Der rechtliche Status von Tieren und

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Exposé
Arbeitstitel der Dissertation
„Der rechtliche Status von Tieren und
verfahrensrechtliche Defizite bei der Verfolgung von
Tierquälerei-Straftatbeständen“
Verfasser
Mag. iur. Michael Aigner
angestrebter akademischer Grad
Doctor iuris (Dr. iur.)
Betreuerin/Betreuer
Ao. Univ.-Prof. Dr. Eva Maria Maier
Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht
Studienrichtung: Rechtswissenschaften
Studienkennzahl: A 783 101
Wien, im November 2013
I.
EINLEITUNG
Beim Tierschutzrecht handelt es sich um einen innovativen Rechtsbereich, in dem
laufend
gesetzliche Veränderungen beobachtet werden können. Obwohl es eine
vergleichsweise eher kurze Geschichte hat, gibt es in den letzten Jahren doch in verstärktem
Maße einen Weiterentwicklungsprozess zu verzeichnen, wobei aber immer noch
entsprechender Aufholbedarf besteht.
Gerade in diesem Rechtsbereich spielt die Verbindung von ethischen und dogmatischen
Aspekten eine wesentliche Rolle. Die Dissertation wird darlegen, dass es einige kontroverse
Positionen sowohl in rechtlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht gibt. Einem sehr
emotionalisierten Zugang, welcher auf die moralische Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf
die Tiere als die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft gestützt ist, stehen vor allem
ökonomische Interessen einer Industriegesellschaft gegenüber. Es handelt sich hierbei um
einen Rechtsbereich, wo die Ethik in rechtspolitische Fragestellungen stark einfließt.
Die Arbeit wird in zwei große Teilbereiche gegliedert sein. Der erste Teil wird sich der
Materie von der ethischen Seite her zuwenden. Angefangen von der historischen
Entwicklung in der Philosophie, in der es darum geht Rechte für Tiere zu begründen, werden
die einzelnen Ansichten bis zur gegenwärtigen Literatur herausgearbeitet und auch die
kontroversen Positionen aufgezeigt.
Auf den Anthropozentrismus und der bezeichnenden Auffassung Kants, nach der es
keine direkten Pflichten gegenüber Tieren zu beachten gibt, folgten als Antwort
utilitaristische Argumente. Zentrales Kriterium ist dabei die Leidensfähigkeit, welche zur
gleichen Interessenberücksichtigung, sowohl für Menschen als auch für Tiere, verpflichtet.
Nachdem der Utilitarismus lange Zeit die Literatur der Tierethik beherrscht hatte, wurde
diese Position durch eine Vielfalt von moralphilosophischen Ansichten aufgelockert. In
Anknüpfung an Rawls wurde versucht, Tierrechte vertragstheoretisch zu begründen. Aber
auch Mitleid und Fürsorge spielen in der Literatur ebenso eine Rolle wie beispielsweise die
Tugendethik oder auch der Aristotelismus.1
1
Wolf, Texte zur Tierethik, 9 ff.
2
Es gilt aber auch aufzuzeigen, welche Divergenzen zwischen den rechtlichen und
gesellschaftlichen Standpunkten bestehen und wie diese in der ethischen Debatte doch
etwas hinterher hinken. Auch wenn gewisse Handlungen als „rechtmäßig“ oder
„gesetzeskonform“ qualifiziert werden, können diese unter ethischen Gesichtspunkten
trotzdem als bedenklich angesehen werden.
Der zweite Teil widmet sich dann insbesondere den Tatbeständen des gerichtlichen und
des verwaltungsbehördlichen Strafrechts, wobei speziell auf die verfahrensrechtlichen
Defizite bei der Rechtsdurchsetzung eingegangen werden soll. Vor allem die Parallelen zum
Opferschutz und die mangelnden Vertretungsmöglichkeiten tierischer Interessen werden
dabei im Mittelpunkt stehen.
Aufbauend auf den philosophischen Ansätzen wird festgehalten, dass es sich bei den
rechtlichen Normierungen um ein Geflecht von zumindest teilweise widersprechenden
Regelungen handelt. Recht ist dabei aber nur „ein“ Baustein in einem breiten Gefüge
gemeinsam mit Praxis und Ethik. Es bedarf daher einem Gesamtpaket aus diesen Elementen
um die moderne Tierrechtsdebatte weiter voran zu treiben.
Zielsetzung und zugleich auch als großen Fortschritt anzusehen, wäre die Orientierung
des Stellenwertes eines Tieres an ihrer eigenen „Würde“ als fühlendes Wesen unter
Berücksichtigung ihrer jeweiligen artspezifischen Bedürfnisse. Die rechtliche Behandlung
nimmt zumeist keine Differenzierungen zwischen den einzelnen Tierarten vor, sondern
subsumiert unter den weit gefassten Begriff „Tier“. Dabei gilt es zu bedenken, dass es eine
große Bandbreite an Artenvielfalt gibt wobei durch ihre jeweiligen Eigenheiten manche der
Spezies Mensch schon relativ nahe kommen und manche doch weit entfernt sind. Es sind
also bei der Vielzahl an Tierarten gewisse Abstufungen vorhanden, was eine differenzierte
gesellschaftliche Stellung und gesetzliche Behandlung rechtfertigen würde. Am deutlichsten
kann dies am Beispiel der großen Menschenaffen veranschaulicht werden. So ist nach Maier,
die Debatte um deren Status doch am besten geeignet, die „starre Abgrenzung zwischen
Subjekten einerseits und bloßen Objekten andererseits in Frage zu stellen“.2 Dabei soll es
aber nicht um die Einräumung des Personenstatus gehen, sondern vielmehr um die
2
Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 119.
3
Definition eines eigenständigen Status um eine gewisse Differenzierung und Abgrenzung
zum bloßen Objekt auszumachen.3
II.
