütung
unter der fraglichen Position steigt oder sinkt, je nachdem, wie sich die tatsächlichen Mengen
verhalten, ist nur der eine erhebliche Aspekt der Einheitspreisvereinbarung. Denn der
Einheitspreis ist dessenungeachtet ein Fixpreis49 insofern, als er als solcher (und im Unterschied
zu der aus der Multiplikation von Preis und Menge errechneten Vergütung, die unter der
Position effektiv bezahlt wird) pro vertraglich definierte Leistungseinheit unveränderlich bleibt,
ganz ungeachtet der Frage, in welcher Menge die fragliche Leistung tatsächlich erbracht wird.
Nur die Vergütung verhält sich bei der Einheitspreisvereinbarung im Falle von
Mengendivergenzen sensibel und bewegt sich, nicht aber der eigentliche Einheitspreis.
Hieraus erwächst dem Bieter, der einen alleine mit Blick und im vollen Vertrauen auf die
ausgeschriebenen Mengen kalkulierten Einheitspreis vereinbart, das Risiko, dass eine
Mengendivergenz eintritt, welche dazu führt, dass seine Stückkosten (Aufwand pro
Leistungseinheit) grösser sind, als das unter den ausgeschriebenen Mengen der Fall wäre. Eine
solche Kostensteigerung pro Leistungsmenge kann sich sowohl bei Mengenmehrungen wie
auch bei Mengenminderungen ergeben; was zutrifft, kann nur im Einzelfall festgestellt werden.
Grössere Mengen führen nicht immer zu günstigeren Stückkosten, mitunter tritt auch ein
negativer Skaleneffekt ein, wenn gerade zusätzliche Mengen der fraglichen Leistungen den
Bieter besonders teuer zu stehen kommen (insbesondere wenn es um schlecht verfügbare
Materialien geht) oder wenn die fragliche Mehrmenge dazu führt, dass der Bieter gewisse
Sprünge bestimmter Fixkosten auf eine höhere Stufe hinnehmen muss. Umgekehrt führen
Mengenminderungen nicht selten zu einer Steigerung der Stückkosten einer bestimmten
Leistung, weil bei geringerem Umfang an Leistungen häufig positive Skaleneffekte
(Grössenvorteile, Synergien, Mengenrabatte etc.) entfallen.
Der Rentabilitätsverlust, den der Bieter bei einer infolge einer Mengendivergenz eintretenden
Steigerung seiner Stückkosten (im Vergleich zu jenen, die er hätte, wenn die ausgeschriebenen
Mengen tatsächlich ausgeführt würden) erleidet, wird ihm durch den Auftraggeber gemäss der
49
Und darum stimmt nicht nur im Pauschalvertrag, sondern auch beim Einheitspreis (mit Bezug auf das
Stückkostenrisiko), was schon in BGE 58 II 421, S. 423, zu lesen ist: „Die Vereinbarung einer zum Voraus genau
bestimmten Vergütung schliesst naturnotwendig immer ein spekulatives Element in sich“, wobei hier
„spekulativ“ gerade nicht in einem negativ konnotierten Sinne gemeint ist, sondern schlicht den Umstand
bezeichnet, dass der Bieter nicht sicher sein kann, wie die Mengen sich verhalten werden und was das für seine
Stückkosten bedeuten wird. Er „spekuliert“ in diesem weiteren Sinne immer darauf, dass es gut herauskommt,
sobald er einen Vertrag eingeht, in dem sein Vertragspartner nicht seine effektiven Kosten zuzüglich allenfalls
eines Gewinnanteils zu vergüten verspricht, sondern einen von den Kosten letztlich in irgendeinem Sinne
abstrahierten Preis (Festpreis), dem „naturnotwendig“ ein Risiko der Verhältnisänderung oder der unzutreffenden
Prognose innewohnt.
BRT 2011
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Martin Beyeler
grundsätzlichen Einheitspreisvereinbarung nicht abgenommen, denn dem trägt die der Natur des
Einheitspreises entsprechend mit der Mengendivergenz automatisch eintretende Veränderung
der Vergütung weder bei einer Mengenminderung noch bei einer Mengenmehrung in
irgendeiner Weise Rechnung. Die Vergütung wird so berechnet, als seien die Stückkosten
gleich geblieben, denn pro Leistung wird genau der gleiche Preis auf die veränderte Menge
angewandt, wiewohl der Preis zu anderen Stückkosten kalkuliert wurde.
