ARBEITSPAPIER Nr. 2 Herausgeber: Klaus Backhaus, Heribert Meffert (Marketing Centrum Münster), Jürgen Meffert, Jesko Perrey, Jürgen Schröder (McKinsey) Mirko Caspar, Patrick Metzler Entscheidungsorientierte Markenführung – Aufbau und Führung starker Marken Copyright 2002 Jede Form der Weitergabe und Vervielfältigung bedarf der Genehmigung der Herausgeber Inhalt 1. Entscheidungsorientierte Markenführung als Herausforderung für das Markenmanagement 2. Gegenstand und konzeptionelle Grundlagen der Markenführung 2.1 Begriffliche Grundlagen 2.2 Markenimage, Markenstärke und Markenpotenzial als grundlegende Größen der Markenführung 4 6 6 7 3. Prozess der Markenführung 3.1 Strategische Standortbestimmung und Zielableitung 3.1.1 Marktsegmentierung und Erhebung des Markenimages 3.1.2 Ermittlung des Markenpotenzials und Zielableitung 3.2 Generierung von Handlungsoptionen 3.2.1 Analyse relevanter Markentreiber und der Markenstärken/-schwächen 3.2.2 Ableitung von Handlungsoptionen 3.3 Definition und Anpassung der Markenstrategie 3.4 Implementierung und Kontrolle 12 13 13 14 18 4. Zusammenfassung und Ausblick 26 5. Literaturverzeichnis 27 18 21 22 25 1. Entscheidungsorientierte Markenführung als Herausforderung für das Markenmanagement Eine wachsende Anzahl von Märkten befindet sich in einer Phase der Marktsättigung, die meist mit immer homogener werdenden Produkt- und Leistungsangeboten einhergeht und von intensivem Wettbewerb gekennzeichnet ist. Das Verhalten der Konsumenten im Zeitalter der Multioptionengesellschaft ist durch das Auflösen konstanter Verhaltensmuster gekennzeichnet (Meffert 1999). Der Trend zum „Variety Seeking“ (Trommsdorff 1998; McAlister/Pessemier 1982) mit einem gleichzeitig sinkenden Bindungswillen bzw. abnehmender Markentreue macht das Konsumentenverhalten zunehmend unbestimmbarer. Die Fragmentierung des Leistungsangebotes und die allgemeine Reizüberflutung (Herbig/ Kramer 1994) führen zudem zu einer immer stärkeren Orientierungslosigkeit der Nachfrager. Vor diesem Hintergrund sind die Profilierung und Differenzierung (Meffert 1988) der eigenen Leistung sowie die Schaffung von Kundenbindung und Loyalität (Homburg/Bruhn 1999) in stagnierenden Märkten eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches unternehmerisches Agieren. Dabei wird seit langer Zeit auf die Marke als Profilierungs- und Differenzierungsinstrument zurückgegriffen. Die Entwicklung der Markenneuanmeldungen zeigt, dass sich der Trend zur Markenführung in den letzten Jahren sogar noch verstärkt hat (DPMA 2000). Eine Erklärung für die nach wie vor zentrale Rolle der Marke als unternehmerischer Erfolgsfaktor ist ihre hohe Relevanz für das Kaufverhalten der Konsumenten und das daraus ableitbare Wertschöpfungspotenzial für die Unternehmen. Die Kaufverhaltensrelevanz der Marken lässt sich grundsätzlich aus dem Nutzen ableiten, den sie den Konsumenten bieten (Fischer/Hieronimus/Kranz 2002). Marken erhöhen die Informationseffizienz, indem sie die Informationsverarbeitung erleichtern und Orientierungshilfe bei einem großen Produktangebot bieten. Sie reduzieren das Risiko beim Kauf auf Grund der mit Marken verbundenen Qualitätserwartung und stiften einen nach innen oder außen gerichteten ideellen Nutzen, denn sie unterstützen die Möglichkeiten zur Selbstdarstellung, Selbstverwirklichung und Identifikation. Diese vielfältigen Nutzenfunktionen der Marken ermöglichen den Unternehmen oftmals, ein Mengen- und/oder Preisprämium zu realisieren – die Marke wird damit zu einem zentralen Werttreiber für die Unternehmen (vgl. Abb. 1). Der auf Grund der Reizüberflutung wachsende Mindestwerbedruck treibt jedoch die für einen erfolgreichen Markenaufbau benötigten Markeninvestitionen in die Höhe (Esch/ Wicke 2000; Sattler 1997). Die steigenden Markeninvestitionen müssen daher ein entsprechendes Umsatzwachstum zur Folge haben, um die Wirtschaftlichkeit der Markenführung sicherstellen zu können. Das Markenmanagement steht somit vor der Herausforderung, 4 Abb. 1 Quellen des Markenwertes für Unternehmen zum einen die Stärke seiner Marke und das korrespondierende Umsatzpotenzial zu quantifizieren, um den Umfang der Markeninvestitionen kalibrieren zu können. Zum anderen müssen die Stellhebel zur erfolgreichen Positionierung und Führung der Marke bekannt sein, um die Investitionen gezielt steuern zu können. Ein Markenführungsansatz muss daher diese beiden Elemente integrieren und auf Basis eines umfassenden Markenverständnisses eine fundierte Analyse der Ausgangssituation, eine operationale Zieldefinition sowie eine zielgerichtete Maßnahmengenerierung, -bewertung und -kontrolle umfassen. Das vorliegende Arbeitspapier stellt einen solchen konzeptionellen Ansatz zur Führung von Marken vor. 5 2. Gegenstand und konzeptionelle Grundlagen der Markenführung 2.1 Begriffliche Grundlagen Bei der Herleitung des Markenbegriffes ist im Hinblick auf die entscheidungsorientierte Führung von Marken eine wirkungs- bzw. sozialpsychologische Sichtweise sinnvoll (Berekoven 1978; Meffert/Burmann 2000), denn das Verständnis markierungsspezifischer Wirkungen ist letztlich die Voraussetzung für den Einsatz und die Ausgestaltung von Markenstrategien im Sinne einer bewussten Marktbearbeitung zur Erreichung von Marketingzielen. Entsprechend einer solchen nachfragerorientierten Sichtweise existiert die eigentliche Marke ausschließlich im Kopf des Konsumenten und entfaltet dort auch ihre Wirkung (Esch 1998). Demnach soll nach MEFFERT im Folgenden eine Marke als ein „in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung“ beschrieben werden (Meffert 2000). Unter Markenführung kann in Anlehnung an das allgemeine Führungsverständnis von FAYOL (1916) und WILD (1971) die entscheidungsorientierte Informationsverarbeitung und ihre Verwendung zur zielgerichteten Steuerung von Marken verstanden werden. Der komplette Managementprozess umfasst dabei die Planung, Koordination und Kontrolle aller die Marke betreffenden Unternehmensentscheidungen (Meffert/Burmann/Koers 2002). Im Rahmen des Markenmanagements stellen die Auswahl und Operationalisierung eines geeigneten Zielwertes des unternehmerischen Handelns eine der grundlegenden