TEIL 1 Inhaltliche Darstellung
A. Die Debatte um den ethischen Tierstatus
Vorne weg gilt es einmal auf die breite Tierethikdebatte einzugehen. Lange Zeit
bezeichnend für den Stellenwert des Tieres war zunächst der Anthropozentrismus. Tiere
haben
nach
dieser
Auffassung
keinen
eigenständigen
Wert
und
nur
eine
Existenzberechtigung, sofern sie dem Menschen dienen. Es bestehen nur indirekte
Verpflichtungen des Menschen gegenüber Tieren.4
Beim klassischen utilitaristischen Ansatz nach Bentham geht es nicht darum, ob ein
Wesen vernunftbegabt ist. Das entscheidende Kriterium von dem es abhängt, ob ein Wesen
in unserem Handeln Berücksichtigung finden soll, ist demnach nur die Leidensfähigkeit. Es
geht ganz allgemein darum, die Summe des Glücks in der Welt zu vermehren, was bedeutet,
dass auch Tiere moralisch berücksichtigungswürdig sind. Wer das Leid eines Tieres nicht
anerkennt, sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, ein „Speziesist“ zu sein. In Anlehnung an
den Rassismus versteht man darunter, dass man den Interessen der eigenen Gattung
höheres Gewicht beimisst.5
Als weiteren Ansatz finden wir in der Literatur Formen des Kontraktualismus. Demnach
wird versucht, Tierrechte vertragstheoretisch zu begründen. Es geht dabei darum, für die
Optimierung des Zusammenlebens untereinander Normen zu setzen. Es wird in der Literatur
diskutiert, im Rahmen dieser sogenannten Vertragstheorien auch Rechte auf Tiere
auszuweiten.6
Auch die Mitleidsethik schließt den Schutz der Tiere mit ein. Unter Mitleid versteht man
die unmittelbare Teilnahme am Leiden eines anderen Wesens. Nach Schopenhauer geht es
3
Vgl. Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 177.
Wolf, Texte zur Tierethik, 14 f.
5
Wolf, Texte zur Tierethik, 12 ff.
6
Wolf, Texte zur Tierethik, 17.
4
4
um die Berücksichtigung des individuellen Wohls anderer. Als Schwäche dieser Position wird
in der Literatur vorgebracht, dass es sich bei Mitleid bloß um einen punktuellen Affekt
handelt, der je nach Stimmungslage Schwankungen unterliegen kann. Von der Moral wird
hingegen eine dauerhafte Rücksichtnahme verlangt.7
Ähnlich sieht es auch mit der Ethik der Fürsorge aus. Diese baut auf Mitgefühl und
Rücksichtnahme anderen Wesen gegenüber auf. Neben „persönlichen“ Fragen müssen
allerdings auch „politische“ Fragen in den Bereich der Fürsorge eingebracht werden.8
Die Tugendethik vermeidet allgemeine Beurteilungen, was moralische Objekte angeht.
Konfliktsituationen und sonstige Umstände sind demnach zu komplex und verschieden, um
sie pauschal bewerten zu können. Es hängt also vielmehr von den konkreten Umständen ab,
in denen sich ein moralischer Akteur befindet, ob eine Handlung gut ist und damit die
Steigerung des Glücks zur Folge hat.9
Beim Aristotelismus steht im Mittelpunkt die Theorie der sozialen Gerechtigkeit. Nach
Nussbaum, die die Philosophie Aristoteles unter zeitgenössischen Fragestellungen wieder
aktualisiert, werden davon sowohl Menschen, als auch Tiere erfasst. Eine Ausweitung des
„Fähigkeiten-Ansatzes“ auf nicht-menschliche Tiere hält Nussbaum für plausibel. Tiere – und
zwar vorwiegend empfindungsfähige Säugetiere – verfügen ebenso wie Menschen über
Fähigkeiten und Bedürfnisse, deren Realisierung es über ein normatives Gerüst minimal zu
erfüllender Fähigkeiten-Ermöglichung zu gewährleisten gilt.10
B. Der Status des Tieres im rechtlichen Gefüge
Da die Dissertation ein rechtswissenschaftliches Werk werden soll, stellt sich zunächst
die Frage nach den rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen. Ausgangspunkt ist
daher der Status des Tieres in rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf den andauernden
Wertewandel. War doch im 19. Jahrhundert Tierquälerei nur dann mit Strafe bedroht, wenn
sie öffentlich begangen wurde und damit die Verrohung allfälliger Beobachter zu befürchten
7
Wolf, Texte zur Tierethik, 17f.
Vgl. Wolf, Texte zur Tierethik, 105 ff.
9
Wolf, Texte zur Tierethik, 121 ff.
10
Vgl. Nussbaum, Die Grenzen der Gerechtigkeit, 442 ff.
8
5
war. Der Schutzzweck dieser Bestimmung war somit nicht das Tier als leidempfindendes
Wesen, sondern die Wahrung der öffentlichen Ordnung. Dies spiegelt klar die
anthropozentrische Auffassung wieder, wonach es keine direkten Pflichten gegenüber Tieren
zu beachten gäbe. Erst im 20. Jahrhundert wurde das Tier selbst als Schutzobjekt
anerkannt.11 Insbesondere aus § 1 TSchG, aber auch aus anderen Bestimmungen der
Privatrechtsordnung ist nunmehr ersichtlich, dass in den normierten Zielbestimmungen von
einem ethisch motivierten Verständnis ausgegangen wird. Den Tieren wird nämlich ein
Eigenwert zuerkannt, welchem ganz essentielle Bedeutung zukommen soll. Gerade die
gesetzlichen Normierungen im Tierschutzrecht sind in besonderem Maße auf ethische
Grundlagen angewiesen.12
Vorne weg gilt es einmal festzuhalten, dass die Grundsatznormierung in § 1 des BundesTierschutzgesetzes13 welches mit 1.1.2005 in Kraft getreten ist, primär auf den Schutz der
Interessen aller(!) Tiere abzielt. Dort heißt es wörtlich:
„Ziel dieses Bundesgesetzes ist der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere
aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf.“
Dieser
normierten
Zielbestimmung
kommt
für
das
gesamte
Tierschutzrecht
fundamentale Bedeutung zu, so Maier, „dass sie wohl auch in gesetzesübergreifender Weise
in allen tierschutzrelevanten Fragen des rechtlichen Umgangs mit Tieren zu berücksichtigen
sein wird“.14 In Übereinstimmung mit § 285a ABGB, wonach Tiere keine Sachen sind,
gebietet sie als Auslegungsmaxime eine restriktive Interpretation aller zu Lasten des
Tierschutzes gehenden Ausnahmebestimmungen.15
In der Lehre war die Bestimmung des § 285a ABGB lange Zeit zur „bloßen Kosmetik“
erklärt worden. In den zivilrechtlichen Kommentaren wird auch immer noch vertreten, dass
diese Bestimmung keine normative Bedeutung habe und bloß der Bewusstseinsbildung
dienlich sei.16 In Verbindung mit § 1 TSchG kann dieser Auffassung jedoch nicht mehr
bedingungslos
gefolgt
11
werden
und
es
ist
daher
von
einem
„methodischen
2
Binder/van Fircks, Das österreichische Tierschutzrecht , 1.
