Exposé Arbeitstitel der Dissertation „Der rechtliche Status von Tieren und verfahrensrechtliche Defizite bei der Verfolgung von Tierquälerei-Straftatbeständen“ Verfasser Mag. iur. Michael Aigner angestrebter akademischer Grad Doctor iuris (Dr. iur.) Betreuerin/Betreuer Ao. Univ.-Prof. Dr. Eva Maria Maier Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht Studienrichtung: Rechtswissenschaften Studienkennzahl: A 783 101 Wien, im November 2013 I. EINLEITUNG Beim Tierschutzrecht handelt es sich um einen innovativen Rechtsbereich, in dem laufend gesetzliche Veränderungen beobachtet werden können. Obwohl es eine vergleichsweise eher kurze Geschichte hat, gibt es in den letzten Jahren doch in verstärktem Maße einen Weiterentwicklungsprozess zu verzeichnen, wobei aber immer noch entsprechender Aufholbedarf besteht. Gerade in diesem Rechtsbereich spielt die Verbindung von ethischen und dogmatischen Aspekten eine wesentliche Rolle. Die Dissertation wird darlegen, dass es einige kontroverse Positionen sowohl in rechtlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht gibt. Einem sehr emotionalisierten Zugang, welcher auf die moralische Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Tiere als die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft gestützt ist, stehen vor allem ökonomische Interessen einer Industriegesellschaft gegenüber. Es handelt sich hierbei um einen Rechtsbereich, wo die Ethik in rechtspolitische Fragestellungen stark einfließt. Die Arbeit wird in zwei große Teilbereiche gegliedert sein. Der erste Teil wird sich der Materie von der ethischen Seite her zuwenden. Angefangen von der historischen Entwicklung in der Philosophie, in der es darum geht Rechte für Tiere zu begründen, werden die einzelnen Ansichten bis zur gegenwärtigen Literatur herausgearbeitet und auch die kontroversen Positionen aufgezeigt. Auf den Anthropozentrismus und der bezeichnenden Auffassung Kants, nach der es keine direkten Pflichten gegenüber Tieren zu beachten gibt, folgten als Antwort utilitaristische Argumente. Zentrales Kriterium ist dabei die Leidensfähigkeit, welche zur gleichen Interessenberücksichtigung, sowohl für Menschen als auch für Tiere, verpflichtet. Nachdem der Utilitarismus lange Zeit die Literatur der Tierethik beherrscht hatte, wurde diese Position durch eine Vielfalt von moralphilosophischen Ansichten aufgelockert. In Anknüpfung an Rawls wurde versucht, Tierrechte vertragstheoretisch zu begründen. Aber auch Mitleid und Fürsorge spielen in der Literatur ebenso eine Rolle wie beispielsweise die Tugendethik oder auch der Aristotelismus.1 1 Wolf, Texte zur Tierethik, 9 ff. 2 Es gilt aber auch aufzuzeigen, welche Divergenzen zwischen den rechtlichen und gesellschaftlichen Standpunkten bestehen und wie diese in der ethischen Debatte doch etwas hinterher hinken. Auch wenn gewisse Handlungen als „rechtmäßig“ oder „gesetzeskonform“ qualifiziert werden, können diese unter ethischen Gesichtspunkten trotzdem als bedenklich angesehen werden. Der zweite Teil widmet sich dann insbesondere den Tatbeständen des gerichtlichen und des verwaltungsbehördlichen Strafrechts, wobei speziell auf die verfahrensrechtlichen Defizite bei der Rechtsdurchsetzung eingegangen werden soll. Vor allem die Parallelen zum Opferschutz und die mangelnden Vertretungsmöglichkeiten tierischer Interessen werden dabei im Mittelpunkt stehen. Aufbauend auf den philosophischen Ansätzen wird festgehalten, dass es sich bei den rechtlichen Normierungen um ein Geflecht von zumindest teilweise widersprechenden Regelungen handelt. Recht ist dabei aber nur „ein“ Baustein in einem breiten Gefüge gemeinsam mit Praxis und Ethik. Es bedarf daher einem Gesamtpaket aus diesen Elementen um die moderne Tierrechtsdebatte weiter voran zu treiben. Zielsetzung und zugleich auch als großen Fortschritt anzusehen, wäre die Orientierung des Stellenwertes eines Tieres an ihrer eigenen „Würde“ als fühlendes Wesen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen artspezifischen Bedürfnisse. Die rechtliche Behandlung nimmt zumeist keine Differenzierungen zwischen den einzelnen Tierarten vor, sondern subsumiert unter den weit gefassten Begriff „Tier“. Dabei gilt es zu bedenken, dass es eine große Bandbreite an Artenvielfalt gibt wobei durch ihre jeweiligen Eigenheiten manche der Spezies Mensch schon relativ nahe kommen und manche doch weit entfernt sind. Es sind also bei der Vielzahl an Tierarten gewisse Abstufungen vorhanden, was eine differenzierte gesellschaftliche Stellung und gesetzliche Behandlung rechtfertigen würde. Am deutlichsten kann dies am Beispiel der großen Menschenaffen veranschaulicht werden. So ist nach Maier, die Debatte um deren Status doch am besten geeignet, die „starre Abgrenzung zwischen Subjekten einerseits und bloßen Objekten andererseits in Frage zu stellen“.2 Dabei soll es aber nicht um die Einräumung des Personenstatus gehen, sondern vielmehr um die 2 Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 119. 