Herausforderungen dar. Als zentrale markierungsbezogene ökonomische Erfolgsgröße gilt im Allgemeinen der (ökonomische) Markenwert, der die Erreichung der Oberziele der Gewinnund Renditesteigerung direkt beeinflusst (Koers 2001; Esch/Wicke 2000). Unter Markenwert wird überwiegend der mit der Markierung eines Produktes verbundene inkrementale Wert im Vergleich zu einem unmarkierten Produkt verstanden (Sander 1994). Bei einer finanzwissenschaftlich orientierten Betrachtungsweise steht dabei der monetäre Geldwert der Marke im Vordergrund. Eine management- bzw. entscheidungsorientierte Sichtweise muss jedoch die Brücke zu den Ursachen des Markenwertes schlagen und einen Bezug zu den Ausgestaltungskomponenten des Markenmanagements herstellen können (Esch 2000). Aus diesem Grund ist der ökonomische Markenwert als Zielgröße der Markenführung kaum geeignet. Ein dem ökonomischen Markenwert im Sinne einer Mittel-Zweck-Beziehung vorgelagertes Konstrukt ist die Markenstärke. Markenstärke bezeichnet dabei die aus der Wahrnehmung und Beurteilung der Marke resultierende Antriebskraft, subjektive Wertschätzungen seitens der Konsumenten in Verhalten umzuwandeln (Bekmeier-Feuerhahn 1998). Ihre mittlere 6 Stellung innerhalb der Wirkungskette zwischen Stimuli und ökonomischen Konsequenzen des Verhaltens (Trommsdorff 1998) lässt sie die markierungsbedingten Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten besser als der ökonomische Markenwert erklären und begründet damit ihre zentrale Rolle als Marketingzielgröße (vgl. dazu auch Keller 1993; Aaker 1991). Im Folgenden soll die Markenstärke bezüglich ihrer Struktur sowie ihrer Konsequenzen für das Kaufverhalten und ihrer psychografischen Determinanten näher beschrieben werden, um ihre Eignung als Markenführungszielgröße zu dokumentieren. 2.2 Markenimage, Markenstärke und Markenpotenzial als grundlegende Größen der Markenführung Zentral für das Begriffsverständnis der Markenstärke ist die Tatsache, dass sie sowohl die Wahrnehmung und Bewertung seitens der Konsumenten als auch den darauf zurückzuführenden differierenden Verhaltenseffekt umfasst (Caspar 2002). Markenstärke kann dementsprechend noch einmal in eine Einstellungskomponente und eine Verhaltenskomponente differenziert werden, wobei die Einstellungsstärke sich auf die psychografischen Strukturen (Wahrnehmung und Beurteilung des Vorstellungsbildes) und die Verhaltensstärke sich auf die Verhaltenswirkung der Marke bezieht (vgl. dazu Fischer/Hieronimus/ Kranz 2002). Der Zusammenhang zwischen der Marke, den Komponenten der Markenstärke und dem Markenwert lässt sich Abbildung 2 entnehmen. Abb. 2 Zusammenhang zwischen Marke, Markenstärke und Markenwert 7 Entsprechend dieser skizzierten Wirkungskette ist es für die Markenführung besonders relevant, auf welche Weise das im Konsumenten verankerte Vorstellungsbild von der Marke zu einer hohen Einstellungsstärke führt und dadurch das Konsumentenverhalten sowie letztendlich den ökonomischen Wert einer Marke beeinflusst. Um die Marke zielgerichtet steuern zu können, ist weiterhin das Verständnis davon, wie das Bild der Marke entsteht und verändert werden kann, von entscheidender Bedeutung. Dazu müssen in einem ersten Schritt Inhalt und Struktur des Markenbildes in der Vorstellung des Konsumenten genauer betrachtet werden. Entsprechend den gedächtnispsychologischen Theorien wird das Vorstellungsbild von der Marke (im Folgenden auch das Markenimage) im Gedächtnis durch mentale Schemata repräsentiert (Esch 1998). Diese Schemata stellen das Markenwissen der Konsumenten dar und können als große, komplexe Wissenseinheiten interpretiert werden, die typische Eigenschaften und feste, standardisierte Vorstellungen von bestimmten Objekten, Personen oder Ereignissen umfassen (Esch/Wicke 2000; Rumelhart 1980). Die im Markenschema enthaltenen Vorstellungen bzw. Markeneigenschaften lassen sich als assoziative Netzwerke begreifen, die bei entsprechenden Stimuli aktiviert werden können (Collins/Loftis 1975). Zum besseren Verständnis möglicher Markenmerkmale und -assoziationen sind gerade im Zusammenhang mit der verhaltenswissenschaftlich orientierten Markenwertforschung zahlreiche Ansätze zur Strukturierung der die Markenstärke begründenden Assoziationen entwickelt worden (vgl. u.a. Low/Lamb 2000; Meffert/Burmann 2000; Aaker 1996; Keller 1993; Farquhar/Han/Herr/Ijiri 1992; Kapferer 1992). Entlang einer hierarchischen Einteilung wird in nahezu allen Konzepten beim Markenimage zwischen Merkmalen, übergelagerten Nutzenvorstellungen und sich daraus ergebenden globalen Einstellungen differenziert (vgl. dazu z.B. sowohl die Konzeptualisierung von KELLER als auch AAKER, Keller 1993; Aaker 1996). Nach unserem Verständnis besteht das Markenimage aus einer Reihe von Assoziationen, welche in tangible und intangible Markenattribute sowie darüber gelagerte rationale und emotionale Nutzen geordnet werden können. Das von McKinsey entwickelte und empirisch gestützte Konzept des Markendiamanten liefert den entsprechenden, in Abbildung 3 dargestellten Strukturierungsansatz. Unter die Kategorie „tangible Attribute“ fallen alle Assoziationen, die mit den tangiblen Charakteristika der Marke zusammenhängen: ihre physisch-funktionalen Eigenschaften wie Produktdesign, Verpackung, Logo, aber auch ihr Auftritt durch Werbung, PromotionAktivitäten etc. Diese sinnlich wahrnehmbaren Charakteristika stellen die Grundlage für die Ausprägung eines Vorstellungsbildes der Konsumenten von einer Marke dar. Die Kategorie „Intangible Attribute“ umfasst eher konnotative Merkmale, wie Markenpersönlichkeit, Reputation, Herkunft etc. Neben den tangiblen und intangiblen Merkmalen werden mit der Marke auch Nutzenvorstellungen assoziiert. Die tangiblen Nutzenassoziationen sind eher rational geprägt und umfassen den Produkt-, Prozess- und Beziehungsnutzen. 