2
Vgl. Binder/van Fircks, Das österreichische Tierschutzrecht , 12 f.
13
BGBl. I Nr. 118/2004.
14
Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 129.
15
2
Binder/van Fircks, Das österreichische Tierschutzrecht , 15.
12
16
3
siehe Spielbüchler in Rummel , § 285a, Rz 1 oder Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.01 § 285 a Rz 1 u 5.
6
Perspektivenwandel hinsichtlich der rechtlichen Handhabung“ auszugehen.17 Laut Maier ist
daher „für den Tierschutz [an] zentraler Stelle der Rechtsordnungein rechtlicher Zugang zum
Umgang mit dem Tier eröffnet, der eine pure Verdinglichung in prinzipieller Weise
überschreitet“.18
Was aber nach den bisherigen Ausführungen sehr vielversprechend anmutet, muss
jedoch an dieser Stelle gleich wieder bedeutend relativiert werden. Werden doch schon im
TSchG selbst und in den auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen eine Reihe von
Ausnahmeregelungen erlassen, welche die aufgekommene Euphorie hinsichtlich des
anscheinenden Fortschritts des rechtlichen Tierstatus gleich wieder zu bremsen vermag.
Auch werden schon die unterschiedlichen Schutzniveaus für Nutztiere einerseits und
Heimtiere andererseits in den entsprechenden Tierhaltungsverordnungen verdeutlicht. Es
werden
nämlich
für
den
Bereich
der
Nutztiere
gleich
wieder
weitreichende
Ausnahmeregelungen von den Verbotsbestimmungen des TSchG geschaffen.19
Was also den rechtlichen Status betrifft, kann an dieser Stelle einmal festgehalten
werden, dass es zum Einen eklatante Widersprüchlichkeiten zu den in § 1 TSchG verankerten
Grundsätzen und zum Anderen zentrale Abstufungen bei der Bewertung der einzelnen
Tiergattungen gibt.20
Wie bereits angesprochen ist das Tierschutzrecht von unterschiedlich normierten
Schutzstandards geprägt, was zu einer deutlichen Schlechterstellung des Nutztieres führt. An
dieser Stelle sei aber erwähnt, dass sich auch für den Bereich der Heimtiere eklatante
Widersprüchlichkeiten bei den positivierten Normierungen finden. Als verdeutlichendes
Beispiel soll hier die Bestimmung des § 64 Abs. 2 Z 2 des NÖ Jagdgesetz herangezogen
werden, wonach Jägern ein Freibrief eingeräumt wird, Katzen welche in einer Entfernung
von mehr als 300 m von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden umherstreifen, grundlos zu töten.
Bei der Jagd handelt es sich um eine Rechtsmaterie, welche in den Zuständigkeitsbereich der
Landeskompetenzen fällt. Auch hier wird ganz deutlich, dass kein Einklang mit dem
Tierschutzgesetz der Bundesgesetzgebung gegeben ist.
17
Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 126.
Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 171.
19
Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 172.
20
Vgl. Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 127 f.
18
7
Was die gesetzlichen Normierungen betrifft, so gilt es ganz allgemein zu bedenken, dass
Recht allein nur „Minimalstandards“ festlegt, die den artspezifischen Bedürfnissen der Tiere
nicht gerecht werden. Wenn es gesetzlich als artgerecht angesehen wird, dass ein Huhn den
Freiraum in der Größe eines DIN-A-4 Blattes haben muss, dann kann dies kaum als
tierschutzrechtliche Normierung eingestuft werden. Es ist daher vielmehr eine
gesellschaftliche Aufgabe, vor allem im Bereich der Nutztiere, durch die Sensibilisierung des
Menschen für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Tier zu sorgen und damit zu
einem Fortschritt im zu gelangen.21
C. Der gesellschaftliche Status und die ökonomischen Interessen
Ich
möchte
ausgehend
von
den
philosophischen
Ansätzen,
verschiedene
Zugangsmöglichkeiten zur Thematisierung des gesellschaftlichen Tierstatus aufgreifen. Zum
Einen erleben wir einen Rollenwandel dahingehend, dass Haustieren wie beispielsweise
einem Hund, der emotionale Status eines Familienmitglieds eingeräumt wird. Hier nimmt
das Tier also eine ganz besondere gesellschaftliche Stellung durch eine tiefe emotionale
Vertrauensbindung ein. Andererseits erleben wir aber vor allem bei den Nutztieren aufgrund
der im Vordergrund stehenden ökonomischen Interessen ein noch nie dagewesenes Ausmaß
an Tierausbeutung, wo Gewinnmaximierung Vorrang gegenüber jeglichen moralischen
Verpflichtungen und Wertvorstellungen genießt.22
Dieses zwiespältige Bild, welches sich auch wie oben ausgeführt in der Rechtsordnung
wieder spiegelt, lässt sich einmal dadurch erklären, dass sich vorwiegend unsere Tierliebe
nur auf bekannte und nahestehende Wesen richtet und nicht auf verarbeitete, anonyme
Leichenteile. Entzieht sich doch fast die gesamte industrielle Tiernutzung aus dem Blickfeld
der zugänglichen Öffentlichkeit und damit der breiten Bevölkerung. Was übrig bleibt sind die
fertigen Endprodukte welche dann dem Konsumenten vorgesetzt werden, welche er oftmals
gar nicht mit einem Tier und schon gar nicht mit Leid assoziiert.23 Aber ist der Hund deshalb
mehr wert als ein Schwein, weil er geliebt wird? Ist das Tier deshalb mehr schützenswert,
weil es sich aufgrund von bestimmten Fähigkeiten oder durch niedliches Aussehen die Liebe
21
Harrer, Tierschutz und Recht, 15.
Vgl. Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 130 f.
23
Maier, Zwischen Verdinglichung und Personenwürde?, JRP 2006, 202.