3 Definition eines eigenständigen Status um eine gewisse Differenzierung und Abgrenzung zum bloßen Objekt auszumachen.3 II. TEIL 1 Inhaltliche Darstellung A. Die Debatte um den ethischen Tierstatus Vorne weg gilt es einmal auf die breite Tierethikdebatte einzugehen. Lange Zeit bezeichnend für den Stellenwert des Tieres war zunächst der Anthropozentrismus. Tiere haben nach dieser Auffassung keinen eigenständigen Wert und nur eine Existenzberechtigung, sofern sie dem Menschen dienen. Es bestehen nur indirekte Verpflichtungen des Menschen gegenüber Tieren.4 Beim klassischen utilitaristischen Ansatz nach Bentham geht es nicht darum, ob ein Wesen vernunftbegabt ist. Das entscheidende Kriterium von dem es abhängt, ob ein Wesen in unserem Handeln Berücksichtigung finden soll, ist demnach nur die Leidensfähigkeit. Es geht ganz allgemein darum, die Summe des Glücks in der Welt zu vermehren, was bedeutet, dass auch Tiere moralisch berücksichtigungswürdig sind. Wer das Leid eines Tieres nicht anerkennt, sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, ein „Speziesist“ zu sein. In Anlehnung an den Rassismus versteht man darunter, dass man den Interessen der eigenen Gattung höheres Gewicht beimisst.5 Als weiteren Ansatz finden wir in der Literatur Formen des Kontraktualismus. Demnach wird versucht, Tierrechte vertragstheoretisch zu begründen. Es geht dabei darum, für die Optimierung des Zusammenlebens untereinander Normen zu setzen. Es wird in der Literatur diskutiert, im Rahmen dieser sogenannten Vertragstheorien auch Rechte auf Tiere auszuweiten.6 Auch die Mitleidsethik schließt den Schutz der Tiere mit ein. Unter Mitleid versteht man die unmittelbare Teilnahme am Leiden eines anderen Wesens. Nach Schopenhauer geht es 3 Vgl. Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 177. Wolf, Texte zur Tierethik, 14 f. 5 Wolf, Texte zur Tierethik, 12 ff. 6 Wolf, Texte zur Tierethik, 17. 4 4 um die Berücksichtigung des individuellen Wohls anderer. Als Schwäche dieser Position wird in der Literatur vorgebracht, dass es sich bei Mitleid bloß um einen punktuellen Affekt handelt, der je nach Stimmungslage Schwankungen unterliegen kann. Von der Moral wird hingegen eine dauerhafte Rücksichtnahme verlangt.7 Ähnlich sieht es auch mit der Ethik der Fürsorge aus. Diese baut auf Mitgefühl und Rücksichtnahme anderen Wesen gegenüber auf. Neben „persönlichen“ Fragen müssen allerdings auch „politische“ Fragen in den Bereich der Fürsorge eingebracht werden.8 Die Tugendethik vermeidet allgemeine Beurteilungen, was moralische Objekte angeht. Konfliktsituationen und sonstige Umstände sind demnach zu komplex und verschieden, um sie pauschal bewerten zu können. Es hängt also vielmehr von den konkreten Umständen ab, in denen sich ein moralischer Akteur befindet, ob eine Handlung gut ist und damit die Steigerung des Glücks zur Folge hat.9 Beim Aristotelismus steht im Mittelpunkt die Theorie der sozialen Gerechtigkeit. Nach Nussbaum, die die Philosophie Aristoteles unter zeitgenössischen Fragestellungen wieder aktualisiert, werden davon sowohl Menschen, als auch Tiere erfasst. Eine Ausweitung des „Fähigkeiten-Ansatzes“ auf nicht-menschliche Tiere hält Nussbaum für plausibel. Tiere – und zwar vorwiegend empfindungsfähige Säugetiere – verfügen ebenso wie Menschen über Fähigkeiten und Bedürfnisse, deren Realisierung es über ein normatives Gerüst minimal zu erfüllender Fähigkeiten-Ermöglichung zu gewährleisten gilt.10 B. Der Status des Tieres im rechtlichen Gefüge Da die Dissertation ein rechtswissenschaftliches Werk werden soll, stellt sich zunächst die Frage nach den rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen. Ausgangspunkt ist daher der Status des Tieres in rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf den andauernden Wertewandel. War doch im 19. Jahrhundert Tierquälerei nur dann mit Strafe bedroht, wenn sie öffentlich begangen wurde und damit die Verrohung allfälliger Beobachter zu befürchten 7 Wolf, Texte zur Tierethik, 17f. Vgl. Wolf, Texte zur Tierethik, 105 ff. 9 Wolf, Texte zur Tierethik, 121 ff. 10 Vgl. Nussbaum, Die Grenzen der Gerechtigkeit, 442 ff. 8 5 war. Der Schutzzweck dieser Bestimmung war somit nicht das Tier als leidempfindendes Wesen, sondern die Wahrung der öffentlichen Ordnung. Dies spiegelt klar die anthropozentrische Auffassung wieder, wonach es keine direkten Pflichten gegenüber Tieren zu beachten gäbe. Erst im 20. Jahrhundert wurde das Tier selbst als Schutzobjekt anerkannt.11 Insbesondere aus § 1 TSchG, aber auch aus anderen Bestimmungen der Privatrechtsordnung ist nunmehr ersichtlich, dass in den normierten Zielbestimmungen von einem ethisch motivierten Verständnis ausgegangen wird. Den Tieren wird nämlich ein Eigenwert zuerkannt, welchem ganz essentielle Bedeutung zukommen soll. Gerade die gesetzlichen Normierungen im Tierschutzrecht sind in besonderem Maße auf ethische Grundlagen angewiesen.12 Vorne weg gilt es einmal festzuhalten, dass die Grundsatznormierung in § 1 des BundesTierschutzgesetzes13 welches mit 1.1.2005 in Kraft getreten ist, primär auf den Schutz der Interessen aller(!) Tiere abzielt. Dort heißt es wörtlich: „Ziel dieses Bundesgesetzes ist der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf.“ Dieser normierten Zielbestimmung kommt für das gesamte Tierschutzrecht fundamentale Bedeutung zu, so Maier, „dass sie wohl auch in gesetzesübergreifender Weise in allen tierschutzrelevanten Fragen des rechtlichen Umgangs mit Tieren zu berücksichtigen sein wird“.14 In Übereinstimmung mit § 285a ABGB, wonach Tiere keine Sachen sind, gebietet sie als Auslegungsmaxime eine restriktive Interpretation aller zu Lasten des Tierschutzes gehenden Ausnahmebestimmungen.15 In der Lehre war die Bestimmung des § 285a ABGB lange Zeit zur „bloßen Kosmetik“ erklärt worden. In den zivilrechtlichen Kommentaren wird auch immer noch vertreten, dass diese Bestimmung keine normative Bedeutung habe und bloß der Bewusstseinsbildung dienlich sei.16 In Verbindung mit § 1 TSchG kann dieser Auffassung jedoch nicht mehr bedingungslos gefolgt 11 werden und es ist daher von einem „methodischen 2 Binder/van Fircks, Das österreichische Tierschutzrecht , 1. 