8 Intangible Nutzenassoziationen beziehen sich auf den ideellen Nutzen der Marke, der sowohl nach außen (in Form von Selbstdarstellung)1 als auch nach innen (als Selbstverwirklichung) gerichtet sein kann.2 Abb. 3 McKinsey-Strukturierungsansatz des Markenimages – der Markendiamant Neben der Art der Assoziationen beeinflusst besonders ihre Ausprägung den Einfluss auf das Konsumentenverhalten. Damit die Markenassoziationen überhaupt hervorgerufen bzw. aktiviert werden können, müssen sie im Schema stark verankert und miteinander verknüpft sein, ihre Präsenz ist also von entscheidender Bedeutung (Fazio/Powell/ Williams 1989). Nach der Einstellungstheorie liegen der übergeordneten Einstellung, verstanden als Prädisposition, sich einem Stimulus gegenüber konsistent positiv oder negativ zu verhalten, die kognitiv mit der Marke verbundenen und affektiv bewerteten Merkmale zu Grunde (Trommsdorff 1998). Demnach müssen die im Markendiamanten enthaltenen Assoziationen in ihrer Richtung möglichst positiv – im Sinne einer Vorteilhaftigkeit – bewertet werden, um eine positive Einstellung gegenüber der Marke zu ermöglichen. Schließlich reicht die reine Aktivierung positiver Assoziationen noch nicht aus, denn in der Entscheidungssituation muss die Marke sich auch gegenüber dem Wettbewerb behaupten – die Assoziationen müssen demnach auch eine gewisse Einzigartigkeit aufweisen (Trommsdorff/Paulssen 2000). 1 2 Der Markenkonsum ermöglicht es dem Käufer/Konsumenten, seine Zugehörigkeit zur Gruppe der „typischen Nutzer“ zu dokumentieren. Die sich aus den zu Grunde liegenden Assoziationen ergebende übergeordnete Einstellung zu der Marke ist im Strukturierungsansatz nicht explizit erfasst. Vgl. zum Zusammenhang zwischen Image und Einstellung auch Trommsdorff (1998). 9 Aufbauend auf dem Verständnis des Markenimages können in einem nächsten Schritt die Charakteristika der beiden Markenstärkekomponenten Einstellungsstärke und Verhaltensstärke verdeutlicht werden. Ebenso wie die einzelnen Assoziationen sollte zusammenfassend auch die gesamte Marke – verstanden als kognitives Schema – möglichst präsent (stark verankert), positiv (vorteilhaft) und differenziert (einzigartig) sein, um einen positiven Einfluss auf das Verhalten ausüben zu können (vgl. dazu auch die Überlegungen bei Keller 1993). Demnach sind mit der Präsenz, Richtung und Einzigartigkeit auch die drei zentralen Dimensionen der einstellungsorientierten Markenstärke bzw. Einstellungsstärke4 identifiziert. Zur Erfassung von Markenwert und verhaltensorientierter Markenstärke (Verhaltensstärke) stehen zahlreiche Modelle zur Verfügung (vgl. dazu auch Kranz/Fischer/Echterling 2002). Ansätze, die im Rahmen der entscheidungsorientierten Markenführung Verwendung finden können, müssen auf der einen Seite den messtheoretischen Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität genügen. Sie sollten auf der anderen Seite aber auch eine Reihe managementorientierter Kriterien erfüllen. So ist die monetäre Quantifizierung von Entwicklungspotenzialen der Marke aus Führungssicht von zentraler Bedeutung. Weiterhin ist ein Bezug zum Kaufverhalten und zu den zu Grunde liegenden Determinanten eine wichtige Voraussetzung, um Hinweise für die Markenausgestaltung ableiten zu können. Schließlich sollte das Modell ein breites Einsatzspektrum abdecken und im Hinblick auf seine Implementierung mit einem akzeptablen Erhebungs- und Analyseaufwand verbunden sein (Kranz/Fischer/Echterling 2002). Vor diesem Hintergrund bietet das von MCM/McKinsey entwickelte Markenpotenzialmodell eine adäquate Bewertungsgrundlage (Kranz/Fischer/Echterling 2002). Die Erfassung der Verhaltensstärke einer Marke entlang einem idealtypischen Kaufprozess vereinfacht sowohl eine sich anschließende Quantifizierung der Entwicklungsmöglichkeiten in Form eines Umsatzpotenzials als auch eine differenzierte Analyse der aktuellen Stärken und Schwächen der Marke in Bezug auf deren Verhaltensstärke. Das Modell beinhaltet zudem eine Verknüpfung mit der rein psychografischen Einstellungsstärke, so dass die komplette Wirkungskette von den Stimuli über das zu beeinflussende Konstrukt der Einstellungsstärke bis zum Nachfragerverhalten und zu dessen ökonomischen Konsequenzen analysiert werden kann. Auf den komplexen Analyseablauf wird bei der Beschreibung des Markenführungsprozesses noch im Detail eingegangen werden. Nach dem MCM/McKinseyModell lassen sich die Verhaltensstärke und das Markenpotenzial grundsätzlich folgendermaßen ermitteln: Die Erfassung der Verhaltensstärke erfolgt entlang einem idealtypischen Kaufprozess, der sich auf eine Verknüpfung des allgemeinen Werbewirkungsprozesses von Lewis mit dem Kaufmodell von Howard und Sheth zurückführen lässt (Howard/Sheth 1969; vgl. dazu 4 Nach Trommsdorff baut die Markeneinstellung auf den einzelnen, subjektiv bewerteten Markenelementen (so genannten Eindruckswerten) auf und ist daher auf diese zurückzuführen (vgl. Trommsdorff 1998). Die stärkebegründenden Kriterien der Assoziationen lassen sich daher direkt auf die globale Einstellungsstärke übertragen. 10 auch das Markenwahlmodell von Narayana/Markin 1975). In der Aggregation über die Käufer eines Produktmarktes wird dieser Kaufprozess auch als Markenfilter bezeichnet (Kliger/Dembeck 2001). Starken Marken gelingt es diesem Verständnis nach eher, sowohl eine hohe Bekanntheit zu erreichen als auch in die engere Auswahl („Consideration Set“) zu kommen, gekauft zu werden und letztendlich Käufer in loyale Kunden zu verwandeln (Kranz/Fischer/Echterling 2002).5 Auf den beiden letzten Stufen des Prozesses ist das Konsumentenverhalten direkt mit ökonomischen Implikationen in Form von Umsätzen verbunden. Um vom idealisierten Kaufprozess zur Leistung der Marke zu gelangen, müssen auf Individualebene abgefragte Daten zum Konsumentenverhalten aggregiert werden. So kann entlang dem Prozess die Anzahl der Kunden abgebildet werden, die von Stufe zu Stufe erhalten bleiben (Kranz/Fischer/Echterling 2002). Abb. 4 verdeutlicht das Vorgehen. Dieser Ansatz überzeugt nicht nur durch seine intuitive Logik und Simplizität, sondern ermöglicht zudem über Vergleiche mit strategischen Wettbewerbern oder dem Branchendurchschnitt, Potenziallücken der Marke zu identifizieren und diese auch monetär zu bewerten. Abb. 4 Analyse der Markenleistung im Kaufprozess Um Implikationen für die Markenführung auf der Markenebene ableiten zu können, muss berücksichtigt werden, dass der für die Marke ermittelte Markenfilter nicht allein durch die Marke zu erklären ist, sondern das Ergebnis sämtlicher kaufverhaltensrelevanter Einflüsse darstellt. Um den Hebel der Marke bestimmen zu können, muss demnach ihre Wirkung aus einer Vielzahl von Einflüssen anderer Faktoren isoliert werden. Mit anderen 5 Dieser generische Markenfilter muss im Bedarfsfall an unterschiedliche Rahmenbedingungen verschiedener Produktmärkte angepasst werden. 