Mikrotechnik

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BOHRER
Die Mikrobohrer von Seco Tools
kommen unter anderem in der
Medizintechnik zum Einsatz. 49
SPANNTECHNIK
Schunks Spannvorrichtungen
SVP-Mini und -RM eignen sich
ideal für die Mikrozerspanung. 51
QUALITÄTSSICHERUNG
Mit dem 3D-Konfokalmikroskop
von Nanofocus lassen sich
Schneidkanten inspizieren. 52
extra
Mikrotechnik
Die präzise elektrochemische Metallbearbeitung (PEM) überzeugt mit
sauberen Ergebnissen und breitem Anwendungsspektrum. Seite 46
EXTRA MIKROTECHNIK
E
PEM – Die präzise elektrochemische Metallbearbeitung
(PEM) mag manchem gestandenen Zerspaner noch
exotisch vorkommen. Doch die Ergebisse des eleganten
Verfahrens mit Wasser und Strom sind überzeugend.
ine Münze kann theoretisch mit
ganz unterschiedlichen Methoden
hergestellt werden. Man kann sie
wie üblich prägen, ihre Oberfläche
mit geeigneten Mikrowerkzeugen herausfräsen
oder sie auf elektrochemischem Wege herstellen. Wie exakt Letzteres funktioniert, demonstriert das Unternehmen Pemtec im französischen Forbach aus rechtlichen Gründen natürlich nur mit Medaillen.
Binnen zwei Minuten entsteht aus dem als
positiver Elektrode (Anode) dienenden Rohling
ein exaktes Abbild der negativen Kathode. Die
Kathode wirkt in diesem Prozess wie ein
Kopierstempel – nur berührungslos. Sie kann
ein eigens dafür gefertigtes Werkzeug sein,
aber auch eine Medaille kann beispielsweise
als mustergebende Elektrode verwendet werden. Sie macht aus dem Rohling erst ein negatives Abbild, das seinerseits in einer folgenden
Bearbeitung als Kathode benutzt wird, um die
Medaille aus einem weiteren Rohling in ihrer
Positivdarstellung entstehen zu lassen.
Auf diese Weise tatsächlich Kleingeld herstellen zu wollen, wäre unwirtschaftlich. Mit
einer Prägeanstalt, die Hunderte von Münzen
Wasser und Strom
1 Das geöffnete PEM-Center mit den Modulen PEM-Aqua, PEM-Mechanic,
PEM-Control und PEM-Power (von links).
2 Aus einem Rohling, an dem positive Spannung anliegt, entsteht als Abbild
der negativen Kathode das Werkstück.
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maschine+werkzeug Dezember 2010
im Minutentakt ausspuckt, kann PEM nicht
konkurrieren. Interessanter wäre es schon, die
Prägestempel auf elektrochemischem Wege
herzustellen: Mit diesem Verfahren produzierte
Stempel halten bis zu zehn Mal länger, weil bei
der Bearbeitung keine Gefügeveränderungen
entstehen.
Genial einfaches Prinzip
So mysteriös die kalte Bearbeitung mit leise
surrenden Maschinen ohne Späne erscheinen
mag: Das Prinzip dahinter ist recht simpel und
schon lange bekannt. Grundlage ist das Faradaysche Gesetz, das den Vorgang des elektrochemischen Galvanisierens beschreibt. Wird
an zwei in einem Elektrolytbad befindliche
Elektroden elektrische Spannung angelegt, so
lösen sich Metallionen von der positiven Anode,
die durch den Elektrolyt zur negativen Kathode
gelangen und sich dort anlagern.
Um nicht zu galvanisieren, sondern lediglich Material abzutragen, werden bei der elektrochemischen Metallbearbeitung die Ionen
weggespült, ehe sie sich an der Kathode anlagern können, die daher sauber bleibt und
keinem Verschleiß unterliegt. Pemtec hat
das Verfahren trickreich perfektioniert. Die
Maschinen des Unternehmens arbeiten prozesssicher im μ-Bereich.
Die Firmengeschichte begann 1995 mit
dem Problem eines Ingenieurbüros im Saarland, das vor der Aufgabe stand, die Elemente
eines komplexen Sensors mit Mu-Metall auf
kleinstem Raum gegeneinander abzuschir-
men. Sie kamen auf die ECM-Technik, weil das
Mu-Metall seine elektromagnetischen Eigenschaften durch mechanische Bearbeitung
verliert. Da die gekaufte ECM-Maschine russischer Bauart zu unpräzise war, begannen
Modifikationen an der Maschine.