Das ist ein gewöhnlicher Bestandteil der Einheitspreisvereinbarung (vgl. aber Art. 373
Abs. 2 OR; Art. 86 SIA-Norm 118) – überhaupt steht dem Stückkostensteigerungsrisiko des
Bieters auch eine Chance gegenüber, dass eine Mengendivergenz eintreten wird, die ganz im
Gegenteil zu einer Senkung der Stückkosten führt. Den entsprechenden Rentabilitätsgewinn
darf der Leistungserbringer behalten, wie er das Stückkostenrisiko grundsätzlich selber tragen
muss.
Selbst wenn im Einzelfall der Art. 373 Abs. 2 OR oder die spezifische Preisanpassungsregel
des Art. 86 SIA-Norm 118 (oder etwas Ähnliches) gelten, verbleibt dem Leistungserbringer im
Grunde immer zumindest ein Stückkosten-Restrisiko. Solange tatsächlich ein Einheitspreis (und
nicht schlicht voller Kostenersatz zuzüglich allenfalls eines Gewinnanteils) vereinbart wurde, ist
dieser in keinem Fall bei jeder noch so geringen Mengendivergenz anzupassen, sondern deckt
immer ein gewisses Spektrum verschiedener Möglichkeiten fix ab; jede vertragliche
Anpassungsregel betreffend Mengendivergenzen unter Einheitspreispositionen setzt die
Erreichung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle voraus, ansonsten begrifflich nicht ein
Einheitspreis vorliegt, sondern Aufwandentschädigung, allenfalls mit einem Gewinnanteil.
Zum Gesagten tritt hinzu, dass gerade öffentliche Auftraggeber heutzutage den Art. 86
SIA-Norm 118 überaus häufig wegbedingen (und damit in der Regel auch, im Rahmen des
Möglichen, den Art. 373 Abs. 2 OR), so dass die Bieter das volle Stückkostenrisiko ohne
Korrekturmöglichkeit selbst in gravierenden Fällen tragen sollen. Das Zürcher
Verwaltungsgericht hat im beurteilten Fall zwar erkannt, dass der Auftraggeber genau so
ausgeschrieben hatte (Wegbedingung jeglicher Preisanpassungsmöglichkeit),50 doch hat es das
nicht zum Anlass genommen, das in solchen Fällen besonders akzentuierte Stückkostenrisiko zu
würdigen, das ein Einheitspreise vereinbarender Bieter berücksichtigen muss, wenn er
betriebswirtschaftlich vernünftig offerieren will. Das überging das Gericht in seinen
Ausführungen meiner Ansicht nach zu Unrecht, wiewohl sein Entscheid im Ergebnis richtig
erscheint, indem der Ausschluss einer erwiesenermassen in erheblichem Umfang Umsatz aus
Einheits- in Pauschalpreispositionen umlagernden Offerte geschützt wurde. Hierin liegt eine
Verletzung von Preisbildungsvorschriften, die wohl auch im konkreten Fall gegolten hatten, und
diese Verletzung wiederum hätte, weil sie nicht ganz geringfügig war, den Ausschluss des
fraglichen Bieters schon alleine gerechtfertigt. Das Gericht hätte daher gar nicht zusätzlich (und
unzutreffend) ausführen müssen, der Bieter müsse seine Kalkulation ausschliesslich auf die
Annahme abstellen, die ausgeschriebenen Mengen entsprächen mit Gewissheit den tatsächlich
zu leistenden Mengen.
Die Ausführungen des Gerichts sind daher meines Erachtens insofern zu präzisieren, dass es
keinem Bieter verwehrt sein kann – und ohnehin keinerlei Spekulation, Treuwidrigkeit oder
sonstige Unkorrektheit, sondern kaufmännisch vernünftiges Verhalten darin liegt –, wenn ein
Bieter eigene Annahmen über die tatsächlichen Mengen trifft, hieraus Annahmen über die
möglichen Veränderungen seiner Stückkosten ableitet und sodann einen entsprechenden Preis
kalkuliert und offeriert, welcher jedenfalls den nicht unwahrscheinlichen Alternativszenarien
insofern Rechnung trägt, als ein Preis erhöht wird, wenn als Folge von Mengendivergenzen
Stückkostensteigerungen nicht unwahrscheinlich sind, und als ein Preis gesenkt wird, wenn
gegenteilig Stückkostenverminderungen erwartet werden dürfen. Soweit allerdings
50
VGer ZH VB.2007.00123 (12.09.2007), E. 3.4.2: „Vorliegend legten die Ausschreibungsunterlagen der
Beschwerdegegnerin … fest, dass entgegen der Regel der SIA-Norm 118 bei veränderten Mengen ungeachtet der
Grösse der Veränderung keine Preisänderungen geltend gemacht werden können“.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
Preisanpassungsregeln wie jene des Art. 86 SIA-Norm 118 oder des Art. 373 Abs. 2 OR zum
Zuge kommen werden und das Stückkostenrisiken im entsprechenden Umfang auf den
Auftraggeber übergeht, braucht der Bieter sich nicht zu wappnen, und wenn er es gleichwohl
tut, ist das allenfalls bei der Anwendung der fraglichen Regeln zu berücksichtigen.