22
8
verdient hat? Es gilt daher genauer zu hinterfragen, ob der Wert eines Tieres aufgrund
unserer Zuneigung festgemacht werden soll oder ob nicht vielmehr als entscheidendes
Kriterium seine eigene Würde heranzuziehen wäre, sodass aufgrund des tierischen
Eigenwertes diese Schlechterstellung des Nutztieres unsachlich erscheint.24
In diesem Zusammenhang gilt es noch etwas genauer auf die ökonomischen Aspekte
einzugehen. Wie bereits erwähnt, erleben wir bei den Nutztieren aufgrund der
wirtschaftlichen Gewinnstrebungen und Rationalisierungsbemühungen Zustände, welche es
den Tieren unmöglich machen, ihren jeweiligen Bedürfnissen und Trieben nachzukommen.
Die „modernen Formen der hoch technisierten und industriellen Tiernutzung“ tragen zu
einer „neue[n] Qualität der Instrumentalisierung“ bei, so Maier. Durch die „Geheimhaltung“
dieser Praktiken wird der öffentliche Meinungsbildungsprozess erschwert, sodass es dem
Verbraucher für gewöhnlich nicht möglich ist, Tierschutzinteressen zu fördern und zu einer
verantwortungsbewussten Güterabwägung zu gelangen. Daher wird in der aktuellen
Tierethik zu Recht der Fokus auf die Nutztiere gelegt.25 Vor allem in der
Lebensmittelproduktion zeigt sich durch die radikale Industrialisierung ganz deutlich, dass
hier Tiere als Produktionseinheiten angesehen und damit zur bloßen „Sache“ degradiert
werden. Dem Wohlbefinden der jeweiligen Tiere kommt dabei zumeist keine besondere
Bedeutung zu. Der Konsument hinterfragt jedoch für gewöhnlich weder den Ursprung des
Endprodukts noch die dazu führenden Produktionsbedingungen. Marketing-technisch
versteht man es natürlich auch geschickt, durch spezielle Aufmachungen die Herkunft und
die leidverursachenden Umstände des Produktionsvorgangs zu verschleiern. Daher ist es
auch nicht weiter verwunderlich, dass beim Konsumenten keine allzu großen ethischen
Hemmnisse auftreten.26
24
Goetschel, Tiere klagen an, 24.
Maier, Zwischen Verdinglichung und Personenwürde?, JRP 2006, 202 f.
26
Vgl. Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 129 ff; Goetschel, Tiere klagen an, 33.
25
9
III.
TEIL 2 Inhaltliche Darstellung
D. Defizite bei der Rechtsverfolgung
Auch im Strafverfahren gilt es die entsprechenden Werteverschiebungen zu
berücksichtigen.
Die
Dissertation
soll
in
diesem
Zusammenhang
zunächst
die
verfahrensrechtlichen Probleme, die für die Interessenwahrung auf Seiten der Tiere im
Strafprozess hinderlich sind, beim Delikt der Tierquälerei aufgreifen und entsprechende
sachgerechte Lösungen anbieten.
Der klassische österreichische Strafprozess zeichnet sich im Allgemeinen dadurch aus,
dass zwischen der Anklagebehörde (Staatsanwaltschaft) und der Seite des Beschuldigten
„Waffengleichheit“ herrscht, was den Interessen eines Rechtsstaates entspricht. Ihnen steht
nämlich die volle Bandbreite an Rechtsbehelfen nach der StPO zur Verfahrensbeeinflussung
zur Verfügung.
In den letzten Jahren ging im Strafverfahren der Trend in die Richtung, dass auch den
Opfern immer mehr Rechtsbehelfe zur Verfügung gestellt wurden, sodass sie aktiv im
Prozess mitwirken können um dadurch ihre Interessen zu wahren. Als Beispiele können hier
die Möglichkeit der Privatbeteiligung, Akteneinsicht, Subsidiaranklage, Fortführungsantrag,
Stellen von Beweisanträgen oder das Recht auf Verständigung genannt werden. Das
bedeutet, dass neben den beiden Gegenpolen - Anklage und Verteidigung - noch jemand im
Verfahren mitwirkt. Dadurch werden weitere Instrumente geschaffen, um dem primären Ziel
der Strafverfolgung - der objektiven Wahrheitserforschung - gerecht zu werden.
Beispielsweise kann durch die Einbringung eines Fortführungsantrags des Opfers, die
Rechtmäßigkeit der Verfahrenseinstellung einer weiteren Kontrolle unterworfen werden.
Diese Möglichkeit der Mitwirkung weiterer Personen ist aber nicht bei allen Delikten
gegeben.
Zumeist
knüpft
diese
Mitwirkungsmöglichkeit
am
Verfahren
an
die
Opfereigenschaft gem. § 65 StPO an. Genau dieses Problem stellt sich aber zumeist bei der
Tierquälerei, da es bei § 222 StGB vielfach kein Opfer im Sinne der StPO gibt. Es stellt sich
somit die Frage, ob hier rechtsstaatliche Defizite bestehen und ob auch bei diesem Delikt
eine weitere Mitwirkung im Strafverfahren durch bestimmte Interessensgruppen möglich
10
und erwünscht ist. Das Tier ist jedenfalls nach unserer Rechtsordnung nicht Rechtsubjekt
und kann selbst keine subjektiven Rechte ausüben. Durch die bisher weitgehende
gesetzliche Behandlung des Tieres als Sache kann allenfalls der jeweilige Besitzer des Tieres
im Falle einer Schädigung (Sachbeschädigung(!)) die entsprechenden Verfahrensrechte
ausüben. Dies ist aber nur in jenen Fällen möglich, wo jemand ein Tier quält, das im
Eigentum einer anderen Person steht. Was ist jedoch, wenn es sich um ein wildes Tier
handelt oder jemand sein eigenes Tier quält?
Dass für eine effektive Rechtsverfolgung die sachenrechtlichen Besitzverhältnisse von
entscheidender Relevanz sein sollen, kann im Hinblick auf den bereits angesprochenen
Wertewandel und der damit verbundenen Stellung des Tieres im Gesamtgefüge der
Rechtsordnung nicht mehr haltbar sein. Wenn ein Tier gequält wird, dann kann dies nicht
vergleichbar sein, wie wenn eine x-beliebige Sache zerstört wird. Wie bereits oben
ausgeführt, wird nach den materiell rechtlichen Zielbestimmungen dem Tier ein Eigenwert
zugestanden, welcher zu einem anderen Umgang wie mit einer leblosen Sache verpflichtet.