Dieses Unterfangen erwies sich als teurer
und langwieriger als angenommen, zumal erst
einiges an Grundlagen erarbeitet werden
musste. 1998 wurde Pemtec von der WachtGruppe übernommen und die Entwicklung von
Maschinen begann. »Wir konkurrieren mit TopMaschinen in der Metallbearbeitung. Dashalb
durfte das keine Bastelarbeit bleiben, sondern
musste ebenfalls eine Top-Maschine werden«,
erläutert Geschäftsführer Hans Kuhn das Entwicklungsziel. Bis 2006 sollte es dauern, ehe
die erste PEMC-Serienmaschine, das PEMCenter, verkauft werden konnte.
Die hohe Präzision haben die Entwickler bei
Pemtec erreicht, indem sie den Spalt zwischen
den Elektroden auf lediglich 10 μm verengten.
Dabei muss vermieden werden, dass abgetragenes Material den Spalt zusetzt und einen
Kurzschluss verursacht. Die Lösung sind kurze
Strompulse, nach denen sich der Spalt jeweils
wieder verbreitert, damit der Elektrolyt die
gelösten Metallteilchen wegspült. Der Vorgang
erfolgt periodisch mit einer Frequenz von 0 bis
60 Hertz. Die Vorschubachse mit der Kathode
vibriert dabei ausschließlich in Z-Richtung.
Der Bearbeitungsraum ist in ein massives
Granitgestell eingebettet, das die Vibrationen
der Maschine abfängt. Der Naturstein bringt
gleich mehrere Vorteile. Er hat eine hohe Eigensteifigkeit, ist sehr zäh und dehnt sich bei
Temperaturschwankungen nur sehr langsam
aus, was eine große Rolle für die Präzision
spielt. Zudem ist der Stein unempfindlich
gegen das als Elektrolyt verwendete Salzwasser. Je nach dem zu bearbeitenden Metall werden zwei unterschiedliche Salze benutzt: NaCl
oder NaNO3, also Kochsalz oder Pökelsalz. Der
Salzgehalt der wässrigen Lösung kann ebenso
reguliert werden wie deren pH-Wert, zu dessen
Einstellen verdünnte Lauge oder Säure beigemischt wird. Üblich ist ein neutraler pH-Wert
von 7. Welche Werte wofür ideal sind, ist weitgehend Erfahrungssache; Pemtec verfügt hier
bereits über eine umfangreiche Datensammlung.
Bei der Bearbeitung großer Teile umschließt
eine sogenannte Spülkammer Kathode und
Werkstück, um zu gewährleisten, dass überall
Elektrolyt mit gleichem Druck vorhanden ist.
Abhängig von der Form des herauszuarbeitenden Werkstückes, kann auch über Kanäle in
der Kathode Elektrolyt eingeleitet werden.
Der Stromverbrauch eines PEM-Centers ist
nicht höher als derjenige einer herkömmlichen
Werkzeugmaschine. Während die Prozessspannung mit 5 bis 15 Volt eher niedrig ist, erreicht
der Stromdichte beim Polieren bis zu 100
Ampere pro Quadratzentimeter. Schrubben
und Schlichten erfolgt im selben Arbeitsgang
mit der selben Elektrode aber bei unterschiedlicher Stromstärke. Pemtec benutzt die ➔
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FAKTEN
Die Grafik erläutert schematisch das Prinzip der präzisen elektrochemischen Bearbeitung (PEM). Bis
zu 60 Mal pro Sekunde findet der Bearbeitungsvorgang statt, der sich in drei Schritte gliedert:
1. Schritt: Die Kathode fährt hoch und öffnet den Arbeitsspalt bis auf 400 μm. Frischer Elektrolyt
wird zugeführt.
2. Schritt: Der Arbeitsspalt wird geschlossen. Die Elektroden nähern sich einander auf etwa 10 μm
frontalen Abstand an. Ein gesteuerter Stromimpuls wird ausgelöst. Aus dem Werkstück, das bei dem
Verfahren als Anode dient, werden dadurch Metallionen freigesetzt.
3. Schritt. Das abgetragene Material erreicht die Kathode nicht, denn unmittelbar nach dem
Stromstoß öffnet sich der Arbeitsspalt wieder und der verschmutzte Elektrolyt mit den Abtragsprodukten wird aus dem Arbeitsspalt gespült.
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Vier Module bilden ein Center
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3 Die Steuerung neben dem gut einsehbaren Arbeitsraum regelt den gesamten Prozess.
entsprechenden Begriffe aus der Zerspanung,
um das Ergebnis der jeweiligen Arbeitsschritte
zu beschreiben, obwohl die Bearbeitung mit
klassischem Schrubben und Schlichten sonst
nichts gemein hat.