11 Worten: Es muss die Beziehung zwischen der psychografischen Einstellungsstärke und der Markenleistung im Kaufprozess bestimmt werden. Gelingt dies und kann die Einstellungsstärke der Marke wiederum auf einzelne Merkmale zurückgeführt werden, so entsteht ein Ansatz, der Markenmanagern sowohl quantitative Ziele zur Steuerung ihrer Marken als auch eine verhaltenswissenschaftlich fundierte Identifikation geeigneter Steuerungsmaßnahmen liefert. Ein solcher Ansatz soll im Folgenden vorgestellt werden. 3. Prozess der Markenführung Ziel der Markenführung muss es entsprechend den bisherigen Ausführungen sein, die Marke als Vorstellungsbild in den Köpfen der Menschen so zu positionieren, dass sie fest, positiv und differenziert verankert ist, um ein möglichst großes Umsatzpotenzial zu erschließen. Eine erfolgreiche Profilierung der Marke setzt allerdings einen systematischen und dynamischen Planungsprozess voraus (Abb. 5). Abb. 5 Prozess der Markenführung Den Ausgangspunkt des Markenführungsprozesses stellt zunächst eine umfassende Analyse der Umfeldbedingungen sowie die Identifikation von potenzialträchtigen Zielgruppen dar. Daran anschließend gilt es, eine Analyse der markenstrategischen Ausgangssituation entlang dem Kaufprozess sowie die ökonomische Ableitung des Potenzials der Marke vorzunehmen. Hieran schließt sich die Identifikation der relevanten Markentreiber – für den Erfolg im Kaufprozess entscheidende Markenbestandteile – und eine Stärken-SchwächenAnalyse auf Markenelementebene an, um in der darauffolgenden Phase Handlungsoptionen für die Markenpositionierung ableiten zu können. In der Phase der Definition und Anpassung der Markenstrategie erfolgt schließlich die Festlegung eines zukünftigen Markenleitbildes sowie die Ableitung markenstrategischer Stoßrichtungen, welche in der Implemen- 12 tierungsphase umgesetzt werden. Im Rahmen des Controllings wird die Zielerreichung überprüft und die Anpassung der Ziele oder Handlungen ggf. veranlasst. Im Planungsprozess dient der Markendiamant als grundlegender Bezugsrahmen. Er bildet sowohl die Basis für die strukturierte, vollständige Erfassung des Markenimages als auch für die Markentreiberanalysen sowie die Stärken-Schwächen-Analyse. Schließlich stellt er die Grundlage für die Ableitung und Konkretisierung des Markenleitbildes dar. Die Rolle des Markendiamanten wird in Abbildung 6 verdeutlicht. Abb. 6 Der Markendiamant als strukturierende Grundlage des Markenführungsprozesses Insgesamt ist der in Abbildung 5 und 6 gezeigte Planungsprozess allerdings nicht als streng sequenzielle Abfolge der Planungsstufen zu interpretieren. Vielmehr handelt es sich um einen rückgekoppelten, dynamischen Prozess, in dem vielfältige, interdependente Teilprobleme zu lösen und zu koordinieren sind. 3.1 Strategische Standortbestimmung und Zielableitung 3.1.1 Marktsegmentierung und Erhebung des Markenimages Den Ausgangspunkt des Planungsprozesses stellt eine ausführliche Analyse des Unternehmensumfeldes dar. Im Mittelpunkt dieser Betrachtung steht die Identifikation von möglichst homogenen Zielgruppen anhand geeigneter Segmentierungskriterien. Dabei muss die Auswahl an soziodemografischen, psychografischen, nutzenorientierten und/ oder verhaltensorientierten Kriterien zum einen eine möglichst große Verhaltensrelevanz sicherstellen und zum anderen die Ansprechbarkeit der identifizierten Segmente gewähr- 13 leisten.6 Die identifizierten Segmente sind entsprechend ihrem Wertschöpfungspotenzial für das Unternehmen zu priorisieren. Für die betrachteten Segmente ist im Anschluss das Markenimage bzw. das Fremdbild der eigenen und sämtlicher relevanter Wettbewerbsmarken zu analysieren (vgl. zum Verhältnis von Markenimage und Fremdbild der Markenidentität Meffert/Burmann 2002). Für ein umfassendes Verständnis des Vorstellungsbildes von der eigenen Marke seitens der Zielgruppe muss das Markenimage auf disaggregierter Ebene – das heißt auf Markenelementebene – entlang allen relevanten Merkmalen erhoben werden (Trommsdorff 1992a). Eine empirisch fundierte Strukturierungshilfe stellt der in Kapitel 2.2 vorgestellte Markendiamant dar. Als markenprägende Elemente sind dabei gerade jene Attribute zu identifizieren, die besonders stark mit der Marke assoziiert werden und die Marke vom Wettbewerber differenzieren. Nach Abschluss dieser Phase sollte das Markenmanagement ein solides Verständnis sowohl von den relevanten Zielgruppen und ihren Bedürfnissen als auch vom wahrgenommenen Image der eigenen Marke haben. 3.1.2 Ermittlung des Markenpotenzials und Zielableitung Um das monetäre Potenzial der Marke erheben zu können, muss zunächst ihre aktuelle Leistung entlang dem Kaufprozess bestimmt werden.7 Zunächst ist dabei festzustellen, welcher Anteil der Zielgruppe die Marke kennt und mit ihr vertraut ist, sie in die engere Auswahl zieht, wie viel Prozent tatsächlich die Marke schon einmal gekauft haben und wie hoch der Anteil loyaler Käufer ist. Die eigentliche Potenzialermittlung verläuft dann in vier Schritten (Kranz/Fischer/Echterling 2002). Zunächst sind die Performancelücken der Marke entlang dem Kaufprozess durch einen Vergleich der Kundentransferraten mit Wettbewerbsbenchmarks zu ermitteln. Abbildung 7 verdeutlicht dies am Beispiel strategischer Wettbewerber im Automobilmarkt. Dem Passat gelingt es im Beispiel zwar, einen großen Prozentsatz an Kunden auf die Stufe der engeren Auswahl zu ziehen; auf den Stufen Kauf und Loyalität hat der VW Passat jedoch deutliche Schwächen im Vergleich zu seinem strategischen Wettbewerber, der C-Klasse. Wie bereits in Kapitel 2.2 erläutert, ist die Verhaltenswirkung im Kaufprozess jedoch auf sämtliche kaufverhaltensrelevanten Einflussfaktoren zurückzuführen. In einem zweiten Schritt muss daher die reine Markenwirkung isoliert werden, denn sie erlaubt die