Mikrobiologisches Praktikum für Humanmediziner Vorbereitung zu Kurs 7: Infektionen des ZNS Prof. Dr. med. Wolfgang Pfister Institut für Medizinische Mikrobiologie Universitätsklinikum Jena Lernziele/ Besonderheiten bei ZNS-Infektionen (Meningitis, Enzephalitis) • Verschiedene Erreger und deren Klinik bei ZNS-Infektionen • diagnostische Methoden • Liquor kulturell zu verarbeiten, inklusive einer Antibiotikaempindlichkeitsprüfung • Grundzüge der kalkulierten antiinfektiösen Therapie kennen Schnelle Diagnose und Therapie erforderlich, um bleibende Schäden zu vermeiden 27.04.2017 2 Fallbeispiel Eine 16jährige Schülerin wird gegen Mittag wegen Übelkeit und grippalen Beschwerden“ von einer Mitschülerin vorzeitig nach Hause gebracht. Im Laufe des Nachmittags stellen sich Kopfschmerzen und Erbrechen ein, die Temperatur steigt von 38°C auf 39,5°C Die besorgten Eltern rufen den Notarzt. Dieser weist das Mädchen sofort in die Klinik ein. In der Klinik erfolgen sofort eine Blutabnahme und eine Liquor-Punktion. Bei der körperlichen Untersuchung fallen an den Oberschenkelinnenseiten kleine punktförmige Hautblutungen auf. Befunde: Liquorzytologie: 1250 Zellen /µl (normal: 0-5) Zellbild: granulozytär Glukose: erniedrigt, Laktat: erhöht Blutbild: Leukozytose mit Linksverschiebung CrP: 125 mg/l 27.04.2017 3 Fragen: Nennen Sie drei mögliche Differentialdiagnosen! Welche Medikamente müssen sofort nach der Liquorpunktion verabreicht werden? Wann müssen Kontaktpersonen bzw. Krankenhauspersonal eine Prophylaxe einnehmen ? Welche empfehlen Sie ? 27.04.2017 4 Klinische Symptome bei Meningitis /Enzephalitis • • • • • • Starke Kopfschmerzen, Meningismus (Nackensteifigkeit) Fieber Bewußtseinsstörungen Übelkeit, Lichtscheu Hirnnervenbeteiligung, Hautveränderungen (bei Neugeborenen, alten Menschen: klinische Diagnose schwierig) Bei Enzephalitis zudem: • Lähmungen, Gangstörungen, Nervenausfälle Bei Verdacht auf eine bakterielle Meningitis muss innerhalb von 30 min ein Antibiotikum angesetzt werden (altersabhängige empirische Therapie) 5 Meningitis • purulente bakterielle Meningitis (z.B. Meningokokken-Meningitis): ausgeprägte klinische Symptomatik sowie deutliche Liquorveränderungen. Zellzahl über 1000/l, vorwiegend granulozytär. Gesamteiweiß- und Laktaterhöhung. • apurulente bakterielle Meningitis (z.B. ….) klinische Symptomatik heterogen und vom Erreger abhängig im Liquor geringe Zellzahlerhöhung, buntes Zellbild. Gesamteiweiß und Laktat erhöht. • Virusmeningitis (aseptische Meningitis, z.B. Mumpsmeningitis): klinische Befunde sind nicht sehr ausgeprägt Liquorveränderungen sind gering, initial granulozytäre nach dem 2.Krankheitstag mononukleäre Pleozytose mit max. 1000 Zellen/l. Gesamteinweiß- und Laktaterhöhung gering. 6 Enzephalitis • bakterielle Enzephalitis: mit ausgeprägten Syndromen, z.B. Neurosyphilis, Neuroborreliose, Neurotuberkulose, septische Herdenzephalitis • Virusenzephalitis: keine charakteristischen Syndrome klinisch meist nicht so ausgeprägt, im Liquor mäßige Pleozytose 50 - 500 mononukleäre Zellen/l (Ausnahme HSV Enzephalitis) Man unterscheidet direkt erregerbedingte akute/subakute Enzephalitiden, immunpathogenetisch bedingte postinfektiöse Enzephalomyelitis , langsam progredienter slow virus infection des ZNS und chronisch degenerative ZNS Erkrankung mutmaßlich viraler Genese. 