Im gleichen Sinne darf ein Bieter ohne weiteres (und ohne diesbezügliches Ausschlussrisiko) in
einer bestimmten Preisposition (gleich welcher Art) dem Umstand Rechnung tragen, dass in
einer anderen Position (gleich welcher Art) eine Verhältnisänderung (im Vergleich zur
Ausschreibung) mit einiger Wahrscheinlichkeit stattfinden wird, welche gegebenenfalls
Konsequenzen nicht nur auf die unmittelbar betroffene, sondern auch auf die andere
(erstgenannte) Position hat: Falls die Stückkosten einer Einheitspreisposition steigen, sofern
sich unter einer anderen Einheitspreisposition Mengendivergenzen ergeben, selbst wenn die
erste Position in den Mengen insofern stabil bleibt, so darf auch in dieser ersten Position dem
fraglichen Risiko Rechnung getragen werden; und je wahrscheinlicher die Verwirklichung des
Risikos ist, desto eher ist es auch vernünftig, diesem durch eine entsprechende Einrechnung
einer Risikoprämie Rechnung zu tragen, gerade auch in der nicht unmittelbar betroffenen
Position (denn die andere Position fällt mitunter ganz weg, so dass die Prämie so gerade dann
nicht realisiert werden könnte, wenn sie sich als gerechtfertigt erweist).
Das Zürcher Verwaltungsgericht hätte die hier kritisierte Passage nach dem Gesagten
differenziert ausgestalten können, so dass nicht der Anschein erweckt worden wäre, die Bieter
müssten die ausgeschriebenen Mengen zwingend als wahr supponieren und müssten ihre Preise
in blindem Vertrauen darauf offerieren (widrigenfalls ihre Offerten ausgeschlossen würden).
Dafür hätte ein Hinweis darauf genügt, dass die Bieter gemäss einer mit der Ausschreibung von
Einheitspreisen ganz regelmässig einhergehenden, mindestens impliziten Preisbildungsregel
gehalten sind, jedenfalls die direkten Aufwendungen für bestimmte Leistungen dort
einzurechnen, wo ein Preis für diese Leistungen zu offerieren ist. Wenn die Auslegung der
Ausschreibung ergibt, dass eine solche Regel gilt, oder wenn die Bieter den Auftraggeber
ansonsten richtig verstanden haben, so ist zu beachten: Jeder Aufwand ist, allenfalls mit einer
Risiko- und Gewinnmarge, unter jener Position in einen Preis einzurechnen (oder überhaupt
nicht einzurechnen), in welcher er ausdrücklich beschrieben wird – ansonsten liegt
grundsätzlich eine ausschreibungswidrige Offerte vor. Nicht ausdrücklich beschriebener
Aufwand ist dort einzurechnen, wo er der Sache nach einem beschriebenen Aufwand am
nächsten kommt. Allgemeiner Aufwand aber, der im Hintergrund oder in der Infrastruktur und
Administration der Leistungserbringung anfällt, der in keiner Position ausdrücklich oder
implizit beschrieben wird und der mit keiner der spezifisch zu bepreisenden Leistungen direkt
zusammenhängt (sondern eher mit der Leistungserbringung als Gesamtes), darf vom Bieter dort
eingerechnet werden, wo er es für richtig hält, solange das im Ergebnis zu einer Abrechnung
dieses Aufwands führt, die in Übereinstimmung mit dem sich aus den sonstigen vertraglichen
Vergütungsmodalitäten ergebenden Gleichgewicht steht. Das heisst insbesondere, dass
mengenabhängiger allgemeiner Aufwand, der vom Auftraggeber nicht angesprochen wird, in
der Regel in mengenabhängig abzurechnenden Positionen einzurechnen ist, gleichbleibender
Aufwand nach Möglichkeit in einer Pauschalposition und zeitabhängiger Aufwand am ehesten
in einer nach Zeit, sonst aber pauschal vergüteten Position.