Quantifizierung der allein über die Marke schließbaren Lücke in den Kundentransferraten. Zur Isolierung der Markenwirkung dient ein Modell, das alle Haupteinflussfaktoren des Kaufverhaltens in einem Produktmarkt abbildet. Dabei stellen die Kundentransferraten die abhängige Variable dar, und die Einstellungsstärke der Marke geht als Einflussfaktor in das Modell ein (Abb. 8).8 6 7 8 Vgl. dazu auch Perrey 1998 Der Kaufprozess ist dabei an die spezifischen Kontextbedingungen anzupassen. Vgl. dazu auch Kranz/Fischer/Echterling 2002 Vgl. zu einem ähnlichen Vorgehen Kamakura/Russel 1993 14 Abb. 7 Lückenanalyse im Kaufprozess: Fallbeispiel Mittelklassesegment im Automobilmarkt Abb. 8 Grundgedanken der regressionsanalytischen Isolierung der Markenwirkung 15 Mit Hilfe eines binomialen Regressionsmodells9 kann nun der Einfluss der psychografischen Einstellungsstärke auf die Markenleistung entlang dem Kaufprozess isoliert werden (vgl. zu dem genauen Vorgehen Kranz/Fischer/Echterling 2002). Durch Multiplikation der markenindividuellen Ausprägung der Einstellungsstärke mit dem regressionsanalytisch ermittelten allgemeinen Markenhebel kann so die Markenwirkung der spezifischen Marke errechnet werden. Ist die Markenwirkung bzw. der Markenhebel bekannt, kann im Anschluss daran untersucht werden, welcher Anteil der identifizierten Kundentransferlücke durch Steigerung der Einstellungsstärke geschlossen werden kann. Auch hier empfiehlt sich zur Bestimmung der Zieleinstellungsstärke der Vergleich mit einer Benchmark, wie z.B. dem Branchendurchschnitt oder einem strategischen Wettbewerber. Im Beispiel aus der Automobilbranche zeigt sich bei der Analyse der Einstellungsstärke, dass der VW Passat sowohl unter dem Niveau des strategischen Wettbewerbers C-Klasse als auch unterhalb des Marktdurchschnitts liegt. Der Abstand zum Niveau der C-Klasse beträgt im Beispiel sogar mehr als 20%. Eine solche Steigerung scheint mittelfristig kaum realistisch zu sein, daher wäre in diesem Fall z.B. der im Vergleich zur C-Klasse niedrigere Marktdurchschnitt als adäquate Benchmark auszuwählen. Mit Hilfe des regressionsanalytisch isolierten Markenhebels und der durchschnittlichen Einstellungsstärke des Marktes als Benchmark kann nun eine neue markengetriebene Kundentransferrate ermittelt werden. Der Vergleich mit der alten markengetriebenen Kundentransferrate gibt an, um wie viele Prozentpunkte die Lücke im Kaufprozess durch Steigerung der Einstellungsstärke geschlossen werden kann. Abbildung 9 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Abb. 9 Zusammenhang zwischen Kundentransferrate und Einstellungsstärke 9 Die abhängige Variable der Kundentransferrate ist binär kodiert. Damit führt die einfache lineare Regression zu ineffizienten Schätzern, und das Modell ist in seiner Prognose nicht robust. Binomiale Verfahren sind daher in diesem Fall vorzuziehen. Vgl. dazu auch Krafft 1997 und Greene 2000. 16 Aus der so ermittelten Steigerung der Transferrate lässt sich im Anschluss eine Erhöhung der Kundenzahlen auf den nachgelagerten Stufen errechnen. Im letzten Schritt erfolgt die ökonomische Bewertung der bisher rein mengenmäßigen Abbildung des Markenpotenzials. Die ökonomische Wirkung manifestiert sich auf den Stufen Kauf und Loyalität. Für die zusätzlich gewonnenen Kunden muss daher auf der Stufe Kauf ihr Akquisitionswert und auf der Stufe Loyalität ihr Loyalitätswert angesetzt werden. Die Dynamisierung der zukünftigen Umsätze lässt sich dabei auf der Stufe Loyalität gemäß dem Kundenwertmodell von FISCHER, HERRMANN UND HUBER (2001) errechnen. Das Modell integriert die Kundenbindungsrate und die durchschnittlichen Ersatzbeschaffungszeiträume zur Ableitung zukünftiger Umsätze und diskontiert diese kontinuierlich mit den Kapitalkosten des Unternehmens. Der Wert der zukünftigen Transaktionen eines loyalen Kunden bemisst sich danach grundsätzlich durch folgende Formel: (1) U= p (1+i-r)(1+iµ) U = Diskontierter Umsatzwert zukünftiger Transaktionen p = Umsatz pro Transaktion r = Kundenbindungsrate µ= Durchschnittlicher Ersatzbeschaffungszeitraum i = Stetige Kapitalverzinsungsrate Zur genauen Erfassung der Wertkomponenten sollte auf jeden Fall eine spezifische Anpassung an den jeweiligen Kontext erfolgen (vgl. zu dem detaillierten Vorgehen Kranz/ Fischer/Echterling 2002). Durch die Zusammenführung der Anzahl der allein durch die Erhöhung der Einstellungsstärke gewonnenen Kunden auf den Stufen Kauf und Loyalität mit den dazugehörigen Wertkomponenten kann schließlich das monetäre Markenpotenzial bestimmt werden. Auf Basis der Markenpotenzialanalyse lassen sich konkrete markenpolitische Zielsetzungen ableiten und operationalisieren. Die ermittelten Umsatzpotenziale eignen sich hervorragend, um kritische markengetriebene Engpässe zu identifizieren. In Abbildung 10 wird zum Beispiel deutlich, dass für den VW Passat die Lücke in den Kundentransferraten zwischen den Stufen Kauf und Loyalität (24%) am größten ist. Die allein durch die Marke schließbare Lücke ist jedoch zwischen den Stufen engere Auswahl und Kauf am größten. Auch die monetäre Bewertung zeigt, dass das Markenumsatzpotenzial auf der Stufe Kauf am höchsten ist. Für das Markenmanagement bietet die Markenpotenzialanalyse damit die Möglichkeit, seine Markenführungsanstrengungen zu fokussieren, indem es Engpässe mit besonders großem Potenzial priorisiert. Denkbar ist allerdings auch, in die Zielableitung mehrere Lücken mit einzubeziehen. Die Entscheidung über das Zielausmaß muss letztlich auch 17 vor dem Hintergrund der Leistungsfähigkeit der Organisation getroffen werden. Neben dieser inhaltlichen Präzisierung und der quantitativen Bestimmung des Zielausmaßes sollten auch der Segment- und Zeitbezug sichergestellt werden, indem die relevanten Zielgruppen festgelegt werden und ein Zeitrahmen für das Erreichen der Ziele vorgegeben wird (vgl. zur Zieloperationalisierung Meffert 2000). Mit der Zieloperationalisierung ist die Phase Abb. 10 Ermittlung des monetären Markenpotenzials der Potenzialermittlung und Zielableitung abgeschlossen. 