7 Diagnostik Material Liquor Liquorgewinnung immer vor Therapiebeginn, Liquor streng steril und unblutig punktieren, Blutkultur Bei Verdacht auf bakterielle Meningitis Rachen- und Rektalabstriche bei Verdacht auf eine Enterovirusinfektion Liquor/Serum Paar Zum Nachweis einer akuten Infektion Zum Nachweis intrathekal gebildeter Antikörper Zum Nachweis einer signifikanten Antikörperveränderung ist eine Verlaufskontrolle sinnvoll. Am wichtigsten zur Diagnostik von ZNSInfektionen 8 Gram-positive Bakterien als Meningitiserreger (Übersicht) • Streptococcus pneumoniae (otogene Meningitis) • Staphylococcus aureus Neurochirugische Patienten, • Staphylococcus epidermidis z.B. Lymphdraingage, • andere CNS Ableitungssystemen, • Enterokokken Fremdmaterial • Streptokokken • B-Streptokokken bei Neugeborenen • Listeria monozytogenes (Immunsuppression) nicht eitrige Meningitis • Mycobacterium tuberculosis – tuberkulöse Meningitis 9 Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) • Erreger: Gram-positive Diplokokken mit Kapsel • Mögliche Infektionen: ambulant erworbene Lobärpneumonie, Otitis media, Ulcus serpens corneae, eitrige Konjunktivitis Liquor bei PneumokokkenMeningitis eitrige Meningitis (Haubenmeningitis) OPSI (overwhelming post splenectomy infection syndrome) • Diagnostik: Mikroskopie, Kultur,.. • Therapie: Penicillin G, Makrolide, cave: Resistenzentwicklungen (importiert Infektionen aus Spanien, Italien, Ungarn) • Impfung: Polysaccharidvaccine (23valent), Konjugatvaccine (13valent) Personen über 60 Jahre, bei gesundheitlicher Gefährdung (chron. Erkrankungen, Immundefizienz, Asplenie, Immunsuppression) 10 B-Streptokokken (Streptococcus agalactiae) • Erreger: Gram-positive Kettenkokken • Mögliche Infektionen: perinatal erworbene Infektion, Meningitis und Enzephalitis des Neugeborenen • Diagnostik: Mikroskopie, Kultur,…. • Therapie: Penicillin G oder Ampicillin • Prophylaxe: Screening der Mütter im letzten Schwangerschaftsdrittel; Liquor bei StreptokokkenMeningitis Antibiotikaprophylaxe unter der Geburt 11 Listeria monocytogenes • Erreger: Gram-positive Stäbchen • Pathogenese/ Infektionen: Intrazelluläres Wachstum bei 37°C, Phagozytose durch Makrophagen, Listeriolysin ermöglicht Evasion aus Phagolysosom, Immunescape durch intrazelluläre Vermehrung, Penetration von Nachbarzellen Klinisch manifeste Infektionen bei Immunsuppression (onkologische Grundkrankheiten, Diabetes, Alkohol, Liquor bei Listerienhohes Alter, Schwangerschaft) Meningitis • Diagnostik: Mikroskopie, Kultur (Kälteanreicherung) • Therapie: Penicillin G (+ Gentamycin) • Prophylaxe: Meidung von Listerien kontaminierter Lebensmittel (Anreicherung im Kühlschrank) 12 Gram-negative Bakterien als Meningitiserreger (Übersicht) • Neisseria meningitidis (Meningitis epidemica) • Haempohilus influenzae • Enterobakterien - E. coli (bei Neugeborenen) Pseudomonas aeruginosa (Klinik!) andere Enterobakterien (selten) • Treponema pallidum • Leptospira interrogans • Borrelia spp. Nicht eitrige Meningitiden 13 Meningokokken (Neisseria