Das neoklassische Grundmodell

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Das neoklassische Grundmodell
Das neoklassische Grundmodell bildet den Ausgangspunkt jeder neoklassischen Analyse
ökonomischer Problemstellungen. Mit seinen zum Teil sehr restriktiven Annahmen hat es
zum Ziel zunächst allgemeine Fragen zur Funktionsweise der Marktwirtschaft zu
beantworten. Die Detailfragen werden dabei aber nicht durch diesen allgemeinen Ansatz
erklärt, dafür ist das Modell in geeigneter Weise zu modifizieren. Das Grundmodell wird
häufig aufgrund der explizit oder implizit getroffenen Annahmen kritisiert. Diese Kritik soll
hier nachvollzogen werden und, soweit möglich widerlegt werden. Zunächst ist es dazu
notwendig, auf die Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomik einzugehen.
1.
Die Hauptsätze der Wohlfahrtökonomik
Die Annahmen des neoklassischen Grundmodells bilden die Voraussetzungen für das
vorliegen vollständiger Konkurrenz. Sind diese Annahmen uneingeschränkt erfüllt, so gelten
die beiden Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomik1. Der erste Hauptsatz lautet:
1. Hauptsatz der Wohlfahrtökonomik
Wettbewerbsgleichgewichte führen zu einer Pareto- optimalen Allokation
Der Ausdruck Pareto- optimal ist gleich zu setzen mit dem ökonomischen Begriff der
Effizienz. Sind also alle Annahmen des neoklassischen Modells uneingeschränkt gültig, so
kann davon ausgegangen werden, dass alle Preise und Absatzmengen, und selbst die Produkte
an sich das Ergebnis einer effizienten Produktions- und Absatzform sind. Ein nicht ganz
triviales Ergebnis, wenn man betrachtet, mit welchen Ineffizienzen die Wirtschaftswelt so
ausgestattet ist. Dennoch war und ist der erste Hauptsatz die intellektuelle Grundlage für den
Siegeszug der Marktwirtschaft gegenüber allen Konkurrenzsystemen und dies gerade weil die
Lösung des neoklassischen Modells mit der Lösung übereinstimmt, die auch ein sog.
"wohlmeinender Diktator" erzielen würde, ginge es ihm um die Maximierung des
Gesamtnutzens in der Gesellschaft.
Interessant für die Frage der "sozialen Gerechtigkeit" ist dann der zweite Hauptsatz der
Wohlfahrtsökonomik:
2. Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomik
Beim Vorliegen vollkommener Märkte kann durch nicht verzerrende
("lump sum") Transfers und Steuern jede beliebige Pareto- optimale
Allokation erreicht werden.
Mit anderen Worten: Wenn man ein System nicht verzerrender Steuern und Transfers
erfinden könnte, wäre es kein Problem vollkommen gleiche Einkommensverhältnisse
herzustellen, ohne hierbei auf die optimalen Marktergebnisse zu verzichten. Entgegen der
landläufigen Meinung gibt es also an sich keinen Widerspruch zwischen Umverteilung und
Effizienz in der neoklassischen Sichtweise.
1
Varian, Hal. R. (1999): Grundzüge der Mirkoökonomik, 4. Auflage, Oldenbourg- Verlag, München 1999,
S.490 ff.
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2.
Die Annahmen des neoklassischen Grundmodells
Der Begriff des Modells impliziert, dass er sich nicht um einen originalgetreuen Nachbau der
"realen" Welt handelt, sondern bestenfalls um eine Näherung an dieselbe. Dennoch gewinnt
ein Modell gerade dadurch an Substanz, dass seine Konstruktion die Wesentlichen
Reaktionen der Umwelt beschreiben kann und Rückschlüsse darauf zulässt.
Ziel dieses Abschnitts ist es, die Annahmen des Grundmodells kennen zu lernen und ihre
Implikationen zu diskutieren. Das Augenmerk gilt dabei aber auch der Frage, inwieweit diese
Annahmen in der Realität anzutreffen sind, insofern die Frage also, wie realistisch denn das
neoklassische Grundmodell als solches ist.
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Atomistische Marktstruktur
In der "neoklassischen Welt" sieht sich der einzelne Marktakteur gegebenen Preisen und
Mengen gegenüber, kann diese also selbst nicht beeinflussen. Die individuelle Nachfrage ist
so gering, dass sie selbst keine Preiseffekte auslöst.