Diesem im Vergleich zu einer Sache unterschiedlichem Rechtstatus des Tieres wird aber bei
den Durchsetzungsmöglichkeiten keine Rechnung getragen, was sich ganz deutlich beim
strafrechtlichen Delikt der Tierquälerei zeigt. Die Ausübung derartiger Verfahrensrechte
hängt nämlich von den sachenrechtlichen Besitzverhältnissen ab, sodass es für die Ausübung
der Opferrechte des Eigentums am Tier bedarf und insofern dadurch als Sachbeschädigung
zu qualifizieren ist. Wenn es also um eine effektive Rechtsdurchsetzung bei TierquälereiStraftaten geht, dann kommt es hier in erster Linie auf die sachenrechtlichen
Besitzverhältnisse an, weil nur dann die Ausübung der einzelnen Verfahrensrechte dem
Besitzer zugestanden wird und nicht auf den individuellen Eigenwert des Tieres. Die
strafrechtliche Verfolgung von zugefügtem Tierleid beschränkt sich also vorwiegend auf
Heimtiere, weil dort der emotionale Stellenwert des Tieres im Vordergrund steht.
Der Kernanwendungsbereich des Tierquälerei-Tatbestandes entpuppt sich auch generell
vorwiegend auf Haustiere beschränkt. „Missstände bei der Haltung von Nutztieren werden
zumeist großzügig als sozialadäquat eingestuft und daher in der Regel auch gar nicht als
11
tatbestandsmäßig angesehen“, so Maier. Das landwirtschaftlich bzw. fabriksmäßig genutzte
Tier wird also kaum vom Schutzbereich des § 222 StGB erfasst.27
Es besteht somit gewiss auch im Strafverfahren das Bedürfnis, entsprechende
Ungleichlagen zu korrigieren, um die Interessenwahrung der Tiere aufgrund ihrer eigenen
Würde
zu
fördern.
So
wie
bei
anderen
Delikten,
wo
Opfer
entsprechende
Verfahrenshandlungen setzen können, gibt es in diesen Fällen jedoch niemanden, der für
das „Opfer“ entsprechende Rechte im Verfahren ausüben kann. Es stellt sich in diesem
Zusammenhang die Frage, ob man beim Tier überhaupt von einem Opfer sprechen kann. Ist
diese strikte Trennung von Subjekt/Objekt wirklich angemessen oder lässt sich für Tiere ein
aufgewerteter „Objektsbegriff“ definieren, sodass im Hinblick auf die Opferrechte dem Tier
oder beispielsweise einem Tierschutzverein eine effektivere Geltendmachung von
Opferinteressen zugestanden werden kann?
Es gibt also auf Seiten der Tiere Probleme, die Verfahrensrechte der StPO auszuüben.
Wenn beispielsweise der Tierschutzverein als Anzeiger einer Tierquälerei auftritt, dann
obliegt die Strafverfolgung allein der Staatsanwaltschaft, ohne der Möglichkeit das
Verfahren von außen beeinflussen zu können. Es wurden zwar in der Vergangenheit einzelne
Verfahrenshandlungen zugelassen (z.B. Fortführungsantrag vom Tierschutzverein), doch
begründen regelmäßig die statutenmäßigen Ziele eines ideellen Vereins keine rechtlichen
Interessen im Sinne der StPO, welche zur Ausübung von sogenannten Opferrechten
berechtigen würden. Gerade weil es vielfach kein Opfer nach der StPO gibt, wird die
Verfolgung dieses Delikts von der Staatsanwaltschaft etwas vernachlässigt. Was dazu führt,
dass in jenen Bereichen, wo die Mitwirkung am Strafverfahren an die Opfereigenschaft
gebunden ist, im Vergleich zu anderen Delikten eine Ungleichlage besteht, sodass insofern
von fehlender „Waffengleichheit“ gesprochen werden kann.
Wenn man sich konkrete Zahlen für das Jahr 2011 ansieht, dann kam es bundesweit zu
620 Strafanzeigen nach § 222 StGB. Es wurden insgesamt 118 Strafverfahren geführt und es
kam zu 60 rechtskräftigen Verurteilungen. Auch diversionelle Erledigungen durch die
Staatsanwaltschaft (68) spielten im Jahr 2011 eine nicht unbedeutende Rolle.28
27
Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 170 f.
Vgl. parlamentarische Anfrage 10302/J-NR/2012 betreffend „Anzeigen bzw. Strafverfahren nach § 222 StGB
(Tierquälerei) im Jahr 2011“ und Beantwortung 10214/AB-NR/2012.
28
12
Auch im Verwaltungsverfahren, wo zur Interessenwahrung des Tierschutzes dem
Ombudsmannkonzept gefolgt wird, zeigen sich gewisse Unklarheiten, Schwächen und
verbesserungsbedürftige Lücken. Beziehen sich seine Befugnisse nach § 41 Abs. 4 TSchG
doch ausdrücklich nur auf das TSchG. Das neue Tierversuchsgesetz 2012 sieht lediglich vor,
dass die Tierschutzombudsleute über die Kontrollen durch die zuständigen Behörden zu
informieren sind. Weitere tierschutzrelevante Regelungsbereiche wie etwa die Jagd oder
Fischerei sind nach wie vor seiner Kontrolle entzogen.29 Aber es zeigt sich auch hier meines
Erachtens eine deutliche systemwidrige Ungleichlage dahingehend auf, dass bei der
gerichtlich strafbaren Tierquälerei nach § 222 StGB einem Ombudsmann keine
Interessensvertretung des Tierschutzes zugestanden wird. Dagegen wird ihm bei den
Verwaltungsstraftatbeständen, welche aufgrund ihrer Subsidiarität geringer gewichtet
werden, nach § 41 TSchG Parteistellung eingeräumt. Auch wenn es sich um verschiedene
Verfahrensarten handelt, erscheint dieses Ungleichgewicht für die Interessenwahrnehmung
nicht gerechtfertigt.
Es bleibt also festzuhalten, dass sich hier sowohl rechtstaatliche als auch systematische
Defizite und Lücken aufzeigen, welche es herauszufiltern und zu thematisieren gilt. Da es
sich beim Tierschutzrecht aber wie angesprochen um einen innovativen Rechtsbereich
handelt, sind in diesem stetigen Weiterentwicklungsprozess die Aussichten sehr
vielversprechend dahingehend, dass die tierischen Interessen zukünftig noch stärker
Berücksichtigung finden werden.
IV.