Vom Bieter aber mehr zu verlangen – namentlich, dass er unter Androhung des Ausschlusses
aus dem Verfahren wichtige und legitime betriebswirtschaftliche Überlegungen bei der
Preiskalkulation ausser Acht lassen solle –, ist weder nötig noch zulässig; die Bieter dürfen
insbesondere kaufmännisch vernünftige Konsequenzen aus erkannten Reserven ziehen, wenn
sie darin ein Risiko für eine Steigerung ihrer Stückkosten erkennen – und überhaut dürfen sie
alle gewöhnlich mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Mengendivergenzen in der
Preiskalkulation berücksichtigen, sei das über eine Steigerung oder über eine Senkung ihrer
Preise und unter Eingehung der damit verbundenen Risiken. Dazu muss es ihnen
vergaberechtlich auch erlaubt sein, bestimmte Fixkosten, für die der Auftraggeber keine
entsprechende Position ausgeschrieben hat und die in Einheitspreisen einzurechnen sind, nicht
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Martin Beyeler
auf solche Positionen zu schlagen, von denen der Bieter mit einiger Wahrscheinlichkeit
annehmen muss, dass sie entfallen oder jedenfalls erhebliche Mengenverminderungen erfahren
werden, ohne dass das die fraglichen Fixkosten berühren oder massgeblich verringern würde.
Und wo der Auftraggeber für sie risikoreiche Preisbildungsregeln aufstellt, dürfen die Bieter in
der fraglichen Position oder anderswo eine Risikoprämie einrechnen. All dies ist nicht
Spekulation, sondern legitimes Verhalten, das vergaberechtlich nicht zum Ausschluss führen
kann.
2.
Zur Margenspekulation
Die vorstehenden Ausführungen zur Umlagerung von Umsätzen von Einheitspreis- in
Pauschalpositionen halten schon praktisch alle Elemente bereit, aus denen eine Antwort zur
vergaberechtlichen Behandlung der Margenspekulationen herzuleiten ist. Diese Art der
Spekulation beruht im Grundsatz immer auf der ungewöhnlichen Überhöhung eines Preises
(oder mehrerer Preise) und darauf, dass diese Überhöhung im Angebotsvergleich aus
bestimmten Gründen praktisch oder gar nicht ins Gewicht fällt. Die Überhöhung geschieht aber
in der Erwartung, dass der betroffene Preis aufgrund einer bestimmten Verhältnisänderung
später tatsächlich überhaupt oder viel mehr zum Tragen kommt, als das für die Zwecke des
Angebotsvergleichs angenommen wird.
a)
Spekulation auf Eventual- oder Alternativpositionen
Betreibt ein Bieter eine Margenspekulation auf einer Eventual- oder Alternativposition
(insbesondere: sogenannte „Per-Position“), die gemäss dem vom Auftraggeber gewählten
Bewertungssystem nicht (oder jedenfalls ohne angenommene Menge, die grösser als 1 wäre) in
die dem Angebotsvergleich dienende provisorische Gesamtvergütung einfliesst, von der aber
der Bieter erwartet, dass sie tatsächlich zur Ausführung kommen wird, so liegt hierin
grundsätzlich nichts, was einen Ausschluss vom Vergabeverfahren rechtfertigen könnte. Denn
es ist keinem Bieter verboten, hohe Preise zu offerieren. Der Umstand, dass die hier
interessierenden Eventual- oder Alternativpositionen nicht bewertet werden (wenn das zutrifft),
ändert nichts daran, dass ganz allgemein gilt: Hohe Preise sind nicht per se unzulässig.
Es ist am Auftraggeber zu bestimmen, welche Positionen er messen will. Zwar ist nicht von der
Hand zu weisen, dass ein öffentlicher Auftraggeber den vergaberechtlichen
Wirtschaftlichkeitsgrundsatz wohl verletzt, wenn er Eventual- oder Alternativpositionen
nicht in den Angebotsvergleich einbezieht, welche mit mehr als nur ganz geringer
Wahrscheinlichkeit zum Zuge kommen und dabei einen Vergütungsumfang einnehmen werden,
der im Vergleich zur Gesamtvertragssumme nicht ganz unerheblich ist. Der Auftraggeber ist
unter dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gehalten, nicht nur beispielsweise vertragliche
Optionen, sondern auch relativ wahrscheinliche Eventual- oder Alternativszenarien mit nicht
unerheblichen Auswirkungen in die Bewertung einfliessen zu lassen. Gleichwohl heisst das
nicht, dass der Bieter einen Ausschlussgrund setzte, wenn er Preise mit hohen Margen offeriert.
Und die grundsätzlich freie Bestimmung der Höhe des Preises wird dem Bieter auch dann nicht
genommen, wenn der Auftraggeber es (ggf. in Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes)
unterlässt, bestimmte Positionen zu bewerten, obschon sie erhebliche Beträge ausmachen und
zudem auch nicht ausgeschlossen oder gänzlich unwahrscheinlich ist, dass sie zum Zuge
kommen werden.