Die Annahme der Atomistischen Marktstruktur bildet die Grundlage des fairen Konkurrenz.
Weil der einzelne Marktteilnehmer keine Marktmacht hat, gilt dies auch für den
Zusammenschluss weniger Akteure, damit ist eine Kollusion definitionsgemäß
ausgeschlossen.
Natürlich erscheint diese Annahme von vornherein unrealistisch. Selbst in den
hochentwickelten Industrienationen sind Monopol- und Oligopolstrukturen gang und gäbe. So
wird niemand für den Markt der Betriebssysteme eine vollkommene Konkurrenz unterstellen,
weitere klassische Beispiele für Oligopolstrukturen sind Eisenbahnen, Telekommunikationsund Energiemärkte. Allzu häufig vergessen werden regionale Oligopolstrukturen.
Unbegrenzte Teilbarkeit von Produktionsfaktoren und Gütern
Durch die Annahme unbegrenzter Teilbarkeit wird die diskrete Welt zu einer stetigen. Die in
der gängigen mathematischen Literatur zur Volkswirtschaft stark kritisierte Annahme hat als
Ziel die Darstellung der Wirtschaft in vereinfachten mathematischen Gleichungen. Nur diese
Annahmen ermöglicht es der Theorie eindeutige Gleichgewichte auf Märkten zu finden, in
einer diskreten Welt sind Gleichgewichte zufallsbedingt. Dass dies grundsätzlich zu einem
mathematisch- systematischen Fehler führt muss dabei aber verneint werden, weil die
Neoklassik im Gegensatz zu Klassik nur die abstrakte Existenz von Gleichgewichten
postuliert. Die Märkte selbst befinden sich aber nicht im Gleichgewicht, sondern "tendieren
zum Gleichgewicht". Man nennt dies die Stabilitätsbedingung des Gleichgewichts.
Nutzenmaximierung der Individuen
Die Individuen versuchen gegeben einer bestimmten Ausstattung ihr Verhalten zu optimieren.
Als Maßstab der Entscheidung dient hierbei der Nutzen. Das gilt für ihre Wahl des
Konsumgüterbündels, wie auch für weitere Verhaltensentscheidungen. Zu beachten ist dabei,
dass Individuen materiellen und immateriellen Gütern Präferenzen zuordnen mit deren Hilfe
die optimale Wahl getroffen wird. Nutzen besteht somit auch aus nichtmonetären
Komponenten, selbst einem Lächeln ordnet das Individuum eine gewisse Präferenz zu.
Wichtig für das Verständnis des Nutzenkonzeptes ist, dass die Funktion des Nutzens abhängig
vom Einkommen eine streng abnehmende ist. Daraus folgt, dass es für den Nutzen mehrerer
Individuen ganz entscheidend ist, wie sich das Einkommen/ die Ausstattung unter diesen
verteilt.
Im einfachen Fall (zur besseren Vorstellung nun monetär) hat das Individuum eine
Anfangsausstattung, die durch das erzielte Einkommen ausgedrückt wird. Dieses Einkommen
kann – man ginge nun von einer hundertprozentigen Konsumquote aus – für verschiedene
Güter verwandt werden, hier besteht die Wahl zur Vereinfachung lediglich aus zwei Gütern.
Das Optimierungskalkül würde nun lauten, dass genau proportional zur Präferenzzuordnung
die Güter konsumiert werden. Würde das Individuum Gut 1 (z.B. Bier) den Rang 7 zuordnen,
dem Gut 2 (z.B. Wein) den Rang 3 und hätte es eine Anfangsausstattung, welche den Konsum
von 10 Einheiten erlaubt, so würden genau 7 Bier und 3 Wein konsumiert.
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Marktmodell
In jedem Marktmodell stehen – unabhängig von der Marktposition der Akteure – bestimmte
Verhaltensweisen gegenüber: Die der Gewinnmaximierung der Anbieter und die der
Nutzenmaximierung der Nachfrager. Letztere geben mittels ihres Zahlungsbereitschaftsmaßes
Auskunft darüber welche Menge sie zu welchem Preis zu kaufen bereit sind. Die
Unternehmen ihrerseits geben an, zu welchen Grenzkosten (als minimaler Preis) sie welche
Menge auf den Markt werfen können. Würden zum Beispiel die Haushalte bestimmte Güter
auf jeden Fall kaufen, also zu jedem Preis, würden sie diesem Gut einen unendlichen hohen
Nutzen zuweisen und es auf jeden Fall kaufen. Hätten die Unternehmen stark ansteigende
Grenzkosten innerhalb der Produktion, so würde es wenig lohnen, diese auszuweiten. In
beiden Fällen gibt es eine starke Mengenrestriktion.