2 Vgl. Binder/van Fircks, Das österreichische Tierschutzrecht , 12 f. 13 BGBl. I Nr. 118/2004. 14 Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 129. 15 2 Binder/van Fircks, Das österreichische Tierschutzrecht , 15. 12 16 3 siehe Spielbüchler in Rummel , § 285a, Rz 1 oder Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.01 § 285 a Rz 1 u 5. 6 Perspektivenwandel hinsichtlich der rechtlichen Handhabung“ auszugehen.17 Laut Maier ist daher „für den Tierschutz [an] zentraler Stelle der Rechtsordnungein rechtlicher Zugang zum Umgang mit dem Tier eröffnet, der eine pure Verdinglichung in prinzipieller Weise überschreitet“.18 Was aber nach den bisherigen Ausführungen sehr vielversprechend anmutet, muss jedoch an dieser Stelle gleich wieder bedeutend relativiert werden. Werden doch schon im TSchG selbst und in den auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen eine Reihe von Ausnahmeregelungen erlassen, welche die aufgekommene Euphorie hinsichtlich des anscheinenden Fortschritts des rechtlichen Tierstatus gleich wieder zu bremsen vermag. Auch werden schon die unterschiedlichen Schutzniveaus für Nutztiere einerseits und Heimtiere andererseits in den entsprechenden Tierhaltungsverordnungen verdeutlicht. Es werden nämlich für den Bereich der Nutztiere gleich wieder weitreichende Ausnahmeregelungen von den Verbotsbestimmungen des TSchG geschaffen.19 Was also den rechtlichen Status betrifft, kann an dieser Stelle einmal festgehalten werden, dass es zum Einen eklatante Widersprüchlichkeiten zu den in § 1 TSchG verankerten Grundsätzen und zum Anderen zentrale Abstufungen bei der Bewertung der einzelnen Tiergattungen gibt.20 Wie bereits angesprochen ist das Tierschutzrecht von unterschiedlich normierten Schutzstandards geprägt, was zu einer deutlichen Schlechterstellung des Nutztieres führt. An dieser Stelle sei aber erwähnt, dass sich auch für den Bereich der Heimtiere eklatante Widersprüchlichkeiten bei den positivierten Normierungen finden. Als verdeutlichendes Beispiel soll hier die Bestimmung des § 64 Abs. 2 Z 2 des NÖ Jagdgesetz herangezogen werden, wonach Jägern ein Freibrief eingeräumt wird, Katzen welche in einer Entfernung von mehr als 300 m von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden umherstreifen, grundlos zu töten. Bei der Jagd handelt es sich um eine Rechtsmaterie, welche in den Zuständigkeitsbereich der Landeskompetenzen fällt. Auch hier wird ganz deutlich, dass kein Einklang mit dem Tierschutzgesetz der Bundesgesetzgebung gegeben ist. 17 Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 126. Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 171. 19 Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 172. 20 Vgl. Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 127 f. 18 7 Was die gesetzlichen Normierungen betrifft, so gilt es ganz allgemein zu bedenken, dass Recht allein nur „Minimalstandards“ festlegt, die den artspezifischen Bedürfnissen der Tiere nicht gerecht werden. Wenn es gesetzlich als artgerecht angesehen wird, dass ein Huhn den Freiraum in der Größe eines DIN-A-4 Blattes haben muss, dann kann dies kaum als tierschutzrechtliche Normierung eingestuft werden. Es ist daher vielmehr eine gesellschaftliche Aufgabe, vor allem im Bereich der Nutztiere, durch die Sensibilisierung des Menschen für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Tier zu sorgen und damit zu einem Fortschritt im zu gelangen.21 C. Der gesellschaftliche Status und die ökonomischen Interessen Ich möchte ausgehend von den philosophischen Ansätzen, verschiedene Zugangsmöglichkeiten zur Thematisierung des gesellschaftlichen Tierstatus aufgreifen. Zum Einen erleben wir einen Rollenwandel dahingehend, dass Haustieren wie beispielsweise einem Hund, der emotionale Status eines Familienmitglieds eingeräumt wird. Hier nimmt das Tier also eine ganz besondere gesellschaftliche Stellung durch eine tiefe emotionale Vertrauensbindung ein. Andererseits erleben wir aber vor allem bei den Nutztieren aufgrund der im Vordergrund stehenden ökonomischen Interessen ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Tierausbeutung, wo Gewinnmaximierung Vorrang gegenüber jeglichen moralischen Verpflichtungen und Wertvorstellungen genießt.22 Dieses zwiespältige Bild, welches sich auch wie oben ausgeführt in der Rechtsordnung wieder spiegelt, lässt sich einmal dadurch erklären, dass sich vorwiegend unsere Tierliebe nur auf bekannte und nahestehende Wesen richtet und nicht auf verarbeitete, anonyme Leichenteile. Entzieht sich doch fast die gesamte industrielle Tiernutzung aus dem Blickfeld der zugänglichen Öffentlichkeit und damit der breiten Bevölkerung. Was übrig bleibt sind die fertigen Endprodukte welche dann dem Konsumenten vorgesetzt werden, welche er oftmals gar nicht mit einem Tier und schon gar nicht mit Leid assoziiert.23 Aber ist der Hund deshalb mehr wert als ein Schwein, weil er geliebt wird? Ist das Tier deshalb mehr schützenswert, weil es sich aufgrund von bestimmten Fähigkeiten oder durch niedliches Aussehen die Liebe 21 Harrer, Tierschutz und Recht, 15. Vgl. Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 130 f. 23 Maier, Zwischen Verdinglichung und Personenwürde?, JRP 2006, 202. 22 8 verdient hat? Es gilt daher genauer zu hinterfragen, ob der Wert eines Tieres aufgrund unserer Zuneigung festgemacht werden soll oder ob nicht vielmehr als entscheidendes Kriterium seine eigene Würde heranzuziehen wäre, sodass aufgrund des tierischen Eigenwertes diese Schlechterstellung des Nutztieres unsachlich erscheint.24 In diesem Zusammenhang gilt es noch etwas genauer auf die ökonomischen Aspekte einzugehen. Wie bereits erwähnt, erleben wir bei den Nutztieren aufgrund der wirtschaftlichen Gewinnstrebungen und Rationalisierungsbemühungen Zustände, welche es den Tieren unmöglich machen, ihren jeweiligen Bedürfnissen und Trieben nachzukommen. Die „modernen Formen der hoch technisierten und industriellen Tiernutzung“ tragen zu einer „neue[n] Qualität der Instrumentalisierung“ bei, so Maier. Durch die „Geheimhaltung“ dieser Praktiken wird der öffentliche Meinungsbildungsprozess erschwert, sodass es dem Verbraucher für gewöhnlich nicht möglich ist, Tierschutzinteressen zu fördern und zu einer verantwortungsbewussten Güterabwägung zu gelangen. Daher wird in der aktuellen Tierethik zu Recht der Fokus auf die Nutztiere gelegt.25 Vor allem in der Lebensmittelproduktion zeigt sich durch die radikale Industrialisierung ganz deutlich, dass hier Tiere als Produktionseinheiten angesehen und damit zur bloßen „Sache“ degradiert werden. Dem Wohlbefinden der jeweiligen Tiere kommt dabei zumeist keine besondere Bedeutung zu. Der Konsument hinterfragt jedoch für gewöhnlich weder den Ursprung des Endprodukts noch die dazu führenden Produktionsbedingungen. Marketing-technisch versteht man es natürlich auch geschickt, durch spezielle Aufmachungen die Herkunft und die leidverursachenden Umstände des Produktionsvorgangs zu verschleiern. Daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass beim Konsumenten keine allzu großen ethischen Hemmnisse auftreten.26 24 Goetschel, Tiere klagen an, 24. Maier, Zwischen Verdinglichung und Personenwürde?, JRP 2006, 202 f. 26 Vgl. Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 129 ff; Goetschel, Tiere klagen an, 33. 25 9 III. TEIL 2 Inhaltliche Darstellung D. Defizite bei der Rechtsverfolgung Auch im Strafverfahren gilt es die entsprechenden Werteverschiebungen zu berücksichtigen. Die Dissertation soll in diesem Zusammenhang zunächst die verfahrensrechtlichen Probleme, die für die Interessenwahrung auf Seiten der Tiere im Strafprozess hinderlich sind, beim Delikt der Tierquälerei aufgreifen und entsprechende sachgerechte Lösungen anbieten. Der klassische österreichische Strafprozess zeichnet sich im Allgemeinen dadurch aus, dass zwischen der Anklagebehörde (Staatsanwaltschaft) und der Seite des Beschuldigten „Waffengleichheit“ herrscht, was den Interessen eines Rechtsstaates entspricht. Ihnen steht nämlich die volle Bandbreite an Rechtsbehelfen nach der StPO zur Verfahrensbeeinflussung zur Verfügung. In den letzten Jahren ging im Strafverfahren der Trend in die Richtung, dass auch den Opfern immer mehr Rechtsbehelfe zur Verfügung gestellt wurden, sodass sie aktiv im Prozess mitwirken können um dadurch ihre Interessen zu wahren. Als Beispiele können hier die Möglichkeit der Privatbeteiligung, Akteneinsicht, Subsidiaranklage, Fortführungsantrag, Stellen von Beweisanträgen oder das Recht auf Verständigung genannt werden. Das bedeutet, dass neben den beiden Gegenpolen - Anklage und Verteidigung - noch jemand im Verfahren mitwirkt. Dadurch werden weitere Instrumente geschaffen, um dem primären Ziel der Strafverfolgung - der objektiven Wahrheitserforschung - gerecht zu werden. Beispielsweise kann durch die Einbringung eines Fortführungsantrags des Opfers, die Rechtmäßigkeit der Verfahrenseinstellung einer weiteren Kontrolle unterworfen werden. Diese Möglichkeit der Mitwirkung weiterer Personen ist aber nicht bei allen Delikten gegeben. Zumeist knüpft diese Mitwirkungsmöglichkeit am Verfahren an die Opfereigenschaft gem. § 65 StPO an. Genau dieses Problem stellt sich aber zumeist bei der Tierquälerei, da es bei § 222 StGB vielfach kein Opfer im Sinne der StPO gibt. Es stellt sich somit die Frage, ob hier rechtsstaatliche Defizite bestehen und ob auch bei diesem Delikt eine weitere Mitwirkung im Strafverfahren durch bestimmte Interessensgruppen möglich 10 und erwünscht ist. Das Tier ist jedenfalls nach unserer Rechtsordnung nicht Rechtsubjekt und kann selbst keine subjektiven Rechte ausüben. Durch die bisher weitgehende gesetzliche Behandlung des Tieres als Sache kann allenfalls der jeweilige Besitzer des Tieres im Falle einer Schädigung (Sachbeschädigung(!)) die entsprechenden Verfahrensrechte ausüben. Dies ist aber nur in jenen Fällen möglich, wo jemand ein Tier quält, das im Eigentum einer anderen Person steht. Was ist jedoch, wenn es sich um ein wildes Tier handelt oder jemand sein eigenes Tier quält? Dass für eine effektive Rechtsverfolgung die sachenrechtlichen Besitzverhältnisse von entscheidender Relevanz sein sollen, kann im Hinblick auf den bereits angesprochenen Wertewandel und der damit verbundenen Stellung des Tieres im Gesamtgefüge der Rechtsordnung nicht mehr haltbar sein. Wenn ein Tier gequält wird, dann kann dies nicht vergleichbar sein, wie wenn eine x-beliebige Sache zerstört wird. Wie