Will der Auftraggeber Risiken, die sich aus der Margenspekulation auf nicht bewerteten
Eventual- oder Alternativpositionen ergeben können, vermeiden, hat er diese Positionen mit
einigermassen realistischen Mengenangaben, allenfalls gewichtet mit ihrer Wahrscheinlichkeit,
in die Bewertung einzubeziehen; das verunmöglicht jede Margenspekulation. Vorausgesetzt ist
allerdings, dass diese Vorgehensweise ausgeschrieben wurde oder sie in zulässigen
Verhandlungen (vgl. insb. Art. 20 BöB und Art. 26 VöB) nachträglich noch angeordnet werden
kann.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
Vorbehalten bleibt der Ausnahmefall, in dem die Ausgestaltung einer bestimmten
Leistungsposition als Eventual- oder Alternativposition in technischer Hinsicht und mit Blick
auf das ausgeschriebene Projekt offenkundig einen Irrtum des Auftraggebers darstellt, weil
sicher ist, dass diese Position zur Ausführung kommt, und zugleich feststeht, dass der
Auftraggeber die formale Ausgestaltung der Position als nicht bewertete Eventual- oder
Alternativposition in irrtümlicher Verkennung dieser Sicherheit gewählt hat – diesfalls kann in
der Nichtmitteilung dieses Fehlers allein schon eine den Ausschluss des Bieters rechtfertigende
Treuwidrigkeit liegen.
b)
Spekulation auf geringen Mengen
Dasselbe wie für die Spekulation auf Eventual- und Alternativpositionen gilt im Grunde auch
für Margenspekulationen auf geringen Mengen – hier geht es um Positionen, die durchaus in die
Bewertung einfliessen, so dass es dem Bieter wie bei der Überhöhung von Eventual- oder
Alternativpositionen erst recht nicht verboten sein kann, eine überhöhte Marge zu offerieren.
Allerdings findet eine Spekulation auf geringen Mengen in praxi gemeinhinnur dann statt, wenn
der Bieter mit einer tatsächlich ganz erheblichen Wahrscheinlichkeit auf seiner Seite eine ganz
deutliche Mengensteigerung (tatsächliche Mengen verglichen mit den ausgeschriebenen
Mengen) unter der betroffenen Position erwartet, und das ist regelmässig dann der Fall, wenn
der Auftraggeber in der Ausschreibung einen bereits ex ante objektiv sicher oder mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als solchen feststellbaren Fehler begangen hat;
konkret: wenn der Auftraggeber die geringe Menge in der fraglichen Position irrtümlich und in
objektiv schon zum Vorhinein feststellbar falsch angesetzt hat. In solchen Fällen ist der Bieter,
der erkennt, dass die ausgeschriebene Menge deutlich oder gar um Grössenordnungen zu tief
liegt, aus seiner vorvertraglichen Treuepflicht zur Aufklärung des Auftraggebers gehalten; das
gilt, sobald der Bieter den Fehler erkannt hat, ganz losgelöst davon, ob er passiv bleibt oder ob
er auf dem Fehler eine Spekulation aufbaut. Einen Bieter, der sich die Treuwidrigkeit
zuschulden kommen lässt, den Auftraggeber nicht über objektiv feststellbare Fehler aufzuklären
– und a fortiori einer, der hierauf Spekulation betreibt – darf die Vergabestelle ausschliessen.
c)
Kombiniertes Auf- und Abpreisen
Margenspekulationen, die auf einem kombinierten Auf- und Abpreisen verschiedener (in die
Bewertung einfliessender) Einheitspreispositionen beruhen, verletzen in aller Regel implizite
oder explizite Preisbildungsregeln des Auftraggebers. Dies, weil sie darauf beruhen, dass
Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Leistung gemäss einer
bestimmten Position anfallen, nicht in dieser Leistungsposition, sondern unter einer anderen
Position in den Einheitspreis eingerechnet werden. Das widerspricht der sich aus der
Ausschreibung mehrerer Einheitspreise regelmässig zumindest implizit ergebenden Regel,
wonach alle Aufwendungen im Zusammenhang mit bestimmten Leistungen in jener Position
einzurechnen sind, welche die Leistung beschreibt, zu der die Aufwendungen gehören und mit
der sie am engsten zusammenhängt. Wer etwa Aufwand, der sich beim Betonieren ergibt, in der
Position für den Aushub einer Baugrube einrechnet (und mithin die Betonposition künstlich
abpreist und die Aushubposition künstlich aufpreist), verletzt wohl die in der Ausschreibung der
beiden betroffenen Positionen implizit enthaltene Regel, wonach der Aufwand für das
Betonieren in der Betonier-Position (soweit vorhanden) einzurechnen ist (oder überhaupt nicht
einzurechnen ist) - und nicht in Positionen, die andere Leistungen beschreiben, mit denen der
fragliche Aufwand nichts zu tun hat.