KERNFRAGEN UND ZENTRALE ZIELSETZUNGEN
Das Hauptaugenmerk der Dissertation soll zunächst auf den Status „Tier“ sowohl aus
rechtlicher als auch aus gesellschaftlicher Sicht gerichtet werden. Ausgegangen von der
historischen Entwicklung gilt es die unterschiedlichen philosophischen Ansätze zu
thematisieren. War doch die Tierethikdebatte lange Zeit einseitig utilitaristisch besetzt,
wonach es die Summe des Glücks in der Welt zu vermehren bzw. die Summe des Leidens zu
vermindern gilt. Entscheidendes Kriterium für die Berücksichtigung eines Wesens soll
29
Vgl. Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz?, 138 f.
13
demnach seine Leidensfähigkeit sein. Diese Einstellung wurde dann aber durch zunehmende
Vielfalt von moralphilosophischen Positionen aufgelockert.30
Tierethik liefert die notwendige Grundlage für das positivierte Tierschutzrecht. Dieses
wird dogmatisch beleuchtet und auf seine Widersprüchlichkeiten im
Gesamtkonzept
untersucht. Es soll die rechtliche Behandlung des Tieres thematisiert und auf die speziellen
Eigenheiten und Probleme im gerichtlichen Straf- bzw. Verwaltungsstrafverfahren
eingegangen werden. Es werden die rechtsstaatlichen Defizite aufgezeigt und sachgerechte
Lösungsmöglichkeiten (auch anhand der geltenden Rechtslage) angeboten. Durch
Interpretation, Anwendung und Weiterentwicklung der Schutzgarantien im Tierschutzrecht
sollen Ansätze aufgezeigt werden, um die strenge systematische Zuordnung von
Subjekt/Objekt zu überwinden. Es ist klar, dass vor allem beim Thema Tierschutz die
Faktoren Ethik, Moral und Emotionen eine wesentliche Rolle spielen. Der Verweis auf die
Emotionen muss jedoch nicht der Vernunft widersprechen. Diese gilt es vielmehr in den
politischen Diskurs einzubeziehen, da ansonsten Stillstand im Tierschutz vorprogrammiert
ist.
Ein Blick über die Grenzen soll Optionen aufzeigen, wie eine effektive Rechtsverfolgung
verwirklicht werden kann. Demnach werden in der Schweiz griffige Vollzugsstrukturen
geschaffen, wie etwa bei der Polizei speziell eingerichtete Fachstellen für Tierdelikte. So wird
beispielsweise im Kanton Bern auf hochmoderne Maßnahmen gesetzt. Wie bei der
Untersuchung von Gewaltdelikten gegen Menschen, werden auch bei Tierdelikten
Obduktionen vorgenommen und DNA-Proben entnommen. Als weitere Besonderheit findet
sich im Kanton St. Gallen ein auf Tierrecht spezialisierter Staatsanwalt.31 Generell nimmt die
Schweiz in vielen Bereichen des Tierschutzes eine Vorzeigerolle ein.
Ein weiterer Ansatz wäre wie in Deutschland auch gerade zur Diskussion steht, das Recht
zur Tierschutz-Verbandsklage. Dort gibt es teilweise schon auf Landesebene die Möglichkeit
für bestimmte Verbände, vor den Behörden und Gerichten Rechtshandlungen vorzunehmen.
Als konkretes Beispiel sei erwähnt, dass in Bremen diese Möglichkeit bereits seit dem Jahr
2007 besteht.32
30
Wolf, Texte zur Tierethik, 9 ff.
siehe http://www.tierimrecht.org/20min_1612211.pdf.
32
siehe Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine v. 25.09.2007 (Brem. GBl. Nr.46 S. 455).
31
14
Denkbar wäre noch als radikalste Form der Förderung tierischer Interessen, den Tieren
selbst Rechte zuzugestehen. Ohne den Personenstatus in Frage stellen zu wollen, wäre es
laut Maier in Anlehnung an die Zuerkennung der Rechtsfähigkeit von juristischen Personen,
welche durch Organe vertreten werden oder unmündigen Personen, die durch einen
gesetzlichen Vertreter oder gerichtlich bestellten Sachwalter zu Handlungen befähigt
werden, durchaus denkbar, ein derartiges Vertretungsmodell auch für Tiere zu entwickeln.33
Abschließend sollte noch aufgezeigt werden, welche gesetzlichen Änderungen
vorgenommen bzw. welche zu schaffenden Institutionen in diesem Bereich sinnvoll wären.
Auch auf die Gefahren bzw. Probleme ist einzugehen, die sich in diesem Zusammenhang
ergeben können.
Ziel der Dissertation ist es, den Status des konkreten Tieres nicht von zufälligen
Umständen, sondern vielmehr an seinem jeweiligen Eigenwert ausgehend von seiner
„Würde“ auszumachen. Dies soll als Basis für einen gesellschaftlichen Konsens dienen,
welcher für eine Besserstellung des Tieres hilfreich sein soll. Durch die Herausarbeitung der
rechtsstaatlichen Defizite und der Verbindung von Ethik und Dogmatik sollen in diesem
innovativen Rechtsbereich weitere wertvolle Ansätze für eine Weiterentwicklung der
modernen Tierrechtsdebatte geliefert werden.
V.
STAND DER FORSCHUNG
Es gibt natürlich schon zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, welche sich mit den
Themen Tierschutz, Tierethik, Tierstatus und Tierrechte befassen. Eine Vielzahl davon ist im
philosophischen Bereich angesiedelt und betrifft die verschiedensten ethischen Ansätze. Zu
Beginn wurde die Tierethik beherrscht vom so genannten Anthropozentrismus und damit
bloß indirekt begründete Pflichten gegenüber Tieren. Es kann dabei aber auch ganz
allgemein vom kantianischen Ansatz angesprochen werden. Schon die Autoren des ABGB
orientierten sich bei der Festlegung des Personenbegriffs und der Unterscheidung zu
Objekten an der Auffassung Kants. Wenn es darum geht, Rechtsfähigkeit auch für Tiere in
Erwägung zu ziehen, dann muss dies nach Kant verneint werden. Demnach können nur
33
Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 177 f.
15
Menschen moralisch und rechtlich verpflichtet werden, da nur sie zum Vernunftgebrauch
fähig sind. Tiere können nicht als Rechtsubjekt anerkannt werden, da ihnen die Eigenschaft
fehle, nach vernünftigen Prinzipien zu denken und sich wechselseitig anderen gegenüber zu
verpflichten.34
Als Replik darauf war in der Folge die Tierethik überwiegend von utilitaristischen
Positionen besetzt. Als wichtiger Name sei hier Peter Singer genannt, welcher die moderne
Tierethikdiskussion angestoßen hat. Weiters sind noch für den philosophischen Bereich die
Formen von Kontraktualismus, Mitleidsethik, Tugendethik oder Ethik der Fürsorge von
Bedeutung. Für den aktuellen Diskurs sei noch auf Martha C. Nussbaum als namhaften
Vertreter des Aristotelismus hingewiesen.