bereits oben ausgeführt, wird nach den materiell rechtlichen Zielbestimmungen dem Tier ein Eigenwert zugestanden, welcher zu einem anderen Umgang wie mit einer leblosen Sache verpflichtet. Diesem im Vergleich zu einer Sache unterschiedlichem Rechtstatus des Tieres wird aber bei den Durchsetzungsmöglichkeiten keine Rechnung getragen, was sich ganz deutlich beim strafrechtlichen Delikt der Tierquälerei zeigt. Die Ausübung derartiger Verfahrensrechte hängt nämlich von den sachenrechtlichen Besitzverhältnissen ab, sodass es für die Ausübung der Opferrechte des Eigentums am Tier bedarf und insofern dadurch als Sachbeschädigung zu qualifizieren ist. Wenn es also um eine effektive Rechtsdurchsetzung bei TierquälereiStraftaten geht, dann kommt es hier in erster Linie auf die sachenrechtlichen Besitzverhältnisse an, weil nur dann die Ausübung der einzelnen Verfahrensrechte dem Besitzer zugestanden wird und nicht auf den individuellen Eigenwert des Tieres. Die strafrechtliche Verfolgung von zugefügtem Tierleid beschränkt sich also vorwiegend auf Heimtiere, weil dort der emotionale Stellenwert des Tieres im Vordergrund steht. Der Kernanwendungsbereich des Tierquälerei-Tatbestandes entpuppt sich auch generell vorwiegend auf Haustiere beschränkt. „Missstände bei der Haltung von Nutztieren werden zumeist großzügig als sozialadäquat eingestuft und daher in der Regel auch gar nicht als 11 tatbestandsmäßig angesehen“, so Maier. Das landwirtschaftlich bzw. fabriksmäßig genutzte Tier wird also kaum vom Schutzbereich des § 222 StGB erfasst.27 Es besteht somit gewiss auch im Strafverfahren das Bedürfnis, entsprechende Ungleichlagen zu korrigieren, um die Interessenwahrung der Tiere aufgrund ihrer eigenen Würde zu fördern. So wie bei anderen Delikten, wo Opfer entsprechende Verfahrenshandlungen setzen können, gibt es in diesen Fällen jedoch niemanden, der für das „Opfer“ entsprechende Rechte im Verfahren ausüben kann. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob man beim Tier überhaupt von einem Opfer sprechen kann. Ist diese strikte Trennung von Subjekt/Objekt wirklich angemessen oder lässt sich für Tiere ein aufgewerteter „Objektsbegriff“ definieren, sodass im Hinblick auf die Opferrechte dem Tier oder beispielsweise einem Tierschutzverein eine effektivere Geltendmachung von Opferinteressen zugestanden werden kann? Es gibt also auf Seiten der Tiere Probleme, die Verfahrensrechte der StPO auszuüben. Wenn beispielsweise der Tierschutzverein als Anzeiger einer Tierquälerei auftritt, dann obliegt die Strafverfolgung allein der Staatsanwaltschaft, ohne der Möglichkeit das Verfahren von außen beeinflussen zu können. Es wurden zwar in der Vergangenheit einzelne Verfahrenshandlungen zugelassen (z.B. Fortführungsantrag vom Tierschutzverein), doch begründen regelmäßig die statutenmäßigen Ziele eines ideellen Vereins keine rechtlichen Interessen im Sinne der StPO, welche zur Ausübung von sogenannten Opferrechten berechtigen würden. Gerade weil es vielfach kein Opfer nach der StPO gibt, wird die Verfolgung dieses Delikts von der Staatsanwaltschaft etwas vernachlässigt. Was dazu führt, dass in jenen Bereichen, wo die Mitwirkung am Strafverfahren an die Opfereigenschaft gebunden ist, im Vergleich zu anderen Delikten eine Ungleichlage besteht, sodass insofern von fehlender „Waffengleichheit“ gesprochen werden kann. Wenn man sich konkrete Zahlen für das Jahr 2011 ansieht, dann kam es bundesweit zu 620 Strafanzeigen nach § 222 StGB. Es wurden insgesamt 118 Strafverfahren geführt und es kam zu 60 rechtskräftigen Verurteilungen. Auch diversionelle Erledigungen durch die Staatsanwaltschaft (68) spielten im Jahr 2011 eine nicht unbedeutende Rolle.28 27 Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 170 f. Vgl. parlamentarische Anfrage 10302/J-NR/2012 betreffend „Anzeigen bzw. Strafverfahren nach § 222 StGB (Tierquälerei) im Jahr 2011“ und Beantwortung 10214/AB-NR/2012. 28 12 Auch im Verwaltungsverfahren, wo zur Interessenwahrung des Tierschutzes dem Ombudsmannkonzept gefolgt wird, zeigen sich gewisse Unklarheiten, Schwächen und verbesserungsbedürftige Lücken. Beziehen sich seine Befugnisse nach § 41 Abs. 4 TSchG doch ausdrücklich nur auf das TSchG. Das neue Tierversuchsgesetz 2012 sieht lediglich vor, dass die Tierschutzombudsleute über die Kontrollen durch die zuständigen Behörden zu informieren sind. Weitere tierschutzrelevante Regelungsbereiche wie etwa die Jagd oder Fischerei sind nach wie vor seiner Kontrolle entzogen.29 Aber es zeigt sich auch hier meines Erachtens eine deutliche systemwidrige Ungleichlage dahingehend auf, dass bei der gerichtlich strafbaren Tierquälerei nach § 222 StGB einem Ombudsmann keine Interessensvertretung des Tierschutzes zugestanden wird. Dagegen wird ihm bei den Verwaltungsstraftatbeständen, welche aufgrund ihrer Subsidiarität geringer gewichtet werden, nach § 41 TSchG Parteistellung eingeräumt. Auch wenn es sich um verschiedene Verfahrensarten handelt, erscheint dieses Ungleichgewicht für die Interessenwahrnehmung nicht gerechtfertigt. Es bleibt also festzuhalten, dass sich hier sowohl rechtstaatliche als auch systematische Defizite und Lücken aufzeigen, welche es herauszufiltern und zu thematisieren gilt. Da es sich beim Tierschutzrecht aber wie angesprochen um einen innovativen Rechtsbereich handelt, sind in diesem stetigen Weiterentwicklungsprozess die Aussichten sehr vielversprechend dahingehend, dass die tierischen Interessen zukünftig noch stärker Berücksichtigung finden werden. IV. KERNFRAGEN UND ZENTRALE ZIELSETZUNGEN Das Hauptaugenmerk der Dissertation soll zunächst auf den Status „Tier“ sowohl aus rechtlicher als auch aus gesellschaftlicher Sicht gerichtet werden. Ausgegangen von der historischen Entwicklung gilt es die unterschiedlichen philosophischen Ansätze zu thematisieren. War doch die Tierethikdebatte lange Zeit einseitig utilitaristisch besetzt, wonach es die Summe des Glücks in der Welt zu vermehren bzw. die Summe des Leidens zu vermindern gilt. Entscheidendes Kriterium für die Berücksichtigung eines Wesens soll 29 Vgl. Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 138 f. 13 demnach seine Leidensfähigkeit sein. Diese Einstellung wurde dann aber durch zunehmende Vielfalt von moralphilosophischen Positionen aufgelockert.30 Tierethik liefert die notwendige Grundlage für das positivierte Tierschutzrecht. Dieses wird dogmatisch beleuchtet und auf seine Widersprüchlichkeiten im Gesamtkonzept untersucht. Es soll die rechtliche Behandlung des Tieres thematisiert und auf die speziellen Eigenheiten und Probleme im gerichtlichen Straf- bzw. Verwaltungsstrafverfahren eingegangen werden. Es werden die rechtsstaatlichen Defizite aufgezeigt und sachgerechte Lösungsmöglichkeiten (auch anhand der geltenden Rechtslage) angeboten. Durch Interpretation, Anwendung und Weiterentwicklung der Schutzgarantien im Tierschutzrecht sollen Ansätze aufgezeigt werden, um die strenge systematische Zuordnung von Subjekt/Objekt zu überwinden. Es ist klar, dass vor allem beim Thema Tierschutz die Faktoren Ethik, Moral und Emotionen eine wesentliche Rolle spielen. Der Verweis auf die Emotionen muss jedoch nicht der Vernunft widersprechen. Diese gilt es vielmehr in den politischen Diskurs einzubeziehen, da ansonsten Stillstand im Tierschutz vorprogrammiert ist. Ein Blick über die Grenzen soll Optionen aufzeigen, wie eine effektive Rechtsverfolgung verwirklicht werden kann. Demnach werden in der Schweiz griffige Vollzugsstrukturen geschaffen, wie etwa bei der Polizei speziell eingerichtete Fachstellen für Tierdelikte. So wird beispielsweise im Kanton Bern auf hochmoderne Maßnahmen gesetzt. Wie bei der Untersuchung von Gewaltdelikten gegen Menschen, werden auch bei Tierdelikten Obduktionen vorgenommen und DNA-Proben entnommen. Als weitere Besonderheit findet sich im Kanton St. Gallen ein auf Tierrecht spezialisierter Staatsanwalt.31 Generell nimmt die Schweiz in vielen Bereichen des Tierschutzes eine Vorzeigerolle ein. Ein weiterer Ansatz wäre wie in Deutschland auch gerade zur Diskussion steht, das Recht zur Tierschutz-Verbandsklage. Dort gibt es teilweise schon auf Landesebene die Möglichkeit für bestimmte Verbände, vor den Behörden und Gerichten Rechtshandlungen vorzunehmen. Als konkretes Beispiel sei erwähnt, dass in Bremen diese Möglichkeit bereits seit dem Jahr 2007 besteht.32 30 Wolf, Texte zur Tierethik, 9 ff. siehe http://www.tierimrecht.org/20min_1612211.pdf. 32 siehe Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine v. 25.09.2007 (Brem. GBl. Nr.46 S. 455). 31 14 Denkbar wäre noch als radikalste Form der Förderung tierischer Interessen, den Tieren selbst Rechte zuzugestehen. Ohne den Personenstatus in Frage stellen zu wollen, wäre es laut Maier in Anlehnung an die Zuerkennung der Rechtsfähigkeit von juristischen Personen, welche durch Organe vertreten werden oder unmündigen Personen, die durch einen gesetzlichen Vertreter oder gerichtlich bestellten Sachwalter zu Handlungen befähigt werden, durchaus denkbar, ein derartiges Vertretungsmodell auch für Tiere zu entwickeln.33 Abschließend sollte noch aufgezeigt werden, welche gesetzlichen Änderungen vorgenommen bzw. welche zu schaffenden Institutionen in diesem Bereich sinnvoll wären. Auch auf die Gefahren bzw. Probleme ist einzugehen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben können. Ziel der Dissertation ist es, den Status des konkreten Tieres nicht von zufälligen Umständen, sondern vielmehr an seinem jeweiligen Eigenwert ausgehend von seiner „Würde“ auszumachen. Dies soll als Basis für einen gesellschaftlichen Konsens dienen, welcher für eine Besserstellung des Tieres hilfreich sein soll. Durch die Herausarbeitung der rechtsstaatlichen Defizite und der Verbindung von Ethik und Dogmatik sollen in diesem innovativen Rechtsbereich weitere wertvolle Ansätze für eine Weiterentwicklung der modernen Tierrechtsdebatte geliefert werden. V. STAND DER FORSCHUNG Es gibt natürlich schon zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, welche sich mit den Themen Tierschutz, Tierethik, Tierstatus und Tierrechte befassen. Eine Vielzahl davon ist im philosophischen Bereich angesiedelt und betrifft die verschiedensten ethischen Ansätze. Zu Beginn wurde die Tierethik beherrscht vom so genannten Anthropozentrismus und damit bloß indirekt begründete Pflichten gegenüber Tieren. Es kann dabei aber auch ganz allgemein vom kantianischen Ansatz angesprochen werden. Schon die Autoren des ABGB orientierten sich bei der Festlegung des Personenbegriffs und der Unterscheidung zu Objekten an der Auffassung Kants. Wenn es darum geht, Rechtsfähigkeit auch für Tiere in Erwägung zu ziehen, dann muss dies nach Kant verneint werden. Demnach können nur 33 Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 177 f. 15 Menschen moralisch