Das bedeutet, dass eine Offerte, in der mehrere Einheitspreise in Verletzung der entsprechenden
Preisbildungsregeln kombiniert auf- und abgepreist worden sind, letztlich unabhängig von der
Frage, ob der Bieter damit Spekulation betreiben wolle, ausgeschlossen werden kann, wenn
ein nicht unerhebliches Risiko für den Eintritt von nicht unerheblichen, für den Auftraggeber
negativen Wirkungen (jenseits seiner gewöhnlichen Geschäftsrisiken) besteht. Die
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Konkurrenten eines so die vorgegebene Preisbildung missachtenden Bieters können den
Ausschluss dann verlangen, wenn das Vergaberisiko erheblich ist, wenn also mit erheblicher
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass sich die tatsächlichen Mengen
deutlich anders einstellen werden, als es ausgeschrieben ist, und dass unter Berücksichtigung
dieser wahrscheinlichen Mengen eine andere Offerte den Zuschlag erhielte.
3.
Zur Vergabespekulation
Die Vergabespekulation zielt nicht darauf ab, eine grössere Rentabilität zu erreichen als
gewöhnlich, sondern durch (vergleichsweise risikoarmes) Abpreisen bestimmter Positionen für
die Zwecke des Angebotsvergleichs eine Rentabilität zu offerieren, die (aus Sicht des Bieters)
deutlich tiefer liegt als jene, die tatsächlich angestrebt wird, und darauf zu zählen, dass die
abgepreisten Positionen überhaupt nicht oder jedenfalls nur in unmassgeblichem Umfang
zur Ausführung kommen werden – so dass die tatsächliche Rentabilität wiederum auf ein
gewöhnliches Niveau kommt.
Steht hinter einer Vergabespekulation eines Bieters dessen Entdeckung eines bereits ex ante und
objektiv mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als solchen
feststellbaren Fehlers des Auftraggebers, so kann der Auftraggeber den Bieter vom Verfahren
ausschliessen, wenn dieser das Entdecken des Fehlers in Verletzung seiner vorvertraglichen
Treuepflichten nicht mitgeteilt hat. Dass er darauf auch noch eine Vergabespekulation aufbaut,
verstärkt die Treuwidrigkeit seines Verhaltens, ist bei bewusstem Verschweigen der Entdeckung
eines Fehlers genau genommen aber gar nicht mehr massgeblich.
Wo dagegen die Vergabespekulation nicht auf der Gewissheit (oder Quasi-Gewissheit) des
Bieters darüber beruht, dass der Auftraggeber einen Fehler begangen hat, sondern schlicht auf
einer abweichenden Annahme des Bieters, die mitunter gar unwahrscheinlicher ist als die
auftraggeberische Annahme (jedenfalls aber nicht sehr viel wahrscheinlicher), so wird kein
Fehler ausgenützt, sondern Spekulation im eigentlichen Sinne betrieben, denn diesfalls
übernimmt der Bieter ein nicht zu vernachlässigendes Risiko, dass seine Annahmen nicht
aufgehen und er daher am Ende mit derjenigen (für ihn an sich zu tiefen) Gesamtrentabilität
leisten muss, die sich aus seiner Offerte unter Zugrundelegung der Annahmen des
Auftraggebers ergeben hat. Er muss mitunter verlustträchtig arbeiten. Gerade diese
Risikoübernahme zeigt, dass der Bieter bei einer Vergabespekulation, die nicht auf der
Ausnützung klarer Fehler beruht, nichts tut, das sich von sonstigem wettbewerblichem
Verhalten qualitativ entscheidend abhöbe.
Es steht jedem Bieter grundsätzlich frei, welchen Preis er mit welchem Risiko kalkulieren will.