Das gilt auch für besondere Bearbeitungen,
wie etwa das ›Hinterschneiden‹. Elektrochemisch werden entsprechende Anforderungen
gelöst, indem die in das Werkstück eingetauchte Elektrode längere Zeit an einer Stelle
verharrt oder mit höherer Stromstärke gearbeitet wird. Selbst Auskoffern ist auf diese Weise
möglich. Beschichtungen der Elektrode oder
besondere Formgebung verhindern, dass Material an den falschen Stellen abgetragen wird.
So sind auch saubere Bohrungen möglich,
ohne dass ein Konus entsteht. Weitere Mög-
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maschine+werkzeug Dezember 2010
gut die halbe Zeit zu dauert. Bei solch kleinen
Teilen spielt die PEM-Technologie noch einen
weiteren Trumpf aus: In einer Bearbeitung
können mit einer Mehrfach-Elektrode mehrere
Teile auf einmal produziert werden. Im Falle
des Turbinenrads, das einen Durchmesser von
34 Millimetern hat, werden zehn Stück in
einem Rutsch gefertigt, was die Zeitersparnis
durch PEM noch drastisch erhöht. In der Serienfertigung liegen die Werkzeugkosten dabei
nur bei etwas mehr als der Hälfte als die beim
Fräsen. »Der Aha-Effekt kommt oft dann, wenn
wir zeigen, was die Maschine kann«, berichtet
Kuhn.
lichkeiten – etwa für die Herstellung von Turbinenschaufeln – ergeben sich, wenn die Elektrode während der Bearbeitung gedreht wird.
»Unsere Kunden machen mit dem PEMCenter teilweise Teile, die mit einem anderen
Verfahren gar nicht herstellbar wären«, weiß
Hans Kuhn aus der Praxis. Das gilt für komplizierte Formen ebenso wie für knifflige Materialien. Ausgeschlossen sind lediglich Edelmetalle. Superlegierungen stellen für die
berührungslose kalte Bearbeitung kein Problem dar. Das PEM-Verfahren kann aber schon
bei der Bearbeitung von Edelstahl eine kostengünstige Alternative zum Präzisionsfräsen sein.
Als Musterteil zeigt Pemtec hier ein Turbinenläuferrad, dessen klassische Produktion etwa
60 Minuten dauert, elektrochemisch aber nur
Ein komplettes PEM-Center besteht aus insgesamt vier Modulen. Neben der PEM-Mechanic,
der eigentlichen Bearbeitungseinheit, ist das
PEM-Aqua ein wesentlicher Bestandteil der
Maschine. Von hier aus wird der Prozess mit
bis zu 40 Litern Elektrolyt pro Minute bei
maximal 10 bar Druck versorgt. Zur permanenten Aufbereitung des Elektrolyts gehört eine
Membranfiltration für eine Partikelgröße von
200 Nanometer bis 1 Mikrometer Partikelgröße. Die Anlage misst kontinuierlich pHWert, Leitfähigkeit sowie Temperatur und
regelt die vorgegebenen Sollwerte ein. Zwar ist
die Kathode das Form gebende Element dieser
Technologie, das eigentliche Werkzeug ist aber
der Elektrolyt. Seine Beschaffenheit hat also
maßgeblichen Einfluss auf das Endergebnis.
So ist denn die verschleißfreie Kathode auch
nur ein theoretisches Postulat – Verschmutzungen im Elektrolyt könnten durchaus ihre
Spuren hinterlassen. Pemtecs permanente
Überwachung des Prozesses verhindert dies.
Ein drittes Modul ist PEM-Power, die Spannungsversorgung. Sie kann ihrerseits modular
aufgebaut werden und stellt 2 000, 4 000,
6 000 oder 8 000 Ampere zur Verfügung.
Neben der Größe des Bearbeitungsraums limitiert die Leistung des Generators die mögliche
Teilegröße. Sondermaschinen von Pemtec
gehen über die Möglichkeiten der Standardmaschine hinaus. Die Steuerung der gesamten
Anlage erfolgt schließlich über die Konsole
PEM-Control per Touchscreen.
Um Berührungsängste mit der neuen Technologie abzubauen, setzt Pemtec auf eine
zweistufige Schulung. Sie umfasst eine zweibis dreitätige Einweisung bei Pemtec und weitere zwei Tage beim Kunden, wenn die Maschine dort steht. Darüber hinaus sind in den
vergangenen Jahren mehrere Applikationszentren entstanden. Sie unterstützen Kunden mit
ihrem Know-how beispielsweise bei der Fertigung von Elektroden, fungieren wie im klassischen Drehbereich aber auch als Lohnfertiger.
www.pemtec.de
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