und rechtlich verpflichtet werden, da nur sie zum Vernunftgebrauch fähig sind. Tiere können nicht als Rechtsubjekt anerkannt werden, da ihnen die Eigenschaft fehle, nach vernünftigen Prinzipien zu denken und sich wechselseitig anderen gegenüber zu verpflichten.34 Als Replik darauf war in der Folge die Tierethik überwiegend von utilitaristischen Positionen besetzt. Als wichtiger Name sei hier Peter Singer genannt, welcher die moderne Tierethikdiskussion angestoßen hat. Weiters sind noch für den philosophischen Bereich die Formen von Kontraktualismus, Mitleidsethik, Tugendethik oder Ethik der Fürsorge von Bedeutung. Für den aktuellen Diskurs sei noch auf Martha C. Nussbaum als namhaften Vertreter des Aristotelismus hingewiesen. Besonders häufig wurde am polarisierenden Beispiel des „Schächtens“ die Tierquälerei sowohl im Strafrecht als auch verfassungsrechtlich im Zusammenhang mit den Grundrechten in Lehre und Rechtsprechung thematisiert. Der Gesetzgeber muss sich laufend mit der Tierrechtsentwicklung auseinandersetzen. Beispielsweise trat mit Jahresbeginn das neue Tierversuchsgesetz 2012 in Kraft, dessen Umsetzung auf der EU-Richtlinie 2010/63 beruhte. Die tendenziellen Entwicklungen betreffend die Stellung des Tieres in der Gesellschaft sind in den verschiedenen Rechtsordnungen zu berücksichtigen. Nach einer heftigen öffentlichen Debatte bezüglich Verankerung des Tierschutzes in der österreichischen Bundesverfassung in Form einer Staatszielbestimmung, wurde dies nun auch am 13.06.2013 im Nationalrat („Die Republik Österreich bekennt sich zum Tierschutz“) beschlossen. Auch wenn nunmehr der Tierschutz in die österreichische Verfassung Eingang gefunden hat, kann als fortschrittliches Beispiel wieder auf unser Nachbarland Schweiz verwiesen werden, welche schon seit längerem den Tierschutz in der Bundesverfassung verankert hat. Zusätzlich wurde diese Bestimmung noch durch den „Schutz der Würde der Kreatur“35 ergänzt. Generell handelt es sich beim Tierschutzrecht um ein Rechtsgebiet, wo rechtspolitische Fragestellungen eine große Rolle spielen und vor allem ethische Ansätze eine bedeutende Relevanz haben und von dogmatischen Fragen kaum zu trennen sind. 34 35 Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 167. siehe Art. 120 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 16 VI. METHODEN & MATERIAL Für dieses Dissertationsvorhaben besteht kein besonderer Finanzierungsbedarf. Es werden keine Geldmittel der Fakultät erforderlich sein. Bei meinen Recherchetätigkeiten werde ich die grundlegenden wissenschaftlichen Methoden der Literatur- und Onlinerecherche anwenden, sowie die typischen juristischen Methoden der Judikaturanalyse und der Interpretationsmethoden. Dabei wird die breite tierethische Literatur der letzten Jahrzehnte im Hinblick auf den Tierstatus herangezogen. Außerdem werden die entsprechenden Gesetze und einschlägigen Rechtsnormen im Zusammenhang mit den dazugehörigen Entscheidungen untersucht. Beim strafrechtlichen Teil werden der Schwerpunkte auf § 222 StGB und die im Zusammenhang stehenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen der StPO gelegt. Auch die subsidiären Straftatbestände im TSchG sollen in entsprechendem Ausmaß eine Rolle spielen. Dazu ist es notwendig die entsprechenden Literaturwerke, Gesetzestexte, Entwürfe, Verordnungen, Kommentare und sonstigen weiterführenden Schriftsätze zu studieren. Wichtige Anhaltspunkte und Hilfestellungen bieten auch die gerichtlichen und verwaltungsbehördliche Entscheidungen. Über diverse Rechtsdatenbanken hat man einen einfachen Zugang zu wissenschaftlichen Beiträgen und die Fachbereichsbibliothek Rechtswissenschaften sowie die Bibliothek der Universität Wien im Hauptgebäude verfügen über eine große Auswahl an relevanten Werken. Gerade Homepages von Tierschutzorganisationen werden wichtige Anhaltspunkte für Recherchetätigkeiten liefern. Als nützlich könnte es sich auch erweisen, Organisationen bzw. Interessensgruppen zu kontaktieren, um sich nach deren bisherigen Erfahrungswerten bei ihren Rechtsverfolgungsbemühungen in derart gelagerten Fällen zu erkundigen. VII. ARBEITS- UND ZEITPLAN Der Studienplan für das Doktoratstudium sieht eine Mindestdauer von 6 Semestern vor. Ich habe mich im WS 2012/13 für das Doktorat inskribiert. Aus dem Katalog der verpflichtenden Lehrveranstaltungen habe ich die Vorlesung zur rechtswissenschaftlichen Methodenlehre und den Kurs zur Textanalyse bereits während des Diplomstudiums 17 absolviert. Im WS 2012/13 habe ich von den sonstigen laut Studienplan geforderten Lehrveranstaltungen ein Seminar und Wahlfächer im Ausmaß von 5 Semesterwochenstunden besucht. Ein vorläufiger Zeitplan des Doktoratstudiums für die nächsten 6 Semester könnte wie folgt aussehen: Wintersemester 2012/13: - Absolvierung eines Teils der verpflichtenden Lehrveranstaltungen, -Themenfindung Sommersemester 2013: - Seminar zur Vorstellung des Dissertationsvorhabens, Materialbeschaffung , - Absolvierung des restlichen Teils der verpflichtenden Lehrveranstaltungen Wintersemester 2013/14: - Einreichung des Exposè und des Antrags auf Genehmigung des Dissertationsvorhabens, - Abschluss der Dissertationsvereinbarung, - Beginn mit der Abfassung der Dissertation Sommersemester 2014: - Abfassung der Dissertation Wintersemester 2014/15: - Abfassung der Dissertation Sommersemester 2015: - Korrektur und Überarbeitung der Dissertation, - öffentliche