3.2 Generierung von Handlungsoptionen 3.2.1 Analyse relevanter Markentreiber und der Markenstärken/-schwächen Aufbauend auf der Potenzialanalyse und der Zielableitung stellt sich die Frage nach der „richtigen“ Positionierung der Marke, um ihre Einstellungsstärke verbessern und die spezifizierten Umsatzpotenziale realisieren zu können. Im Kern geht es dabei um die Frage, mit welchen Markenelementen sowohl eine dominierende Stellung in der Psyche des Konsumenten als auch eine Differenzierung vom Wettbewerber zu erreichen ist (Meffert 1992). Dafür müssen zunächst diejenigen Markenmerkmale identifiziert werden, die auf Grund einer hohen Bedürfniserfüllung und einer ausreichenden Differenzierung vom Wettbewerb die größte Kaufverhaltensrelevanz auf den priorisierten Stufen im Kaufprozess aufweisen. Solche Markenmerkmale sollen im Folgenden auch als Markentreiber bezeichnet werden. Bei der Analyse der Markentreiber kann auf den Markendiamanten als Bezugsrahmen zurückgegriffen werden. Idealerweise ist zur Erfassung der markenprägenden Elemente von Unternehmens- und Wettbewerbsmarke eine große Anzahl an Markenmerkmalen für 18 sämtliche Kategorien des Markendiamanten erhoben worden. Diese können nun auf ihre Kaufverhaltensrelevanz hin untersucht werden. Ziel der Analyse ist es, diejenigen Markenelemente zu ermitteln, die den Kundentransfer auf die nächste Prozessstufe am besten erklären können. Dafür stehen neben einfachen Mittelwertvergleichen auch verschiedene binomiale Regressions- oder Kausalanalyseverfahren zur Verfügung (vgl. zu verschiedenen statistischen Methoden bei der Analyse von kausalen Zusammenhängen u.a. Backhaus et al. 2000). So wird z.B. beim einfachen Mittelwertvergleich untersucht, wie sich das Markenbild der Kunden auf einer bestimmten Stufe von dem der Kunden, die diese Stufe nicht erreicht haben, unterscheidet. Die Markenelemente, deren Mittelwerte bei den im Kaufprozess gebundenen Kunden signifikant höher ausgeprägt sind als bei den verlorenen Kunden, können als Markentreiber auf dieser Stufe interpretiert werden. Allerdings ist die Anwendung von Regressionsmodellen dem Mittelwertvergleich aus zwei Gründen vorzuziehen: Zum einen bildet der Regressionskoeffizient die Hebelwirkung des Markenelementes auf den Kundentransfer direkt ab, das heißt, die Veränderung des Kundentransfers kann unmittelbar aus den Regressionsergebnissen errechnet werden. Zum anderen ist die Wirkungsmessung in einem multiplen Regressionsansatz präziser, da der Einfluss eines Markenelementes unter Berücksichtigung der Einflüsse anderer Elemente extrahiert wird. Kollineare Beziehungen unter den Elementen werden so im Gegensatz zum Mittelwertvergleich explizit berücksichtigt und verhindern sonst mögliche Ergebnisverzerrungen. Für die erfolgreiche Durchführung und Interpretation von Regressionsanalysen ist jedoch eine ausreichende Erfahrung notwendig. Potenzielle Schwierigkeiten resultieren aus der Multikollinearität bei einer großen Anzahl von untersuchten Markenelementen, wobei aus der Vielfalt der Strategien10 zum Umgang mit Multikollinearität die angemessene auszuwählen ist. Daneben ist zu erwarten, dass die Störterme bei solchen Querschnittsuntersuchungen nicht varianzhomogen sind (Heteroskedastizität), so dass die Standardfehler der Koeffizientenschätzer, z.B. nach der Methode von WHITE (vgl. Greene 2000), zu korrigieren sind. Schließlich ist darauf zu achten, dass die Heterogenität von Individualdaten bei der Schätzung durch Anwendung entsprechend verallgemeinerter Schätzer (z.B. Fixed Effects, Random Effects, Random Coefficients) zu kontrollieren ist.11 Auf die Pfad- bzw. Kausalanalyse sei hier nicht weiter eingegangen, sie wird in Kapitel 3.3 noch detailliert behandelt. Es sei noch darauf hingewiesen, dass bei einer Vielzahl von zu prüfenden Markenelementen unter Umständen die Reduzierung der Anzahl zu untersuchender Elemente vorteilhaft ist. Der Hauptgrund für eine Reduzierung der zu untersuchenden Elemente liegt in der Tatsache, dass bei einer Vielzahl von Erklärungsvariablen die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass alle tatsächlich unabhängig voneinander zur Erklärung des Sachverhaltes beitragen. Bedingen sich die Erklärungsvariablen jedoch gegenseitig, führt die Einbeziehung aller Variablen zu ineffizienten Schätzwerten (Backhaus et al. 2000). Zudem erleichtert die Reduktion der Variablen die Interpretation der Ergebnisse. Vor diesem Hintergrund kann eine vo10 11 Hierzu zählen u.a. die teilweise Eliminierung von Markenelementen, Ausweitung des Datensatzes, Hauptkomponentenanalyse oder besondere Schätzmethoden wie die Ridge Regression (Greene 2000). Vgl. zu dem genauen Vorgehen bei der Auswahl der Methoden Fischer 2001. 19 rausgeschaltete explorative Faktorenanalyse die Treiberanalyse erleichtern und sowohl Schätzergebnisse als auch Übersichtlichkeit der Ergebnisse verbessern (vgl. zur Faktoranalyse Backhaus et al. 2000). Abbildung 11 verdeutlicht am Beispiel aus der Automobilbranche die Ergebnisse einer Treiberanalyse. Abb. 11 Treiberanalyse: Kaufverhaltensrelevanz von Markenelementen auf der Stufe Kauf Auf der Stufe Kauf hat das Element „Spaß am Fahren“ in diesem Fall den stärksten Einfluss auf das Verhalten. Das Element „Lebhaftigkeit“ ist dagegen ein Markenblocker. Es beeinflusst das Kaufverhalten negativ und verhindert somit eine bessere Transferrate zur Stufe Kauf. Um konkrete Handlungsoptionen für das Markenmanagement ableiten zu können, schließt sich an die Untersuchung der Markentreiber eine Stärken-SchwächenAnalyse an. Darin wird die Merkmalsausprägung der eigenen Marke mit der des Marktdurchschnitts und der relevanter Wettbewerber entlang allen für die priorisierte(n) Prozessstufe(n) relevanten Markentreiber verglichen. Entsprechend den allgemeinen Positionierungsanforderungen kann so festgestellt werden, in welchen für die Nachfrager wichtigen Nutzenversprechen die eigene Marke eine starke und differenzierende Position aufbauen konnte und bei welchen wichtigen Markentreibern sie hinter dem Wettbewerb zurückliegt. Abbildung 12 verdeutlicht die Stärken-Schwächen-Analyse: Der im Beispiel gezeigte Ausschnitt macht deutlich, dass der VW Passat besonders bei zwei relevanten Markenelementen sowohl schlechter als der strategische Wettbewerber als auch als der Marktdurchschnitt abschneidet. 