meningitidis) • Erreger: Gram-negative Diplokokken; Einteilung nach Kapselpolysacchariden; klinisch relevate: A, B, C, W135 Y • Reservoir: Nasenrachenraum des Menschen, viele asymptomatische Träger (15-25% der Jugendlichen) • Übertragung: Tröpfchen Aerosole (z.B. Niesen) • Schweregrade der Infektion: Purulente Meningitis Liquor bei Meningokokken-Meningitis Sepsis Waterhouse-Frderichsen-Syndrom (hohe Letalität) Erkrankungen der Serogruppe C sind besonders gefährlich • Diagnostik: Mikroskopie, Kultur…. • Therapie: Cefotaxim, Ceftriaxon, Intensivtherapie • Impfung:: Polysaccharid- und Konjugat-Impfstoffe 14 Haemophilus influenzae • Erreger: Zarte gram-negative Stäbchen • Infektionen: Pneumonie, Otitis media, Meningitis, Epiglotittis • Diagnostik: Kultur: benötigt Wachstumsfaktoren: Hämin (X), NAD/NADP (V); Ammenphänomen Liquor bei H. influenzaeMeningitis • Therapie: Aminopenicilline, Rifampicin zur Umgebungsprophylaxe • Impfung::Hib Amme 15 Weitere Gram-negative Stäbchen • E. coli bei Neugeborenenmeningitis • Pseudomonas aeruginosa und andere Enterobakterien, v.a. bei Immunsupprimierten Patienten weiterhin: • Treponema pallidum • Leptospira interrogans • Borrelia spp. 16 Virale Enzephalitis • Flaviviren: Gelbfiebervirus, FSME, West-Nile-Fieber, japan. B-Enzephalitis, St.-Louis-Enzephalitis • Herpes simplex-Virus Typ 1 und 2 • Varizella-Zoster-Virus • Epstein-Barr-Virus • Cytomegalie-Virus • Masern-Virus • HIV • Papovaviren: JC-Virus • Tollwut-Virus 17 Herpes Enzephalitis • Hohe Letalität • behandelbar (mit Acyclovir), daher ist eine schnelle Diagnose wichtig • Diagnostik: PCR (Liquor) IgM-Antikörpernachweis 18 FSME • • • • Flavivirus Infektionsweg: durch Zecken übertragen Reservoir: Mäuse, Vögel, Rehe, Rotwild Endemiegebiete: Vorkommen in vielen Ländern Europas, auch China, Japan, Mongolei, Südkorea, Russland Klinische Symptomatik: 30% der Infizierten Krankheitserscheinungen, biphasisch grippeähnl. Sympt, Fieber 38°C, Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel Intervall 1-3 Wo 10% Meningoenzephalitis, Fieber, Erbrechen, mening. Reizerscheinungen, Stupor, Koma, Myelitis schwere Verläufe fast nur bei Erwachsenen Letalität: zentraleurop. Typ 1-2%, sibirischer S. 6-8%, fernöstl. S. 20-40% 19 FSME Diagnostik IgM- und IgG-Nachweis in Serum, Liquor, Virusisolierung ELISA-Systeme Therapie symptomatisch Prophylaxe postexpositionelle Immunprophylaxe ist nicht möglich Expositionsprophylaxe: Zeckenstiche vermeiden, helle Kleidung, körperbedeckend Repellents nach Aufenthalt in Zeckengebieten Absuchen des Körpers aktive Immunisierung mit inaktivierten FSME-Viren 20 Pilze und Parasiten als Erreger einer Meningitis • Pilze: z.B. Cryptococcus neoformans, Candida spp., Aspergillus spp., • Parasiten: z.B. Malaria, Toxoplasma, … Selten, meist bei Immunsuppression, z.B. HIV-Infektion 21 Fallbeispiel Eine 16jährige Schülerin wird gegen Mittag wegen Übelkeit und grippalen Beschwerden“ von einer Mitschülerin vorzeitig nach Hause gebracht. Im Laufe des Nachmittags stellen sich Kopfschmerzen und Erbrechen ein, die Temperatur steigt von 38°C auf 39,5°C Die besorgten Eltern rufen den Notarzt. Dieser weist das Mädchen sofort in die Klinik