Defensio Viertel- oder Halbjährliche Berichterstattungen an den/die Betreuer und Besprechungen sollen zur Qualitätssicherung der Arbeit beitragen. VIII. MÖGLICHER AUFBAU DER DISSERTATION Es soll vorerst nur eine vorläufige grobe Gliederung der Arbeit vorgenommen werden, da sich erst nach der endgültigen Auswertung des gesammelten Materials der sinnvollste und zweckmäßigste Aufbau ergeben wird. Auf eine detaillierte Gliederung wird daher noch verzichtet und die Flexibilität im Hinblick auf den Einbau etwaiger weiterer Punkte gewahrt. Diese Kapitel sollen aber essentielle Bestandteile der Dissertation darstellen: 18 A.) Historische Wurzeln -bedeutende Entwicklungen beim tierrechtlichen Status -Anstoß der modernen Tierethikdiskussion -philosophische Positionen der Tierethik B.) Die Stellung des Tieres im rechtlichen Gefüge -Weg bis zur Anerkennung der Tiere als eigenständige Schutzobjekte -Differenzierung/Abstufung der Artenvielfalt -starre Trennung von Objekt/Subjekt (kantianische Ansichten) -Kompetenzgrundlagen -Widersprüchlichkeiten und fehlende Harmonisierung (Schutzstandards) C.) Die Stellung des Tieres in der Gesellschaft -Kontroversen Nutztier/Heimtier -ökonomische Faktoren, Ausschluss der Öffentlichkeit -Tierrechtsbewegung -Tierschutz als gesellschaftliche Aufgabe -Sensibilisierung als wesentlicher Faktor D.) Tierethik und Tierschutzrecht -Ethik als Grundlage der gesetzlichen Normierungen -Gesetzliche Normierungen als Minimalstandards -Bestimmung des gegenwärtigen Tierstatus -„Würde“ als entscheidendes Kriterium E.) Materiell rechtliche Bestimmung des § 222 StGB -Relevanz im österreichischen Strafrecht (ausgewählte Fälle) -Vergleiche mit Strafbestimmungen des Verwaltungsrechts F.) Aspekte der effektiven Strafverfolgung -Opferstellung und Opfereichenschaft (opferloses Delikt?) -Mitwirkung ideeller Vereine und Interessensgruppen an der Strafverfolgung -Rechtstaatliche Defizite (Waffengleichheit) -Bedarf nach weiteren Kompetenzen (Vertretungsmodelle) G.) Einzelne Verfahrensrechte -Anzeige, -Information, -Akteneinsicht, -Privatbeteiligung, -Fortführungsantrag H.) Relevanz der sachenrechtlichen Besitzverhältnisse 19 -Haustier (Konkurrenz zu § 125 StGB) -wildes Tier I.) Diversion bei § 222 StGB J.) Tierquälerei nach TSchG – Verwaltungsstrafverfahren -Kompetenzen nach dem Ombudsmannkonzept K.) Rechtsvergleich (Schweiz) L.) Empfehlungen, Lösungen M.) Zusammenfassung & Ausblick IX. VORLÄUFIGE LITERATUR Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht – Besonderer Teil II10 (2012). Binder/von Fircks, Das österreichische Tierschutzrecht2 (2008). Bollinger, Europäisches Tierschutzrecht (2000). Budischowsky, Tierschutz im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, RdU 2010/121. Bumberger, VwGH-Rechtsprechung zum Verwaltungsstrafverfahren 2009, ÖJZ 2010/30. Bydlinski, Das Tier, (k)eine Sache? RdW 1988, 157. Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft : eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage (1999). Caspar, Zur Stellung des Tieres im Gemeinschaftsrecht (2001). Dahs, Ethische Aspekte im Strafverfahren? (2004). Fabrizy, Die österreichische Strafprozessordnung10 (2008). Fabrizy, Strafgesetzbuch10 (2010). Gaisbauer, Das österreichische Tierschutzrecht im Spiegel der Rechtsprechung, ÖJZ 1986, 714. Gaisbauer, Grundloses Töten von Tieren und Tierschutzrecht, ÖGZ 2/1998. Goetschel, Tiere klagen an (2012). Harrer/Graf (Hrsg), Tierschutz und Recht (1994). Herbrüggen, Anpassung des innerstaatlichen Tierschutzrechtes an europarechtliche Vorgaben, ÖZW 2003, 98. 20 Herbrüggen, Österreichisches Tierschutzrecht im Lichte der Europäischen Integration (2001). Herbrüggen/Randl/Raschauer/Wessely, Österreichisches Tierschutzrecht2, Bd 1: Tierschutzgesetz (2006). Hinterhofer, Strafrecht Besonderer Teil II5 (2012). Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum StGB (2009). Irresberger/Obenaus/Eberhard, Tierschutzgesetz (2005). Kallab/Kallab/Noll (Hrsg), Bundestierschutzgesetz II (2005). Lurf, Opferschutz im Strafverfahren (2012). Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft (2008). Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz? Auf dem Weg zur Revision des moralischen und rechtlichen Status von Tieren (2012). Maier, Zwischen Verdinglichung und Personenwürde? Das Tier in der aktuellen rechtsethischen Diskussion, JRP 2006, 196. Maleczky, Strafrecht Allgemeiner Teil II13 (2009). Mayerhofer (Hrsg), Das österreichische Strafrecht. Teil 2, Strafprozessordnung6 (2011). Michel, Die Würde der Kreatur und die Würde des Tieres im schweizerischen Recht (2012). Norer (Hrsg), Handbuch des Agrarrechts2 (2012). Nussbaum, Die Grenzen der Gerechtigkeit (2010). Ottensamer, Ausgewählte Aspekte des österreichischen Tierschutzgesetzes (2006). Pühringer, Die Rechte von Opfern im österreichischen Strafverfahren (2011). Raschauer, Die Parteistellung des Tierschutzombudsmanns nach § 41 Abs 4 TSchG, RdU 2007/47. Rau, Praktische Probleme der Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Tierschutzstraftaten (2009). Safferling, Die Rolle des Opfers im Strafverfahren (2010). Schlitt, Haben Tiere Rechte? ARSP 1992. Singer, Ethik (1994). Walther, Interessen und Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren (2009). Wessely, Strafprozessrecht6 (2012). Wieshaider, Iterum: Schächten, öarr 2005, 227. Wolf, Texte zur Tierethik (2008). Wolf, Tierethik (1992). 21