20 Abb. 12 Stärken-Schwächen-Analyse der Markentreiber 3.2.2 Ableitung von Handlungsoptionen Auf Basis der Treiber- und Stärken-Schwächen-Analyse lassen sich mögliche Positionierungsoptionen in einer Matrix entsprechend Abbildung. 13 darstellen. Abb. 13 Handlungsoptionen der Markenpositionierung 21 Wichtige Markenelemente, bei denen die Marke heute schon überdurchschnittlich stark ist, stellen die aktuellen markenprägenden Treiber der Marke dar und sind besonders für die aktuelle Markenleistung verantwortlich. Sie sollten beibehalten oder sogar noch gestärkt werden. Wichtige Merkmale, in denen die Marke hingegen nur schwach ausgeprägt ist, sind potenzielle Treiber, um die Markenstärke zu erhöhen und die Lücke im Kaufprozess zu schließen. Stark ausgeprägte, weniger wichtige Markenelemente können zudem zur Differenzierung der Marke beitragen, spielen aber nur eine untergeordnete direkte Rolle bei der Beeinflussung des Kaufverhaltens. Wichtiger ist es dagegen für eine Marke, stark ausgeprägte, negative Assoziationen so bald wie möglich zu vermindern, um ihre Einstellungs- und Verhaltensstärke zu optimieren. Im VW-Passat-Beispiel würde sich beispielsweise der „Spaß am Fahren“ im Feld der potenziellen Markentreiber wiederfinden und als möglicher Ansatzpunkt zur Optimierung des Markenimages herausstellen. Die Matrix stellt insgesamt eine sehr gute Strukturierungshilfe dar, um mögliche Optimierungshebel zu identifizieren. 3.3 Definition und Anpassung der Markenstrategie Auf Basis der Handlungsoptionsmatrix kann in der sich anschließenden Phase die neue bzw. optimierte Positionierung der Marke festgelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass für die Auswahl der Handlungsoptionen neben den quantitativ bewerteten Kriterien der Wichtigkeit und der aktuellen Ausprägungsstärke der Markenelemente weitere Kriterien hinzugezogen werden müssen. So ist zum einen die Konsistenz mit dem aktuellen Markenleitbild zu überprüfen, und zum anderen muss sichergestellt werden, dass auch die Differenzierung vom Wettbewerb geleistet werden kann. Schließlich muss geprüft werden, in welchem Maße die Unternehmensressourcen und -fähigkeiten eine Überarbeitung bzw. Anpassung erlauben. Die Bedeutung der ergänzenden Kriterien lässt sich mit Hilfe der Schematheorie erläutern. Entsprechend der Schematheorie können Markenimages unterschiedlich stark von verschiedenen zu Grunde liegenden Assoziationen geprägt sein (Hätty 1989; Bridges 1992). Einige Assoziationen bzw. Merkmale stechen aus dem Assoziationsbündel heraus und werden besonders stark mit dem jeweiligen Schema verbunden. Sie werden daher auch als saliente Merkmale bezeichnet und definieren gewissermaßen das Konzept12 eines Markenschemas. Ein solches Konzept entspricht in etwa dem Markenkern bzw. dem Markenleitbild, welches die zentralen Elemente und die Kompetenz der Marke in möglichst plastischer Form zusammenfasst (Meffert/Burmann/Koers 2002). Das Markenkonzept hat zum einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie die Marke insgesamt wahrgenommen wird, zum anderen bestimmt es, in welcher Form neue Assoziationen ins Markenschema aufgenommen werden können. 12 Ein Konzept beschreibt die kognitive Grundlage oder Regel, nach der zusammengehörende Objekte von einer mentalen Kategorie repräsentiert werden, das heißt, die Theorie oder Idee, welche die konstitutiven Merkmale eines Schemas oder einer Kategorie zusammenfasst. Vgl. dazu u.a. Murphy/Medin 1985 und Barsalou 1983. 22 Da das Markenkonzept das Interpretationsmuster für neue Markeninformationen vorgibt, werden konsistente Informationen eher angenommen und akzeptiert als inkonsistente. Neue, positive Assoziationen, die konsistent mit dem bestehenden Markenschema sind, werden demnach einfacher gelernt und in das Schema integriert als inkonsistente Informationen. Letztere können sogar dazu führen, dass das bestehende Markenimage erodiert und damit angegriffen wird (Loken/Roedder John 1993). Bei der Auswahl der Entscheidung über die Positionierung muss demnach zunächst beurteilt werden, ob das bisherige Markenleitbild prinzipiell beibehalten und lediglich ergänzt werden soll oder ob tatsächlich eine komplette Umpositionierung anzustreben ist. Wird auf das bestehende Markenleitbild aufgebaut, um die aktuelle Markenstärke voll nutzen zu können, ist bei der Auswahl an Handlungsoptionen neben der Wichtigkeit und aktuellen Stärke möglicher Markentreiber demzufolge auch ihre Konsistenz mit dem aktuellen Markenleitbild zu überprüfen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich die Marke auch im Wettbewerb mit alternativen Angeboten behaupten muss. Sie sollte sich daher durch eine gewisse Einzigartigkeit auszeichnen, um sich von Wettbewerbsangeboten abheben zu können und Kunden an sich zu binden (Trommsdorff 1992b; Becker 1993). Schließlich ist die prinzipielle Ausrichtung an den Idealanforderungen der Konsumenten (Wichtigkeit der Markentreiber) um eine unternehmensinterne Sicht zu ergänzen. Damit ein Markenversprechen konsistent und kontinuierlich in allen Kontaktpunkten mit den Nachfragern erfüllt werden kann, müssen auch die entsprechenden Unternehmensressourcen und -fähigkeiten vorhanden sein. Die Entscheidung über die Markenpositionierung muss also auch immer vor dem Hintergrund der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten gefällt werden (Meffert/Burmann 2002). Wurde die Art der Neupositionierung festgelegt und sind die zentralen Nutzenversprechen der Marke abgestimmt, stellt sich die Frage, mit welchen Maßnahmen das neue Markennutzenversprechen im Markt umgesetzt und kommuniziert werden soll. Es ist zu klären, wie die allgemeine Markenpositionierung auf Basis weiterer Markenelemente konkretisiert werden kann, das heißt, welche Elemente die Zielpositionierung unterstützen und mit welchen Maßnahmen diese Markenelemente zielgerichtet beeinflusst werden können. Dafür bietet sich wieder der Rückgriff auf den Markendiamanten an, denn in ihm sind sämtliche tangiblen und intangiblen Markenelemente zusammengeführt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass zwischen tangiblen und intangiblen Markenelementen sowie zwischen Markenattributen und Markennutzen vielfältige Wirkungsbeziehungen bestehen. Zur Überprüfung und Quantifizierung dieser Beziehungen zwischen den einzelnen Markenelementen eignen sich besonders Pfad- bzw. Kausalanalysen.13 13 Vgl. zum Einsatz der Kausalanalyse in der Marketingwissenschaft u.a. Homburg/Baumgartner 1995. 