Identifikation von langer, intergenischer, nicht‐kodierender RNA im humanen Präfrontalcortex mittels strangspezifischer, genomweiter RNA Sequenzierung Research Project Molekulare Biologie mit Schwerpunkt Bioinformatik Hindrike Bammann Neue Methoden zur genomweiten RNA Sequenzierung haben in den letzten Jahren die Expression von tausenden langen, intergenischen, nicht‐kodierenden RNAs (lincRNA) aufgedeckt. Während nur wenige lincRNAs funktionell annotiert sind, ist die Funktion von den meisten lincRNAs immer noch unbekannt. Man vermutet, dass lincRNAs an verschiedenen regulatorischen Prozessen, sowohl auf der Ebene der Transkription, als auch auf posttranskriptionaler Ebene, beteiligt sind. Die Expression von lincRNA scheint, im Vergleich zu proteinkodierenden Genen hochgradig gewebespezifisch zu sein. Diese hohe Abhängigkeit vom Gewebetyp gibt Anlass zur Vermutung, dass viele weitere, hochgradig gewebe‐ oder zellspezifische lincRNAs exprimiert werden, die bisher noch völlig unbekannt sind. In diesem Projekt wurde ein neues Verfahren zur de‐novo Identifikation von lincRNA aus genomweiter RNA Sequenzierung entwickelt. Mit diesem Ansatz wurden 1.265 lincRNAs im humanen Präfrontalcortex bestimmt, von denen die meisten vorher unbekannt waren. Die identifizierten Transkripte wiesen eine moderate evolutionäre Konservierung auf, die mit bereits bekannter lincRNA vergleichbar ist. Die lincRNA Expression im Präfrontalcortex wurde mittels strangspezifischen RNA‐Seq Proben von 14 Individuen im Alter von zwei Tagen bis 98 Jahren, über die gesamte Lebenszeit eines Menschen beobachtet. 177 lincRNA Transkripte mit deutlich altersabhängiger Expression wurden bestimmt. Der Präfrontalcortex wird mit höheren kognitiven Fähigkeiten, wie abstranktes Denken und Planungsvermögen in Verbindung gebracht und ist vom evolutionären Standpunkt aus betrachtet einen der neuesten Gehirnregionen. Die großen evolutionären Sprünge in der Entwicklung des Präfrontalcortex beim Menschen im Vergleich zu anderen Primaten, in Kombination mit der eher geringen Konservierung von langer, nicht kodierender RNA, legt die Vermutung nahe, dass lincRNA eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des menschlichen Gehirns spielen könnte. Möglicherweise ist lincRNA sogar der entscheidende Bestandteil, um die evolutionären Unterschiede bei der Größe und den kognitiven Fähigkeiten des Gehirns von Menschen und unseres nächsten lebenden Verwandten, dem Schimpansen zu erklären.