ein. In der Klinik erfolgen sofort eine Blutabnahme und eine Liquor-Punktion. Bei der körperlichen Untersuchung fallen an den Oberschenkelinnenseiten kleine punktförmige Hautblutungen auf. Befunde: Liquorzytologie: 1250 Zellen /µl (normal: 0-5) Zellbild: granulozytär Glukose: erniedrigt, Laktat: erhöht Blutbild: Leukozytose mit Linksverschiebung CrP: 125 mg/l 27.04.2017 22 Fragen: Nennen Sie drei mögliche Differentialdiagnosen! Welche Medikamente müssen sofort nach der Liquorpunktion verabreicht werden? Wann müssen Kontaktpersonen bzw. Krankenhauspersonal eine Prophylaxe einnehmen ? Welche empfehlen Sie ? 27.04.2017 23 Aufgaben heute im Kurs - Versuch 1: Bearbeitung einer Liquorprobe - Versuch 2: Serologie Borrelienantikörper (Immunoblot) - Versuch 3: FSME ELISA - Versuch 4: Herpes-Enzephalitis Versuch 1: Bearbeitung einer Liquorprobe Patient mit Meningismus nach Genuss von französischem Rohmilchkäse: Material: bewachsene Kulturplatten (Blut/Kochblut/Drigalski Durchführung: Mikroskopieren Sie zunächst das Gram-Präparat Auswertung: Beurteilung des Präparates und der Kulturen Therapie: • Versuch 2: Serologie Borrelienantikörper (Immunoblot) 53 jährige Patientin mit Facialisparese, Zeckenstich nicht erinnerlich Material: • Immunoblotbogen/Auswertungsbogen, Lineal, Stift Auswertung: • Positivkontrollen dienen als Cut off zur Bewertung der Bandenintensitäten • für IgG wird die p100 Bande als Referenz herangezogen • für IgM wird die OspC Bande als Referenz herangezogen • alle Banden mit gleicher oder stärkerer Intensität als die Kontrolle werden mit + bewertet. • Die resultierende Summe der Punktwerte ergibt die Bewertung. (zu beachten ist, dass die Reaktion der OspC -Banden nur einmal im Punktwert berechnet werden darf, unabhängig davon welche und wie viele der OspC reagieren) Bewertung der Testergebnisse • Diagnose: ? • Stadium der Erkrankung: ? • Therapievorschlag: ? Antikörperklasse Reaktion gegen Interpretation verschiedene Proteine IgG/IgM Punktwert 5-6 IgM IgG OspC +/- p41 p100 +/- p18, p39 IgG VlsE Diagnose: Es kann sich um eine frühe Phase der Infektion handeln, die noch nicht vollständig erfasst wird. Frühe Infektion (Stadium I) Spätphase der Infektion (Stadium III) oder Z. n. abgelaufener/behandelter Infektion hochspezifischer und hochsensitiver Marker einer Borrelieninfektion FSME- ELISA Liquor- und Serumprobe eines 65 jährigen Patienten mit Kopfschmerzen, Fieber, vor 14 Tagen Wanderurlaub im Schwarzwald, FSME- Impfstatus nicht erfragt Material: • Ergebnisausdruck der Untersuchung mittels Anti-FSME Virus ELISA (IgG, IgM) Auswertung: • Farbumschlag von blau nach gelb zeigt positive Reaktion an • Bewertung des Antikörpermusters: ? • Diagnose ? • Therapievorschlag ? Herpes-Enzephalitis • Patient mit Nackensteifigkeit, Differentialdiagnostisch fordern Sie eine qRT-PCR des Liquors auf HSV-1 und HSV-2 an Durchführung: • Sie bekommen von der MTA einen Ausdruck der erfolgten qRT-PCR. Werten Sie diese aus. Auswertung: • HSV-1: positiv / unter der Nachweisgrenze / Crossing Point (Cp): • HSV-2: positiv / unter der Nachweisgrenze / Crossing Point (Cp): Viel Spaß im Kurs! 27.04.2017 Thema der Präsentation · Name des Vortragenden 30