23 Sie erlauben die Überprüfung und Darstellung der hypothetischen Wirkungsbeziehungen zwischen Markenelementen in Strukturgleichungsmodellen. Damit wird es möglich, mitunter sehr abstrakte intangible Markennutzenversprechen auf tangible Elemente herunterzubrechen, um konkrete Maßnahmen für das Markenmanagement ableiten zu können. Bevor mögliche Wirkungsbeziehungen jedoch mit Hilfe der Kausalanalyse quantifiziert werden können, müssen sie erst einmal in einem hypothetischen Modell zusammengefasst werden. Dies ist bei einer großen Anzahl an Markenelementen und exponenziell ansteigender Kombinationsmöglichkeiten eine sehr komplexe Aufgabe. Um mögliche Beziehungsgeflechte zwischen den Elementen aufdecken zu können, stehen daher eine Reihe von qualitativen Analysetechniken zur Verfügung. Viele rekurrieren dabei auf die Means-EndTheorie, nach der die tangiblen und intangiblen Markeneigenschaften als Leistungsbündel zur Realisierung wünschenswerter Nutzenkomponenten und darüber gelagerten Werten interpretiert werden können (Kroeber-Riel 1996; Gutman 1982). Aufbauend auf der Means-End-Theorie ermöglicht z.B. der Einsatz von Tiefen-Interviews, die grundsätzlichen Wirkungsbeziehungen zwischen den Markenelementen offen zu legen (Bauer/Huber/ Keller 1997). Deren Überprüfung und Quantifizierung erfolgt dann im Rahmen der Kausalanalyse. Abbildung 14 verdeutlicht das prinzipielle Vorgehen der Kausalanalyse an einem fiktiven Beispiel aus der Automobilbranche. Abb. 14 Konzept der Kausalanalyse zur Ableitung von Maßnahmen 24 In der Abbildung wurden z.B. folgende Wirkungsbeziehungen identifiziert. Die Assoziation „starker Motor“ beeinflusst die als überlegen wahrgenommene Fahrleistung direkt mit 0,5 und indirekt das „sportliche Image“ mit 0,3. Letzteres wiederum beeinflusst ebenfalls die Assoziation „überlegene Fahrleistung“ mit 0,2. Der Gesamteinfluss auf das Element „überlegene Fahrleistung“ liegt damit bei 0,56. Der Einfluss der „überlegenen Fahrleistung“ auf die Zielpositionierung „Spaß am Fahren“ liegt bei 0,5. Damit ist der Gesamteinfluss der Motorleistung auf den Fahrspaß 0,28. Auf diese Art und Weise können unterschiedliche Markenelemente hinsichtlich ihrer Effektivität miteinander verglichen werden. Die letztendliche Auswahl von konkreten Marketingmaßnahmen muss dann unter Berücksichtigung der Kosten, möglicher Umsetzungsschwierigkeiten (z.B. auf Grund von Ressourcenoder Fähigkeitsrestriktionen) und der Konsistenz mit dem Leitbild erfolgen. Ist nach der Bestimmung der allgemeinen Positionierung auch die Auswahl an konkreten Umsetzungsmaßnahmen erfolgt, kann die Phase der Definition und Anpassung der Markenstrategie abgeschlossen werden. 3.4 Implementierung und Kontrolle Im Anschluss an die Festlegung der Markenpositionierung, inklusive der zentralen, die Positionierung stützenden Markenelemente, müssen die strategischen Vorgaben umgesetzt werden. Es geht dabei darum, mit Hilfe der einzelnen Mixinstrumente die zielgerichtete Beeinflussung der Markenelemente sicherzustellen und alle Marketingmaßnahmen der verschiedenen Mixbereiche aufeinander abzustimmen. Die konsistente Umsetzung der mit der Positionierung erfolgten Festlegung des Markenkerns im Rahmen der Instrumenteausgestaltung stellt letztendlich die Grundlage eines glaubwürdigen, starken Markenimages dar (Meffert/Perrey 1998). Die wirksame Umsetzung der Markenstrategie setzt schließlich eine kontinuierliche, systematische Koordination und Steuerung voraus. Jederzeit mögliche Veränderungen in den Umfeldbedingungen der Marke erfordern zudem die laufende Überprüfung der Markenstrategie, um veränderten Anforderungen an die Markenführung frühzeitig durch Planungsanpassung begegnen zu können. Grundlage der Koordination und Steuerung sowie der strategischen Kontrolle muss daher die kontinuierliche Überwachung der strategischen Schlüsselgrößen (z.B. Markenleistung im Kaufprozess, Markenpotenzial, Einstellungsstärke, Relevanz der Markentreiber, Ausprägung des Markenimages) und der Umfeldbedingungen sein. 25 4. Zusammenfassung und Ausblick Vor dem Hintergrund des wettbewerbsinduzierten Absatz- und Preisdrucks in zunehmend fragmentierten und oftmals stagnierenden Märkten und der steigenden Markenführungskosten wachsen die Anforderungen an das Markenmanagement, die Effektivität und Effizienz der Markenführung sicherzustellen. Benötigt wird ein Markenführungsansatz, der Markenmanagern auf Basis einer fundierten Analyse sowohl die Ableitung quantitativer Ziele zur Steuerung ihrer Marken ermöglicht als auch eine verhaltenswissenschaftlich fundierte Identifikation geeigneter Steuerungsmaßnahmen erlaubt. Diese Kernfunktionen eines Markenführungsansatzes müssen in einen umfassenden Prozess der Planung, Steuerung und Kontrolle sämtlicher die Marke betreffenden Unternehmensentscheidungen eingebettet sein. Der vorgestellte Markenführungsansatz von MCM/McKinsey integriert mit dem Markenpotenzial ein operationales, monetäres Zielkonstrukt und mit der Markentreiberanalyse auf Basis des disaggregierten Markenimages die Möglichkeit, die Ziele bis auf Markenelementebene aufzuschlüsseln. Der Ansatz erlaubt damit die analytisch fundierte Formulierung der Markenstrategie sowie die gezielte Ausrichtung und Koordination aller Marketingaktivitäten im Hinblick auf die Beeinflussung der identifizierten Markentreiber. Die zu Grunde liegenden Konzepte werden durch verhaltenswissenschaftliche Forschungsergebnisse gestützt und bieten daher eine fundierte Entscheidungsgrundlage für das Topund Markenmanagement. Erste Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass der Prozess die Ansprüche an Praxisnähe und Handhabbarkeit erfüllt und gleichzeitig die Analyseergebnisse eine hohe statistische Güte und Validität aufweisen. 26 Literaturverzeichnis Aaker, D. A. 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