Vergabespekulation als solche verletzt keine Preisbildungsregeln. Darum kann - unbeschadet
der Vorschriften über die Unterangebote - nicht jede Vergabespekulationsofferte, die keine
klaren Fehler ausnützt, ausgeschlossen werden. Nur dann, wenn erstens eine erhebliche
Wahrscheinlichkeit für das Gelingen der Vergabespekulation besteht (das heisst: für ein
Entfallen der abgepreisten Position, für ein Zusammenbrechen oder zumindest einen deutlichen
Rückgang der hier zu leistenden Mengen), ohne dass die Annahme des Auftraggebers deswegen
rundheraus als falsch bezeichnet werden müsste, und wenn zweitens feststeht, dass unter der
Annahme dieser Mengendivergenz und unter Berücksichtigung aller Zuschlagskriterien ein
anderer Bieter den Zuschlag erhalten müsste (weil der spekulierende Bieter bei Zugrundelegung
seiner eigenen Mengenannahmen gar nicht mehr so günstig offerieren würde, wie das unter den
Annahmen des Auftraggebers den Anschein macht), ist eine Vergabespekulationsofferte
auszuschliessen.51 In den anderen Fällen, insbesondere bei äusserst geringer Wahrscheinlichkeit
51
Vgl. VGer ZH VB.2008.00339 (14.01.2009), E. 2 und E. 3 (vgl. FN 9): Hier wurde hingegen eine
Vergabespekulationsofferte deswegen ausgeschlossen, weil eine nicht unerhebliche Gefahr bestand, dass der
Bieter zu äusserst verlustträchtigen Preisen leisten müsste, was eine Schlechtleistung befürchten liess. Dazu trat,
dass der Bieter aufgrund der Natur des zur Frage stehenden Planungsauftrags in den ersten Phasen der
Leistungserbringer einen gewissen Einfluss auf die letztlich honorarbestimmende Höhe der Baukosten gehabt
Schweizerische Baurechtstagung 2011
Umgelagert, gemischt und offeriert – Thesen zur Preisspekulation
des Gelingens der Spekulation, kann der Auftraggeber nicht die wirtschaftlich günstigste
Offerte wegen einer Vergabespekulation ausschliessen, nur weil diese am Ende womöglich
etwas teurer wird, solange sie auch unter dieser Annahme noch die vergleichsweise
wirtschaftlich günstigste ist und kein klarer Fehler ausgenützt wird.
V. Der Ausblick
Spekulative Offerten sind vertragsrechtlich grundsätzlich vollumfänglich gültig, führen aber
manchmal zur Anfechtbarkeit des Vertrags und können vom Erklärungsempfänger zumindest
nach vertragsrechtlichen Massstäben ohne weiteres abgelehnt werden. Der an
Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit gebundene öffentliche Auftraggeber allerdings darf
Offerten nur in Übereinstimmung mit dem öffentlichen Vergaberecht ablehnen beziehungsweise
vom Verfahren ausschliessen. In den vorstehenden Ausführungen wird gezeigt, dass
verschiedene Arten von Spekulationsofferten, wenn es sich denn tatsächlich um solche handelt,
vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können (manche müssen gar ausgeschlossen
werden), manche aber nicht, weil kein Grund dafür ersichtlich ist und ein Ausschluss daher
diskriminierend wäre. Immer aber, wenn ein klarer Fehler des Auftraggebers durch spekulative
Preisgestaltung ausgenützt werden und so zu einem Sonderertrag führen soll, liegt treuwidriges
Verhalten vor, das ohne Zweifel einen Ausschlussgrund abgibt. Zugleich ist zu betonen, dass
längst nicht jede Spekulation auf Fehlern aufbaut, sondern oftmals schlicht auf andere
Annahmen wettet, als der Auftraggeber sie getroffen hat, wobei für beide Hypothesen mehr oder
minder gute Gründe gefunden werden können. Wo keine Fehlerausnützung, sondern nur eine
andere Einschätzung der Zukunft vorliegt, ist genauer hinzusehen, ob ein Ausschluss begründet
sei; die Spekulation alleine reicht hierfür nicht aus, womöglich aber die in ihr gegebenenfalls
liegende Verletzung von Preisbildungsvorschriften oder die durch sie erzeugten besonderen
Risiken.
Die am Anfang dieses Textes zitierten Schreiben wollen die Wirtschaftsteilnehmer darauf
aufmerksam machen, dass es vergaberechtliche Mittel gegen viele Formen der
Preisspekulation gibt. Dem ist in der Tat so, wenngleich ungewöhnlich tiefe Preise oder
Negativpreise für sich genommen noch keine Spekulation darstellen, und obschon es nicht
zutrifft, dass die Bieter bei der Kalkulation eines Einheitspreises blind auf die ausgeschriebene
Menge abstellen müssen, um nicht ausgeschlossen zu werden. Wenn eine Offerte wegen
Spekulation ausgeschlossen werden soll, ist immer genau zu prüfen, ob
Preisbildungsvorschriften verletzt wurden oder ob beispielsweise nur in kaufmännisch legitimer
Weise alternative Mengenszenarien gebührend berücksichtigt wurden, die sich auf die
Stückkosten des Bieters auswirken können.