Umgekehrt würden Güter, deren Nachfragemenge stark negativ mit dem Preis korreliert (im
Fachtermininus hochelastisch), ein geringes Nutzeniveau aufweisen. Sie sind leicht
austauschbar. Können Unternehmen zu konstanten (gering anwachsenden) Grenzkosten
produzieren (z.B. Rohölanbieter), so können sie leicht eine größere Menge auf den Markt
bringen.
Die Gleichgewichtsmenge resuliert aus dem Schnittpunkt beider Überlegungen. Warum wird
nicht mehr nachgefragt bzw. produziert? Weil dann (gesamtwirtschaftlich) Grenzkosten über
den Grenznutzen lägen. Warum wird nicht weniger produziert oder nachgefragt? Weil dann
die Grenznutzen über den Grenzkosten liegen und die Wohlfahrtsgewinne auf beiden Seiten
noch nicht ausgeschöpft sind: Die Unternehmen können zu höheren Preisen mehr absetzen,
die Haushalte unterhalb ihrer Zahlungsbereitschaft weiterhin mehr konsumieren.
3.
Varianten der Erwartungsbildung in der Ökonomie2
Der häufig gebrauchte Ausdruck des "homo oeconomicus" beschreibt einen Menschen, der
zunächst Erwartungen bzgl. der zukünftigen Entwicklungen bildet und diese anschließend in
sein Nutzenkalkül einfließen lässt. Dass Menschen Erwartungen bilden ist wohl unbestritten,
die Auseinandersetzung dreht sich vielmehr um die Frage in wie weit diese Erwartungen
rational, zukunftsbezogen realistisch und nachhaltig ist.
Statische Erwartungsbildung
Unter statischer Erwartungsbildung versteht man, dass das Individuum stets davon ausgeht,
dass sich gar nichts ändert. So wird ein Haushalt, der im Jahr 2003 genau 20.000 €
Einkommen erzielte dies auch für das Jahr 2004 erwarten. Das Individuum, das diesem
Erwartungstypus entspräche, stellt sich gewissermaßen dumm gegenüber den Ergebnissen der
Tarifverhandlungen, Inflation und selbst Steuererhöhung.
Adaptive Erwartungen
Die adaptive Erwartungsbildung gilt als erste Erweiterung der statischen Erwartungen,
sozusagen um rationale Elemente. Nach wie vor ist das Individuum quasi blind gegenüber
aktuellen Entwicklungen, jedoch überprüft er inwieweit seine (im Übrigen statischen)
Erwartungen in der Vergangenheit mit den tatsächlichen Entwicklungen übereinstimmte und
korrigiert seine zukünftigen Erwartungen entsprechend.
2
Mankiw, N. Gregory (2000): Makroökonomik, 4. Auflage, Schäfer- Poeschel- Verlag, Stuttgart 2000, S. 404 ff.
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Rationale Erwartungen
Der Begriff der rationalen Erwartungen wird oft verwechselt mit vollkommenen
Informationen. Das ist jedoch völlig verfehlt. Weder ist es rational für ein Individuum sich
alle Informationen über das Wirtschaftsleben zu beschaffen, Informationen haben schließlich
ihren Preis, noch ist es rational anzunehmen, dass dies überhaupt möglich ist.
Rational bedeutet mit den gegebenen Informationen bzw. unter Berücksichtigung der Kosten
beschaffte erforderliche Informationen, die bestmögliche Erwartung zu bilden.
In der modernen Ökonomie dominiert die Annahmen rationaler Erwartungen, wobei für die
Analyse nicht zwingend notwendig ist, dass ein Individuum sich immer rational verhält. Zum
einen gleichen sich irrationale Verhalten von Individuen häufig aus, zum anderen gilt
irrationales Verhalten als eine der zentralen Begründungen für konjunkturelle Schwankungen
(kollektiv irrationales Verhalten).
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