Besonders häufig wurde am polarisierenden Beispiel des „Schächtens“ die Tierquälerei
sowohl im Strafrecht als auch verfassungsrechtlich im Zusammenhang mit den Grundrechten
in Lehre und Rechtsprechung thematisiert. Der Gesetzgeber muss sich laufend mit der
Tierrechtsentwicklung auseinandersetzen. Beispielsweise trat mit Jahresbeginn das neue
Tierversuchsgesetz 2012 in Kraft, dessen Umsetzung auf der EU-Richtlinie 2010/63 beruhte.
Die tendenziellen Entwicklungen betreffend die Stellung des Tieres in der Gesellschaft sind in
den verschiedenen Rechtsordnungen zu berücksichtigen. Nach einer heftigen öffentlichen
Debatte bezüglich Verankerung des Tierschutzes in der österreichischen Bundesverfassung
in Form einer Staatszielbestimmung, wurde dies nun auch am 13.06.2013 im Nationalrat
(„Die Republik Österreich bekennt sich zum Tierschutz“) beschlossen. Auch wenn nunmehr
der Tierschutz in die österreichische Verfassung Eingang gefunden hat, kann als
fortschrittliches Beispiel wieder auf unser Nachbarland Schweiz verwiesen werden, welche
schon seit längerem den Tierschutz in der Bundesverfassung verankert hat. Zusätzlich wurde
diese Bestimmung noch durch den „Schutz der Würde der Kreatur“35 ergänzt.
Generell handelt es sich beim Tierschutzrecht um ein Rechtsgebiet, wo rechtspolitische
Fragestellungen eine große Rolle spielen und vor allem ethische Ansätze eine bedeutende
Relevanz haben und von dogmatischen Fragen kaum zu trennen sind.
34
35
Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft, 167.
siehe Art. 120 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
16
VI.
METHODEN & MATERIAL
Für dieses Dissertationsvorhaben besteht kein besonderer Finanzierungsbedarf. Es
werden keine Geldmittel der Fakultät erforderlich sein.
Bei meinen Recherchetätigkeiten werde ich die grundlegenden wissenschaftlichen
Methoden der Literatur- und Onlinerecherche anwenden, sowie die typischen juristischen
Methoden der Judikaturanalyse und der Interpretationsmethoden. Dabei wird die breite
tierethische Literatur der letzten Jahrzehnte im Hinblick auf den Tierstatus herangezogen.
Außerdem werden die entsprechenden Gesetze und einschlägigen Rechtsnormen im
Zusammenhang mit den dazugehörigen Entscheidungen untersucht. Beim strafrechtlichen
Teil werden der Schwerpunkte auf § 222 StGB und die im Zusammenhang stehenden
verfahrensrechtlichen
Bestimmungen
der
StPO
gelegt.
Auch
die
subsidiären
Straftatbestände im TSchG sollen in entsprechendem Ausmaß eine Rolle spielen.
Dazu ist es notwendig die entsprechenden Literaturwerke, Gesetzestexte, Entwürfe,
Verordnungen, Kommentare und sonstigen weiterführenden Schriftsätze zu studieren.
Wichtige Anhaltspunkte und Hilfestellungen bieten auch die gerichtlichen und
verwaltungsbehördliche Entscheidungen. Über diverse Rechtsdatenbanken hat man einen
einfachen Zugang zu wissenschaftlichen Beiträgen und die Fachbereichsbibliothek
Rechtswissenschaften sowie die Bibliothek der Universität Wien im Hauptgebäude verfügen
über
eine
große
Auswahl
an
relevanten
Werken.
Gerade
Homepages
von
Tierschutzorganisationen werden wichtige Anhaltspunkte für Recherchetätigkeiten liefern.
Als nützlich könnte es sich auch erweisen, Organisationen bzw. Interessensgruppen zu
kontaktieren,
um
sich
nach
deren
bisherigen
Erfahrungswerten
bei
ihren
Rechtsverfolgungsbemühungen in derart gelagerten Fällen zu erkundigen.
VII. ARBEITS- UND ZEITPLAN
Der Studienplan für das Doktoratstudium sieht eine Mindestdauer von 6 Semestern vor.
Ich habe mich im WS 2012/13 für das Doktorat inskribiert. Aus dem Katalog der
verpflichtenden Lehrveranstaltungen habe ich die Vorlesung zur rechtswissenschaftlichen
Methodenlehre und den Kurs zur Textanalyse bereits während des Diplomstudiums
17
absolviert. Im WS 2012/13 habe ich von den sonstigen laut Studienplan geforderten
Lehrveranstaltungen
ein
Seminar
und
Wahlfächer
im
Ausmaß
von
5
Semesterwochenstunden besucht.
Ein vorläufiger Zeitplan des Doktoratstudiums für die nächsten 6 Semester könnte wie
folgt aussehen:
Wintersemester 2012/13: - Absolvierung eines Teils der verpflichtenden
Lehrveranstaltungen, -Themenfindung
Sommersemester 2013: - Seminar zur Vorstellung des Dissertationsvorhabens, Materialbeschaffung , - Absolvierung des restlichen Teils der verpflichtenden
Lehrveranstaltungen
Wintersemester 2013/14: - Einreichung des Exposè und des Antrags auf Genehmigung des
Dissertationsvorhabens, - Abschluss der Dissertationsvereinbarung, - Beginn mit der
Abfassung der Dissertation
Sommersemester 2014: - Abfassung der Dissertation
Wintersemester 2014/15: - Abfassung der Dissertation
Sommersemester 2015: - Korrektur und Überarbeitung der Dissertation, - öffentliche
Defensio
Viertel- oder Halbjährliche Berichterstattungen an den/die Betreuer und Besprechungen
sollen zur Qualitätssicherung der Arbeit beitragen.