Klar ist allerdings, dass ein Bieter, der in einer auszufüllenden Preisposition vermerkt:
„eingerechnet“, damit nach Massgabe der konkret geltenden Submissionsbedingungen in aller
Regel eine mindestens implizit zum Ausdruck gebrachte Preisbildungsregel des Auftraggebers
verletzt, soweit dieser durch Ausschreibung einer Preisposition mindestens stillschweigend
erklärt hat, für die in dieser Position beschriebenen Leistungen einen explizit ausgewiesenen
Preis offeriert erhalten und sieht den Umsatz in anderen Positionen „eingerechnet“ haben zu
wollen. Ist das erheblich, weil jedenfalls im Ergebnis nicht geringfügig, so kann die fragliche
Offerte wegen mangelnder Ausschreibungskonformität ausgeschlossen werden. Ein Leerlassen
einer Position kann die Erklärung „eingerechnet“, je nachdem aber auch bedeuten, dass der
Bieter die fragliche Leistung gar nicht anbieten will – und auch das wäre ausschreibungswidrig.
Lässt der Bieter die Position nicht leer und schreibt auch nicht „eingerechnet“, sondern macht
einen waagrechten Strich oder ähnliche Zeichen, so ist hier an sich durch Auslegung zu
ermitteln, ob damit „null“, „eingerechnet“ oder „nicht angeboten“ gemeint sei, jedoch ist beides
hätte, was vermuten liess, dass er nicht umhinkommen würde, dabei nötigenfalls sein Interesse zu verfolgen und
den Interessen des Auftraggebers allenfalls zu schaden.
BRT 2011
161
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Martin Beyeler
im konkreten Fall wohl regelmässig als ausschreibungswidrig zu betrachten, so dass es
gegebenenfalls auf die genaue Bedeutung gar nicht mehr ankommt.52
Abgesehen davon, dass in der ganzen Thematik der Offertspekulation vor pauschalen Schlüssen
abzuraten ist, möchte ich zum Schluss meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass
Spekulation, rein empirisch und wertungsfrei betrachtet, umso weniger zu erwarten ist, je
sorgfältiger die ausgeschriebenen Projekte ausgearbeitet sind und je mehr den Bietern
Gelegenheit gegeben wird, die ihnen unter dem ausgeschriebenen Vertrag tatsächlich
erwachsenden Kosten verlässlich zu kalkulieren (was zum Beispiel dadurch verhindert wird,
dass namhafte Fixkosten oder erhebliche zeitabhängige Kosten in mengenabhängigen
Positionen einzurechnen sind, von denen überdies unklar ist, ob sie mitsamt den
ausgeschriebenen Mengen tatsächlich zur Ausführung kommen). Dazu tritt, dass eine Kultur, in
welcher möglichst viele Unwägbarkeiten auf die Leistungserbringer abgewälzt werden und sich
die Initianten des Geschäfts dieser Risiken entledigen, geeignet ist, bei den Leistungserbringern
korrelierend zu den hohen eingegangenen Risiken eine Bereitschaft zur Suche nach exorbitanten
Gewinnmöglichkeiten zu fördern. Das soll hier nicht bewertet, aber als Tatsache behauptet
werden. Schliesslich: Wer Spekulationspreise ab und an, wenn es geht, zu seinen eigenen
Gunsten nutzt (falls die Spekulation schiefgeht), darf nicht annehmen, dass künftige Bieter
zwingend davon ausgehen werden, Spekulationsofferten hätten keine Zuschlagschancen.
52
Vgl. etwa BVGer B-1774/2006 (13.03.2007), E. 4.1: „Die Beschwerdeführerin führt … aus, es sei zwar
zuzugeben, dass einige Positionen anstelle des Preises ‚0’ einen waagrechten Strich aufweisen. Die
entsprechenden Leistungen seien jedoch – soweit sie überhaupt anfallen – angeboten worden … Es sei zwischen
drei Kategorien von Positionen zu unterscheiden: Für die einen werde keine Vergütung geltend gemacht, weil
diese gemäss dem offerierten Masskonzept gar nicht anfallen würden, für eine zweite sei der Aufwand für einen
Teil der Leistungen in andere Positionen eingerechnet worden und für eine dritte werde für die in Frage
stehenden Leistungen kein entsprechender Aufwand erwartet“; das Gericht schliesst in E. 4.2 sodann nach
meinem Dafürhalten etwas zu schematisch und ohne die erforderliche Bezugnahme darauf, dass dieser Schluss
ein Auslegungsergebnis ist, dass die Striche als „nichtofferiert“ zu verstehen seien, als ob trotz eingestandener
Umlagerung und damit der Verletzung von Preisbildungsvorschriften der Offertausschluss nicht auch sonst
möglich gewesen wäre – das ganz abgesehen davon, dass das Gericht in E. 5 überdies feststellt, dass es sich bei
der Offerte um eine angesichts von Art. 22 Abs. 2 aVoeB bzw. Art. 22a Abs. 1 VöB unzulässigerweise ohne
Grundangebot eingereichte Variante handelte.
Schweizerische Baurechtstagung 2011
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