VIII. MÖGLICHER AUFBAU DER DISSERTATION
Es soll vorerst nur eine vorläufige grobe Gliederung der Arbeit vorgenommen werden, da
sich erst nach der endgültigen Auswertung des gesammelten Materials der sinnvollste und
zweckmäßigste Aufbau ergeben wird. Auf eine detaillierte Gliederung wird daher noch
verzichtet und die Flexibilität im Hinblick auf den Einbau etwaiger weiterer Punkte gewahrt.
Diese Kapitel sollen aber essentielle Bestandteile der Dissertation darstellen:
18
A.) Historische Wurzeln
-bedeutende Entwicklungen beim tierrechtlichen Status
-Anstoß der modernen Tierethikdiskussion
-philosophische Positionen der Tierethik
B.) Die Stellung des Tieres im rechtlichen Gefüge
-Weg bis zur Anerkennung der Tiere als eigenständige Schutzobjekte
-Differenzierung/Abstufung der Artenvielfalt
-starre Trennung von Objekt/Subjekt (kantianische Ansichten)
-Kompetenzgrundlagen
-Widersprüchlichkeiten und fehlende Harmonisierung (Schutzstandards)
C.) Die Stellung des Tieres in der Gesellschaft
-Kontroversen Nutztier/Heimtier
-ökonomische Faktoren, Ausschluss der Öffentlichkeit
-Tierrechtsbewegung
-Tierschutz als gesellschaftliche Aufgabe
-Sensibilisierung als wesentlicher Faktor
D.) Tierethik und Tierschutzrecht
-Ethik als Grundlage der gesetzlichen Normierungen
-Gesetzliche Normierungen als Minimalstandards
-Bestimmung des gegenwärtigen Tierstatus
-„Würde“ als entscheidendes Kriterium
E.) Materiell rechtliche Bestimmung des § 222 StGB
-Relevanz im österreichischen Strafrecht (ausgewählte Fälle)
-Vergleiche mit Strafbestimmungen des Verwaltungsrechts
F.) Aspekte der effektiven Strafverfolgung
-Opferstellung und Opfereichenschaft (opferloses Delikt?)
-Mitwirkung ideeller Vereine und Interessensgruppen an der Strafverfolgung
-Rechtstaatliche Defizite (Waffengleichheit)
-Bedarf nach weiteren Kompetenzen (Vertretungsmodelle)
G.) Einzelne Verfahrensrechte
-Anzeige, -Information, -Akteneinsicht, -Privatbeteiligung, -Fortführungsantrag
H.) Relevanz der sachenrechtlichen Besitzverhältnisse
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-Haustier (Konkurrenz zu § 125 StGB)
-wildes Tier
I.) Diversion bei § 222 StGB
J.) Tierquälerei nach TSchG – Verwaltungsstrafverfahren
-Kompetenzen nach dem Ombudsmannkonzept
K.) Rechtsvergleich (Schweiz)
L.) Empfehlungen, Lösungen
M.) Zusammenfassung & Ausblick
IX.
VORLÄUFIGE LITERATUR
Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht – Besonderer Teil II10 (2012).
Binder/von Fircks, Das österreichische Tierschutzrecht2 (2008).
Bollinger, Europäisches Tierschutzrecht (2000).
Budischowsky, Tierschutz im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, RdU
2010/121.
Bumberger, VwGH-Rechtsprechung zum Verwaltungsstrafverfahren 2009, ÖJZ 2010/30.
Bydlinski, Das Tier, (k)eine Sache? RdW 1988, 157.
Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft : eine rechtliche
Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage (1999).
Caspar, Zur Stellung des Tieres im Gemeinschaftsrecht (2001).
Dahs, Ethische Aspekte im Strafverfahren? (2004).
Fabrizy, Die österreichische Strafprozessordnung10 (2008).
Fabrizy, Strafgesetzbuch10 (2010).
Gaisbauer, Das österreichische Tierschutzrecht im Spiegel der Rechtsprechung, ÖJZ 1986,
714.
Gaisbauer, Grundloses Töten von Tieren und Tierschutzrecht, ÖGZ 2/1998.
Goetschel, Tiere klagen an (2012).
Harrer/Graf (Hrsg), Tierschutz und Recht (1994).
Herbrüggen, Anpassung des innerstaatlichen Tierschutzrechtes an europarechtliche
Vorgaben, ÖZW 2003, 98.
20
Herbrüggen, Österreichisches Tierschutzrecht im Lichte der Europäischen Integration (2001).
Herbrüggen/Randl/Raschauer/Wessely, Österreichisches Tierschutzrecht2, Bd 1:
Tierschutzgesetz (2006).
Hinterhofer, Strafrecht Besonderer Teil II5 (2012).
Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum StGB (2009).
Irresberger/Obenaus/Eberhard, Tierschutzgesetz (2005).
Kallab/Kallab/Noll (Hrsg), Bundestierschutzgesetz II (2005).
Lurf, Opferschutz im Strafverfahren (2012).
Maier, Haben Tiere Rechte? Tierethik in der Konsumgesellschaft (2008).
Maier, Paradigmenwechsel im Tierschutz? Auf dem Weg zur Revision des moralischen und
rechtlichen Status von Tieren (2012).
Maier, Zwischen Verdinglichung und Personenwürde? Das Tier in der aktuellen
rechtsethischen Diskussion, JRP 2006, 196.
Maleczky, Strafrecht Allgemeiner Teil II13 (2009).
Mayerhofer (Hrsg), Das österreichische Strafrecht. Teil 2, Strafprozessordnung6 (2011).
Michel, Die Würde der Kreatur und die Würde des Tieres im schweizerischen Recht (2012).
Norer (Hrsg), Handbuch des Agrarrechts2 (2012).
Nussbaum, Die Grenzen der Gerechtigkeit (2010).
Ottensamer, Ausgewählte Aspekte des österreichischen Tierschutzgesetzes (2006).
Pühringer, Die Rechte von Opfern im österreichischen Strafverfahren (2011).
Raschauer, Die Parteistellung des Tierschutzombudsmanns nach § 41 Abs 4 TSchG, RdU
2007/47.
Rau, Praktische Probleme der Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von
Tierschutzstraftaten (2009).
Safferling, Die Rolle des Opfers im Strafverfahren (2010).
Schlitt, Haben Tiere Rechte? ARSP 1992.
Singer, Ethik (1994).
Walther, Interessen und Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren (2009).
Wessely, Strafprozessrecht6 (2012).
Wieshaider, Iterum: Schächten, öarr 2005, 227.
Wolf, Texte zur Tierethik (2008).
Wolf, Tierethik (1992).
21
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